Skip to main content

2016 | Buch

Rationalisierung im Konsum

Eine ethnographische Studie von Einkaufspraktiken am Beispiel von Frankfurt am Main

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Vor dem Hintergrund von Rationalisierungsprozessen im Einzelhandel untersucht Dirk Dalichau in seiner ethnographischen Studie den Einfluss der zunehmenden Vereinheitlichung unserer Konsumlandschaft auf alltägliche Einkaufspraktiken. Am Fallbeispiel von vier Einkaufsstraßen in Frankfurt am Main erforscht er, inwiefern sich diese Praktiken in Filialgeschäften von solchen im nicht-filialisierten Einzelhandel unterscheiden. Er fokussiert dabei die Handlungen, theoretisch verstanden als 'soziale Praktiken', und fragt, ob sich das Handlungsrepertoire der Konsumenten ebenfalls in Richtung einer Standardisierung verändert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Konsumangebote sind im Alltag umfassend präsent, sie bestimmen Stadt- wie auch Landschaftsbilder, strukturieren Tagesabläufe und beeinflussen Lebensweisen. Zweifelsohne kommt Konsum eine große Bedeutung zu, egal ob hinsichtlich der täglichen Zeitbudgets, die dem Konsum gewidmet werden, ob bezüglich der finanziellen Budgets, die für Konsum zur Verfügung stehen oder ob aufgrund zahlreicher weiterer Aspekte.
Dirk Dalichau
2. Konsum - Theoretische Perspektive
Zusammenfassung
Konsum unterliegt, wie alle gesellschaftlichen Bereiche, einem fortwährenden Wandel. Der Wandel im Konsum ist ein weltweiter Prozess mit einer eigenen europäischen Dimension. Hartmut Kaelble (1997) zeigt auf, welche Unterschiede bei aller (amerikanisierten) Einführung des Massenkonsums zwischen dem europäischen und US-amerikanischen Konsum dennoch bestehen. So unterschieden sich zumindest für die 1990er Jahre die Anzahl an Autos, Telefonen oder Fernsehern deutlich zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, wo in allen drei Produktgruppen jeweils mehr Geräte pro Einwohner vorhanden waren. Auf der anderen Seite liegt in der gleichen Zeit die Zahl produzierter Bücher in Europa deutlich höher. Es gibt zudem Unterschiede in der Freizeitgestaltung und der Trennung von Freizeit und Arbeit. So scheint es also einen eigenen europäischen Weg des Massenkonsums zu geben, doch Kaelble merkt auch an, dass es „unsinnig [wäre] zu behaupten, daß sich Europa mit diesem eigenen Weg von dem weltweiten Trend der Internationalisierung und der Durchsetzung einer relativ ähnlichen Massenkonsumgesellschaft abgekoppelt hat. Aber innerhalb dieses Prozesses der Internationalisierung ging Westeuropa doch seinen eigenen, modifizierten Weg. Dieser europäische Weg hat mit Rückständigkeit nichts zu tun. Er erklärt sich aus Besonderheiten und Gemeinsamkeiten der europäischen Gesellschaften, die jenseits von Rückständigkeiten und Fortschritten liegen“ (Kaelble 1997, S. 194).
Dirk Dalichau
3. Soziale (Konsum-) Praktiken
Zusammenfassung
Während im vorherigen Kapitel der Zugang zum Thema Konsum erarbeitet wurde und Konsum in Bezug zu der Veränderungsdimension der Rationalisierung betrachtet wurde, erfolgt hier eine Fokussierung auf das Konsum- beziehungsweise Einkaufshandeln.
Dirk Dalichau
4. Methode und Vorgehen
Zusammenfassung
Aufbauend auf den theoretischen Überlegungen dieser Arbeit und anschließend an die daraus resultierenden Implikationen, die in Kapitel 3.4. Implikationen für das weitere Vorgehen herausgearbeitet wurden, ist eine sehr offene empirische Methode zu wählen. Folgt man Hörning, liegt die Crux aus der Perspektive praxistheoretischer Ansätze darin, wie das „[w]eithin implizite praktische Wissen und Können der Beteiligten zum Vorschein“ gebracht werden kann. Hörning sieht die Praxistheorie als sich (noch) zu häufig in der Kulturtheorie absichernd, oder wie er schreibt: „Zu viel culture, zu wenig doing!“ (Hörning 2004, S. 20). Kulturtheoretische Arbeiten verwenden, vor allem in ihrer mentalistischen Variante, sehr häufig Interviews oder Gruppendiskussionen. In ihrer textualistischen Variante sind es vor allem Dokumentenanalysen oder neuerdings auch Netnographien, die methodisch Einzug erhalten. Sie beinhalten nach Hörning noch zu viel „culture“. Um den Fokus deutlich stärker auf „doing“ zu legen, müssen andere Methoden herangezogen werden. Beobachtung ist hier ein zentrales methodisches Instrument. Vor allem kommen daher ethnographische Methoden in Frage. Ethnographie soll dabei keinesfalls, wie häufig geschehend, auf Beobachtung reduziert werden. Ethnographie ist deutlich mehr, doch wird hierauf noch detailliert eingegangen werden. Grundsätzlich kann Ethnographie aber als eine Art qualitativer Methodenmix, der auf Beobachtung aufgebaut ist, verstanden werden.
Dirk Dalichau
5. Praxisfeld Einzelhandel
Zusammenfassung
Die vorherigen Kapitel haben zum einen den Konsumwandel an sich dargestellt und einzelne Aspekte dieses Wandels, nämlich Rationalisierung und Inszenierung, als Fokusse auf den Konsumwandel in dieser Arbeit herausgearbeitet. Zum anderen wurden theoretische Perspektiven des Konsumhandelns aufgezeigt und für die vorliegende Arbeit auf den Bereich der Konsum- beziehungsweise Einkaufspraktiken eingegrenzt. Dabei wurde die Fragestellung geschärft und erläutert, was Gegenstand dieser Arbeit ist. Darauf aufbauend wurde das methodische Vorgehen diskutiert und für die vorliegende Arbeit definiert. In der Zusammenführung der bisher herausgearbeiteten Erkenntnisse stellt sich nun die Frage nach einem Praxisfeld, das den formulierten Ansprüchen und Bedingungen gerecht wird und damit Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit werden kann.
Dirk Dalichau
6. Ethnographien der Einkaufsstraßen
Zusammenfassung
Jede der vier untersuchten Einkaufsstraßen hat ihr ganz eigenes Flair und auf jeder lassen sich ganz eigene Konsum- beziehungsweise Einkaufspraktiken beobachten. Die folgenden vier Ethnographien der Einkaufsstraßen sollen das Flair und die Atmosphäre aller vier untersuchten Einkaufsstraßen nachzeichnen. Es sind keine dichten oder detaillierten Beschreibungen aller Einkaufspraktiken. Diese folgen im zweiten Ergebniskapitel, in dem die identifizierten Praktiken vorgestellt und typisiert werden. Diese vier Ethnographien der Einkaufsstraßen sind jedoch auch mehr als „einfache Beschreibungen“ (Feiler o.J.). Und sie gehen über die bereits erfolgte Vorstellung des Praxisfeldes in Kapitel 5.3.2. Praxisfeld Frankfurter Einzelhandel im Detail hinaus, ohne dabei allumfassende Beschreibungen von Lebens- oder Alltagswelten sein zu wollen. Sie sind eine hybride Form zwischen den beschriebenen Varianten, weswegen sie sich vermutlich am besten als Kurzethnographien beschreiben lassen.
Dirk Dalichau
7. Typologie der Einkaufspraktiken
Zusammenfassung
Die Ethnographien der Einkaufsstraßen haben einen Überblick über die Gesamtsituation des Konsumalltags in der jeweiligen Straße gegeben. Für die Beantwortung der Fragestellung ist ergänzend eine tiefergehende Analyse der identifizierten Konsum- beziehungsweise Einkaufspraktiken notwendig. Eine solche Analyse wurde mit dem erhobenen ethnographischen Material vorgenommen und wird in diesem Kapitel nun dargelegt. Es wurden insgesamt Einkaufspraktiken in 80 verschiedenen Geschäften beobachtet, protokolliert und analysiert. In der mehrmonatigen Feldphase wurde dabei eine Vielzahl von Einkaufspraktiken identifiziert. Auf den ersten Blick schienen diese zunächst vergleichsweise ähnlich zu sein. Eine genauere Betrachtung zeigte dann jedoch zahlreiche Unterschiede. Je mehr die Beobachtung sich auf Details der einzelnen Handlungen und deren Abfolge konzentrierte und der ethnographische Blick geschärft wurde, desto unterschiedlicher erschienen die beobachteten Einkaufspraktiken. Im Prinzip war nun keine einzige Einkaufshandlung mehr mit einer anderen identisch. Wie die ethnographische Methode es vorsieht, folgte auf Beobachtungen sehr häufig eine theoretische wie auch methodische Analyseschleife. Konzentriert sich die Beobachtung auf die richtigen Aspekte und Handlungen? Wie lassen sich die beobachteten Einkaufshandlungen vor dem Hintergrund des theoretischen Orientierungsrahmens in Bezug auf soziale Praktiken als Einkaufspraktiken verstehen? Und welche Faktoren lassen sich ungeachtet des theoretischen Orientierungsrahmens induktiv identifizieren?
Dirk Dalichau
8. Resümee
Zusammenfassung
De Certeau (1988) spricht von der Kunst des Handelns. Betrachtet man den Konsumbereich scheinen sich in genau dieser Kunst neue Formen zu etablieren. Es ist, wie gezeigt wurde, nicht alleine die Filialisierung des Konsums, die zu den neuen Kunstformen des Handelns führt - zumindest nicht unmittelbar. Filialisierung steht für rationalisierte Konsumformen und wurde auch in dieser Arbeit eingangs in den Bezug zur Rationalisierung gestellt. Es ist eine Rationalisierung, die zumindest aus Perspektive des homo oeconomicus für die Konzerne hinter den Filialgeschäften zielführend sein mag. Zwar kann auch dies sicherlich angezweifelt werden, doch soll die Frage nach Sinn und Zweck der Rationalität im Handeln der Filialkonzerne hier außen vor bleiben. Entscheidender ist für diese Arbeit, wie sich die Folgen der Filialisierung auf das Einkaufshandeln auswirken. Inwiefern unterscheidet sich die Kunst des Handelns denn nun zwischen filialisierten und nicht-filialisierten Geschäften? Es wurde deutlich, dass sich das Einkaufshandeln vor allem dann unterscheidet, wenn ein Geschäft über größere Ladenflächen verfügt oder alles in Selbstbedienung stattfindet - im Vergleich zum kleinen, bedienten Geschäft. Die althergebrachten Einkaufspraktiken, vielleicht lässt sich auch von Kulturtechniken sprechen, die ein Einkauf im Krämerladen um die Ecke oder am Marktstand erforderten, geraten in Vergessenheit. Wenn wir Tomaten und Äpfel selbst aus den Kisten nehmen, in Plastikbeutel verpacken und darauf bedacht sind, die Nummer nicht zu vergessen, die wir in die bereitgestellte Waage eintippen müssen, wenn wir das Obst und Gemüse selbst abwiegen, dann ist da kein Ort mehr für Interaktion. Zumindest nicht für eine Mensch-zu-Mensch Interaktion, eher für Mensch-Technik-Interaktionen im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie (Latour 2010).
Dirk Dalichau
Backmatter
Metadaten
Titel
Rationalisierung im Konsum
verfasst von
Dirk Dalichau
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-13130-2
Print ISBN
978-3-658-13129-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-13130-2

Premium Partner