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28.08.2012 | Medien | Interview | Online-Artikel

Christian Pfeiffer: "Die Provokation gehört zum Job."

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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130 bis 160 Mal im Jahr ist er in Rundfunk- und Fernsehsendungen, mit zahlreichen Interviews oder Publikationen in der Tagespresse präsent. Prof. Dr. Christian Pfeiffer ist als Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) ein gefragter Experte.

Beatrice Dernbach: Herr Pfeiffer, unsere Recherche hat ergeben: Ihre Auftritte in den Medien lassen sich kaum zählen. Wie kommt es zu dieser beeindruckenden Bilanz?

Christian Pfeiffer: Stimmt, weil ich täglich Kontakt habe. Es vergeht kein Arbeitstag, an dem nicht ein Journalist anruft, ein ausführliches Interview möchte oder zumindest ein Radiointerview, schnell drei, vier Minuten. In der Woche kommen im Durchschnitt mehr als drei Mal Fernsehteams, führen Interviews mit mir, und ich selber bin auch regelmäßig in größeren Radio- und Fernsehsendungen und schreibe auch für Zeitungen, zuletzt in der Süddeutschen Zeitung.

Beatrice Dernbach: Können sie zeitlich verorten, wann Sie das erste Mal so richtig mit Medien in Berührung gekommen sind? Rührt das aus der Zeit als Justizminister, also ihrer politischen Tätigkeit, oder fing das schon viel früher an?

Christian Pfeiffer: Begonnen hat das sehr früh. Im Alter von 17, als ich gemeinsam mit zwei Mitschülern unserer Klasse ein Team unserer Schule für ein Fernsehquiz über Alltagswissen bildete, im Wettbewerb mit anderen Schulen. Das war wie bei einem Wimbledon-Turnier; am Anfang waren es 128 Schulen, die Verlierer flogen immer raus, die Sieger durften weiter machen, am Ende gab’s ein Endspiel – und wir waren dabei, haben aber das entscheidende Spiel verloren. Es hat riesig Spaß gemacht und uns Reisen eingebracht und Ehrungen und Interviews. Zufällig war in der Siegermannschaft unter anderem Michael Naumann, der spätere Zeit-Herausgeber und jetzige Chefredakteur von Cicero. Wir haben beide sehr gelacht, als wir das kürzlich mal wieder erörterten. Das war mein erster aktiver Medienkontakt. Aber das, was Sie meinen, beginnt im Jahr 1973. Ich hatte über Liebeskummer und Verlustgefühle und schreckliches Selbstmitleid, weil eine Christiane mich verlassen hatte, eine andere Christiane kennen gelernt und gedacht: "Die isses – zufällig derselbe Name, bajuwarisch, toll aussehend, schwungvoll, herzlich.

Sie hatte einen Freund; ich habe ihr gesagt, sie soll mich zum Essen einladen, wenn der Freund auch da ist, ein Journalist. Und dann würde ich ja sehen, ob ich Chancen habe, ihn aus dem Felde zu schlagen oder nicht. Ich wollte meinen Gegner kennenlernen. Das hat sie getan, und dann saßen wir uns beide gegenüber, haben unsere Pfauenräder geschlagen und mächtig Wind gemacht, und sie erklärte plötzlich: Sie kriege Kopfweh – und verschwand. Wir blieben übrig, entdeckten lachend, dass wir blöde Kerle waren, mit diesem ganzen Zirkus, den wir grade veranstaltet haben, und sind in ein wunderbares Gespräch geraten, haben noch eine Flasche Wein von ihr geleert und dann nachts beschlossen: Wir machen gemeinsam eine Bürgerinitiative. Die hieß: Zeitungsabonnement für Gefangene. Vom Wein beflügelt, haben wir uns vorgestellt, der Dritte im Bunde wird der Bundespräsident, Gustav Heinemann, der gerade vom Justizminister zum Präsidenten mutiert war. Der hat ein Herz für Gefangene gehabt, wegen seiner Strafvollzugsreform – den fragen wir. Am nächsten Tag hat’s mich getroffen, anzurufen im Bundespräsidialamt und zu fragen, ob er der Dritte ist. Ein junger Beamter fertigte mich da ab nach allen Regeln der Kunst – und der musste am selben Tag dem Bundespräsidenten berichten. Und leutselig wie der Bundespräsident so war, fragte er: "Und gibt’s was Neues von den Bürgern?" Der junge Beamte er zählte lachend die Geschichte dieser zwei jungen Männer, die den Bundespräsidenten als Dritten wollten. Und der Bundespräsident sagte: "Is ’ne großartige Idee, ham Sie ’ne Nummer ?", rief mich an und sagte: Ich bin dabei!"

Beatrice Dernbach: Waren Sie damals Jura-Student?

Christian Pfeiffer: Ich war Rechtsreferendar. Ich war wie vom Donner gerührt – Herr Heinemann am Telefon. Er sagte: "Ich mache mit, wenn Sie auch noch andere finden aus prominenten Kreisen, die mich da unterstützen.“ Die Idee war: Zwölf berühmte Köpfe, die alle sagen: Ich habe einem Strafgefangenen für ein Jahr eine Zeitung abonniert, mach’ Du’s doch auch! Die Bürgerinitiative in München organisiert das alles, der Verein Brücke e. V., da kriegt Ihr ’ne Spendenquittung, und wenn Ihr wollt, schreibt Ihr dem Gefangenen einen Brief.‘ Wir haben dank Heinemanns Zusage ganz schnell Heinrich Böll, Günter Grass, zwei spätere Nobelpreisträger, Walter Scheel und Richard von Weizsäcker, zwei nächste Präsidenten – was wir ja nicht wissen konnten – und Bischöfe und Kardinäle und Olympiasieger und alle Möglichen als Unterstützer gehabt.

Dann brauchten wir Unterstützung durch die Presse. Es ist vor allem dem journalistischen Freund Jochen Kölsch zu verdanken, dass wir in kürzester Frist 140 Zeitungen hatten, die kostenlos die Anzeige brachten, in der stand: "Im Knast sind Zeitungen noch wichtiger als draußen. Machen Sie’s doch wie wir: Spenden sie !“, und wir wurden überschwemmt mit Zusagen von 14.000 Menschen, die oft in Gruppen, aber auch alleine, Zeitungsabonnements finanziert haben. Und ich kriegte eine Interviewanfrage nach der anderen. Die schönste Geschichte war: Ich hatte mich in der Zeit vertan; ich schlief fest, das Telefon klingelte neben mir, ich nahm ab und sagte: "Ich geh’ jetzt unter die Dusche und dann können wir das Interview ja machen." Der Journalist sagte: "Nein, es war grade alles live drauf, was sie erzählten, bleiben sie ruhig noch im Bett liegen, aber machen Sie das Interview.“ Das war ein Riesenerfolg, weil die Menschen das so lustig fanden, dass da einer aus dem Schlaf gerissen wird und was erzählen soll. Dann kam das Fernsehen, dann haben wir selber geschrieben. Das wurde der Einstieg in meine Berufskarriere.

Zum vollständigen Interview mit Christian Pfeiffer

Serie "Wissenschaftler in den Medien"

Teil 1, Interview mit Mark Benecke
Teil 2, Interview mit Michael Wolffsohn
Teil 4: Interview mit Siegfried Weischenberg

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