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07.05.2014 | Vertriebssteuerung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Vertriebsentwicklung statt Persönlichkeitsentwicklung

4 Min. Lesedauer

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Vertriebsmanager können sich ihren Erfolg – und Misserfolg – selten stringent erklären. Oft wird das persönliche Geschick des Verkäufers als Grund angegeben. Doch das hieße, dass der Erfolg des Vertriebs davon abhängig ist, ob sich unter den Verkäufern ein Verkaufsgenie befindet oder nicht.

Ein verbreitetes Denkmodell lautet: „Entwickle die Menschen, dann entwickelt sich der Vertrieb.“ Der romantische Glaube an das Verkaufsgenie dürfte der tiefere Grund für die Fixierung der Weiterbildung auf die Verkäuferpersönlichkeit zu sein: Es werden Persönlichkeitseigenschaften und Kompetenzen festgelegt, über die das geborene Verkaufsgenie verfügt, um schließlich auch anderen Verkäufern diese Persönlichkeitseigenschaften und Kompetenzen in einem aufwändigen Trainingsprozess angedeihen zu lassen.

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Weiterbildung im Verkauf wird so von einem schizophrenen Paradox bestimmt: Einerseits gibt es das mit Genie gesegnete Verkaufstalent, das eigentlich einzigartig ist. Auf der anderen Seite wird suggeriert, jeder könne sich durch entsprechende Seminare zumindest in Richtung des Verkaufssupertalents entwickeln – Topverkaufen ist trainierbar! Der Seminarmarkt lebt ganz gut von diesem Widerspruch.

Verhaltens- und Einstellungsveränderungen sind unmöglich

Die Frage ist, ob sich Verhalten überhaupt ändern lässt. Eingeschliffene Verhaltensweisen und Gewohnheiten zu verändern, erfordert auf jeden Fall viel Zeit. Und wie schaut es bei den Einstellungsveränderungen aus? Der Versuch, einen vorsichtig-realistischen Verkäufer im Seminar in einen positiv denkenden Optimisten zu verwandeln, erinnert eher an eine Gehirnwäsche. Und deren mittel- und langfristige Erfolgsaussichten sind nicht nur zweifelhaft, sondern überdies bescheiden.

Die Konsequenz: Die Weiterentwicklung der Vertriebsabteilung ist zwar notwendig und richtig. Wir sollten uns aber von dem persönlichkeitszentrierten und personenorientierten Ansatz der Vertriebsweiterentwicklung verabschieden

Standards im und für den Vertrieb formulieren

Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich: In der Produktion ist es üblich, für einzelne Arbeitsschritte zu untersuchen, welche Vorgehensweisen sich bewährt und zum gewünschten Ziel geführt haben – zum Beispiel zu einer Null-Fehler-Strategie. Diese Vorgehensweise wird zum Standard erklärt und für alle betroffenen Mitarbeiter in der Produktion zum verbindlichen Ziel erhoben. Für Mitarbeiter, die dieses Ziel nicht erreichen, bei denen also ein Verbesserungspotential besteht, lässt die Geschäftsführung Trainingsvorschläge erarbeiten, um ihnen zu helfen, zukünftig der Standardanforderung gerecht zu werden.

Dieses Erfolgsrezept könnte auf den Vertrieb übertragen werden. Es wird geprüft, welche Vorgehensweisen sich bewährt haben, um sie auf ihre Generalisierbarkeit abzuklopfen und die Verkäufer in die Lage zu versetzen, diese etablierten Vorgehensweisen ebenfalls anzuwenden.

Mit Best-Practice-Beispielen zum strukturierten Verkaufsprozess

Im Fokus steht nicht die Frage, wie der Spitzenverkäufer seine individuellen Fähigkeiten durch Training und Coaching noch besser ausbilden kann. Entscheidend ist die Herausforderung, inwiefern diese individuellen Fähigkeiten verbessert werden müssen, damit der Verkäufer Müller – zum Beispiel – den bewährten Standard „Einwand mit Ja-und-Technik behandeln“ anwenden kann. Die Kreativität des Verkäufers Müller kann und soll sich auch weiterhin austoben dürfen – aber vor allem, um den bewährten Standard im Verkaufsgespräch einzusetzen.

Diese Vorgehensweise lässt sich auf den gesamten Verkaufsprozess transferieren: Auf der Basis von Best-Practice-Beispielen definiert die Geschäftsleitung eine Systematik, die für den strukturierten Vertriebsprozess zum obligatorischen Standard erhoben wird. Denkbar ist die Unterteilung des Vertriebsprozesses in möglichst viele Verkaufsphasen, für die jeweils ein erfolgserprobter und bewährter Standard beschrieben wird. Die Aus- und Weiterbildung der Verkäufer orientiert sich dabei an der Entwicklung der Kompetenzen, die helfen, die Standards zu erfüllen. Wobei die Standards und die Vertriebssystematik kein statisches, sondern ein dynamisches Gebilde darstellen. Denn es gilt: Hat sich eine Vorgehensweise als besser herauskristallisiert als der existierende Standard, findet ein Austausch statt.

Kundenorientierte Vorgehensweisen dokumentieren

Verabschieden Sie sich vom Seminartourismus konservativer Prägung. Überlegen Sie nicht primär, welche Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften Ihrer Verkäufer ausbauwürdig sind. Untergliedern Sie Ihre Vertriebsabläufe in kleinräumige Einheiten. Fokussieren Sie sich auf das, was der Kunde will. Dokumentieren Sie die erfolgreichen kundenorientierten Vorgehensweisen und leiten Sie daraus Standards und eine ideale Vertriebssystematik ab. Und erst jetzt entscheiden Sie, welche einzelnen Fähigkeiten der Verkäufer weiterentwickelt werden müssen, damit sie strikt kundenorientiert agieren können.

Der Vertrieb löst sich so aus der Abhängigkeit vom Vertriebserfolg der genialen Verkäuferpersönlichkeit und konzentriert sich auf die Ausbildung und Verwirklichung einer sich dynamisch weiterentwickelnden Vertriebssystematik.

 

Zur Person
Lothar Stempfle ist Diplom-Betriebswirt und leitet seit 1993 die „Stempfle Unternehmensentwicklung durch Training“ in Erlenbach.

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