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20.08.2020 | Leichtbau | Schwerpunkt | Online-Artikel

Leichtbau soll Ressourcen schonen

verfasst von: Thomas Siebel

6 Min. Lesedauer

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Hauptaufgabe des Leichtbaus ist es, Gewicht zu reduzieren. Nun soll er auch in jeder Hinsicht umweltverträglich werden. Die im Programm Forel entwickelten Handlungsempfehlungen geben einen Weg vor.


Der Leichtbau hat sich in den vergangenen Jahren von einem technischen Ansatz für leichtere Autos oder Flugzeuge hin zu einem industrierelevanten Thema entwickelt, das von der Bundesregierung gar als eine der Schlüsseltechnologien für den Standort Deutschland bewertet wird. Damit hat der Leichtbau gewissermaßen ein wichtiges Etappenziel erreicht. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten den Flugzeugbau revolutioniert, wo erstmals Fachwerkbauweisen durch freitragende Schalensysteme und schwere Nietverbindungen durch neue Schweißtechniken ersetzt wurden. Funktionsintegrierte, extrem steife und zugleich leichte Multi-Material-Strukturen haben den Leichtbau zuletzt auf ein neues Niveau gehoben. Insbesondere dank des großen Interesses seitens der Automobilindustrie lassen sich Teile aus Verbundwerkstoffen auch zunehmend wirtschaftlich fertigen. Mit der gewachsenen Bedeutung des Leichtbaus in den unterschiedlichsten Branchen steigen jedoch auch die Anforderungen.

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Zielsetzung des Leichtbaus

Mit der Höherentwicklung der Technik steht verstärkt die bessere Effizienz mechanischer Systeme im Vordergrund. Leichtbau gewinnt daher als Entwicklungsstrategie immer mehr an Bedeutung.

Recycling und Rohstoffversorgung rücken in den Blickpunkt

Wie beinahe jede neue Technologie erzeugt nämlich der moderne Leichtbau neben neuen Möglichkeiten auch neue Problemfelder; und die finden sich insbesondere vor und nach der Nutzungsphase. Ansgar Fendel, Geschäftsführer des Entsorgungsunternehmens Remondis, weist im Interview in der lightweight.design 5/18 auf die Probleme der Entsorger beim Recycling von Leichtbaumaterialien hin. Hybride Werkstoffe wie Metalll-Kunststoff-Verbunde oder Stahl-Aluminium-Schweißverbindungen lassen sich laut Fendel nach derzeitigem Stand der Technik kaum oder gar nicht mehr wirtschaftlich trennen. Zwar ließe sich mit sehr hohem Aufwand selbst CFK per Pyrolyse recyceln, dies scheitere in der Praxis jedoch schon daran, dass der Verbundwerkstoff – im Fall des Autorecyclings – in einem „unüberschaubaren Gemenge anderer, möglicherweise gefalteter Altahrzeuge“ von den Autoverwertern geliefert würde.

Hubert Jäger und Maik Gude analysieren in ihrem lightweight.design-Beitrag Leichtbauwerkstoffe in der Automobilindustrie von morgen die problematische Rohstoffversorung im Leichtbau. Welche Leichtbauweisen in einer Weltregion möglich seien, hänge zunehmend auch von der regionalen Verfügbarkeit von Stahl, Aluminium, Magnesium oder Carbonfasern ab. Die Autoren rechnen mit einer zunehmenden Gefahr von Lieferengpässen und machen dies am Beispiel China fest. Für das Jahr 2030 erwarte die Volksrepublik für den heimischen Automobilbau einen Bedarf an Carbonfasern, der durch den Weltmarkt nicht mehr gedeckt werden könne. Neben Magnesium habe des Land Carbonfasern deswegen als strategisch bedeutend eingestuft und arbeite nun an einer nachhaltigen Verfügbarkeit des Rohstoffs. Vor dem Hintergrund einer drohenden Rohstoffknappheit und damit einhergehenden möglichen Exportbeschränkungen sei es künftig Aufgabe der Ingenieure, den Einsatz von Leichtbaumaterialien zu minimieren und Leichtbausysteme gleichsam so zu entwickeln, dass sie wirtschaftlich zu recyceln seien.

„Der Ingenieur als Systemdesigner für hybriden Leichtbau ist gefordert […], eine minimale Verwendung ultimativer Leichtbaumaterialien im Systemansatz zu garantieren, aber auch das System so zu entwickeln, dass es ein wirtschaftliches Recycling zulässt.“ Hubert Jäger und Maik Gude


Forel-Partner rufen Ära des Neutral-Leichtbaus aus

Die Partner im Forschungsprogramm Forel haben sich in den letzten Jahren im Rahmen verschiedener Projekte mit Ansätzen für einen ökologisch-nachhaltigeren Leichtbau befasst. Mit einem nun veröffentlichten Leitfaden bündeln die beteiligten Institute von TU Dresden, TU Bergakademie Freiberg, Universität Paderborn, TU Dortmund und TU München nun ihre Erkenntnisse aus den Projekten und formulieren konkrete Handlungsempfehlungen für einen ressourceneffizienten Leichtbau. Gleichsam rufen sie unter dem Begriff Neutral-Leichtbau eine neue Ära des Leichtbaus aus, die bis 2030 Realität werden könnte. Sie soll geprägt sein von einem ressourcen- und CO2-neutralen Leichtbau sowie KI-gesteuerten, wandel- und prognostizierbaren Prozessen. Im Einzelnen formulieren die Partner Handlungsempfehlungen für die Bereiche Leichtbautechnologien, Fügetechnik, Recycling und Prognosefähigkeit.

Im Bereich der Leichtbautechnologien komme es zunehmend auf wandlungsfähige Fertigungsprozesse an, die flexibel auf Schwankungen der Eingangsparameter reagieren können. Dies würde beispielsweise den Einsatz von Rezyklatwerkstoffen mit unsteten Materialeigenschaften erleichtern oder wirtschaftliche Stückzahl-1-Szenarien erlauben. Die adaptive Anlagentechnik, die bestehende Fertigungslinien zunehmend ergänzen solle, müsse mit prozessintegrierter Sensorik und durch Maschinenlernen-gestützter Analytik permanent die Fertigungsqualität überwachen.

Die  Auswahl maßgeschneiderte Werkstoffe und Werkstoffverbunde für Multi-Material-Designs solle künftig KI-gestützt erfolgen. Hierfür müssten in den kommenden Jahren Werkstoffeigenschaften mithilfe materialspezifischer Ontologien multidimensional und prozessübergreifend vernetzt werden. In der Fertigung sollten zudem Methoden des maschinellen Lernens Maschinen- und Sensordaten systematisch auswerten, um auch bei der Verarbeitung unterschiedlicher Materialklassen höchsten Anforderungen an die Reproduzierbarkeit zu genügen und Ausschuss zu minimieren.

Fügetechnik wird auch vom Recycling her gedacht

Die Fügetechnik solle künftig nicht nur den Zusammenhalt von Teilen gleich welcher Werkstoffpaarung gewährleisten und dabei eine hundertprozentige Werkstoffnutzung sicherstellen, sondern auch das Trennen der Fügepartner nach Ende der Nutzungsdauer erlauben. Durch die KI-gesteuerte, prozessübergreifende Nutzung von Sensor- und Simulationsdaten soll die Fügetechnik zudem Fertigungstoleranzen oder allmähliche Veränderungen von Werkstoffeigenschaften kompensieren und so die Produktqualität sicherstellen. Dafür bedarf es unter anderem neuer Material- und Prozessmodelle sowie standardisierter Schnittstellen zwischen den Prozessschritten und den Simulationsmodellen.  

Das Recycling und der Stoffkreislauf von Leichtbaumaterialien wie hochlegierten Stählen oder Spezialkunststoffen solle schon allein wegen möglicher künftiger Versorgungsengpässe ernst genommen werden. Etablierte, rein auf den Verkauf von Produkten beruhende Geschäftsmodelle müssten künftig auch Aspekte wie Rohstoffsicherung und Rücknahme von Altprodukten umfassen. Dadurch würde auch das recyclingfreundliche Design von Produkten interessant. Weiterhin müssten aber auch Recyclingtechnologien weiterentwickelt werden, etwa um KI-basierte Sortierprozesse oder um die Kombination von mechanisch-thermischen und chemischen Verfahren, um auch kunststoffintensive, geklebte oder Sandwichbauweisen auftrennen zu können. Um sortenreine Verwertungsströme zu erhalten, sollen bestimmte Werkstoffe über im Material sitzende Markierungen gekennzeichnet werden, sodass sie sensorgestützt detektiert und sortiert werden können.

Simulation des Lebenszyklus‘ in der Konzeptphase

Weiterhin solle in den nächsten Jahren die Vorhersage von Produkteigenschaften nach der Fertigung verbessert werden. Übergeordnetes Ziel ist es dabei, die gesamte Nutzungsphase bis hin zum End-of-Life bereits in der frühen Entwicklungsphase prognostizierbar zu machen – wofür bislang allerdings häufig die Materialkennwerte fehlen. Die Autoren regen deswegen an, öffentliche Datenbanken mit einem Marktplatz für Werkstoffdaten zu kombinieren, und zugleich standardisierte Prüfverfahren auch für Daten zu neue Werkstoffgruppen einzuführen.

Ein Beispiel, wie Fahrzeugteile bereits in ihrer Konzeptphase auf ihre Umweltverträglichkeit hin bewertet werden können, liefern die Autoren um Lars Reimer im ATZ 6/20-Beitrag Abschätzung des kumulierten Energieaufwands von Karosseriebauteilen. Die von Volkswagen und der TU Braunschweig entwickelte Methode errechnet für eine Konstruktion den kumulierten Energieaufwand (KEA) und berücksichtigt dabei die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen, die Bauteilfertigung und die Nutzungsphase. Am Beispiel einer B-Säule weisen sie nach, wie sich die Umweltwirkungen bei der Verwendung von Stahl, Aluminium, GFK und CFK unterscheiden. Dabei ergeben sich je nach Bauteilgeometrie unterschiedliche Ergebnisse: Während bei einer dickwandigen Auslegung des Bauteils der KEA von Stahl und GFK ungefähr gleichauf liegen, ist der Energieaufwand eines dünnwandigen GFK-Teils viel höher, als wenn es aus Metall gefertigt würde. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die Anwendbarkeit der Methodik bislang weitestgehend auf Teile mit profilartigen Querschnitten beschränkt ist.

Wie recycelte Carbonfasern und wiederaufbereitetes Spritzgießgranulat in einen großserientauglichen Prozess zur Herstellung hochbeanspruchter Sandwichstrukturen eingesetzt werden können, erläutern die Autoren um Jan Luft in der lighweight.design 5/18 am Beispiel des Projekts ReLei. Mit dem neuentwickelten Verfahren des Schäumformens haben die Forschenden der TU Dresden am Beispiel eines Rückwandoberteils dabei Neumaterialien und Recyclinghalbzeuge lastgerecht kombiniert.

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