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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Organisationaler Umgang mit Entscheidungskontingenz

verfasst von : Ina von der Wense

Erschienen in: Zwischen Reflexion und Dekonstruktion

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

In Kapitel 3, Organisationaler Umgang mit Entscheidungskontingenz, wird die Fragestellung konkretisiert. Dazu wird ein Modell zur Kategorisierung der externen Kommunikation hinsichtlich der Selbstthematisierung entwickelt, das externe organisationale Kommunikation unterteilt in Fremdthematisierungen, Eigenthematisierungen, Prozessthematisierungen und Kontingenzthematisierungen. Dabei wird außerdem auf die Gründe für die Thematisierung von Entscheidungskontingenz und die Strategien im Umgang mit der Paradoxie von Entscheidungen eingegangen. Es wird zudem diskutiert, inwiefern die Kontingenzthematisierung seitens der Organisation gegenüber der Umwelt als (sichtbar nach außen kommunizierte) Selbstreflexion betrachtet werden kann. In Bezug auf die Fragestellung werden außerdem Hypothesen formuliert.

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Fußnoten
1
Siehe hierzu auch die intensive Beschäftigung der Wirtschaft mit dem Konzept Corporate Social Responsibility (CSR) (vgl. Sandhu 2012, S. 17).
 
2
Gemeint sind hier vorab festgelegte Regeln für wiederkehrende, gleichartige Entscheidungen; siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt 2.​2.​3.
 
3
Erinnert sei hier beispielsweise an Youtuber wie LeFloid oder Rezo, die in ihren Videos beispielsweise politische Themen für Jugendliche oder junge Erwachsene aufbereiten, oder man denke an neu geschaffene Onlinemedien, wie beispielsweise Medium (www.​medium.​com), Quilette (www.​quilette.​com) oder Tichys Einblick (www.​tichyseinblick.​de), die zusätzliche Angebote zur bisherigen Medienlandschaft bieten.
 
4
Unter dem Begriff Transparenz wollen wir im weiteren Verlauf dieser Arbeit all diejenigen Kommunikationen verstehen, die an Stakeholder einer Organisation gerichtet sind und über das organisationale Operieren, also über organisationale Entscheidungen und deren Prämissen informieren. Dieses Verständnis folgt im weiteren Sinne Reimer und Meier, die journalistische Transparenz definieren als „all diejenigen journalistischen Kommunikationen, die (auch) an Rezipienten gerichtet sind und diese über die journalistische Aussagenproduktion und ihre Rahmenbedingungen informieren“ (2017, S. 141). Wir werden an anderer Stelle nochmals darauf zurückkommen.
 
5
Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Paradoxie des Entscheidens in Abschnitt 2.​2.​2.
 
6
Luhmann spricht in diesem Zusammenhang auch von der Entfaltung der Paradoxie (vgl. Luhmann 2003, S. 25 ff.; 2011, S. 147).
 
7
im Sinne der Festlegung auf eine Alternative.
 
8
Im Folgenden werden wir synonym dazu den Begriff der Kontingenzthematisierung verwenden. Dieser Begriff soll hier auch lediglich auf die der Entscheidung innewohnende Kontingenz – im Sinne der Alternativität der Selektion – bezogen sein, also nicht die grundsätzlich vorhandene Kontingenz im Sinne einer unterdeterminierten (also: offenen) Zukunft meinen.
 
9
Sprachlich wird diese noch offene Kontingenz in der Regel durch Verwendung des Konjunktiv deutlich gemacht: Etwas könnte passieren, würde Konsequenzen nach sich ziehen oder hätte Auswirkungen. Der Konjunktiv als die „Möglichkeitsform“ kommuniziert hier auch bereits die Unverbindlichkeit der Aussagen mit. Erst durch Festlegung auf eine Alternative wird sich auch auf eine Version der Zukunft festgelegt; die Alternative wird verbindlich, aus dem Konjunktiv der Indikativ: Etwas passiert, zieht Konsequenzen nach sich, hat Auswirkungen.
 
10
Dieses tragfähige Sicherheitsniveau provoziert damit wiederum neue Unsicherheiten für die Zukunft, die in Anschlussentscheidungen bearbeitet und reduziert werden können. Luhmann spricht in diesem Zusammenhang von einer „Zwei-Seiten-Form“ der Sicherheit (vgl. Luhmann 2011, S. 167).
 
11
Siehe hierzu auch die Überlegungen von Theis-Berglmair und Kellermann zu „Kontingenz auf der Mitteilungsebene“ (vgl. Theis-Berglmair und Kellermann 2017, S. 108 ff.) und die Ausführungen von Baeriswyl (1989) zur Vermittlung von Gewissheit bzw. Ungewissheit in journalistischen Texten. Beide Studien sehen (Un-)Gewissheit – bzw. bei Theis-Berglmair und Kellermann konkreter noch: (offene oder geschlossene) Kontingenz – als eine mögliche Eigenschaft journalistischer Texte. Die Überlegungen der vorliegenden Arbeit beziehen sich auf einen organisationalen Kontext und damit verbunden vor allem auf die Entscheidungskontingenz. Auch diese kann als Eigenschaft von Texten gesehen werden, umso mehr, da Entscheidungskommunikation als spezielle Form der Kommunikation durch ihre Kontingenzthematisierung definiert ist.
 
12
also solche, die zwar theoretisch denkbar, aber real nicht wählbar gewesen wären (vgl. Luhmann 2009b, S. 10).
 
13
Denkbar wäre hier, dass darauf verwiesen wird, dass es zahlreiche (eventuell sogar unzählbar viele) andere Alternativen gegeben hätte, die genauso (gut) wählbar gewesen wären, also dass hier auch auf ganz andere Weise hätte reagiert werden können.
 
14
Hier wird explizit von der Offenlegung der Kontingenz gesprochen und nicht von der Öffnung der Kontingenz. Vor der Entscheidung ist die Kontingenz ja bereits offen; wäre dies nicht der Fall, wäre keine Entscheidung möglich. Konkret geht es hier also um die von der Organisation beobachtete und die Entscheidung betreffende offene Kontingenz.
 
15
Eine Ursache für solche falschen Gestaltungentscheide könnte die Pfadabhängigkeit sein. Vorangegangene Entscheidungen bilden die Basis für folgende und begrenzen damit die Entscheidungsmöglichkeiten bzw. lenken ggf. den Blick. Wird dies explizit gemacht, wird damit in der Regel die vorangegangene Entscheidung thematisiert oder gar kritisiert. Hier zeigt sich, dass die Grenzen verschwimmen: in diesem Fall würde ein vorangegangener Selektionsentscheid thematisiert.
 
16
Wenn man diesen Gedankengang weitertreiben würde, würde man einsehen, dass auch die retrospektive Beobachtung wieder kontingent ist; auch hier könnte anderes beobachtet werden. Problematisch ist hier außerdem, dass die Organisation sich selbst evaluiert. Zwar findet die Selbstbeobachtung hier ex-post statt, sodass die Organisation im Zeitverlauf gelernt haben könnte, von der grundlegenden Pfadabhängigkeit und damit Vorprägung wird sie sich aber nicht befreien können.
 
17
Selbst im Falle eines Fehlers, also einer Entscheidung, die ex-post als falsch interpretiert wird, sind hier Legitimationsstrategien denkbar. Beispielsweise könnte die Organisation argumentieren, dass die Dinge zum Zeitpunkt des Variationsentscheids noch anders lagen oder Wissen fehlte, bestimmte Alternativen zu diesem Zeitpunkt also schlicht nicht sichtbar waren.
 
18
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden wir anstelle von Legitimation einer Entscheidungen auch von Entparadoxierung einer Entscheidungen sprechen, da das Ziel der Legitimation von Enscheidung die Auflösung der Entscheidungsparadoxie ist, nämlich die unentscheidbare Entscheidung als klar entscheidbar zu kommunizieren. Darauf wird an anderer Stelle nochmals eingegangen; in der vorliegenden Hypothese wird aber bereits der Begriff Entparadoxierung genutzt.
 
19
Das gilt auch für journalistische Organisationen, so heißt es bei Meier und Reimer: „Redaktionen, die offene Selbstreflexion demonstrieren, verabschieden sich vom Ideal des ‚objektiven Journalismus‘“ (Meier und Reimer 2011, S. 133).
 
20
Sprich: Thematisierung von Entscheidungskontingenz.
 
21
Welche Normen, Werte oder Erwartungen dabei Anwendung finden, hängt stark von der jeweiligen Bezugsgruppe ab. So wird beispielsweise die Leserschaft der Bildzeitung andere Ansprüche an Recherche, Faktentreue oder Themenauswahl haben als die Zuschauer der Tagesschau.
 
22
Hier sei nochmals erinnert an die oben genannte Legitimation durch „taken-for-grantedness“ (Suchman 1995, S. 589).
 
23
Darunter könnte auch Werbung für neue Formate fallen.
 
24
Er meint hier neben redaktionellen Abläufen explizit auch die Thematisierung und Diskussion redaktioneller Entscheidungen. (vgl. Meier 2010 S. 154 ff.)
 
25
Auch das Transparenzblog ZEIT Glashaus spielt mit diesem Begriff.
 
26
Ein schönes Beispiel hierfür ist der Podcast Storyboard von Bayern2, zu finden unter: https://​www.​br.​de/​mediathek/​podcast/​storyboard-unsere-reporter-und-ihre-geschichten/​790. In der Beschreibung des Podcasts heißt es: „Dieser Podcast macht journalistisches Arbeiten transparent. BR-Reporter*innen geben Einblick in ihre Recherchen. Sie erzählen die Geschichte hinter der Geschichte. Was ist passiert, bevor der Bayerische Rundfunk eine Geschichte veröffentlicht? Wie arbeitet eine öffentlich-rechtliche Rundfunk-Anstalt?“ (Bayerischer Rundfunk 2020) Und auch die Titel der einzelnen Folgen beginnen häufig mit einem „Wie“.
 
27
Wenn beispielsweise die neue Ausgabe eines Magazins angekündigt oder das neu eingeführte Fernsehformat vorgestellt wird, dann werden hier recht konkret die eigenen Inhalte und die eigene Organisation thematisiert. Gleichzeitig wird hier selten erklärt, wie diese Formate umgesetzt werden oder warum genau diese Themen in der neuen Ausgabe vorkommen. Das gleiche gilt auch für Stellenanzeigen; hier findet eine Thematisierung der eigenen Organisation statt – in der Regel ohne die Thematisierung von Prozessen oder Entscheidungen.
 
28
Dieser Typ wäre damit etwa vergleichbar mit dem, was Reimer und Meier als Prozesstransparenz bezeichnen. (vgl. Reimer 2017, S. 142)
 
29
Das müssen nicht unbedingt nur Kommunikationen im klassischen Sinne sein. Denkbar sind hier auch Werksführungen, der Tag der offenen Tür oder gläserne Produktionsstätten.
 
30
Im Falle von Legitimationen nach Kritik von außen geschieht dies möglicherweise eher unfreiwillig.
 
31
Oben wurde bereits festgestellt, dass auch Entscheidungsprämissen auf Entscheidungen zurückzuführen sind; auch sie sind daher prinzipiell kontingent, also anders möglich.
 
32
Im Gegensatz zur oben genannten Nichtthematisierung von Entscheidungen.
 
33
Gewissermaßen wird hier also die Paradoxie der Entscheidung invisibilisiert.
 
34
Åkerstrøm Andersen nennt hier nur drei Dimensionen; die räumlichen Entparadoxierungsstrategien kommen bei ihm nicht vor.
 
35
Martens und Ortmann ordnen auch die Oszillation als Form der zeitlichen Paradoxieentfaltung ein (vgl. Martens und Ortmann 2014, S. 432). Wir wollen sie an dieser Stelle ausklammern, da sie zwar Paradoxie entfaltet, im eigentlichen Sinne die Paradoxie aber nicht auflöst sondern nur im Vorfeld der Entscheidung aufschiebt. Wir werden gleich noch einmal darauf zurückkommen.
 
36
Der Mensch als Entscheidungsinstanz ist fehlbar; hier greift die bounded rationality aus der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie (siehe hierzu auch Abschnitt 2.​2.​2).
 
37
Siehe zum Beispiel bei den Blogs der taz: „Disclaimer: die Inhalte der taz Blogs entsprechen nicht zwingend der Meinung der Blog-Beauftragten oder der taz Redaktion.“ (Die Tageszeitung 2020f)
 
38
Der Vollständigkeit halber sollte hier nicht unerwähnt bleiben, dass als eine zweite Begründung für die Art der Berichterstattung angeführt wurde, dass es sich dabei um Satire handle, die mit Übertreibungen arbeite (vgl. Die Tageszeitung 2020b; Eisenberg 2020). Hier werden als Legitimation für den Beitrag also journalistische Arbeitsweisen, in diesem Fall insbesondere Stilmittel bzw. Darstellungsformen genannt. Ergänzend sei noch erwähnt, dass sich im September 2020 auch der Deutsche Presserat (nach 382 Beschwerden) mit dem Beitrag beschäftigte; in der Bewertung hieß es: „Das Gedankenspiel der Autorin, der als geeigneter Ort für Ex-Polizisten nur die Mülldeponie einfällt, ist von der Meinungsfreiheit gedeckt.“ (Deutscher Presserat 2020)
 
Metadaten
Titel
Organisationaler Umgang mit Entscheidungskontingenz
verfasst von
Ina von der Wense
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36786-2_3

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