Vertriebstechnologien und die Anwendung in Vertriebsteams befinden sich durch Digitalisierung und KI quasi im Quantensprung. Welche Eckpunkte und Auswirkungen für Vertriebler und ihre Jobs interessant sind.
Wie denken Vertriebsprofis über neue Vertriebstechnologien für ihre zukünftige Arbeit? Eine aktuelle, nicht repräsentative Linkedin-Umfrage der Infinitas GmbH zur Digitalisierung im Mittelstand zeigt einige spannende Tendenzen. Jennifer Elsner betrachtet darin, wie sich die Anforderungen an Vertriebsjobs mit zunehmender Digitalisierung verändern werden.
Technologie trifft Kundenpflege
Auf die Frage, welche Fähigkeiten ihrer Meinung nach in zukünftigen Vertriebsjobs am wichtigsten sind, stimmen von knapp 100 Teilnehmern zum Beispiel
- 17 Prozent für Technologiekompetenz
- 14 Prozent für Datenanalyse-Fähigkeiten
- 42 Prozent für Kommunikation und Kundenpflege und
- 27 Prozent für Anpassung und Lernbereitschaft.
Das zeigt bereits die Ambivalenz, denn ein zentrales Thema für Vertriebsabteilungen in vielen Unternehmen ist derzeit, wie sie einerseits den Einsatz von Technologie, etwa Künstliche Intelligenz, auf einen nächsten Level heben, also mehr Effizienz und bessere Verkaufsergebnisse damit erzielen können. Und andererseits, wie sie dies gezielt in Zusammenarbeit mit ihren Kunden nutzen können. Gleichzeitig steigt mit den neuen Chancen auch die Agilitätskurve in der Vertriebsarbeit aufgrund der neuen Technologien, etwa auch in der Kundenkommunikation oder im Auftragshandling.
Bedeutet der Technologietransfer also Stress für Vertriebe? Springer-Autor Thomas Trilling führt in seinem Kapitel des Buchs "Digitalisierung im Vertrieb" von Lars Binckebanck, Rainer Elste und Alexander Haas zumindest an, dass "neue Technologie zu einer höheren Informationsdichte, einer zunehmenden Komplexität und der Auseinandersetzung mit Entwicklungs- und Veränderungsprozessen bis hin zu Existenzängsten führen" kann. Dies trifft besonders auf die neuen Kommunikationsprozesse im Vertrieb zu. Wenn es um den Einsatz neuer Technologie geht, habe die Pandemie zum Beispiel gezeigt, wie schnell althergebrachte Denkmuster im B-to-B-Vertrieb geändert werden können und müssen, um Kundenkontakte nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern auch professionell zu gestalten. Hinzu kämen die "normalen" Stressoren im Vertrieb, etwa "harte Preisverhandlungen mit Kunden" oder "schwer erfüllbare Vertriebsziele", schreibt Trilling.
KI durchdringt Vertriebsjobs
Eine Studie von McKinsey hat 2022 ergeben, dass Unternehmen maßgeblich mitten im Technologietransfer stecken. Sie verdeutlicht, wo sie beispielsweise KI am Arbeitsplatz einsetzen. So etwa
- für die Entwicklung von Produkten und/oder Dienstleistungen: 55 Prozent
- in Marketing und Vertrieb: 55 Prozent
- im Dienstleistungsbetrieb inklusive Kundendienst und Back Office: 54 Prozent
Laut dem "AI Index Report 2022", einer jährlichen Studie der Stanford Universität, lag Deutschland im weltweiten Ranking an Platz drei bei der höchsten Verbreitungsrate von KI-Fähigkeiten (Wert: 1.72), nach Indien und den USA. Ob Kosteneinsparungen von 40 bis 60 Prozent, um 60 bis 70 Prozent verkürzte Anrufzeiten oder eine 50-prozentige Steigerung von Leads und Verkäufen, wie Fakten einer Studie der Harvard Business Review zeigen: Alle Daten untermauern die wachsende Bedeutung des Technologiefaktors im Vertrieb.
Die Kundenperspektive beachten
Vertriebsexpertin Livia Rainsberger von der Vertriebsberatung Wissence beschreibt im Sales-Excellence-Beitrag "Technologie im Vertrieb – drei Perspektiven" (Ausgabe 3/2023), welche Kraft in den Technotools für Vertriebsorganisationen liegt. Dabei zählt vor allem der Blick auf die Kundenanforderungen, denn "die Auswirkungen der Technologie auf die Vertriebs- und Marketingwelt sind dramatisch. Vertriebsorganisationen müssen sich daher bewusst und strategisch auf den Kunden und sein Verhalten einstellen. Technologie kann den Vertriebsprozess optimieren, dazu beitragen, neue Vermarktungs- und Vertriebsmodelle zu entwickeln und Kundenbedürfnisse besser zu erkennen und zu erfüllen", betont sie.
KI-Einführungen in Vertriebsorganisationen geschehen ihrer Erfahrung nach aber oft aus der falschen Perspektive. "Das primäre Ziel von Technologieeinführung sollte nicht (nur) die Steigerung der Effizienz oder Produktivität sein, sondern viel mehr die Verbesserung der Kundenerfahrungen", betont Rainsberger. Unter dem Strich können Vertriebstechnologien aus ihrer Sicht beispielsweise punkten, indem sie den gesamten Vertriebsprozess in jeder Phase vielfältig voranbringen: "Von der Lead-Generierung, der mühsamen Akquise bis zum komplexen Geschäftsausbau und strategischem Vertrieb kann Technologie heute durchgehend eine wertvolle Stütze sein", so Rainsberger.
Unterschiedliche Typen und Arten von Vertriebstools, wie Sales Acceleration Tools, Sales Automation, Sales Intelligence, Sales Analytics, Sales Enablement, Lead Generation Tools, Account-based Marketing Tools und CRM gehören dabei zum Toolset der Vertriebsmitarbeiter. Doch:
Für Führungskräfte ist es viel wichtiger zu wissen, wie Technologie ihr Geschäft beeinflussen kann und wo ihr potenzieller Mehrwert für die Vertriebsorganisation liegt, statt wie sie technisch funktioniert",
rät die Sales-Excellence-Beirätin. Sie sollten daher zwar verstehen, wie Technologie die Beziehung zwischen ihren Unternehmen und Kunden positiv beeinflussen kann. Dennoch sollten Evaluierungsprozesse vorab nicht außen vor bleiben.
Sales Leader brauchen ein digitales Mindset
Die Marktforscher von Gartner gaben bereits vor einiger Zeit in ihrer Prognose "Gartner Future of Sales 2025" aus, was der technologische Drive beispielsweise für Vertriebsabteilungen und ihre Führungskräfte bedeutet. Sales Leader müssten ein digitales Mindset annehmen und in der Lage sein, überall dort zu verkaufen, "wo der Kunde erwartet, dass er mit Lieferanten in Kontakt tritt, interagiert und Geschäfte macht". Denn digitale und Self-Service-Kanäle sind inzwischen auch im B2B-Vertrieb zwischen B2B-Kunden und Lieferanten entscheidend. Dahinter steckt entsprechende Technologie. Wie sich beispielsweise das Einkaufsverhalten bei der Zeitverteilung der Einkäufergruppen auf die wichtigsten Einkaufstätigkeiten verändert, zeigt eine Grafik:
Vertriebsorganisationen, so die Gartner-Experten, müssten entsprechende Systeme entwickeln, "die Hyperautomatisierung von Interaktionen und Transaktionen zwischen Verkäufern und Käufern, digitale Skalierbarkeit für Verkäufer und künstliche Intelligenz (KI) integrieren." Laut Erkenntnissen aus dem Gartner-Report werden außerdem beispielsweise 60 Prozent der B2B-Vertriebsorganisationen bis zum Jahr 2025 von erfahrungs- und intuitionsbasiertem Verkauf auf datengesteuerten Verkauf umsteigen, auch um mit der Entwicklung Schritt zu halten.
Die Konsequenz dieser Entwicklung kann also wohl nicht lauten, sich weniger, sondern eher mehr mit den neuen Technologien im Vertrieb und den Chancen in ihren unterschiedlichen Einsatzbereichen zu beschäftigen, und nicht digital zu ermüden, wie es die Sales-Excellence Autoren Professor Rainer Elste, Tobias Ortwein und Tobias Pingel in ihrem Beitrag "Droht der Digitalisierung eine Ermüdungsfalle" (Sales Excellence-Ausgabe 7-8/2023) formulieren.
Eines der Ergebnisse aus dem dritten "Digitalisierungsindex 2023" von der Hochschule Essen in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG macht zum Beispiel deutlich, dass es durch die Digitalisierung vor allem mittels Automatisierung von Prozessen und besserer Kundeninteraktion gelingt, die Profitabilität zu steigern. "Besonders auffällig sind in diesem Zusammenhang die Entwicklungen von Kosten und Umsätzen aufgrund von Digitalisierungsinitiativen in Marketing und Vertrieb. Stark digitalisierte Unternehmen sind deutlich eher in der Lage, mit der Digitalisierung Umsätze zu steigern und Kosten zu senken als gering digitalisierte Unternehmen", so die Autoren. Wo digitale Instrumente in Marketing und Vertrieb künftig besonders zum Einsatz kommen, dokumentiert die nachfolgende Übersicht.