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08.10.2021 | Geldpolitik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Eine deutlich expansive Wirtschaftspolitik bleibt erforderlich

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

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Die aktuellen Preisanstiege, allen voran bei Energie und Rohstoffen, sind historisch, wie eine Statistik für August 2021 belegt. Welcher geldpolitische Handlungsbedarf sich aus der aktuellen Entwicklung ergibt, analysiert die Ökonomin Silke Tober.

Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte sind im August 2021 laut Statistischem Bundesamt (Destatis) um 12,0 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Dabei handelt es sich um den höchsten Anstieg innerhalb eines Jahres seit Dezember 1974. Damals lag die Preissteigerung, getrieben von der ersten Ölkrise, bei 12,4 Prozent. Für Juli 2021 gaben die Statistiker eine Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr von 10,4 Prozent an. Im Juni 2021 lag der Wert bei 8,5 Prozent. Gegenüber dem Vormonat stiegen die gewerblichen Erzeugerpreise in diesem August um 1,5 Prozent.

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Kann Geldpolitik die Marktängste zerstreuen?

Die Krise der Eurozone hat es gezeigt: Die Tragbarkeit der Staatsschulden ist begrenzt. Jedoch ist kaum etwas so unsicher wie die Erwartungen über die künftige Fiskalpolitik eines Landes und so schwierig wie die Einschätzung der staatlichen Kreditwürdigkeit. Geht das Vertrauen verloren und breiten sich Misstrauen und Angst aus, dann setzt eine unkoordinierte Kapitalflucht ein. Sie lässt die Zinsen schlagartig ansteigen, verschärft die Krise erst recht und kann im schlimmsten Fall eine Insolvenz herbeizwingen. Kann die Zentralbank mit ihrer Geldpolitik die Marktängste zerstreuen und eine prekäre Lage stabilisieren?

Als Hauptgründe für die gegenwärtige Entwicklung gibt Destatis die Preisanstiege bei Energie und sogenannten Vorleistungsgütern an. Erstere schossen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 24,0 Prozent in die Höhe und lagen um 3,3 Prozent höher als im Juli 2021. Im Bereich Energie liegt Erdgas in der Verteilung mit einem Plus von 44,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ganz oben. Mineralölerzeugnisse sind laut Statistik gegenüber August 2020 um 30,5 Prozent geklettert. Ohne Berücksichtigung von Energie waren die Erzeugerpreise 8,3 Prozent höher als im August 2020. 

Preise für Holz, Roheisen und Stahl steigen massiv

Für sogenannte Vorleistungsgüterwaren stellte Destatis ein Plus von 17,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und 1,4 Prozent gegenüber Juli 2021 fest. Besonders deutlich fiel der Preisanstieg gegenüber dem Vorjahr bei Nadelschnittholz (124 Prozent) und Sekundärrohstoffen (104 Prozent) aus. 

Metalle waren im Durchschnitt insgesamt 34,9 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Die Preise für Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen lagen um 58,0 Prozent höher. Die Behörde führt den derzeitigen Trend bei den Stahl- und Holzpreisen unter anderem auf die hohe Nachfrage im In- und Ausland zurück.

Preissteigerungen sind temporäres Problem

Sowohl der Ölpreisanstieg als auch die Lieferprobleme sind ausgeprägter und länger anhaltend als noch im Frühjahr 2021 überwiegend erwartet wurde. Dennoch werden die hohen Preissteigerungsraten aus heutiger Sicht ein temporäres Phänomen bleiben, da nennenswerte Zweitrundeneffekte, die eine Preis-Lohn-Spirale in Gang setzen könnten, ausbleiben dürften", kommentiert Silke Tober, Leiterin des Referats Geldpolitik am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf, die aktuelle Lage.

Im Beitrag "Inflation 2021: kein geldpolitischer Handlungsbedarf" der Zeitschrift "Wirtschaftsdienst" (Ausgabe 9 | 2021) bewertet die Ökonomin die aktuelle Lage und die Folgen für Inflation und Geldpolitik. Aktuell sei die zugrundeliegende Inflationsdynamik im Euroraum noch so gering, dass das Inflationsziel von zwei Prozent selbst 2023 noch nicht erreicht werden dürfte. "Daher ist weiterhin eine deutlich expansive Wirtschaftspolitik erforderlich, wobei die Geldpolitik umso expansiver sein muss, je geringer der stabilitätspolitische Beitrag der nationalen Fiskalpolitiken ist."

Mit ihrem symmetrischen Inflationsziel von zwei Prozent habe die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Strategie an denen anderer Zentralbanken wie der Federal Reserve, der Bank of England, der Bank of Canada und der Bank of Japan angeglichen. Zugleich habe das Institut klargestellt, dass es erst dann eine geldpolitische Straffung vornehmen wird, wenn absehbar ist, dass das Inflationsziel nachhaltig erreicht wird.

Preisausblick gebietet keinen geldpolitischen Handlungsbedarf

"Angesichts der Kombination aus Preisschocks und wirtschaftlicher Erholung im Euroraum ist es vertretbar zu argumentieren, dass bei den Risiken für den Preisausblick derzeit die Aufwärtsrisiken überwiegen. Jedoch lässt sich daraus kein geldpolitischer Handlungsbedarf ableiten", meint die Düsseldorfer Wirtschaftsexpertin in ihrem Fazit. 

Die Pandemie sei für den Euroraum "eine Krise in der Krise". Die Erholung nach dem Wirtschafts- und Finanzeinbruch der Jahre 2008 und 2009 sei bei Ausbruch von Covid-19 noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Expertin empfiehlt:

Die EZB muss rechtzeitig reagieren, damit die zugrundeliegende Inflation nicht nachhaltig über das Inflationsziel hinausschießt, sie muss aber lang genug stark expansiv bleiben, um den Abbau der hohen Unterbeschäftigung zu ermöglichen. Günstig wäre ein mehrjähriges überdurchschnittliches, investitionsbasiertes und klimaförderndes Wachstum, das es dem Euroraum erlaubt, aus der erhöhten Staatsverschuldung herauszuwachsen sowie die hohe Unterbeschäftigung abzubauen, und der EZB einen behutsamen Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik ermöglicht."

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