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01.03.2016 | Mobile Payment | Interview | Online-Artikel

"Der Payment-Kuchen wird nicht größer"

verfasst von: Eva-Susanne Krah

4 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Bela Virag

Bela Virag ist Associate Director bei der Strategie- und Innovationsberatung Arthur D. Little (ADL) im Bereich Telecommunication, Information, Media & Electronics (TIME). 

Das weltweite Mobile-Payment-Volumen wird sich laut dem Beratungshaus Arthur D. Little bis zum Jahr 2017 auf mehr als 800 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Bela Virag erklärt, warum deutsche Konsumenten sich mit mobilem Bezahlen noch schwer tun.

Springer Professional: Herr Virag, in Deutschland wird die Zahlungsverkehrslandschaft immer heterogener durch neue Anbieter, die in den Markt drängen und den Banken Konkurrenz machen. Trotzdem ist Mobile Payment im Vergleich zu anderen Ländern hierzulande noch nicht wirklich bei den Konsumenten angekommen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Bela Virag: Mobile Payment wird hier erst dann abheben, wenn die Nutzung einfach und selbstverständlich wird. Derzeit ist das Ökosystem noch sehr komplex – die einzelnen Bestandteile greifen nicht optimal ineinander und die Nutzung ist zu oft nur wenig intuitiv oder bietet nur geringen Mehrwert. Mobiles Bezahlen hat sich in Entwicklungsländern deshalb deutlich besser durchgesetzt, weil Mobilfunknetze in diesen Ländern einfachere und bessere Datenverbindungen zur Verfügung stellen als leitungsgebundene Dienste. SMS-basierte Bezahldienste funktionieren schnell, einfach und sind universell verfügbar. Sie ersetzen das häufig nur rudimentär vorhandene Bankensystem.

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In zahlreichen Industrienationen wäre das undenkbar. Wir suchen lieber unsere Kreditkarte aus dem Portemonnaie und merken uns eventuell noch einen PIN, den wir eintippen, als dass wir SMS zum Zweck der Bezahlung versenden. Dieses Verhalten entsteht wahrscheinlich daraus, dass wir glauben, SMS seien weniger sicher als Karte, PIN und Datenleitung – was ja so nicht stimmt. Beim E-Banking ist das anders. SMS-TANs sind überall gängig und wir vertrauen auf die professionelle Nutzung unserer Mobilfunknummer durch die Bank.

Wie sollten Lösungen für mobiles Bezahlen denn beschaffen sein, damit Anwender den Mehrwert erkennen und sie nutzen?

Neben der intuitiven Bedienbarkeit und der Nutzungsgeschwindigkeit besitzt auch die Verfügbarkeit von Alternativen hohe Relevanz. In Entwicklungsländern haben sich einzelne Systeme einfacher durchgesetzt, weil der Nutzenvorteil immens war. Das Versenden von Geld war ohne Bankkonto und demnach ohne Kreditkarte schlicht unmöglich. Dieses Problem haben M-Pesa und bKesh gelöst – und sind damit groß geworden.

Es ist deutlich schwieriger, in Deutschland einen ähnlich inkrementellen Nutzen bereitzustellen. Unsere Gesellschaft ist ja bereits ziemlich großflächig mit bargeldlosen Diensten versorgt. Wenn also innovative Unternehmen versuchen, neue Dienste zu verbreiten, müssen sie einen großen zusätzlichen Nutzen bieten oder einen extrem langen Atem haben. Nicht zuletzt sollten neue Dienste mit bereits etablierten Systemen kooperieren. Unseren Beobachtungen zufolge gelingt das zu selten: Schließlich wird der reine Payment-Kuchen nicht größer. Also herrscht eine gewisse Beharrlichkeit. Und etablierte Systeme stellen oft aus verständlichen Gründen eher den egoistischen Eigennutzen in den Vordergrund, statt im Ganzen zu optimieren. Das ist nachteilig für den Bezahlaufwand und den daraus möglichen Kundennutzen. Im Übrigen sieht man: Gleiches Verhalten auch auf Kundenseite. Gewohnheiten zu ändern, dauert.

Wo gibt es bei Mobile Payment noch die größten technischen Hürden – auf der Anbieterseite, in der Zahlungsabwicklung oder bei den Banken?

Aus unserer Sicht sind alle technischen Fragestellungen gelöst – und zumeist nicht nur auf eine Art und Weise. Was man jedoch sieht: Die Bezahlung mit Nearfield-Communication-Technologie auf einer Karte findet Akzeptanz. Und obwohl zahlreiche Mobiltelefone nun auch NFC verbaut haben, ist die Nutzung dieser Technologie zum Bezahlen nach wie vor hinlänglich kompliziert – sei es am End- oder am Lesegerät.

Ein nicht unerhebliches Problem sind die Sicherheitsrisiken. Welche Entwicklung sehen Sie hier, um den mobilen Zahlungsverkehr so sicher zu machen, dass er sich bei den Kunden durchsetzt?

Am Ende des Tages muss die Sicherheitsfrage hinreichend beantwortet werden. Aus unserer Sicht gilt hier leider: Convenience beats Security. Das heißt, dass Nutzer (fast) alle Sicherheitsbedenken über Bord werfen, wenn die Technologie nur bequem genug zu bedienen ist. Leider ist es so, dass genau aus diesem Grund die Systemanbieter die Sicherheit in den Vordergrund stellen müssen. Die technische Sicherheit mobiler Bezahlsysteme ist den klassischen bargeldlosen Systemen mindestens ebenbürtig, oft auch überlegen.

Und doch zahlen deutsche Kunden ja noch lieber mit Bargeld, wie Studien belegen...

Die aktuelle Bargeld-Diskussion in Deutschland und die vermeintlichen Kundenbedenken gegenüber digitalen Diensten sind emotional verständlich. Auch das Thema „Datennachverfolgung“ ist nicht ganz so einfach: Wer soll es denn nachvollziehen können und wer nicht? Zahlreiche Unternehmen sammeln mit der Erlaubnis der Nutzer Daten und analysieren diese auch – zumeist zum Vorteil der Kunden. Ich würde mir wünschen, dass dem Nutzer ähnliche Transparenz zur Verfügung gestellt wird. Das Argument, dass deshalb mit Bargeld bezahlt wird, um zu vermeiden, dass Transaktionen nachvollziehbar sind, stellt mit großer Wahrscheinlichkeit nur einen kleinen Teil der ganzen Wahrheit dar. Damit sich mobile Bezahlsysteme durchsetzen, müssen diese Kriterien aufeinander treffen: Mehrwert für den Nutzer oder den Händler, Einfachheit und Schnelligkeit in der Nutzung und Vorteile für die etablierten Anbieter.

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