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28.10.2021 | Mess- und Prüftechnik | Interview | Online-Artikel

"Immer mehr reale Tests mit Simulationsmodellen verknüpfen"

verfasst von: Michael Reichenbach

3:30 Min. Lesedauer

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Im Interview begründet Axel Waldhelm von Horiba, warum die Validierung von Elektro- und verbrennungsmotorischen Antrieben auf dem Prüfstand ein essenzieller Baustein trotz numerischer Simulation ist und bleibt.

ATZ/Springer Professional: Herr Dr. Waldhelm, ein immer größerer Teil der Entwicklungsarbeiten am Antrieb wird in den Computer verlagert. Warum braucht es da noch reale Versuche auf dem Prüfstand?

Waldhelm: Wissen Sie, beim elektrischen Antriebsstrang hat man die sehr komplexe Emissionskomponente nicht mehr in der Gleichung und damit kann eine gute Betrachtung der Effizienz von Antriebssystemen und Komponenten mittels Computersimulation erfolgen. Schlussendlich müssen die Simulationsergebnisse, die bestimmte Komponenten oder Teilsysteme beschreiben, im realen Test aber immer noch auf dem Prüfstand abgesichert werden. Der Trend, den ich vermehrt sehe, ist, dass auch reale Tests immer mehr mit Simulationsmodellen verknüpft werden, um eine technische Absicherung von Komponenten und Systemen verschiedener Reifegrade vorzunehmen. Für mich ist die Validierung auf dem Prüfstand daher essenzieller Baustein in der Absicherungskette der Antriebsstrangentwicklung. Ziel ist es, den Ansatz "Road to Rig to Desk" über immer genauerer Modelle weiter fortzuentwickeln. Im Mittelpunkt steht dabei die weitere Verkürzung der Entwicklungszeit bei gleichzeitiger Erhöhung der Systemrobustheit.

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Produktentstehungsprozess

In ihrem Vorwort charakterisieren die Herausgeber die Produktentstehung sehr treffend als einen hochkomplexen Prozess, dessen Gestaltung und Optimierung immer größere Bedeutung gewinnt. Letztendlich muss dieser Prozess termingerecht zu einem Fahrzeug führen, das für die Zielkunden so attraktiv ist, dass sie es zu einem Preis erwerben wollen, der mit den Renditevorstellungen des Automobilunternehmens im Einklang steht und damit dessen Wettbewerbsfähigkeit sichert.

Apropos Prozessverkürzung. In der Fahrwerksentwicklung werden für Komfortfragen immer häufiger Fahrsimulatoren als Zwischenglied zwischen Computersimulation und realem Fahrversuch eingesetzt. Gibt es etwas Vergleichbares beim Thema Elektromobilität?

Ich sehe diesen Trend auch auf Kundenseite immer weiter voranschreiten, die Fahrzeugentwicklung und -abstimmung attributbasiert vorzunehmen. Ziel ist es hier, neben der weiteren Reduktion von Kosten und Entwicklungszeit vor allem die Reproduzierbarkeit und Automatisierung der Tests zu erhöhen, die sonst auf dem Testfeld im Realfahrzeug absolviert werden. Daher hat Horiba in einen Compact-Driver-in-the-Loop-Simulator von VI-grade investiert, der am Standort im Vereinigten Königreich bei Horiba Mira das Vehicle Attribute Development Team bei den Entwicklungstätigkeiten im Bereich Handling & Steering für neue elektrifizierte Fahrzeugarchitekturen unterstützt. Die einzelnen Wahrnehmungen des Fahrers bestimmen die Entscheidungen im Entwicklungs- und Abstimmungsprozess maßgeblich. Somit kann sein subjektiver Einfluss und Eindruck deutlich früher virtuell in die Prozesse implementiert werden.

Die EU-Kommission hat Anfang Juli 2021 die Maßnahmen "Fit for 55" vorgestellt, um den EU Green Deal für mehr Klimaschutz zu erreichen. Dies soll vor allem mit BEVs realisiert werden. Was hat dies für Auswirkungen auf die Autobranche generell, und auf Ihre Strategie im Speziellen?

Die weitere Anpassung der CO2-Flottengrenzwerte im Rahmen von Fit for 55 wirkt wie ein Katalysator für den Wandel vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität. Für Europa gesprochen lässt sich ja auch an den vorgestellten Strategien der OEMs recht deutlich ablesen, dass die Entwicklungsschwerpunkte in Richtung E-Mobilität rücken. Immer mehr Automobilhersteller kündigen das Ende der Verbrenner an und reduzieren die Variantenvielfalt von Hybridantriebssträngen weiter. Das hat natürlich auch drastische Auswirkungen auf sämtliche Bereiche, die noch am klassischen Verbrennungsmotor hängen – sei es die Entwicklung, Fertigung, Logistik –, aber auch sehr auf die Autohäuser, weil die neuen Elektrofahrzeuge meist online geordert werden können. Für uns war es natürlich ein wichtiger Aspekt, die Weichen bereits vor ein paar Jahren in Richtung Elektrifizierung zu stellen und nun massiv in diesem Bereich weiter zu investieren. Dies verdeutlichen zum Beispiel der neue Standort der FuelCon in Magdeburg mit einer neuen Gigafactory, die in Kürze online gehen wird, und die Erweiterung des klassischen Portfolios im Bereich Antriebsstrang, Rollenprüfstand und Elektromotortest um attraktive Applikationen.

Welche Antriebstechnologien sollte die EU pushen?

Auf dem Weg in die CO2-neutrale Mobilität wünsche ich mir persönlich vor allem die Freiheit bei der Technologieauswahl, um dieses hehre Ziel für Fit for 55 zu erreichen. Erst die Technologievielfalt hilft dabei, den optimalen und Ressourcen schonendsten Weg zu finden. Wir stehen gerade erst am Anfang eines gigantischen Umbruchs in ein neues Zeitalter, das vor allem im Bereich der Mobilität schon greifbar und sichtbar ist.

Herr Dr. Waldhelm, haben Sie vielen Dank für den aufschlussreichen Dialog.

Mehr vom Interview können Sie in der ATZ 12/2021 lesen, die am 26. November 2021 erscheinen wird.

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