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02.07.2021 | Internationale Steuern | Schwerpunkt | Online-Artikel

Offenlegungspflichten allein bringen kaum Nutzen

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

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Viele internationale Großkonzerne stehen in der Kritik, weitreichende Steuervermeidungsstrategien zu nutzen. Für mehr Steuergerechtigkeit und Transparenz soll künftig eine Offenlegungspflicht sorgen. Forscher bezweifeln aber deren Nutzen.

Viele Staaten weltweit klagen über die Steuervermeidung, die sie vor allem großen, global tätigen Unternehmen mit einem digitalen Vertriebsmodell vorwerfen. "Es ist somit wenig überraschend, dass die Besteuerung von Unternehmen wie Amazon zunehmend in den Fokus gerät. In diese Richtung zielt auch der Vorstoß der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft, dass multinationale Unternehmen ihre Steuerdaten auf Länderbasis veröffentlichen sollen", schreibt Dominika Langenmayr, Inhaberin des Lehrstuhls für VWL an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, in der Zeitschrift "Wirtschaftsdienst" (Ausgabe 1 | 2021).

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Offenlegungspflicht erhöht den Druck auf Unternehmen

Um für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen, haben sich die G7-Staaten Anfang Juni 2021 auf eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent verständigt. Zudem wird eine Offenlegung der Steuerzahlungen von Unternehmen disktuiert. "Was wäre der Vorteil, wenn die Daten zu einzelnen Firmen veröffentlicht würden? Dies könnte zu öffentlichem Druck auf Unternehmen führen, 'faire' Steuern zu zahlen. Das heißt, in den Ländern Steuern zu zahlen, in denen sie aktiv sind, und Gewinne nicht in Steueroasen zu verschieben", führt Langenmayr aus.  

Wissenschaftler der WHU – Otto Beisheim School of Management, der Universität Tilburg und der ESMT Berlin haben allerdings in der Studie "Public Tax Disclosures and Investor Perceptions" herausgefunden, dass die Veröffentlichungen der Steuerzahlungen eher Verwirrung stiften als nützen könnten. Diese Steuerinformationen würden häufig falsch interpretiert, so die Begründung. Denn nicht alle Firmen, die nur wenige Steuern zahlen, seien notwendigerweise "schlechte Unternehmer". 

Geringe Steuerlast ist nicht zwangsläufig Steuervermeidung

Ein Kritikpunkt, den auch die Wirtschaftswissenschaftlerin in ihrem Kommentar aufgreift: 

Beispielsweise ist es möglich, dass ein Unternehmen trotz hoher Umsätze in Deutschland keine Steuern zahlt, da es in der Vergangenheit nicht profitabel war und nun Verlustvorträge nutzen kann. Dies ist keine Steuervermeidung, sondern von der Gesetzgebung so vorgesehen und für eine gerechte Unternehmensbesteuerung sogar notwendig. Aufgrund der Komplexität des Steuerrechts ist es nicht immer einfach, solche Sachverhalte korrekt einzuordnen. Das Risiko, dass über Unternehmen zu Unrecht sehr negativ berichtet wird, ist also nicht abzustreiten", so Langenmayr.

Die Studienautoren führen an, dass eine Offenlegungspflicht für Steuerzahlungen privaten Anlegern die Bewertung gezahlter Steuern von Unternehmen sogar erschweren könne. "Kleinanleger informieren sich ohne Offenlegungspflicht in der Regel aus verschiedenen Quellen über ein Unternehmen. Dabei beziehen sie auch Informationen wie Verlustvorträge in ihre Überlegungen mit ein, die für Unternehmen ein legitimes Mittel zur Steuersenkung darstellen." 

Bekommen Anleger einfach die Summe der gezahlten Steuern unter dem Strich präsentiert, entfalle für sie "scheinbar die Notwendigkeit, selbst zu recherchieren, wie diese Zahl zustande gekommen ist". Das führe zu Fehlinterpretationen. Ohne Offenlegungspflicht verbringen Anleger mehr Zeit damit, herauszufinden, auf welche Weise die Firma ihre Steuerzahlungen an ihrem Hauptsitz gesenkt hat.

Exklusive Auswertung der Steuerdaten durch die Wissenschaft

Für dieses Problem hat Langenmayr eine mögliche Lösung: Denkbar sei, dass beispielweise nur ausgewählten Personen, etwa aus der Wissenschaft, unter Auflagen den Zugang zu den Steuerdaten der Unternehmen erhalten. "Sie könnten mit Verständnis und Zeit die Daten analysieren", schreibt die Expertin. Als Grundlage der Analysen dienten in diesem Fall Einzeldaten, wobei aber nur Studienergebnisse veröffentlicht werden sollten, die keinen Rückschluss auf einzelne Unternehmen zulassen. Damit werde verhindert, einzelne Unternehmen an den Pranger zu stellen. Dennoch lieferten diese Studien aber Aufschluss, in welchen Branchen besonders aggressiv Steuern vermieden werden.

Auf diesem Weg könne zudem die Wirksamkeit von gesetzlichen Gegenmaßnahmen untersucht und evidenzbasierte Vorschläge zur Bekämpfung von Steuervermeidung erarbeitet werden. Ermögliche man den Wissenschaftlern zudem, verschiedenen Datenquellen zu verknüpfen, ließe sich damit auch eine zielgenauere Identifikation von Steuervermeidung erreichen, "als es den Finanzämtern heute mit den wenigen Informationen aus dem Country-by-Country-Reporting alleine möglich ist". Gleichzeitig blieben der Datenschutz und das Steuergeheimnis gewahrt. 

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