Die Geschichte der Grünen Gentechnik ist eng mit der Entdeckung des Bodenbakteriums Agrobacterium tumefaciens und der Entschlüsselung der Biologie der Wurzelhalstumoren verbunden (► Abschn. 10.2). Bereits im Jahr 1907 konnten die amerikanischen Forscher Smith und Townsend nachweisen, dass A. tumefaciens der Verursacher der Wurzelhalstumoren ist. Da A. tumefaciens im Gegensatz zu vielen anderen phytopathogenen Bakterien, die meist ein Absterben des infizierten Wirts zur Folge haben, ein unkontrolliertes Zellwachstum und damit eine Tumorbildung induziert, wurde das Bakterium in den 1940er-Jahren intensiv studiert. Hierbei hat man beobachtet, dass A. tumefaciens zwar nicht in die Wirtszelle eindringt, aber den infizierten Pflanzenzellen dennoch die Fähigkeit verleiht, in Sterilkultur ohne Zusatz von Phytohormonen zu wachsen. Da das Wachstum der Pflanzenzellen auch ohne nachweisbare Bakterien über mehrere Jahre erfolgte, formulierte Braun (1947) die Hypothese des tumorinduzierenden Prinzips (engl. tumor-inducing principle, TIP). Entsprechend dieser Hypothese nahm Braun an, dass die Bakterien in der Lage seien, tumorinduzierende Faktoren in die Wirtszelle zu injizieren, die sich anschließend in den Zellen replizieren, da ein Verdünnungseffekt auch über Jahre nicht beobachtet wurde. Zwanzig Jahre später gelang Schilperoort (1967) der Nachweis bakterieller DNA im Genom der Wirtspflanze. Spätere vergleichende Analysen von onkogenen und nichtonkogenen A. tumefaciens-Stämmen zeigten, dass die tumorinduzierende Eigenschaft an die Anwesenheit eines extrachromosomalen Plasmids gekoppelt ist (Zaenen et al. 1974). Durch den Transfer des Plasmids ließen sich nichtonkogene Bakterien in onkogene Bakterien überführen; woraufhin es als Ti-(tumorinduzierendes) Plasmid bezeichnet wurde (Van Larebeke et al. 1975). Einige Jahre später (1977) wurde die Struktur des Ti-Plasmids aufgeklärt und man konnte zeigen, dass ein bestimmter Teil des Plasmids, die Transfer-DNA oder T-DNA, in das Wirtsgenom integriert wird. Damit war der Weg zur Nutzung von A. tumefaciens als natürliche Genfähre zur Erzeugung transgener Pflanzen geebnet. Die Etablierung des Ti-Plasmids oder sogenannter entwaffneter (engl. disarmed) Varianten des Ti-Plasmids als Werkzeug der Grünen Gentechnik verlief über mehrere Stufen. Zunächst zeigten Hernalsteens et al. (1980), dass sich das Ti-Plasmid zur Übertragung von Fremd-DNA in das Wirtsgenom eignet und die eingebrachte DNA nach den Mendel’schen Regeln auf die Nachkommen vererbt wird (1981). Im Jahr 1983 publizierten drei Labors – Monsanto (Fraley et al. 1983; USA), Chilton (Bevan et al. 1983; USA) und Schell, Van Montagu (Koncz et al. 1983; Belgien, Deutschland) – mehr oder weniger gleichzeitig die erfolgreiche Transformation und Regeneration normal wachsender Tabakpflanzen, womit das Zeitalter der transgenen Pflanzen eingeläutet wurde. Hierfür waren die Entwicklung selektiver Markergene und die Entfernung der tumorinduzierenden Eigenschaften erforderlich. Galt in den frühen Jahren des Gentransfers A. tumefaciens nur zur Transformation von zweikeimblättrigen Pflanzen als geeignet, so zeigten Arbeiten in den frühen 1990er-Jahren, dass auch einkeimblättrige Pflanzen mittels A. tumefaciens transformiert werden können (Chilton, 1993). Mittlerweile gilt der Agrobacterium-vermittelte Gentransfer als Standard für alle Kulturpflanzen (► Abschn. 10.3). Über Risiken und Chancen des Einsatzes gentechnisch veränderter Nutzpflanzen wird kontrovers diskutiert. Vor allem ökologische und evolutionsbiologische Konsequenzen ihres weltweiten Einsatzes verdienen eine sorgfältige Untersuchung. Die ersten kommerziellen transgenen Pflanzen wurden im Jahr 1996 in den USA angebaut. Seitdem steigt die weltweite Anbaufläche kontinuierlich und erreichte im Jahr 2017 eine Fläche von 189,9 Mio. Hektar. Dies entspricht ca. 13,6 % der weltweit genutzten Ackerfläche und ca. dem 16-Fachen der deutschen Ackerfläche von 11,8 Mio. Hektar. Die Statistik des weltweiten Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen wird in 2017 durch Nordamerika (88,1 Mio. Hektar) und Süd- und Mittelamerika (79,6 Mio Hektar) dominiert, Indien folgt mit 11,4 Mio. Hektar. Die wichtigsten gentechnisch veränderten Kulturpflanzen sind Sojabohnen, Mais, Baumwolle und Raps. Im Jahr 2017 machte die Sojabohne alleine ca. die Hälfte der angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen aus. Die Zahl weiterer Nutzpflanzen steigt jedoch und umfasst u. a. Zuckerrüben, Luzerne, Kartoffeln, Zucchini, Aubergine, Ananas, Papaya und Apfelbäume. Die vorrangig eingeführten Veränderungen umfassen die Herbizidtoleranz, die Insektenresistenz bzw. Kombinationen aus beiden (► Abschn. 10.4).
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