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05.09.2022 | Kryptowährungen | Interview | Online-Artikel

"Mit MiCA wird Europa zum Vorreiter einer Token-Ökonomie"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6:30 Min. Lesedauer

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Im Gespräch mit Springer Professional beleuchtet Marktexperte Sebastian Warnke die aktuellen Entwicklungen bei Kryptowährungen und warum man bei der Börse Stuttgart Digital Exchange (BSDEX) trotz der massiven Kursturbulenzen im ersten Halbjahr 2022 dennoch gelassen bleibt.

Bitcoin, Ethereum & Co. haben seit Jahresbeginn massiv Federn lassen müssen. Auch der Crash von Terra USD oder der Insolvenzantrag von Celsius Network, ein US-Unternehmen, das Kryptowährungskredite vergab, haben das Vertrauen in den Markt schwer erschüttert. Diese Entwicklungen scheinen wie Wasser auf den Mühlen der Kryptoskeptiker. Steht uns also ein langer Kryptowinter bevor oder sehen wir hier eher eine notwendige Marktbereinigung, bei der das Kaufinteresse wieder steigt, wenn ein gewisser Bodensatz erreicht ist?

Bei uns sehen wir die aktuellen Geschehnisse und das derzeitige Marktumfeld mit einer gewissen Ruhe. Kurseinbrüche von 40 bis 80 Prozent hat es bei Bitcoin (BTC) regelmäßig gegeben. Dies ist auch kein Phänomen, welches nur bei Kryptowerten zu sehen ist. Auch große Tech-Aktien wie Meta (50 Prozent), Zoom (80 Prozent) oder Netflix (70 Prozent) haben seit November 2021 massiv an Wert verloren. Das besondere bei Bitcoin, zumindest in der Vergangenheit: Hier wurden die Kurseinbrüche bis jetzt immer wieder aufgeholt. Die aktuelle Situation am Kryptomarkt ist für uns Teil der normalen Marktphasen. Die Themen bei Terra und Celsius sind für uns ebenfalls Teil der normalen Marktbereinigung. Das Vertrauen in den Markt wird dies aus unserer Sicht langfristig jedoch nicht beeinflussen.

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Der Finanzsektor des 21. Jahrhunderts ist geprägt durch seine Vielseitigkeit und die damit einhergehende Komplexität. So haben sich monopolistische, singuläre Handelsplätze, wie Börsen mit physischem Parketthandel, zu einem digitalen Netzwerk aus eng miteinander verbundenen Akteuren und vielschichtigen Märkten entwickelt. Aber nicht nur der Finanzmarkt, auch Finanzprodukte haben sich durch die Digitalisierung verändert.

Nun lässt die Zinswende auch noch das Interesse von institutionellen Anlegern schwinden, die in Anleihen wieder bessere Renditechancen sehen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Wie sich die Zinswende perspektivisch auf den Kryptomarkt auswirkt, bleibt abzuwarten. Hier ist auch zu differenzieren, wie sich einerseits Kryptowerte wie Bitcoin (BTC), welche durch ihre Limitierung auch digitales Gold genannt werden, als möglicher Inflations-Hedge behaupten. Und andererseits wie Kryptowerte durch die Nutzung von Blockchain und DLT Effizienzsteigerungen generieren können und sich darüber hinaus dauerhaft durchsetzen werden. Unabhängig von traditionellen Unternehmen oder Kryptowerten sehen wir, dass es für diejenigen Unternehmen härter werden kann, die keine Effizienzsteigerung vorweisen können. Dies erhöht aber auch die Wahrscheinlichkeit für eine Zunahme von M&A Aktivitäten und für eine Marktkonsolidierung. Im Hinblick auf Kryptowährungen beobachten wir eher ein wachsendes Interesse bei institutionellen Anlegern und professionellen Investoren. Denn Krypto-Assets können sich ziemlich gut zur Diversifizierung mancher Portfolios eignen – und das gerade in Zeiten hoher Inflationsraten.

EZB-Chefin Christine Lagarde gilt als große Kritikerin des Kryptomarktes und Befürworterin einer starken Regulierung. Ein ursprünglich diskutiertes Bitcoin-Verbot ist allerdings mit der Neufassung des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte in Kryptowerte (MiCA) vom Tisch. Wie sehen die aktuellen Regulierungspläne in Europa aus und können sie mittelfristig wieder verlorenes Vertrauen zurückbringen? 

Effiziente Regulierung schafft Vertrauen und ist ein wichtiger Schritt nach vorn, sobald es um die Akzeptanz und Verbreitung von Kryptowerten und -services geht. MiCA erleichtert die technologieneutrale Emission und den Handel von Kryptowerten, erweitert Finanzierungsquellen für Unternehmen auf Basis von Kryptowährungen und tokenisierter Vermögenswerte, wirkt Betrugsrisiken und illegalen Praktiken auf Kryptomärkten entgegen und macht den Weg frei für innovative Geschäftsideen. Kurzum: Mit MiCA wird Europa zum Vorreiter einer realen Token-Ökonomie - sowohl mit Blick auf Unternehmensfinanzierungen als auch den Anlegerschutz. 

Die Kryptowelt ist nicht gänzlich von den etablierten Kapitalmarktplayern abgekoppelt. So bieten zum Beispiel Visa oder Revolut Bitcoin-Kreditkarten an und Unternehmen wie Paypal und Tesla haben sich bereits 2021 für die Verwendung von Kryptowährungen entschieden. Nun überlegen hierzulande einige VR-Banken und Sparkassen, Kryptowährungen in ihre Angebotspalette zu integrieren – auch wenn deren Verbände hier noch sehr zögerlich agieren. Hätte dieser Schritt positive Effekte auf die Stabilität und damit auch die Akzeptanz?

Wir sind der Auffassung, dass jede Zugangsmöglichkeit zu Kryptowerten und deren Services von Vorteil ist und die Akzeptanz weiter steigern wird. Dabei gilt es die Themen Zahlungsverkehr und das Investieren in Kryptos zunächst separat zu betrachten. Im Bereich Zahlungsverkehr waren Paypal und Tesla die First Mover, mittlerweile gibt es allein in Deutschland rund 40 Geldautomaten für Kryptowährungen in Geschäften, Banken und Kiosken. Einer davon befindet sich in Offenbach in einer Rewe-Filiale. Auch bei der Geldanlage ist einiges in Bewegung. Hier haben wir als BSDEX Vertriebskooperationen mit drei Volksbanken und zwei Kreissparkassen etabliert, die ihre Kunden für den Handel mit Kryptowährungen an uns verweisen. Eine davon ist die KSK Ostalb. Die Akzeptanz für und die Nachfrage nach Kryptos ist also sowohl im Zahlungsverkehr als auch in der Geldanlage durchaus gegeben.

Welche Vorteile bietet der Kryptomarkt professionellen Investoren trotz seiner enormen Schwankungen und Unsicherheiten? 

Wie gesagt sind Schwankungen und Unsicherheiten kein reines Kryptophänomen, sondern an allen Märkten mehr oder weniger stark anzutreffen. Zu den hoch volatilen Anlageklassen gehören allerdings auch Kryptowährungen. Aus der Sicht eines Daytraders sind Volatilitäten zunächst einmal nichts Schlechtes. Und für die mittlere Frist gilt, dass Schwankungen die zukünftigen Erwartungen an Unternehmen widerspiegeln. Das gilt vor allem für die gesamte Kryptobranche. Aus der Sicht eines langfristig denkenden Investors, verfügt ein durchdachtes Portfolio daher neben Cash-Reserven in der Regel über weitere verschiedene Positionen. So können etwa Aktien, Rohstoffe wie Gold, Kryptowerte und Anleihen Teil eines ausbalancierten Depots sein. Kryptoinvestments ermöglichen es, am Wachstum von Smart Contracts, Non-fungiblen Token, kurz NFTs, und weiteren Blockchain-Projekten zu partizipieren. Damit wird die Finanzbranche zum Innovationstreiber für andere Wachstumsfelder, wie Gesundheit, Mobilität und Ernährung. 

Um Risiken zu begrenzen, investieren Großanleger gerne in entsprechende Fonds. Doch im Kryptobereich waren die Einstiegssummen bislang mit 500.000 Euro oder mehr recht hoch. In der Schweiz wird nun an neuen Angeboten gefeilt, die den Zugang zu Kryptofonds auch mit deutlich kleineren Beträgen ermöglichen. Wie sehen die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich aus?

Dieser Trend ist aktuell noch überschaubar, wir erwarten aber eine starke Ausweitung dieser neuen Angebote. Interessant sind für immer mehr Anleger sogenannte Exchange Traded Products (ETPs) auf Kryptowerte. Hier sehen wir noch viel Luft nach oben und durchaus Wachstumschancen – unter anderem auch für Privatanleger, die keine Kryptotokens direkt kaufen möchten. 

Nun liefert die Kryptowelt nicht nur reine Kryptowährungen wie Bitcoin & Co. Es gibt auch eine Reihe anderer digitaler Assets in der Token-Ökonomie, die für institutionelle Anleger interessant sind. Was bieten diese und bei welchen sehen Sie das meiste Potenzial?

Wir als offizieller Kryptohandelsplatz der Gruppe Börse Stuttgart sind von der Zukunft von Kryptowerten überzeugt. Blockchain und andere Distributed Ledger-Technologien werden unsere Welt verändern. Die Token-Ökonomie wird zu mehr Innovation und Effizienz beitragen, Produktionskosten von Waren und Dienstleistungen und Instandhaltungskosten von Maschinen massiv reduzieren.

Haben Sie ein Beispiel?

Schon im Januar 2017 setzten die Vereinten Nationen in ihrem Welternährungsprogramm mit Erfolg auf die Ethereum-Blockchain – zunächst für Flüchtlinge in Pakistan, und dann in Jordanien. Finanzmittel für Lebensmittel und Kleidung konnten so effizient an Menschen verteilt und deren Transaktionen genau protokolliert werden. Dieses System sorgte für mehr Sicherheit und weniger Betrug. Was auch stets betont werden muss: Kryptowährungen, also Currency Token, sind nur eine Anwendung der Blockchain. Es gibt jedoch eine Vielzahl an Token. Governance Token können zum Beispiel Stimm-, Lizenz- und Nutzungsrechte beinhalten, sie können Koordinationswerkzeuge darstellen, und sie ermöglichen es Menschen auf der ganzen Welt, zusammenzukommen, um Ziele zu erreichen. Die Ziele können dabei sehr vielfältig sein, sie können Unternehmensfinanzierungen oder Unternehmenstransaktionen ermöglichen, aber auch die gerechte Verteilung anderer wichtiger Ressourcen und Güter bewerkstelligen. 

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