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Erschienen in: Berliner Journal für Soziologie 1/2020

Open Access 01.03.2020 | Abhandlung

Konflikt und Solidarität als Verhältnis dynamischer Vergesellschaftung

verfasst von: Thilo Fehmel

Erschienen in: Berliner Journal für Soziologie | Ausgabe 1/2020

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Zusammenfassung

Solidarität und Konflikt: beides sind Formen sozialer Beziehungen, Formen wechselseitiger Bezugnahmen von Akteuren, die sich im gleichen Handlungsrahmen bewegen. Sowohl Konflikt als auch Solidarität entwickeln als Typen sozialen Handelns strukturierende Kraft. Nach außen ausgetragene kollektive Konflikte können die Gruppenkohäsion nach innen stärken. Solidarität wiederum ist in der Regel partikular, hat also Exklusionspotenzial, das unter bestimmten Bedingungen in Konflikte münden kann. Kurz: Konflikt führt zu Solidarität, und Solidarität führt zu Konflikt. Vor diesem Hintergrund ist es zu einfach, Konflikten ausschließlich sozial desintegrative und Solidarität ausschließlich sozial integrative Effekte zuzuschreiben. Stattdessen bedarf es eines sozialtheoretischen Modells, das in der Lage ist, Konflikt und Solidarität und ihr dynamisches Verhältnis zueinander abzubilden. Dieses Modell wird im vorliegenden Beitrag entwickelt. Es untersucht solidarisches wie auch konfliktives soziales Handeln auf struktureller, inhaltlicher und prozeduraler Ebene. Dabei spielen die Kontingenz und Variabilität von Solidarnormen und von Konfliktrahmen eine entscheidende Rolle. Solidaritätsmanagement als aktive Gestaltung des Verhältnisses von Solidarnormen und Konfliktrahmen ist empirischer Beobachtung zugänglich. Aus dem Wechselspiel von Solidarität(snormen) und Konflikt(rahmen) ergibt sich schließlich, was als Solidaritätskonflikt modelliert wird.

1 Einleitung

Konflikt und Solidarität: beides sind Formen sozialer Beziehungen. Beides sind Formen wechselseitiger Bezugnahmen von Akteuren, die sich im gleichen Handlungsrahmen bewegen. Sowohl Konflikt als auch Solidarität entwickeln als Typen sozialen Handelns strukturierende Kraft. Oft stehen sozialer Konflikt und soziale Solidarität unmittelbar nebeneinander. Manchmal erscheinen sie dem Beobachter als zwei Seiten einer Medaille (Konflikt und Solidarität), manchmal als Entscheidungsalternativen (Konflikt oder Solidarität); immer aber treten sie als Phänomene und als Formen sozialer Beziehungen gemeinsam auf. Wo Solidarität ist, ist der Konflikt nicht weit. Und – mit Abstrichen – umgekehrt. Dabei wäre es jedoch fahrlässig, bei den Konnotationen des öffentlichen Sprachgebrauchs beider Begriffe stehen zu bleiben. Es wäre zu einfach, Konflikten ausschließlich sozial desintegrative und Solidarität ausschließlich sozial integrative Effekte zuzuschreiben. Die Gemengelage ist komplexer.
Der Zusammenhang und die, wie ich behaupte: interdependente Beziehung von Solidarität und Konflikt sind Gegenstand dieses Aufsatzes. Seine Intention ist es, die Interdependenz von Solidarität (Abschnitt 2) und Konflikt (Abschnitt 3) durch deren getrennte Betrachtung und jeweilige analytische Systematisierung sichtbar zu machen. Ich vertrete dabei die These, dass beide Phänomene – Solidaritäten und Konflikte – einerseits Formen der Vergesellschaftung und für moderne Gesellschaften konstitutiv, andererseits dynamisch und kontingent sind in dem Sinne, dass sie in ihrem Zusammenspiel zu sozialen Strukturen führen, die nicht nur hergestellt und aufgebaut, sondern auch genutzt, übergangen und wieder abgebaut werden können.
Übergreifendes Ziel des Beitrages ist die Entwicklung eines sozialtheoretischen Modells (Abschnitt 4), das in der Lage ist, Konflikt und Solidarität und ihr Verhältnis zueinander deskriptiv, relational und prozessual abzubilden. Um die Interdependenz von Solidarität und Konflikt zeigen und als eine ihrer wesentlichen Erscheinungsformen Konflikte um Solidarität herausstellen zu können, muss dieses Modell den folgenden Ansprüchen gerecht werden: Es muss erstens deskriptiv offen sein für die Möglichkeit, dass Konflikt ein Ausdruck von sozialer Integration und Solidarität ein Ausdruck von sozialer Desintegration sein kann; es muss sich also von normativen Vorabannahmen freihalten. Das Modell sollte zweitens in den Blick nehmen können, dass sich konfliktives und solidarisches Handeln relational auseinander ergeben können. Und drittens sollte ein solches Modell sequenzanalytisch zeigen können, wie die Wechselbeziehung von Konflikt und Solidarität sozialen Wandel vorantreibt, sowie die Bedingungen benennen und die Elemente systematisieren können, unter denen dieser Wandel sozial integrative oder desintegrative Effekte hat. Das hier unterbreitete zyklische Modell der Wechselbeziehung von Konflikt und Solidarität leistet dies. Dabei zeigt sich: Die Interdependenz von Solidarität und Konflikt wie auch beider Dynamiken treffen sich in dem, was ich Solidaritätskonflikt nennen und am Ende der Erörterungen untersuchen möchte.

2 Solidarität als Form der Vergesellschaftung

Die nachfolgenden Überlegungen zum Verhältnis von Konflikt und Solidarität stehen und fallen mit definitorischen Klärungen beider Phänomene. In den Sozialwissenschaften, geschweige denn wissenschaftlich interdisziplinär, besteht dazu alles andere als ein einmütiges und einvernehmliches Begriffsverständnis. Das gilt insbesondere mit Blick auf Solidarität; hier sind sich die Autorinnen und Autoren aller einschlägigen Beiträge lediglich – das aber schon seit Langem – einig darin, dass es immens viele unterschiedliche Solidaritätsverständnisse gibt (vgl. etwa Bayertz 1998; auch Prisching 2003). Die in jüngster Zeit zu beobachtende Konjunktur der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Solidarität als komplexem sozialen Phänomen, prominent angetrieben nicht zuletzt von den multiplen Krisen der europäischen Integration oder von den Fragen im Zusammenhang der Bewältigung der Herausforderungen umfangreicher Migrationsbewegungen, trägt zur Überwindung dieser definitorischen Vielstimmigkeit bislang wenig bei. Man muss das Bild natürlich nicht überstrapazieren, aber mit einigem Recht lässt sich auch von Konflikten um Begriffe von Solidarität sprechen (vgl. für viele Synopsen differierender Solidaritätsbegriffe nur Weigand 1979, S. 71 ff.; Zoll 2001; Hechter 2001; Osa 2008; Dallinger 2009). Ich komme daher nicht umhin zu explizieren, wovon hier die Rede sein soll, wenn von Solidarität die Rede ist.

2.1 Solidaritätsverständnis

Für einen ersten Zugang greife ich zurück auf die kürzeste und prägnanteste mir bekannte Klärung und Einordnung des Begriffs und Phänomens Solidarität. Otfried Höffe (2018, S. 53) zufolge bedeutet Solidarität als eine Art von Loyalität zur eigenen Gemeinschaft (1) die Haftung und wechselseitige Verpflichtung, füreinander einzustehen, die (2) in Not- und Gefahrenlagen (3) innerhalb von Gruppen aktiviert wird. Die Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe in der Gruppe wird (4) begünstigt, wenn deren Mitglieder emotionale Bindungen zueinander entwickeln; das wiederum ist umso leichter, je offensichtlicher das gemeinsame Schicksal geteilt wird. Unabhängig davon, wie die Gruppenverbundenheit entstanden ist (unfreiwillig, freiwillig oder zufällig): Solidargemeinschaften sind immer (zumindest potenzielle) Not- und Gefahrengemeinschaften. Nur wenn die Mitglieder einer Gruppe grundsätzlich von einem gemeinsamen Schicksal ausgehen, ist ihr gegenseitig begünstigendes Handeln solidarisch. Fehlt diese Bedingung, dann, so Höffe (ebd.), entspricht die gewährte Hilfe den Prinzipien der an Gleichheitsaspekten orientierten, (rechtlich) geschuldeten Gerechtigkeit einerseits oder der freiwillig über das geschuldete Maß hinaus großzügig erbrachten Philanthropie andererseits. So gesehen ist Solidarität also ein interessengeleiteter, kollektiv organisierter Risikoausgleich (Hengsbach 1999, S. 36), ein auf Reziprozität basierender sozialer Mechanismus, eine Veranstaltung auf Gegenseitigkeit. Durch die Betonung der Reziprozität als einem zentralen Element solidarischer Strukturen unterscheidet sich das hier vorgelegte Solidaritätsverständnis kategorial von einem Solidaritätsbegriff, der explizit (auch) kompensationslosen Ressourcentransfer von ego zu alter einschließt (so etwa Tranow 2013, S. 398 f.).
Voraussetzung für dieses Handeln auf Gegenseitigkeit ist ein – in vielen anderen Definitionsversuchen vage bleibendes – Gefühl der Zusammengehörigkeit. Dieses für Solidarität notwendige Kriterium präzisiert Hengsbach (1999) als die Bereitschaft von Akteuren, sich angesichts einer gleichen Interessenlage als einander formal gleich anzusehen und gleich zu setzen; und diese grundlegende Anerkennung der formalen Gleichheit führt im Falle ungleich verteilter Lebensrisiken zur Solidarisierung mit dem Ziel des Ausgleichs. Für eine Handlungstheorie der Solidarität ist dieser auf Gegenseitigkeit angelegte Risikoausgleich von entscheidender Bedeutung – und die in der Literatur häufig zu findende Gegenüberstellung von eigeninteressiertem und gemeinschaftsorientiertem Handeln sowie der Befund des Fehlens einer egoistischen Interessenverfolgung bei solidarischem Handeln (vgl. etwa Kaufmann 2015, S. 331) nicht plausibel. Handlungstheoretisch gehaltvoll ist vielmehr gerade ein Verständnis, das Solidarverhalten als eine spezifische Form der individuellen Interessenverfolgung betrachtet (Vobruba 1983, S. 72 ff.): Man zeigt sich als Mitglied einer Gruppe solidarisch, d. h. zu eigenen Lasten umverteilungsbereit, weil man absehen oder jedenfalls nicht ausschließen kann, zu einem späteren Zeitpunkt auf die Bereitschaft anderer Gruppenmitglieder zur Umverteilung zu eigenen Gunsten angewiesen zu sein. In diesem Sinne ist solidarisches Handeln eigennützig, und es bedeutet keineswegs den Verzicht auf einen individuellen Interessenstandpunkt. Mit der Bemerkung „Der wahre Egoist verhält sich solidarisch“ kassiert Voland (1998, S. 302) die vermeintliche Gegenüberstellung von Eigennutz und Opferbereitschaft; Trivers (1971) argumentiert aus einer evolutionsbiologischen Sicht überzeugend, dass die Erklärung solidarischen Verhaltens mit individuellen Interessen sowie psychologischen Erwägungen möglich ist und eines Konzepts des Vorteils für die Gemeinschaft nicht bedarf; und schon Simmel (1989b [1890], S. 148) betont: Solidarisierung hebt „die Beschränkung des Handelns auf das unmittelbare eigene Interesse“ auf und sieht es zugleich gewahrt durch den Zusammenschluss, „der zunächst nur dem anderen zugutekommt“.1
Für die Erklärung der Motive individuellen solidarischen Verhaltens ist damit grundsätzlich, das heißt: unabhängig von konkreten Anlässen für und Manifestationen von Solidarität, von Bedeutung, dass es in Gruppen stattfindet, deren Angehörige nach eigener Überzeugung in mindestens einer Dimension ein gemeinsames, zugehörigkeitsgenerierendes (Gleichheit) und in mindestens einer Dimension ein unterschiedliches, umverteilungsgenerierendes (Ungleichheit) Merkmal aufweisen. So gesehen beschreibt der Begriff „solidarisch“ nicht eine Eigenschaft einzelner Akteure, sondern dient der Charakterisierung sozialer Relationen und sozialer Beziehungen zwischen Akteuren. Solidarität infolge der „Analogisierung des eigenen Schicksals mit dem des Nachbars ist einer der mächtigsten Hebel der Vergesellschaftung“ (ebd.)!

2.2 Solidaritätsnormen

Im Rahmen eines solchen Solidaritätsverständnisses basiert solidarisches Handeln auf grundlegenden Reziprozitätsnormen. Um zu verstehen, warum derartige Solidarnormen nötig sind, ist darauf hinzuweisen, dass soziales Handeln mit Blick auf seinen solidarischen Gehalt keineswegs nur die zwei dichotomen Zustände „solidarisch“ oder „nicht-solidarisch“ annehmen kann. Vielmehr ist solidarisches Verhalten, also ein mit Reziprozitätserwartungen verbundenes kostenträchtiges Handeln zugunsten Anderer, grundsätzlich gradueller Natur (Popitz 1968, S. 8). In- und Extensität solidarischen Verhaltens sind variabel; und welches Ausmaß sie annehmen, hängt ab von den Kontextbedingungen der Solidaritätsbeziehung (Voland 1998). Von besonderer Bedeutung sind dabei zum einen die Stärke der Verbundenheit der Akteure und zum anderen der Faktor Zeit. Mit zunehmender Zahl der Gruppenangehörigen und mit zunehmender Dauer, auf die solidarische Zusammenhänge angelegt sind, sinkt zwar möglicherweise die materielle Solidarbelastung des Einzelnen. Es sinkt aber auch die Belastbarkeit der Anspruchsbeziehungen. Um die für Reziprozitätsbeziehungen mit großem personalen Umfang und mit langen Zeithorizonten typischen Vertrauensprobleme zu minimieren, bedarf es daher verlässlicher, vertrauensbildender Reziprozitätsnormen (Popitz 2010 [1980], S. 76 ff.): Man zeigt sich als Mitglied einer Gruppe solidarisch, d. h. zu eigenen Lasten umverteilungsbereit, wenn man darauf vertrauen kann, zu einem späteren Zeitpunkt nötigenfalls die (implizit zugesagte) Bereitschaft anderer Gruppenmitglieder zur Umverteilung zu eigenen Gunsten einfordern zu können. In solidarischen Reziprozitätsbeziehungen kann das Handeln der interdependent beteiligten Akteure einen ausgesprochen weiten Zeithorizont haben. Insofern ist solidarisches Handeln sehr voraussetzungsvoll, weil alles andere als selbstverständlich.
Deshalb gilt: Solidarisches Handeln wird durch Solidarnormen abgesichert. Für analytische Zwecke ist es daher erforderlich, zwischen Solidarität als gezeigtem Verhalten und Solidarität als normgebundener Form sozialer Steuerung zu unterscheiden (Kaufmann 2015, S. 335). Solidarisches Verhalten lässt sich demnach erklären mit der Befolgung existierender Solidarnormen. Wie aber lässt sich deren Existenz erklären? Normen sind verfestigte kontext- bzw. situationsspezifische Sollens-Erwartungen und Vorgaben für das Verhalten von Akteuren, das diese ohne derartige Vorgaben wahrscheinlich nicht an den Tag legen würden (Opp 2001). Solidarnormen als eine spezifische Erscheinungsform von Normen enthalten die Vorgabe, solidarisch zu sein. Solidarisch zu sein umfasst zum einen – und naheliegenderweise – die durch Tun belegte Bereitschaft des solidarische Hilfe Gewährenden zu selbstbelastendem Handeln in angemessenem Umfang zugunsten Anderer (vgl. Tranow 2013, S. 411 f.), zum anderen aber auch das durch Tun belegte Bemühen des oder der solidarische Hilfe Empfangenden, die Belastung für den Hilfegewährenden so gering wie möglich zu halten oder jedenfalls nicht übergebührlich auszunutzen. Um als Verhaltensvorgabe wirksam zu sein, bedürfen Normen eines Mechanismus, der diese Normen nötigenfalls auch gegen den Willen der beteiligten Akteure durchsetzt. Dieser Mechanismus der Erzwingung normkonformen Verhaltens basiert in der Regel auf einem mehr oder weniger komplexen Gefüge negativ und positiv wirkender Sanktionen. Nun ist es freilich keineswegs zufällig, welche Normen in einer Gesellschaft gelten und wann soziales Verhalten, gemessen am Maßstab normativer Solidaritätserwartungen, als konform oder nonkonform angesehen wird. Mit der Frage nach solidarnormdurchsetzenden Sanktionssystemen in einer Gesellschaft geraten also unweigerlich Fragen von Macht und Herrschaft in den soziologischen Blick. Ich komme darauf zurück.
Solidarnormen institutionalisieren die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Akteuren, die zueinander in Solidarbeziehungen stehen. In Anlehnung an Opp (2000) lassen sich Solidarnormen als Kollektivgüter zweiter Ordnung klassifizieren, wenn die damit hergestellte Verhaltensregelmäßigkeit (nämlich: eine sozialintegrativ wirkende Solidarbeziehung, die sich verlässlich in reziprokem solidarischen Handeln der Mitglieder einer Gruppe manifestiert) als Kollektivgut erster Ordnung verstanden wird. Solidarnormen wie auch die darauf beruhenden Solidarbeziehungen sind jedoch kontingent in dem Sinne, dass sie Folge von Entscheidungen sind, die prinzipiell auch anders hätten ausfallen können. Dem solidarischen Verhalten der Hilfegewährenden und -empfangenden gehen zahlreiche Handlungsentscheidungen mit Normierungspotenzial voraus, ohne dass dies den konkret Beteiligten an einer solidarischen Interaktion auch immer zwingend bewusst sein muss. Diese Entscheidungen betreffen insbesondere die Reichweite der Solidarbeziehungen (strukturelle Dimension von Solidarität), die anerkannten und normierten Auslöser solidarischen Handelns (inhaltliche Dimension von Solidarität) und dessen Modus (prozedurale Dimension von Solidarität). Ich diskutiere die drei Dimensionen in dieser Reihenfolge.

2.3 Strukturelle Dimension von Solidarität

Eine erste, unverzichtbare „Entscheidung“ betrifft die Reichweite der Solidarbeziehungen. Solidarität als Norm und als Handeln setzt die Definition einer Gemeinschaft voraus. Zugleich kann Solidarität ein Mechanismus sein, eine Gemeinschaft zu bilden oder zu festigen; bereits das wechselseitige Einlassen auf eine Reziprozitätsbeziehung lässt sich als Nukleus einer Gruppenbildung charakterisieren. Akute Nothilfe kann sich altruistisch gegenüber dem absolut Fremden vollziehen. Solidarität hingegen vollzieht und manifestiert sich ausschließlich unter den Mitgliedern einer Gemeinschaft. Mitgliedschaften bestehen jedoch nicht einfach so, und sie werden auch nicht einfach so erlangt, sondern sie werden von der Gemeinschaft durch Einbezug Einzelner in Solidarbeziehungen vergeben. Jeder Mitgliedschaft Einzelner in einer Gruppe geht eine Entscheidung dieser Gruppe über deren Zugehörigkeit voraus. Diese Entscheidung – wer gehört warum dazu und darf Solidarität erwarten? – ist politischer Art; deshalb sind Gruppen politische Gemeinschaften und die Mitgliedschaften, die sie gewähren, eine politische Zugehörigkeit zur Solidargruppe.
Mitgliedschaftsbeschränkungen haben grundsätzlich den Zweck, den Wohlstand und die Kultur einer Gruppe zu bewahren – bzw. das, was die Gruppe dafür hält. Entsprechend ist die Entscheidung der Gruppe über die Aufnahme in ihre Gemeinschaft (soweit nicht durch Geburt und Verwandtschaft gleichsam naturalisiert) abhängig vom Grad der (kulturellen) Ähnlichkeit der Nichtmitglieder mit den zugehörigkeits- und solidaritätsrelevanten Eigenschaften und Zielen der Mitglieder. Deren Entscheidung über die Ausweitung der Solidaritätsreichweite bzw. über die Aufnahme neuer Mitglieder in ihre Solidaritätsgemeinschaft orientiert sich also an den Werten und der kollektiven Identität der eigenen Gemeinschaft und an ihren Wissensbeständen und Vermutungen zur kulturellen Anpassungsfähigkeit, materiellen Ressourcenausstattung und „Reziprozitätsfähigkeit“ der noch nicht Integrierten (Walzer 1992).
Eine solche Entscheidung über Mitgliedschaften zu oder über die Ausweitung von Solidargemeinschaften hat also zunächst einmal zur Voraussetzung, dass die aufnehmende Gemeinschaft über ein schlüssiges Bild ihrer eigenen Kultur verfügt. Andernfalls wäre sie nicht in der Lage, das kulturell Eigene und kulturell Ähnliche vom kulturell Fremden zu unterscheiden. Ein an die Gruppe herangetragenes Mitgliedschaftsbegehren nötigt also die Gruppe, die Erkundung ihres kollektiven Selbstbildes zu aktivieren und ihr kulturelles Selbstverständnis zu schärfen. Andererseits wird es mit zunehmender Größe einer Gemeinschaft immer schwieriger, die kulturellen Eigenarten dieser Gemeinschaft plausibel zu bestimmen. Wir müssen davon ausgehen, dass es sich bei der Homogenität der Mitglieder großer, differenzierter Gemeinschaften wohl in erster Linie um Homogenitätsbehauptungen und bei den Beschreibungen kollektiver Identität um Identitätsinszenierungen handelt – beides durchaus im Sinne von Verhaltenserwartungen. Die Aussage, dass Solidaritätsbeziehungen die Definition einer Gemeinschaft voraussetzen, lässt sich entsprechend erweitern: Solidarität bedarf einer Identitätskonstruktion zur Selbstvergewisserung der Gemeinschaftsmitglieder, zwischen denen Solidarbeziehungen bestehen sollen.
Auf diese Weise kann ein System solidarischer Beziehungen im Laufe seiner Institutionalisierung und ggf. Internalisierung selbst zu einem Baustein kollektiver Identität werden – und damit auch selbst zu einem Bündel kulturell begründeter Verhaltenserwartungen. Berechtigte Reziprozitätsansprüche an andere Mitglieder der Gemeinschaft können demnach nur solche sein und sich nur aus solchen Verhaltensweisen ergeben, die den gesellschaftlichen Solidarnormen nicht widersprechen. Dadurch haben Solidarbeziehungen, einmal institutionalisiert und internalisiert, selbst verhaltensnormierende und damit in letzter Konsequenz homogenisierende oder jedenfalls homogenitätsinszenierende Wirkung. Das bedeutet: Solidarität benötigt – und begünstigt – kollektive Identitätskonstruktionen. Mechanismen der Solidarität entwickeln im Zuge ihrer Institutionalisierung und Internalisierung Akzentuierungspotenzial, d. h. sie werden von den Mitgliedern der Gemeinschaft als relevante Kategorie der Unterscheidung von anderen Gemeinschaften konstruiert, gern auch im Rahmen des sogenannten Solidaritätsmanagements instrumentalisiert (dazu unten mehr). Solidaritätsverhältnisse neigen auf diese Weise prinzipiell zur Abschließung nach außen; solidarische Verhältnisse sind notwendigerweise partikulär und exklusiv (Kaufmann 1984, S. 180). Und zugleich haben Strukturen solidarischer Beziehungen damit auch Signalfunktion nach außen: Sie zeigen nicht nur Zugehörigkeitsgrenzen an, sondern verdeutlichen auch, welche Erwartungen an Akteure gestellt werden, die eine Integration in diese Solidarstrukturen begehren.

2.4 Inhaltliche Dimension von Solidarität

Mit der Festlegung der In- und Exklusionscodes (Giesen 1991) als Zugehörigkeitskriterien zum Personenkreis einer politischen Gemeinschaft ist zwar einiges über die mögliche Reichweite solidarischer Beziehungen, jedoch noch nichts über die möglichen Auslöser solidarischer Hilfe gesagt. Da Solidarbeziehungen eine Form des Risikoausgleichs sind, bedarf es zusätzlich der Definition von Situationen und Betroffenheiten, die, sofern ein Akteur sie nicht aus eigener Leistung heraus in kulturell angemessener Weise bewältigen kann, durch solidarische Hilfe handhabbar gemacht werden sollen. Wie gesagt: Berechtigte Reziprozitätsansprüche an andere Gruppenmitglieder können nur solche sein, die den Solidarnormen der Gruppe nicht widersprechen. Damit drängt sich eine zweite zu treffende politische Entscheidung auf: die nach den innerhalb der Solidargemeinschaft kulturell anerkannten solidaritätsauslösenden Risiken, mithin: nach den Gründen für Solidarität. Keineswegs jede individuelle oder kollektive Not- und Mangellage und keineswegs jede Folge individuellen riskanten Verhaltens berechtigen zu Solidaransprüchen an andere, sondern nur solche, die den gesellschaftlichen Normen der Solidargemeinschaft nicht zuwiderlaufen (Titmuss 1958, S. 39 f.). Welche sozialen Herausforderungen die Verständigung auf solidaritätsrelevante Risiken mit sich bringt, zeigt allein schon der Umstand, dass mit zunehmender Gruppengröße strukturell bedingt nicht nur die soziale Komplexität und Unübersichtlichkeit, sondern ebenso die individuelle Risikovariabilität wie auch die Betroffenheitsheterogenität zwischen den Mitgliedern einer Gruppe zunimmt (Renn 2015). Aus diesen strukturellen Bedingungen, und nochmals verstärkt durch individuelle Verfasstheiten, ergibt sich, dass Risikotoleranzen in Gruppen sozial ungleich verteilt sind. Solidaritätsinhalte ergeben sich damit aus der in einer definierten Kategorie wahrgenommenen und konsensual als bearbeitungswürdig eingeschätzten materialen Ungleichheit zwischen den formal Gleichen einer Solidargemeinschaft. Sie sind angesichts der ungeheuer feinsinnigen menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit für Unterschiede tendenziell unerschöpflich (Fehmel 2019, S. 28 f.). Entsprechend gilt in modernen Sozialzusammenhängen: Gesellschaftliche Konventionen zu den Gründen für Solidarität auf Basis von Wertorientierungen und gemeinsam geteilten Situationsdefinitionen sind zwar für jede Gesellschaft resp. Solidargemeinschaft essentiell, in funktional differenzierten Gesellschaften aber besonders schwer herbeizuführen und als Solidarnormen besonders schwer zu institutionalisieren (Kaufmann 1984; Boholm und Corvellec 2011).
Die Mechanismen, mit denen diese gesellschaftlichen Konventionen zu solidaritätsauslösender Betroffenheit erarbeitet werden und Geltung erlangen, sind komplex; ihre ausführliche Erörterung würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Hinweise aber seien gegeben: Zum einen liegt es nahe, altruistisches Verhalten als einen möglichen Auslöser für solidarisches Verhalten in Betracht zu ziehen. Wenn auch möglicherweise initial gar nicht beabsichtigt, kann sich aus der zunächst rein philanthropischen Hilfe die Erwartung einer Vergeltung entwickeln, also der Nukleus einer Solidarbeziehung.2 Entweder darauf aufbauend oder aber – zum anderen – ganz unabhängig von altruistischen Initialzündungen ist die Verfestigung einer Verhaltensweise zu einer moralisch-sittlichen Reziprozitätserwartung vorstellbar (Opp 2000), die dann wiederum – mit zunehmender Komplexität der Gruppenstrukturen – in Solidarbeziehungen per Recht und Gesetz transformiert werden muss (Geiger 1964), um das im Zuge funktionaler Differenzierung und struktureller Ausdehnung der sozialen Kreise (vgl. Simmel 1989a [1888], S. 20 f.) schwindende Sanktionspotenzial der moralischen Reziprozitätserwartung kompensieren zu können. Das ist der Grund für die Beobachtung, dass mit zunehmender Gruppengröße und -komplexität die Existenz verrechtlichter Solidarbeziehungen wahrscheinlicher wird.

2.5 Prozedurale Dimension von Solidarität

Der Hinweis auf die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, Solidarnormen und darauf beruhende Solidarbeziehungen zu verrechtlichen, führt zu der Überlegung, dass auch die konkreten Modi solidarischer Praktiken die Folge von Entscheidungen sind. Sind Solidarnormen verrechtlicht, dann heißt das, dass die mit Rechtsetzungsmacht ausgestatteten Akteure einer Gesellschaft ein Interesse an bestimmten Formen umverteilungsrelevanter sozialer Beziehungen zwischen den Mitgliedern dieser Gesellschaft haben – und zugleich von der insuffizienten Geltung nichtrechtlicher Solidarnormen ausgehen: ihrer Einschätzung nach entfalten andere als rechtliche Mittel der Solidarnormdurchsetzung nicht ausreichend Wirkung. Jede Institutionalisierung von Solidarnormen, insbesondere aber die Setzung von Solidarrechtsnormen zwingt zur Befassung mit der Frage, wie genau denn Solidarbeziehungen zwischen den Mitgliedern der Solidargemeinschaft gestaltet sein sollen. Dabei werden die Konkreta solidarischer Praktiken üblicherweise gemeinsam mit der Reichweite der solidarischen Beziehungen (strukturelle Dimension) und mit den Gründen für solidarisches Handeln (inhaltliche Dimension) normiert. Genauer: Im Setzungsakt fließen die analytisch unterscheidbaren Dimensionen nachgerade zwangsläufig zusammen, weil letzten Endes über keine der drei Dimensionen ohne parallele Entscheidungen zu den jeweils beiden anderen Dimensionen entschieden werden kann. Am ehesten ist noch vorstellbar, eine Mehrzahl von Akteuren auch zunächst ohne konkreten Solidaritätsgrund und -anlass sowie ohne Normierung von Solidaritätsmodi als eine Solidargemeinschaft zu deklarieren, also die Reichweite der potenziellen Solidarbeziehungen abstrakt und auf zunächst nicht näher bestimmte zukünftige „Solidarfälle“, gleichsam auf Vorrat, festzulegen. Wie umverteilungsfest Solidarbeziehungen sind, erweist sich allerdings unausweichlich erst in ihrer praktischen Bewährung. Solidaritätsgründe und -modi können hingegen aufgrund ihrer Relationalität ohne vorherige oder gleichzeitige Festlegung der Solidaritätsreichweite, also der möglichen Beteiligten an den Anspruchsbeziehungen, nicht bestimmt werden. Gleichviel aber, wann und wie über die drei Dimensionen entschieden wird: die Entscheidungshierarchie zwischen ihnen bleibt in jedem Fall bestehen. Innerhalb einer Gruppe (Reichweite) wird erst über die solidaritätsauslösenden Lebenssituationen und Bedarfslagen (Grund) entschieden und dann die Art und Weise der Beteiligung konkreter Akteure an der Solidarbeziehung und die Aufteilung von Kosten und Nutzen zwischen ihnen festgelegt (vgl. Abb. 1).
Dass Entscheidungen zum Modus von Solidarität die hierarchisch nachrangigsten sind, bedeutet jedoch nicht, dass sie ohne Schwierigkeiten zu fällen wären. Für die Erörterung der modusbezogenen Entscheidungsschwierigkeiten ist es sinnvoll, daran zu erinnern, dass Solidarbeziehungen Distributionsrelationen sind, in denen faktische materiale Transfers stattfinden bzw. über derartige Transfers verhandelt wird (vgl. Kolers 2012).3 Mit einem solchen materialen Verständnis von Solidarbeziehungen lassen sich analytisch die zu einem bestimmten Zeitpunkt t1 an einer Solidarbeziehung Beteiligten als Geber oder als Empfänger klassifizieren; und diese Rollenaufteilung kann sich infolge der reziproken Struktur von Solidarbeziehungen zu einem späteren Zeitpunkt t2 umkehren.4 Damit geraten die Verteilung von Kosten und Nutzen innerhalb einer Solidarbeziehung zu einem bestimmten Zeitpunkt wie auch mögliche Verschiebungen im Kosten-Nutzen-Verhältnis im Zeitverlauf ins Zentrum des analytischen Interesses. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass modusbezogene Solidarnormen, auch wenn Fragen der Reichweite und der Begründungen solidarischen Verhaltens bereits geklärt sind, Lösungen für Handlungsprobleme bereitstellen müssen, die sich auf den beiden Seiten einer Solidarbeziehung ergeben und auf die Kosten und Nutzen der jeweils Beteiligten beziehen.
Probleme auf Seiten des rezenten Gebers können sich aus dessen ungenügender Bereitschaft zur Kostenübernahme ergeben. Sofern diese mangelnde Bereitschaft sich daraus ergibt, dass der Geber Unklarheiten bezüglich der Mitgliedschaft des Nehmers zur Solidargruppe oder bezüglich des Vorliegens eines Solidaritätsanlasses deklariert, werden letztlich Fragen auf Ebene der strukturellen oder inhaltlichen Solidaritätsdimension verhandelt. Das zeigt sich dann in der Regel in der vollständigen Zurückweisung einer Solidaritätsforderung. Eine modusbezogen ungenügende Bereitschaft zur Kostenübernahme erkennt hingegen sowohl die Zugehörigkeit des Nehmers als auch seinen Umverteilungsanspruch an, stellt aber die Höhe der zu tragenden Kosten (resp. die Höhe des Nutzens für den Empfänger) infrage. Das zeigt sich üblicherweise in einer relativen Zurückweisung einer Solidaritätsforderung.
Die in einer Solidarbeziehung angelegte Reziprozitätsstruktur kann zur Entschärfung dieses Problems der ungenügenden Kostenübernahmebereitschaft des rezenten Gebers beitragen: Je höher dessen Transferbeiträge (Kosten) sind, desto höher ist auch seine Reziprozitätserwartung bezüglich zukünftiger Gegenleistungen (Nutzen).5 Hingegen erreichen rezente Geber durch die Reduktion ihrer Beiträge zu t1 zwar eine aktuelle Kostensenkung, provozieren damit aber auch eine Reduktion ihrer späteren (t2) Auszahlung(sansprüche). In durchaus rationaler Abwägung kann das dazu führen, dass rezente Geber nicht zwingend ein Interesse an möglichst geringen Kosten bzw. Beiträgen haben müssen. Das setzt jedoch voraus, dass allen Beteiligten, insbesondere dem rezenten Geber, der reziproke Charakter der Umverteilungsbeziehung auch bewusst ist. Noch wichtiger für die Kostenübernahmebereitschaft des rezenten Gebers ist jedoch, dass er auf eine zukünftige Gegenleistung in nicht unbedingt konkret bezifferter, aber zumindest „gefühlt“ angemessener Höhe vertrauen kann. Angesichts der zuweilen sehr langen Zeiträume zwischen Leistung (Kosten zu t1) und Gegenleistung (Nutzen zu t2) ist Vertrauen riskant (Popitz 1992, S. 203 f.) und solidarisches Verhalten zugunsten Anderer entsprechend unwahrscheinlich. Genauer: freiwilliges solidarisches Verhalten ergibt sich aus der subjektiven Einschätzung nicht nur der aktuellen Situation, sondern auch zukünftiger Konstellationen. Vorstellbar ist, dass der rezente Geber zwar durchaus ein Interesse an einer solidarischen Beziehung hat, gerade weil er von einem eigenen zukünftigen Bedarf daran ausgeht, andererseits aber dem rezenten Empfänger (unabhängig von dessen ggf. gemachter Zusage) nicht die Fähigkeit zu späterem reziproken Handeln zutraut. Eine solche Einschätzung senkt die Solidaritäts- und Transferbereitschaft beim rezenten Geber unter Umständen erheblich. Modusbezogene Solidarnormen dienen also zunächst der Etablierung von Institutionen zur Herstellung dieses langanhaltenden Vertrauens (Luhmann 2014 [1968], S. 9 f., 1969, S. 227).
Doch selbst wenn ein rezenter Geber keinen begründeten Anlass hat, innerhalb einer Solidarbeziehung an einer zukünftigen Gegenleistung zu seinen Gunsten zu zweifeln, ändert das nichts an der Tatsache, dass die von ihm geleisteten rezenten Solidarbeiträge zunächst einmal seinem individuellen Ressourcenpool zur sofortigen Befriedigung eigener Bedürfnisse entzogen sind. Es ist ohne Weiteres denkbar, dass ein Akteur in dieser Entscheidungskonstellation – aktuell Verzicht für spätere Zeiten und/oder zugunsten Anderer üben oder die fraglichen Ressourcen zum sofortigen eigenen Nutzen verwenden – eine kurzfristig rationale Gegenwartspräferenz entwickelt, selbst wenn die Kosten-Nutzen-Saldierung der reziprozitätsberücksichtigenden Langfristperspektive attraktiver ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn der rezente Geber davon ausgeht, seinerseits zukünftig nicht in eine Bedürftigkeitssituation zu geraten, die die Aktivierung solidarischer Hilfe notwendig macht; unter diesen Umständen einer vermeintlich nicht benötigten Reziprozitätsbeziehung sinkt die Bereitschaft zu eigenem solidarischen Verhalten in Abhängigkeit vom Verbundenheitsgefühl mehr oder minder stark. Modusbezogene Solidarnormen dienen also auch der Etablierung von Institutionen zur Herstellung und Aufrechterhaltung solidarischer Verpflichtungen bei gering ausgeprägter Freiwilligkeit (Tranow 2013).
Ebenfalls in den Bereich der prozeduralen Dimension von Solidarität fällt die Entscheidungskonstellation, dass ein potenzieller rezenter Geber zwar alle bislang erörterten Aspekte einer Solidarbeziehung akzeptiert, nicht aber über die Mittel verfügt, die Beziehung auch manifest werden zu lassen. Daraus lässt sich ableiten, dass die erwarteten Leistungen dem rezenten Geber auch zumutbar sein müssen und der Transferbeitrag die Selbstbestimmung des Gebers nicht gefährden darf (Steinvorth 1998). Auch diesem Regelungszweck, der Deckelung der Solidarverpflichtung des rezenten Gebers entsprechend seiner aktuellen Leistungsfähigkeit, dienen modusbezogene Solidarnormen.
Jedes der erörterten möglichen Solidaritätsprobleme auf Seiten des rezenten Gebers enthält Potenzial für Entsolidarisierungsdynamiken. Unzureichende Lösungen dieser Probleme strahlen freilich über Modusfragen im engeren Sinne weit hinaus. Da solidarisches Verhalten per definitionem ein in Gruppen gezeigtes und auf Gruppen bezogenes Verhalten ist, kann sich Entsolidarisierung generell in zweierlei Form äußern: Sie führt entweder zu faktischer De-Kollektivierung, also zur Auflösung der Gruppe als Reziprozitäts- und Solidarverband und zum Umschalten auf (kurzfristige) asolidarische individuelle Verfolgung von Eigeninteressen. Oder Entsolidarisierungsdynamiken forcieren die Re-Definition von Solidaritätsanlässen und ggf. gar die Re-Definition von Gruppenzugehörigkeit. Die Geltung modusbezogener Solidarnormen ist also von elementarer Bedeutung für die Stabilität von Solidarbeziehungen generell – inklusive der Fragen der Reichweite von und der Gründe für Solidarität – und damit elementar für die Integration der Gruppe.
Modusbezogene Solidarnormen halten auch Verhaltensvorgaben für rezente Empfänger bereit. Die Versuchung, als aktueller Nutznießer eine Solidaritätsbeziehung auszubeuten, wird zwar auch hier durch den reziproken Charakter der Beziehung strukturell begrenzt: Je mehr Hilfe beansprucht wird, desto höher sind eventuelle Gegenleistungspflichten in der Zukunft. Das Interesse an möglichst geringen zukünftigen Transferpflichten mag demnach dazu beitragen, dass auch die gegenwärtigen Transferanrechte eigeninteressiert nicht überstrapaziert werden. Gleichwohl bedarf es der Absicherung gegen Ausbeutung und Missbrauch der Solidarbeziehung oder das, was rezente und potenzielle Geber dafür halten könnten. Das umfasst Nachweispflichten bezüglich der Hilfeberechtigung (strukturelle Dimension) und bezüglich der Hilfebedürftigkeit (inhaltliche Dimension) ebenso wie Nachweispflichten bezüglich der Anstrengungen, das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit (genauer: das Ausmaß der Transferpflicht des jeweils rezenten Gebers) schnellst- und weitmöglichst zu reduzieren. Hier wird soziale Kontrolle als Funktion modusbezogener Solidarnormen besonders sichtbar.

2.6 Erzwungene Solidarität

Angesichts der beschriebenen Handlungs- und Entscheidungskonstellationen wird deutlich, dass solidarisches Verhalten und darauf aufbauende Solidarstrukturen ausgesprochen voraussetzungsvolle Entitäten sind. Vor diesem Hintergrund macht Franz-Xaver Kaufmann völlig zu Recht darauf aufmerksam, dass „solidarische Steuerung an kurze Handlungsketten gebunden [scheint]. Je komplexer die Handlungszusammenhänge werden, um so unwahrscheinlicher lassen sie sich durch Brauch und Sitte bzw. gemeinsame Wertorientierungen und Situationsdefinitionen allein steuern. Der Zusammenhang von Beurteilungskriterien, Handlungsweisen und Erfolgszurechnung muß für die Beteiligten überschaubar sein oder zumindesten [sic] für überschaubar gehalten werden. Mit Bezug auf komplexe gesellschaftliche Situationen erscheint daher die Möglichkeit solidarischer Steuerung von Vereinfachungen abhängig, deren Tragfähigkeit von Fall zu Fall zu prüfen ist.“ (Kaufmann 1984, S. 169; Hervorh. im Orig.) Das freilich dürfte die Fähigkeiten komplexer Gesellschaften bei weitem übersteigen. Solidarisches Handeln in komplexen Gesellschaften muss daher durch Solidarnormen abgesichert werden, die dieser Komplexität gerecht werden, indem sie sie reduzieren. Die bereits erwähnte Tendenz der zunehmenden Verrechtlichung von Solidarnormen bei zunehmender sozialer Komplexität geht unweigerlich einher mit der zunehmenden Relevanz von Zwang zur Durchsetzung der Solidarnormen. Anzuerkennen, dass es so etwas wie Solidarnormen gibt, heißt also auch anzuerkennen, dass Solidarität erzwingbar ist.
Normen sind per definitionem Mechanismen zur Erzwingung eines bestimmten Verhaltens (Popitz 2010 [1980]). Die Frage ist also nicht, ob, sondern wie und wie stark Normen ein bestimmtes Verhalten erzwingen. Fluchtpunkt der Zwangswirkung von Normen ist dabei stets, dass der Normadressat Gefahr läuft, durch normnonkonformes Verhalten den Entzug seiner sozialen Anerkennung zu riskieren. Ob er diesem Anerkennungsentzug zuvorkommt, indem er eine Norm internalisiert und sich der Überzeugung hingibt, sie aus einer autonomen Entscheidung heraus zu befolgen (vgl. dazu Fehmel 2014a), oder ob er sich in vollem Bewusstsein notgedrungen der Norm unterwirft, um der drohenden sozialen Ächtung zu entgehen, ist letzten Endes zweitrangig. Entscheidend ist, dass Gesellschaften – auch komplexe Gesellschaften – Wege finden, ihre Mitglieder zu solidarischem Handeln zu veranlassen, obwohl die Möglichkeiten und Anreize zu nicht-kooperativem Verhalten so zahlreich sind (Trivers 1971).
Es bedarf also der Solidarnormierung, wenn der Eigenantrieb der in eine potenzielle Solidarbeziehung Involvierten zu solidarischem Handeln nicht ausreicht, weil ihr subjektives Gefühl der sozialen Verbundenheit als Solidaritätsantrieb oder ihr taxierter Eigennutzen der Reziprozitätsbeziehung zu gering ist. Da wirksame und transferfeste, verlässliche und reziproke Solidarbeziehungen im Hinblick auf die soziale Integration ein Kollektivgut darstellen, sind die dieses manifeste solidarische Handeln absichernden Solidarnormen als Kollektivgüter zweiter Ordnung zu betrachten. Das gilt für alle drei Dimensionen von Solidarität.

2.7 Solidaritätsmanagement

Der Bedarf an Solidaritätsnormen verweist schließlich auf das, was ich Solidaritätsmanagement nennen möchte. Als Solidaritätsmanagement bezeichne ich die Gesamtheit sowohl der Versuche, die oben dargestellten „Entscheidungen“ bezüglich der Strukturen, Inhalte und Prozedere solidarischer Beziehungen zu treffen, ggf. zu adaptieren und jeweils zu rechtfertigen, als auch der Bemühungen, entsprechende Solidarnormen durchzusetzen, ihnen Geltung zu verschaffen und sie zu stabilisieren. Solidaritätsmanagement umfasst auch Bemühungen, geltende Solidarnormen infrage zu stellen und in den genannten Dimensionen ihre Geltungskraft zu verändern. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf das Handeln solidaritätsinteressierter Akteure. So gesehen ist Solidarität als Norm und als faktisches Handeln eine Konstruktionsleistung; und die Möglichkeit, Solidaritäten zu „konstruieren“, verweist unweigerlich auf gesellschaftliche Prozesse von Macht und Normierung. Die Durchsetzung und Stabilisierung von Solidarnormen ist eine machtvolle Angelegenheit. Erzwungene Solidarität ist dafür ein beredtes Beispiel. Dabei geht der Zwang zur Solidarität freilich über unmittelbar beobachtbare, mit Sanktionskraft ausgestattete Verhaltensanweisungen weit hinaus. Internalisierte Solidaritätsnormen können weitgehend ohne unmittelbare Sanktion(sandrohung) verhaltenswirksame Geltung entfalten. Internalisierte Solidarnormen sind, insbesondere in großen, komplexen und hochgradig anonymen Sozialzusammenhängen, das Resultat der strategischen Bearbeitung kollektiver Identitäten: Grundlage einer jeden solidaritätsfesten Vergemeinschaftung ist postulierte Homogenität der Gemeinschaftsmitglieder in mindestens einer differenzierungsfähigen Kategorie. Gelingt die Durchsetzung dieser Definition, wird die postulierte Homogenität unter Umständen zu einem, wenn nicht dem Element kollektiver Identität, d. h. die Mitglieder der Gemeinschaft erachten die postulierte Kategorie der Ähnlichkeit oder gar Gleichheit als konstitutiv für ihre Zusammengehörigkeit – und damit auch für ihre Solidaritätsbereitschaft. Dieses Prinzip der Homogenitäts- und Identitätskonstruktion mit Internalisierungschance findet sich auf allen Ebenen des Sozialen: das identitätsstiftende Element der emotionalen Verbundenheit kann eine sogenannte Blutsverwandtschaft ebenso sein wie ein gleicher sozialer Status oder die Verortung im gleichen territorialen Lebensraum. Nicht selten ergibt sich kollektive Identität aus komplexen Kombinationen solcher Elemente. Immer aber ist kollektive Identität eine Inszenierung des Ergebnisses sozialen Vergleichens, Kategorisierens und Akzentuierens, und damit insgesamt das Ergebnis sozialer Konstruktion (Tajfel 1978). Diese Konstruktion kann sich durch Internalisierung intersubjektiv und intergenerational verfestigen (Nassehi 1995). Verfestigte Homogenitätsbehauptungen und Identitätskonstruktionen begünstigen also die Geltung von Solidarnormen und sind entsprechend Gegenstand eines strategischen Solidaritätsmanagements.

3 Konflikt als Form der Vergesellschaftung

In keiner soziologischen oder sozialpsychologischen Auseinandersetzung mit Solidarität als sozialem Phänomen fehlt der Hinweis auf den empirisch immer wieder bestätigten Zusammenhang von solidarischen Handlungsstrukturen innerhalb einer Gruppe und deren Neigung zu sozialer Schließung und Abgrenzung nach außen: Intragruppensolidarität begünstigt Intergruppenkonflikte. In den hier bislang angestellten Überlegungen ging es mir hingegen im Kontext von Solidarität ausschließlich um Handlungs- und Koordinationsprobleme innerhalb von Gruppen. Gleichwohl wurde es beim Entwickeln der Gedanken zunehmend schwierig, aus dramaturgischen Gründen auf die Verwendung des Begriffs „Konflikt“ zu verzichten. Dramaturgisch gewollt war der Verzicht auf den Begriff im Interesse der Grundstruktur des Textes. Zunehmend schwierig war der Verzicht, weil es im Zuge der Entfaltung der Argumentation und der Systematisierung gruppeninterner Solidaritätsprobleme unzählige Anknüpfungspunkte an das Thema „Konflikt“ gab. Nahezu jede der aufgeworfenen Fragen zu Reichweite, Anlässen und Modi von Solidarität dürfte innerhalb einer Gesellschaft von (potenziell) miteinander solidarischen Akteuren umstritten sein. Diese Fragen als politische Entscheidungen zu konzeptualisieren, wie oben geschehen, heißt nachgerade zwangsläufig, eine gewisse Konfliktualität zu unterstellen, jedenfalls dann, wenn man das Politische als grundsätzlich agonistisch, konfliktiv denkt.
Solidaritätsmanagement als ein in großen, komplexen Gemeinschaften unverzichtbares strategisches Gestalten von Solidarnormen zum Zwecke der Etablierung, Stabilisierung, Adaptierung von Solidarbeziehungen enthält demnach mannigfaltiges Konfliktpotenzial. Solidarnormen normieren Solidarbeziehungen. Solidarbeziehungen wiederum sind geregelte und institutionalisierte Beziehungen zwischen sozialen Akteuren, die ihren Ausdruck in manifesten Umverteilungen von Ressourcen und in damit verbundenen Verhaltenserwartungen finden. Solidarnormen haben also Umverteilungseffekte. Solidarbeziehungen als Kollektivgüter erster und Solidarnormen als Kollektivgüter zweiter Ordnung sind ihrem Wesen nach konfliktiv. Soziale Konflikte sind die Antriebselemente von Solidaritätsmanagement und Solidarnormierung. Das rechtfertigt eine analytische Beschäftigung mit „Konflikten um Solidarität“ wie auch mit „Konflikten durch Solidarität“.

3.1 Konfliktverständnis

Sozialer Konflikt ist – wie Solidarität – eine spezifische Form sozialer Beziehungen.6 In sozialen Konflikten nehmen mindestens zwei soziale Akteure auf individueller oder kollektiver Ebene ihre Meinungen, Ziele oder Interessen als verschiedenartig und gegenläufig wahr und handeln entsprechend. Wie für Solidarbeziehungen sind auch für soziale Konflikte soziale Unterschiede Voraussetzung. Diese Unterschiede können sich unter angebbaren Bedingungen durch Prozesse der Deutung, Problematisierung und damit Politisierung zu sozialen Ungleichheiten entwickeln. Das führt zu sozialen Konflikten dann, wenn die Deutungsleistung bei mindestens einem der involvierten Akteure mit dem Bemühen einhergeht, die wahrgenommene Ungleichheit zu überwinden bzw. zu reduzieren. Durch das aktive Bestreben, den eigenen relativen Status zu verändern (etwa hinsichtlich des Zugangs zu Ressourcen, Macht, sozialer Anerkennung o. ä.), wird aus sozialer Ungleichheit sozialer Konflikt.
Ähnlich wie im Falle der Solidarität bestehen auch im Falle eines sozialen Konfliktes die Beziehungen zwischen ungleichen Gleichen. Wie oben ausgeführt, ist die formale Gleichheit (Zugehörigkeit zu ein und derselben Solidargemeinschaft) Voraussetzung dafür, dass sich material ungleich ausgestattete Akteure zueinander solidarisch verhalten. Für konfliktives Verhalten ist zwar formale Gleichheit nicht Voraussetzung. Dennoch lässt sich jeder soziale Konflikt auch als ein Konflikt zwischen Gleichen betrachten, weil um knappe Ressourcen, Positionen, Einflusschancen und Anerkennungsansprüche Akteure oder Gruppen von Akteuren konkurrieren, die sich allein schon in ihrer Rolle als Konfliktbeteiligte einander gleichen.7 Als Gleiche begegnen sie sich aber auch insofern, als sie sich in ihren Ansprüchen auf den Konfliktgegenstand für gleichberechtigt halten oder zumindest nicht umhinkönnen, die Ansprüche der Konfliktgegner zur Kenntnis zu nehmen. Für Solidaritäts- wie für Konfliktbeziehungen gilt daher: Handlungstheoretisch ist Gleichheit die Voraussetzung für Ungleichheit (vgl. Schütz 2011 [1955]).
Soziale Konflikte sind nicht per se dysfunktional. Sie können sozial integrierend oder desintegrierend wirken. Sozialintegrative Wirkungen haben sie dann, wenn sie zu assoziativen sozialen Strukturen, zu dauerhaft kohäsiven und konstruktiven Beziehungen und zu für funktional differenzierte Gesellschaften charakteristischen Kooperationsgefügen zwischen Akteuren führen oder diese, sofern sie bereits bestehen, nicht schwächen. Konflikte können also unter anderem in Solidarbeziehungen münden oder bestehende stärken. Desintegrativ wirken soziale Konflikte hingegen, wenn sich in ihrer Folge dissoziative Strukturen herausbilden, also bestehende soziale Kontakte reduziert, wechselseitige soziale Beziehungen geschwächt, Kooperationsbereitschaften und -zusammenhänge aufgekündigt und soziale Akteure voneinander isoliert werden (Galtung 1970). Konflikte können also unter anderem auch bestehende Solidarbeziehungen schwächen. Ob und in welcher Weise soziale Konflikte einen sozialen (Solidar‑)Zusammenhang (zer)stören oder vielmehr zu seiner Stabilisierung und Weiterentwicklung beitragen, kann nur empirisch und für den Einzelfall ermittelt werden. Ähnlich wie für Solidarität bietet es sich daher an, auch Konflikt als soziales Phänomen zum Zwecke empirischer Prüfbarkeit analytisch zu zerlegen. Das (Des‑)Integrationspotenzial sozialer Konflikte lässt sich anhand von vier Dimensionen untersuchen (vgl. ausführlich Fehmel 2015).

3.2 Strukturelle Dimension von Konflikt

Analog zur strukturellen Dimension von Solidarität (Reichweite von Solidarbeziehungen) lassen sich auch soziale Konflikte entlang der Frage ihrer Reichweite, das heißt der Konfliktbetroffenheit untersuchen. Mit dem Grad der funktionalen Differenzierung eines sozialen Zusammenhangs steigt bekanntlich die Zahl von sozialen Zugehörigkeiten und Rollen einzelner Akteure. Durch diese Pluralisierung von Zugehörigkeiten erhöht sich für einen Akteur unter Umständen nicht nur die Zahl der Einbindungen in differente solidarische Strukturen (Hondrich und Koch-Arzberger 1992, S. 22), sondern auch die Wahrscheinlichkeit, als Individuum oder als Angehöriger einer sozialen Gruppe in einen manifesten sozialen Konflikt involviert zu sein. Zugleich steigt damit aber auch die Wahrscheinlichkeit sich überschneidender Konflikte und sich überlagernder Konfliktlinien, und es sinkt die Relevanz sozialer Konflikte und Großpolarisierungen entlang einer einzigen, (vormals) zentralen Achse (Gluckman 1956, S. 25). Dadurch kann sich für den einzelnen Akteur die Bedeutung des einzelnen sozialen Konfliktes relativieren. Das heißt, mit zunehmender funktionaler Differenzierung nimmt die Zahl sozialer Konflikte und der Konfliktbeteiligten zu, die Intensität (und damit das Desintegrationspotenzial) sozialer Konflikte hingegen ab. Je intensiver und vielfältiger die Interdependenzen und Kooperationsbedürfnisse zwischen gesellschaftlichen Teilbereichen und sozialen Gruppen sind, desto wahrscheinlicher sind relationale Positionen innerhalb eines einzelnen von vielen möglichen Interessengegensätzen Konfliktgegenstand (Simmel 1992b [1908], S. 846) und nicht grundsätzliche Fragen der Gesellschaftsorganisation.

3.3 Inhaltliche Dimension von Konflikt

Analog zur inhaltlichen, anlassbezogenen Dimension von Solidarität lassen sich soziale Konflikte mit Blick auf ihre Inhalte bzw. die Konfliktgegenstände bestimmen. Analytisch werden hierbei üblicherweise Verteilungskonflikte und Wertkonflikte unterschieden. Dafür ist grundsätzlich die Frage zu klären, ob die Konfliktbeteiligten den Konfliktgegenstand als teilbar oder unteilbar betrachten (Hirschman 1994). Verteilungskonflikte sind Konflikte um teilbare und verteilbare oder um verhandlungs-, ausgleichs- und ggf. substitutionsfähige Güter, Ressourcen oder soziale Positionen; sie lassen sich per Kompromiss und durch Nutzung geeigneter Verteilungsmedien (beispielsweise Geld oder zeitliche, räumliche, sachliche Machtbeschränkungen) und Verteilungsstrukturen (zum Beispiel Solidarität) vergleichsweise leicht beilegen. Gegenstand sogenannter Wertkonflikte sind hingegen aus Sicht der Beteiligten als unteilbar empfundene Materien und unvereinbare Werte, etwa entlang rivalisierender ethnischer, linguistischer oder religiöser Gruppenzugehörigkeiten. Deshalb gelten sie als schwerer bearbeit- und beilegbar. Häufig zeigt sich jedoch, dass die empirische Zuordnung bestehender Konflikte entlang der heuristisch plausiblen Unterscheidung von Verteilungs- und Wertkonflikten schwierig ist. Empirisch ist wohl anstelle eines dichotomen Verhältnisses von graduellen Abstufungen auszugehen: Schlussendlich sind alle Konflikte Verteilungskonflikte, aber unter bestimmten Bedingungen ist deren Transformation in schwer zu bearbeitende Wertkonflikte möglich. Das ist etwa dann der Fall, wenn sich aus einem sogenannten realistischen Konflikt, der auf unterschiedlichen Interessen bezüglich eines konkreten Konfliktgegenstandes beruht, ein unrealistischer Konflikt entwickelt, der von allgemeiner, nicht zwingend gegenstandsbezogener Feindseligkeit getragen ist (Coser 1965). Die Funktion solcher Konflikte dürfte dann weniger im Aushandeln und Durchsetzen von Interessen liegen, sondern primär in sozialer Selbstvergewisserung und in der Konstruktion und Stabilisierung einer Gruppenidentität durch Abgrenzung.

3.4 Prozedurale Dimension von Konflikt

Analog zur Frage, wie regelhaft solidarisches Handeln gestaltet ist, spielt für die Analyse sozialer Konflikte schließlich auch der Grad der Regulierung und Verrechtlichung der Konfliktaustragung eine tragende Rolle (Dahrendorf 1972, S. 41). Je ausgebauter und umfangreicher die Verfahrensregeln der Konfliktaustragung sind, desto geordneter und strukturierter können Konflikte ausgetragen werden, und entsprechend vorhersehbar und berechenbar sind ihre Lösungen für die Beteiligten. Allseits akzeptierte Verfahrensvorgaben zur Konfliktaustragung können zunächst bewirken, dass die Konfliktparteien sich und ihre inkompatiblen Interessen gegenseitig zur Kenntnis nehmen und als legitim anerkennen. Zudem lassen sich bestehende Machtunterschiede und Ressourcenungleichheiten zwischen den Konfliktgegnern vorübergehend und jedenfalls partiell außer Kraft setzen. Schließlich hat der Grad der Konfliktregelung und -einbettung auch Einfluss darauf, ob die Beteiligten die verfahrensmäßig gefundenen Verteilungslösungen zumindest befristet als verbindliche Handlungsanweisungen ansehen (Luhmann 1969). Bedeutsam für die Wirksamkeit von Verfahren ist aber vor allem die Existenz eines „durchsetzenden Dritten“, einer legitimen Instanz, die die Konfliktaustragung überwacht und die gefundenen Konfliktlösungen ggf. zwangsweise durchzusetzen in der Lage ist (Knight 1997, S. 60).

3.5 Konfliktrahmen

Das Setting aus (in komplexen Gesellschaften vor allem rechtlich kodifizierten) Verfahrensregeln, Verteilungsmechanismen, Verteilungsbeziehungen und Überwachungsinstanz für die Austragung sozialer Konflikte lässt sich als Konfliktrahmen bezeichnen. Solidarnormen sind eine mögliche Erscheinungsform von Konfliktrahmen. Da das Austragen konkreter sozialer Konflikte Verteilungskonsequenzen hat, liegt es nahe, dass umverteilungsbetroffene Akteure nicht nur in derartigen Konflikten selbst nach Distributionsgewinnen streben. Sie streben auch danach, schon bei der Gestaltung eines relevanten Konfliktrahmens für derartige Konflikte Regelungen durchzusetzen, die dauerhaft Verteilungsvorteile in Aussicht stellen, indem sie die Möglichkeiten potenzieller Konfliktgegner einschränken – und zwar nicht nur situativ, sondern strukturell! Demnach können auch Konfliktrahmen sowohl Gegenstand als auch Ergebnis von Konflikten sein. In diesen Konflikten um Konfliktrahmen geht es grundsätzlich darum, die Reichweite der Konfliktbetroffenheit und die Regeln der zukünftigen Konfliktaustragung dauerhaft festzulegen; und es geht um die Frage, welchem Akteur eigentlich die Kompetenzen des „durchsetzenden Dritten“ zugewiesen werden, also die Kompetenzen der Konfliktüberwachung und der Durchsetzung der Konfliktregeln.
Angesichts der kategorialen Unterschiede zwischen „einfachen“ Konflikten einerseits und Konflikten um Konfliktrahmen andererseits ist es angebracht, analytisch zwischen Konflikten erster und zweiter Ordnung zu unterscheiden. Diese Unterscheidung erlaubt nicht nur die Strukturierung der Analyse empirischen Konfliktgeschehens. Sie erlaubt es auch, jenseits theoretischer Möglichkeiten, mithin: für konkrete Konfliktkonstellationen, die oben gestellte Frage zu klären (bzw. in eine empirisch prüfbare Hypothese zu überführen), ob soziale Konflikte sozial integrierend oder desintegrierend wirken, resp. in welchem Ausmaß konkreter sozialer Konflikt auch faktisch eine Form der Vergesellschaftung ist: Soziale Konflikte wirken dann vergesellschaftend, wenn sie eingebettet sind in stabile und von den Konfliktbeteiligten anerkannte Konfliktrahmen.

4 Konflikt und Solidarität als Verhältnis dynamischer Strukturierung

4.1 Strittige Solidarität

In zahlreichen der einschlägigen analytischen Auseinandersetzungen mit Solidarität wird Solidarität in einen engen Bezug zu Konflikt gesetzt, wenn auch in der Regel eher beiläufig. So definiert etwa Kaufmann Solidarität als kooperatives Verhalten in Situationen, bei denen zumindest eine kurzfristige Betrachtungsweise der Interessenlage der beteiligten Akteure ein nichtkooperatives Verhalten nahelegen würde (Kaufmann 1984, S. 162). Höffe verweist darauf, dass die Inklusion in wie auch die Exklusion aus solidarischen Strukturen – insbesondere zwangssolidarischen Strukturen – stets rechtfertigungsbedürftig ist (Höffe 2018, S. 56). Bekannt ist auch das pointierte Diktum von Michael Stolleis: „Wer Solidarität sagt, will etwas haben!“ (Stolleis 2004, S. 52). In all diesen – und vielen weiteren ähnlichen – Äußerungen ist zumindest implizit auch die Andeutung enthalten, dass solidarisches Verhalten nicht selbstverständlich ist und die daher erforderliche Solidarnormierung umstritten sein kann. Auffallend unbeleuchtet bleibt hingegen in der Literatur der unmittelbare Zusammenhang von Solidarität und Konflikt als zwei unterscheidbaren sozialen Phänomenen; und unbeleuchtet bleibt vor allem das Verhältnis von Solidarität und Konflikt als einem sozialen Phänomen eigener Art. Die verbleibenden Ausführungen wenden sich diesen Desiderata zu.
Solidarität und Konflikt sind jenseits ihrer Verwendung im allgemeinen, öffentlichen Sprachgebrauch analytisch scharfe Begriffe zur Beschreibung sozialer Beziehungen unter den Bedingungen knapper und ungleich verteilter wertvoller Güter. Daraus ergibt sich in Zusammenführung der Ergebnisse der Abschnitte 2 und 3 die folgende Analogie: Solidarbeziehungen als Kollektivgüter erster Ordnung sind gefundene Lösungen für Verteilungskonflikte, also Lösungen für Konflikte erster Ordnung. Solidarnormen als Kollektivgüter zweiter Ordnung sind gefundene Lösungen für Konflikte um Konfliktrahmen, also Lösungen für Konflikte zweiter Ordnung. Aus dieser zunächst statischen Anordnung sollte sich ein sozialtheoretisches Modell entwickeln lassen, das sequenzanalytisch zeigen können sollte, wie die Wechselbeziehung von Konflikt und Solidarität systematisch sozialen Wandel (zyklisch) vorantreibt.
Ausgangspunkt eines solchen Modells dürfte in jedem Fall die Manifestation eines Konfliktes sein. Dabei wird es sich um einen unmittelbaren Verteilungskonflikt dann handeln, wenn sich die im Streit um Ressourcen, Chancen, Positionen etc. wähnenden Akteure zumindest einig darüber sind, dass sie bei aller Ungleichheit Angehörige der gleichen Gemeinschaft sind und nur deshalb überhaupt füreinander zu Widersachern in der strittigen Frage der Verteilung eines begehrten Gutes sein können. Etwas komplizierter ist die Angelegenheit, wenn diese Grundgemeinsamkeit zwischen Akteuren nicht besteht. Dann ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass die erstmalige Interessenbekundung mindestens einer Seite zunächst in einen Wertkonflikt um Anerkennung als gleichberechtigte Konfliktpartner mündet und erst die Form eines Verteilungskonfliktes annimmt, wenn die Frage der Gleichberechtigung der Interessen grundlegend geklärt ist. Diese Klärung kommt im Falle der wechselseitig erlangten Anerkennung als Konfliktpartner der Konstitution einer Gruppe (oder der Ausdehnung einer bestehenden Gruppe auf neue Mitglieder) gleich, in der – siehe oben – Verteilungskonflikte ausgetragen werden können, weil die Verteilungsreichweite jedenfalls für den Moment nicht mehr strittig ist. Wird das Zwischenziel der wechselseitigen Anerkennung hingegen verfehlt, ist das Austragen von Verteilungskonflikten verunmöglicht – und damit a la longue auch die Entstehung solidarischer Beziehungen.
Innerhalb unseres sequenzanalytischen Modells ergibt sich daraus, dass ein initialer manifester Verteilungskonflikt (unmittelbar oder nach Formwandel eines Wertkonfliktes) zur Austragung und Lösung drängt. Die gefundene Lösung kann sich, insbesondere bei iterativen Verteilungsrunden, weiterentwickeln zu reziproken Beziehungen, also zu Erwartungen der wechselseitigen Begünstigung in vorab definierten Situationen.8 Auf diese Weise können sich aus konfliktiven Verhältnissen solidarische Verhältnisse entwickeln. Sequenzanalytisch: In der Phase des Konfliktes wird die Verteilungslösung gesucht, in der Phase der Solidarität wird sie praktiziert.
Zur Absicherung des grundsätzlich prekären solidarischen Charakters der Lösung iterativer Verteilungserwartungen werden sich, wie oben ausführlich beschrieben, mit einiger Wahrscheinlichkeit Solidarnormen bilden. Je nach Geltungskraft lässt sich solidarisches Verhalten auf diese Weise stabilisieren und erzwingen. Sequenzanalytisch ist dieses Stadium eine Phase latenter Konflikte, die durch Solidarnormen als Konfliktrahmen eingebettet sind in allseits hingenommene institutionalisierte Strukturen – eingebettet ggf. bis zur Nichtwahrnehmbarkeit. Ein Anrechtsschein auf eine dauerhaft konfliktfreie Gesellschaft ist das freilich nicht. Über kurz oder lang kann es sich ergeben, dass Akteure mit der praktizierten Verteilung und den damit verbundenen Solidaritätserwartungen immer weniger zufrieden sind – sei es, weil sie als rezente Geber nach subjektivem Empfinden einen zu hohen Beitrag zu leisten haben; sei es, weil sie als rezente Nehmer höhere Transfers als bisher beanspruchen; sei es, weil sie als aktuell Exkludierte nun auch (und wohl mit höherer Wahrscheinlichkeit: nehmender) Teil des Verteilungssystems sein wollen. Durch diese Infragestellung des solidarischen Verhaltens und der dieses Verhalten absichernden Normen wird aus dem latenten Verteilungskonflikt ein manifester Konflikt um Konfliktrahmen. Damit dreht sich die Entwicklungsrichtung gleichsam um: aus solidarischen (aber immer weniger akzeptierten) Verhältnissen können sich konfliktive Verhältnisse entwickeln.
Die Folge eines solchen Konfliktes durch Solidarität ist zunächst einmal ein Konflikt um Solidarität. Das ist weit mehr als ein Wortspiel: Es bedeutet, dass der Streit um Solidarnormen nicht zwingend zu vollständiger Entsolidarisierung oder gar zur Auflösung der Gemeinschaft führen muss, sondern dass („nur“) um die Rekonfiguration von Solidarität und Solidarnormen gerungen wird, und zwar deshalb, weil alle beteiligten Akteure die Auflösung der Gemeinschaft durch Entsolidarisierung gerade nicht riskieren wollen. Solange das alle Beteiligten so sehen, d. h. solange über Fragen der Zugehörigkeit zu und Reichweite von Solidarbeziehungen Einvernehmen herrscht, wird sich das sequenzanalytische Modell nun zyklisch abspulen (vgl. Abb. 2): Verteilungskonflikte werden in Solidarstrukturen und -normen münden, diese irgendwann als Ergebnis von Konflikten um Konfliktrahmen neu justiert, die sich daraus ergebenden veränderten Verteilungseffekte nach einer Phase der allgemeinen Akzeptanz zu erneuten Infragestellungen der Solidarnormen führen und weitere Adaptionen der Konfliktrahmen nach sich ziehen etc. etc. Dieser Ablauf lässt sich als beständig ergänzende Institutionalisierung von Solidarnormen resp. Konfliktrahmen bezeichnen. Im Ganzen wird es also infolge dieses Ablaufs bezogen auf bestimmte Transferansprüche Phasen geben, die sich eher durch Solidarität auszeichnen, und Phasen, die eher geprägt sind von Konflikt. Die Abfolge – Konflikt durch Solidarität, Solidarität statt Konflikt, Konflikt durch Solidarität … – ist in ihren großen Wellen ein zentrales Antriebselement sozialen Wandels. Dieser Rhythmus galt schon Georg Simmel (1992a [1898], S. 367) als eine relationale Form der Vergesellschaftung, als eine dynamische und äußerst wirkungsvolle Form der Selbsterhaltung einer sozialen Gruppe.
Kann hingegen der Streit um Solidarnormen, mithin: der Konflikt um Solidarität, nicht innerhalb der gegebenen Solidargruppenbeziehungen durch ergänzende Institutionalisierung beigelegt werden, dann steigt die Wahrscheinlichkeit von Konflikt statt Solidarität. Damit steht letzten Endes die Integration der Gruppe insgesamt auf dem Spiel. Soll heißen: Ein Intragruppenkonflikt hat das Potenzial, einen Sozialzusammenhang so stark zu erschüttern, dass aus dieser Situation zwei oder mehr voneinander separierte Gruppen hervorgehen, die sich nicht mehr als Angehörige einer Gruppe begreifen, also nicht mehr ohne Weiteres füreinander solidarisch sein können (vgl. Abb. 2). Der oben eingeführten Heuristik folgend sind solche Re-Definitionen von Gruppenzugehörigkeit umstrittene Festlegungen der Reichweite von Solidarbeziehungen (strukturelle Dimension von Solidarität), obwohl ursprünglich vielleicht nur inhaltliche oder modusbezogene Solidaritätsfragen strittig waren. Daran zeigt sich, dass bei Konflikten um Solidarität die strukturelle, die inhaltliche und die prozedurale Dimension analytisch auseinandergehalten, empirisch aber keineswegs immer getrennt werden können. Konflikte um Solidarität haben demnach, je nachdem, wie sie gelöst werden, ein immenses Integrations- oder Desintegrationspotenzial. Aus diesen Überlegungen ergibt sich auch, dass die (vor allem in der Sozialpsychologie) oft vorgenommene Unterscheidung zwischen in- und intergroup solidarity (vgl. etwa Bierhoff 2008) analytisch nicht immer zielführend ist: oft wird ja erst durch Konflikte um Solidarität entschieden, wo die Gruppengrenze verläuft. Dessen ungeachtet bleibt richtig, dass solidarische Strukturen im Inneren bereits bestehender Gruppen als Bindemittel dienen können, mit dem Effekt einer dadurch geschärften Abgrenzung der Gruppe nach außen.

4.2 Solidaritätskommunikation in Solidaritätskonflikten

Die Beschreibung des Zyklus aus Solidarität durch Konflikt und Konflikt durch Solidarität mag technisch anmuten, nicht zuletzt, weil in ihr handelnde Akteure bislang nicht Erwähnung fanden. Technisch gemeint ist die Beschreibung so nicht. Das wird klar werden, wenn ich abschließend auf die Bedeutung des oben erläuterten Solidaritätsmanagements eingehe. Innerhalb des Solidarität-Konflikt-Solidarität-Zyklus ist in jeder einzelnen Phase Solidaritätsmanagement wichtig, freilich in je spezifischer Weise. Je nachdem, ob soziale Akteure das Ziel haben, solidarische Strukturen infrage zu stellen, zu verändern, ggf. gar abzuschaffen – oder ob es ihnen darum geht, Solidarbeziehungen zu etablieren, zu stärken, zu verteidigen, auszubauen, werden sich ihre Versuche, Solidarnormen zu kontrollieren, kategorial unterscheiden. Da (jedenfalls in liberalen Gesellschaften) jeder dieser Versuche Gegenreaktionen gewärtigen muss, sind sämtliche Bemühungen konkret interessierter Akteure an einer bestimmten strukturellen, inhaltlichen und prozeduralen Ausformung solidarischen Handelns zwangsläufig umstritten. In solchen Solidaritätskonflikten betreiben diese Akteure daher strategische Solidaritätskommunikation mit dem Ziel, Adressaten in Öffentlichkeit und Politik von der Notwendigkeit bestimmter Transferbeziehungen zu überzeugen und ergriffene Maßnahmen zu rechtfertigen.
In diesen Strategien spielen auch sogenannte „komplizierte Wörter“ (Dieckmann 1980, S. 50 f.) auf dem Abstraktionsniveau normativ stark aufgeladener, positiv konnotierter Hochwertbegriffe eine wichtige Rolle. Das gilt nicht zuletzt für den Begriff „Solidarität“ selbst. Dabei wird der Begriff nachgerade zwangsläufig politisiert. Er ist, da er sich in politischen Auseinandersetzungen über Verteilungsfragen für Instrumentalisierungen anbietet, ein leerer Signifikant, ein Begriffscontainer für Deutungskonkurrenzen. Er ist individuell und kollektiv interpretationsoffen; er gibt subjektive, situativ wandlungsfähige solidaritätsauslösende Bedarfe und entsprechende Erwartungen wieder. Für die detaillierte objektive und vor allem für eine allseits geteilte Beschreibung eines erreichten dauerhaften Zustands ist der Begriff damit ungeeignet. Im öffentlichen, nicht-analytischen Sprachgebrauch ist Solidarität üblicherweise ein angestrebter, kaum je ein erreichter Zustand. Das macht den Begriff im politischen Diskurs keineswegs unbrauchbar; im Gegenteil, als normative Zielfolie stellt er Legitimationsargumente für politisches Handeln (oder Fordern) zur Verfügung. Besonders deutlich erkennt man das daran, dass die Rede von Solidarität in aller Regel der Beschreibung eines Desiderates dient: Solidarität wird eingefordert, ihr Fehlen wird beklagt, an ihre Notwendigkeit wird erinnert. Deutlich seltener wird für erwiesene Solidarität gedankt; wird sie faktisch geübt, ist das für den Nehmer zumeist eine Selbstverständlichkeit. An die Solidaritätsbereitschaft zu appellieren, hat jedoch nicht nur die Funktion, anderen die eigenen Transfererwartungen mitzuteilen. Oft geht es auch darum, sich vermittels Solidaritätsrhetorik mit dem Appell-Adressaten auf eine Ebene zu stellen, ihm kategorial gleich zu sein, überhaupt erst mal zur Gruppe dazuzugehören.
Umgekehrt bleiben auch Solidaritätsbekundungen der Angerufenen oft für alle Beteiligten folgenlos, da sie sich ausschließlich auf politisch-diskursiver symbolischer Ebene bewegen und keine materiellen Konsequenzen, etwa: faktische, womöglich gar einklagbare Transfers oder Transferzusagen, haben. Aber auch hier gilt: Möglicherweise ist der Zweck solcher Bekundungen gar nicht die Inaussichtstellung konkreter Unterstützung, sondern zunächst „nur“ die Anerkennung als Gleiche(r). Bei der Konstruktion von Gruppen, Gemeinschaften und umverteilungsfesten kollektiven Identitäten, aber auch bei der Klärung und Präzisierung von Umverteilungsbeziehungen hat der Begriff „Solidarität“ eine wichtige instrumentelle Funktion (Fehmel 2012). Der Terminus ist, anders als etwa von Stolleis (2004, S. 52) postuliert, bis auf Weiteres unverzichtbar.
Mit dem in diesem Beitrag vertretenen analytischen Begriff der Solidarität als materiale reziproke Einstandsverpflichtung zwischen Angehörigen einer Gemeinschaft hat der politische, durch und durch normative Begriff der Solidarität somit wenig zu tun. Als Gegenstand von Diskursforschung ist der politische Begriff der Solidarität jedoch ebenso der empirischen Betrachtung zugänglich wie der sozialstrukturelle Solidaritätsbegriff als Gegenstand der Sozialstrukturanalyse. In einer Sozialtheorie der konfliktiven Solidarität fließen beide Analyseebenen zusammen. Die Nutzung des zyklischen Modells von Solidaritätskonflikten als praktische Umsetzung der Theorie umgreift beides: die Strukturen faktischen solidarischen Handelns in einem gegebenen Sozialzusammenhang und die politischen Auseinandersetzungen darum.
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Fußnoten
1
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Unterscheidung von Eigennutz und Opferbereitschaft auch in umgekehrter Richtung wenig überzeugend ist: auch Altruismus ist nicht pure Selbstlosigkeit, sondern enthält immer eigennützige Anteile; vgl. dazu Nagel (1998) für ethische und Nutzinger (1993) für verhaltensökonomische Herleitungen.
 
2
Simmel hält dies sogar „für den tieferen und wichtigeren, wenngleich verborgeneren Prozeß. Auch auf entwickelsten Gebieten glauben wir oft, daß die solidarische Aktion zweier Persönlichkeiten aus einer inneren Zusammengehörigkeit derselben hervorginge, während thatsächlich diese erst durch die Notwendigkeit jener vorübergehend, aber oft auch dauernd bewirkt wurde“ (Simmel 1989b [1890], S. 152).
 
3
Das heißt auch, dass pauschale und abstrakte Solidaritätsbekundungen, wie sie zum politischen Tagesgeschäft gehören, allenfalls eine Bereitschaft zum Transfer annoncieren, oft aber über Lippenbekenntnisse ohne tatsächliche Transferbereitschaft nicht hinausgehen. Solche Bekundungen sind dann wohlfeil, da nicht mit Kosten verbunden.
 
4
Zu Vereinfachungszwecken wird hier vom Idealfall einer solidarischen Zweierbeziehung ausgegangen. Die Ausweitung auf mehr als zwei Akteure ändert nichts an den Möglichkeiten der analytischen Kategorisierung.
 
5
Neben der Höhe des Transferbeitrages dürfte auch die Stärke der emotionalen Bindung zwischen rezentem Geber und rezentem Empfänger Einfluss auf die Transferbereitschaft und die Reziprozitätserwartung haben.
 
6
Die folgenden Ausführungen basieren auf einem andernorts ausführlicher eingeführten Modell zur Analyse sozialer Konflikte (Fehmel 2014b, 2019).
 
7
Prägnant kommt das in der Etymologie des Begriffes der Rivalität zum Ausdruck. Rivalen – nach modernem Sprachverständnis Konfliktgegner – waren ursprünglich diejenigen, die einen Wasserlauf gleichberechtigt nutzen durften.
 
8
Wobei „vorab definiert“ nicht zwingend bedeutet, dass eine zukünftige Situation der transferberechtigenden Unterstützungsbedürftigkeit in allen Details festgelegt oder gar kodifiziert sein muss. Es reicht, dass die beteiligten Akteure einen situativen Unterstützungsbedarf als der Sache nach ähnlich der auslösenden initialen Hilfe anerkennen. Aber – wie gesagt – mit zunehmender Gruppengröße bzw. mit zunehmender sozialer Anonymisierung bedarf es wohl zunehmend verrechtlichter Definitionen von transferauslösender Hilfebedürftigkeit.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Konflikt und Solidarität als Verhältnis dynamischer Vergesellschaftung
verfasst von
Thilo Fehmel
Publikationsdatum
01.03.2020
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Berliner Journal für Soziologie / Ausgabe 1/2020
Print ISSN: 0863-1808
Elektronische ISSN: 1862-2593
DOI
https://doi.org/10.1007/s11609-020-00407-5

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