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10.06.2015 | Personalführung | Interview | Online-Artikel

"Bei Teilzeitführung sind Ergebnisse wichtiger als Verfügbarkeit"

verfasst von: Anja Schüür-Langkau

4:30 Min. Lesedauer

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Führung in Teilzeit kann nur funktionieren, wenn Unternehmen ihre Arbeitszeitmodelle überdenken und offen für Veränderungen sind, sagt Birgit Abrell im Interview.

Springer für Professionals: Warum sollten sich Unternehmen mit dem Thema „Führen in Teilzeit“ beschäftigen?

Brigitte Abrell: Vielen Firmen wünschen sich mehr geeignete Bewerber für verantwortliche Positionen. Aus gutem Grund, denn Besetzungen mit der zweiten oder dritten Wahl haben spürbar negative Auswirkungen für den Erfolg eines Unternehmens. Frauen sind heute aufgrund ihrer Ausbildung oft bestens für Führungsaufgaben qualifiziert, bewerben sich aber erst gar nicht oder scheiden spätestens bei der Geburt ihres ersten Kindes aus dem Kreis der infrage kommenden Kandidaten aus.

Ebenso wie jene, die aus anderen Gründen vorübergehend oder auf Dauer zeitreduziert arbeiten wollen. Eine in die Zukunft gerichtete Personalstrategie nutzt das Know-how aller Beschäftigten, und nicht nur eines eingeschränkten Personenkreises, und bietet die Möglichkeit der Teilzeitführung an. Unternehmen mit innovativen Arbeitszeitmodellen sind als attraktive Arbeitgeber gefragt und im Vorteil beim Wettstreit um die Besten.

Führungskräfte, die Teilzeit arbeiten, sind in Deutschland eher die Ausnahme. Wie schätzen Sie die Innovationsbereitschaft der Unternehmen bei diesem Thema ein?

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Laut aktuellen Umfragen sieht die überwiegende Zahl der Unternehmen einen Handlungsbedarf für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In fortschrittlichen Betrieben gibt es bereits erfolgreiche Ansätze in der praktischen Umsetzung – auch bei Führungskräften. Diese sind entstanden aus dem Wunsch, qualifizierte Personen zu gewinnen oder sie zu halten. Insgesamt gesehen ist aber noch viel Luft nach oben. Die Veränderungen gehen langsam, aber unaufhaltsam voran. Die Innovationsbereitschaft des einzelnen Unternehmens hängt davon ab, welcher akute Handlungsbedarf gesehen wird. Eine konkrete Vorstellung, wie Teilzeitführung funktionieren kann hilft dabei, das Thema voranzutreiben und positive Beispiele aus anderen Betrieben regen zur Nachahmung an.

Welche Firmen sind Vorreiter beim Thema Teilzeitführung?

Die Wahrscheinlichkeit, teilzeitbeschäftigte Führungskräfte zu finden, ist dort am größten, wo es einen hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten und weiblichen Führungskräften gibt. Also beispielsweise in den öffentlichen Verwaltungen oder bei Banken – aber auch in Branchen mit neuen, bisher unüblichen Arbeitszeitformen wie etwa im IT-Bereich. Gelungene Best-Practice-Beispiele finden sich in den unterschiedlichsten Unternehmen, unabhängig von Größe oder Unternehmenszweck. In vielen Familienbetrieben gibt es bereits seit langem eine Führung mit einer sehr flexiblen, auch reduzierten Arbeitszeit, ohne dass dies als besonders wahrgenommen und vermarktet wird.

Wie lassen sich die gängigen Muster nach dem Motto: „lange Arbeitszeit = große Leistungsbereitschaft“ aufbrechen?

Wenn im Unternehmen klar ist, dass für die Beurteilung einer Führungskraft Ergebnisse mehr zählen als die Verfügbarkeit. Unterstützt wird diese Aussage, wenn zeitgleich ein Denkprozess zum Umgang mit der Ressource Arbeitszeit angeregt wird. Sobald die Gründe für überlange Arbeitstage von allen Beteiligten selbstkritisch hinterfragt werden, besteht die Chance, Ineffizienzen aufzuspüren und zu reduzieren. Wo sind unsere Zeitfresser, die für die Zielerreichung nicht wichtig sind? Benötigen wir zum Beispiel alle Meetings oder Mails? Ein solcher Umdenkungsprozess würde, über einen längeren Zeitraum konsequent durchgeführt, zu einer Effizienzsteigerung im Unternehmen und zu verträglicheren Arbeitszeiten für Führungskräfte beitragen. Im besten Fall gehen die Verantwortlichen selbst mit gutem Beispiel voran.

Welche Rahmenbedingungen sollten Unternehmen schaffen, wenn sie das Thema angehen möchten?

Voraussetzung ist der erklärte Wille der Unternehmensleitung, Teilzeit auch bei Führungskräften zuzulassen und Offenheit für die Veränderungen, die sich daraus ergeben. Es genügt nicht, nur der Reduzierung der Arbeitszeit zuzustimmen. Das Arbeitsvolumen muss den veränderten Bedingungen angepasst und im Dialog mit allen Beteiligten eine gut funktionierende organisatorische Lösung gefunden werden. Nur wenn auch verfestigte Muster hinterfragt werden dürfen, sind neue, kreative Modelle möglich.

Welche Risiken gehen Führungskräfte in Bezug auf ihre eigene Karriere ein, wenn sie Teilzeit arbeiten?

Ein Risiko, als teilzeitbeschäftigte Führungskraft auf der Karriereleiter hängen zu bleiben oder gar abzusteigen, besteht nicht zwangsläufig. Wer als Führungskraft von seinen Vorgesetzten geschätzt wird, kann auch in Teilzeit befördert werden. Vorausgesetzt, auch die neue Aufgabe ist teilzeitfähig und im Unternehmen bestehen keine grundsätzlichen Vorbehalte. Deshalb sind die Hürden für Teilzeitbeschäftigte höher und sie müssen unter Umständen für den nächsten Karriereschritt zur Vollzeit zurückkehren. Wichtig ist auch das richtige Timing im privaten Bereich. Wer vor kurzem ein Baby bekommen hat, wird sich nicht zeitgleich eine neue berufliche Herausforderung suchen, kann aber später durchaus noch einmal in Voll- oder Teilzeit durchstarten.

Wie muss die Mitarbeiterführung verändert werden, damit Teilzeitführung funktioniert?

Um einer Führungskraft Teilzeit zu ermöglichen, werden Teile ihrer Aufgaben nach entsprechender Einarbeitung an geeignete Mitglieder des Teams delegiert. Eine Person übernimmt die Stellvertretung bei Abwesenheit der teilzeitbeschäftigten Führungskraft. Durch diese Arbeitsverlagerung steigt die Qualität der Arbeit im Team, es kann mehr Verantwortung übernehmen und benötigt dementsprechend auch mehr Entscheidungsfreiheit. Wichtig sind klare Regeln und Zuständigkeiten und ein aktiver Austausch von Informationen. Dann funktioniert Teilzeitführung gewinnbringend für alle Beteiligten.

Zur Person

Brigitte Abrell ist seit mehr als zwanzig Jahren als Führungskraft bei einer großen deutschen Versicherung beschäftigt und hat dort in verschiedenen Bereichen Verantwortung übernommen. Seit der Geburt ihres Sohnes 2003 übt sie ihre Tätigkeit in Teilzeit aus. Seit 2010 arbeitet sie nebenberuflich selbständig als Business-Coach und Beraterin. In ihrem neuen Buch "Führen in Teilzeit" erläutert sie die Voraussetzungen und Herausforderungen für Unternehmen und zeigt erfolgreiche Praxisbeispiele.

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