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18.07.2016 | Industrie 4.0 | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wird Deutschland beim "Internet of Things" abgehängt?

verfasst von: Detlev Spierling

5:30 Min. Lesedauer

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Angesichts der US-Dominanz in vielen IT-Feldern befürchten Unternehmen, dass Deutschland hinter den USA und Asien zurückfällt.. Ein Grund hierfür dürften die unterschiedlichen Innvovationsstrategien in den USA und Deutschland sein.

Acht von zehn Mitgliedsunternehmen des "Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V." (VDE) sind besorgt: Laut dem neuen “VDE-Trendreport 2016 Internet of Things/Industrie 4.0“ befürchten die befragten deutschen IT-Anbieter von technischer Software und Internet-Plattformen im weltweiten Innovationswettlauf abgehängt zu werden und bei neuen Technologietrends wie dem “Internet of Things“ irgendwann nur noch "in der Kreisliga" mitszuspielen. Danach halten 72 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen das "Internet of Things“ (IoT) in zehn Jahren für realisiert.

Die Hälfte der befragten Unternehmen sehen die Gefahr, dass die deutsche Industrie zu lange an klassischen Technologien, Methoden, Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodellen festhält. Auf die Frage, ob ihr Unternehmen sich bereits mit IoT befasst, bejahen dies nur drei von zehn Unternehmen. Entsprechend zurückhaltend schätzen die Unternehmen die aktuelle Position Deutschlands im internationalen Innovationswettlauf ein.

Die deutsche Industrie scheut disruptive Konzepte

Der Grund für die Zurückhaltung der deutschen Industrie gegenüber diesen und anderen IT-Trends liegt nach Auffassung von August-Wilhelm Scheer — einem der großen deutschen IT-Pioniere — in den unterschiedlichen Innovationsstrategien dies- und jenseits des Atlantiks. Der ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzende der IDS Scheer AG und Ex-Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken schreibt unter der Kapitelüberschrift "Industrie 4.0: Von der Vision zur Implementierung“:

Bei der Blue Ocean-Strategie wird eine disruptive Innovation durch Industrie 4.0 angestrebt. Dieses bedeutet, dass mit dem Bestehenden gebrochen wird und quasi auf der grünen Wiese ein neues Unternehmen mit neuem Businessmodell gegründet wird. Beispiel dafür kann das Google-Auto sein. Gegenwärtig steht ein PKW 95 Prozent seiner Zeit still und wird nur zu 5 Prozent gefahren. Beim Google-Auto soll dieses Verhältnis umgekehrt werden: Es soll 95 Prozent der Zeit gefahren werden und nur 5 Prozent ruhen.

Charakteristisch für die Blue Ocean-Strategie sei, “dass nicht ein bestehendes Businessmodell weiter optimiert wird, sondern mit möglichst vielen Prinzipien gebrochen wird“, erläutert Scheer auf Seite 43/44 des Buches “Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe“.

"In Deutschland ist gegenüber den USA die Blue Ocean-Strategie für I4.0 kaum zu erkennen. Dieses mag daran liegen, dass die deutsche Industrie mit ihren traditionellen Businessmodellen (noch) sehr erfolgreich ist und deshalb aufgrund des Investor’s Dilemma-Effektes disruptive Konzepte scheut. Auch fehlt die vergleichbar hohe Bereitschaft zu sehr riskanten Investitionen durch Venture Capital-Gesellschaften und vermögende Business Angels“, so Scheer. 

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Europa ist Schlusslicht – aber Deutschland hat auch viele Hidden Champions

Die überwältigende Mehrheit der Befragten sieht beim IoT die USA an der Spitze. 52 Prozent halten die Vereinigten Staaten für den Vorreiter, 36 Prozent für gut aufgestellt. Auf Platz zwei folgt Asien, das 29 Prozent als Vorreiter und 50 Prozent als sehr sehr wettbewerbsfähig einstufen. Insbesondere Korea und Japan erzielen hier gute Werte. Schlusslicht im Dreikampf der Industriekontinente ist Europa. Nur sechs Prozent der befragten Unternehmen sehen Europa als Vorreiter und nur sieben Prozent Deutschland. Zum Ländervergleich: Südkorea trauen 23 Prozent die Führungsrolle zu, Japan 25 Prozent und China 20 Prozent. Dabei glaubt über die Hälfte der befragten VDE-Mitgliedsunternehmen und Hochschulen, dass das Internet der Dinge mit Industrie 4.0 eine wichtige Basis für die Stärkung des Industriestandortes Europa bilden könnte. Vier von zehn befragte Unternehmen erkennen im Internet der Dinge gerade für mittelständische Unternehmen einen vielversprechenden Markt.

Deutschland mit seinen vielen Hidden Champions habe das Potenzial, die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend mitzugestalten heißt es in dem Trendreport 2016 zuversichtlich. "Insbesondere im Mittelstand wird das Internet der Dinge unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken. Das 5G Lab Germany an der TU Dresden spielt ganz vorne in der Liga mit, eine Grundvoraussetzung für das IoT und Industrie 4.0.“, so der VDE.

Fehlende IT-Sicherheit und IKT-Infrastruktur sind Haupthindernisse 

“Woran hakt es also im Land der Ingenieure?“, fragt der VDE. Die mit Abstand größte Barriere für die Ausbreitung des Internets der Dinge sei für 74 Prozent der Unternehmen das Thema IT-Sicherheit. Neun von zehn Unternehmen sehen IT-Sicherheit als erfolgskritisch für IoT und andere digitale Anwendungen wie beispielsweise Industrie 4.0. Fehlende Normen und Standards sowie eine unzureichende IKT-Infrastruktur bemängeln jeweils 50 Prozent. Drei von zehn Unternehmen sehen in der Komplexität und im mangelnden Reifegrad beziehungsweise in technischen Hürden Hindernisse. Wie Deutschland im Innovationswettlauf mit Amerika und Asien aufholen kann, ist für die Mehrheit der Befragten klar: Der flächendeckende Ausbau der Breitband-Infrastruktur muss vorangebracht werden. Weitere Themen sind die schnelle Entwicklung und Nutzung des Kommunikationsstandards 5G sowie die Stärkung des Mikroelektronik-Standortes Deutschland / Europa.

Lösungsansatz für die Industrie-4.0-Migration

Im Kapitel “Industrie 4.0-Readiness: Migration zur Industrie 4.0-Fertigung“ des Buches “Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik“ stellen die Springer-Autoren Andreas Bildstein und Joachim Seidelmann auf den Seiten 588-592 einen siebenstufigen Lösungsansatz für die Industrie-4.0-Migration vor, der am Fraunhofer IPA entwickelt wurde. Dieser Einführungsprozess zeigt auf, wie Konzepte und Technologien der Industrie 4.0 in der eigenen Wertschöpfung und vor allem in den Produktionssystemen implementiert und verankert werden kann.

Das Vorgehen für die Prozess- und Potenzialanalyse im Rahmen der Einführung von Industrie 4.0-Konzepten lässt sich dabei im Wesentlichen in drei Hauptabschnitte unterteilen.

  1. Aufnahme und Analyse der zu betrachtenden Prozesse. In diesem ersten Schritt werden diejenigen Geschäftsprozesse herausgearbeitet, die für das Unternehmen bei der Einführung einer Industrie 4.0-Fertigung relevant sind.
  2. Ermittlung Industrie 4.0-Readiness. Mit diesem zweiten Schritt soll eine Entscheidungsgrundlage für die Umsetzungsplanung geschaffen werden. Hierfür werden die aus Schritt 1 ermittelten Prozesse mit Industrie 4.0-Standardanwendungsfällen verglichen und dabei überprüft, welche Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung bereits im Unternehmen erfüllt werden und welche organisatorischen oder technischen Anpassungen im Rahmen der Umsetzung noch vorgenommen werden müssen.
  3. Umsetzungsplanung. Am Anfang der Planung steht die Kommunikation des Vorhabens an alle unmittelbar beteiligten Mitarbeiter und auch des Betriebsrates, der in der Regel ein Mitspracherecht bei solchen Vorhaben besitzt. Ziel dieser frühzeitigen Kommunikation ist es, eine möglichst große Unterstützung durch die Mitarbeiter zu erhalten. Auch den Kunden und Lieferanten, die von der Einführung einer Industrie 4.0-Fertigung betroffen sein werden, sollte in einem sehr frühen Stadium der Umsetzungsplanung mitgeteilt werden, welche Änderungen geplant sind und in welchem Maße diese Änderungen auch die Zusammenarbeit mit diesen Kunden und Lieferanten verändern wird. 

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