1999 | OriginalPaper | Buchkapitel
Marginalisierung und Ausgrenzung durch Arbeitsplatzverlust? Für eine neue Diskussion des Verhältnisses von Verzeitlichung und Verfestigung der Arbeitslosigkeit
verfasst von : Martin Kronauer
Erschienen in: Der Sozialstaat zwischen “Markt” und “Hedonismus”?
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Enthalten in: Professional Book Archive
Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.
Wählen Sie Textabschnitte aus um mit Künstlicher Intelligenz passenden Patente zu finden. powered by
Markieren Sie Textabschnitte, um KI-gestützt weitere passende Inhalte zu finden. powered by
Wie so viele Fragen, mit denen sich die Sozialwissenschaften auseinandersetzen, erfordert auch die im Titel aufgeworfene die entschiedene Antwort: Ja und Nein. Um mit dem Nein zu beginnen: Für die Mehrheit der Arbeitslosigkeitsfälle in einem bestimmten Zeitraum gilt auch heute in der Bundesrepublik, dass die Arbeitslosigkeit relativ bald durch die Rückkehr in Erwerbsarbeit beendet wird. Arbeitslosigkeit führt also nicht überwiegend, keineswegs immer und schon gar nicht mit Notwendigkeit in Marginalisierung oder Ausgrenzung. Diese Feststellung überrascht allerdings kaum. Denn es ist gewissermaßen das Wesensmerkmal der Arbeitslosigkeit, wie es bereits im 19. Jahrhundert im Begriff der “industriellen Reservearmee” eingefangen wurde, dass sie ein, in unterschiedlichem Maße ausgeschöpftes, Arbeitskräftereservoir für die Unternehmen bildet. Eine historische Besonderheit und deshalb bemerkenswert ist jedoch das Ausmaß, in dem es der Bundesrepublik und anderen westeuropäischen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg gelang, die Arbeitslosenzahlen für eine gewisse Zeit auf das Niveau der bloßen Fluktuationsarbeitslosigkeit herabzudrük-ken. Allerdings hatte auch diese in arbeitsmarktpolitscher Hinsicht problemlose Phase ihren sozialen Preis. Sie wurde in der Bundesrepublik mit versteckten — sozial aber tolerierten — Formen der Arbeitsmarktausgrenzung erkauft. Das gilt insbesondere für die niedrige Erwerbsbeteiligung der Frauen und seit den siebziger Jahren auch für die großzügige Frühverrentung von Männern, beide vom Staat finanziell unterstützt.