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2024 | Buch

“Successful Aging”?

Leitbilder des Alterns in der Diskussion

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Über dieses Buch

Der vorliegende Band versammelt zentrale Perspektiven der deutschsprachigen Alternsforschung auf Successful Aging. Ziel ist es, die wissenschaftliche Begründung, gesellschaftliche Bedeutung, moralische Akzeptabilität und politische Legitimität zeitgenössischer Leitbilder des Alter(n)s kritisch unter die Lupe zu nehmen. Dabei beleuchten die Beiträge insbesondere, welche Verständnisse des Alter(n)s den verschiedenen Ansätzen und Spielarten gelingenden Alterns zugrunde liegen, welche Leitbilder mit ihnen Einzug in wissenschaftliche Debatten und politische Auseinandersetzungen halten und in welcher Beziehung sie zu alltagsweltlichen Erfahrungen älterer Menschen sowie zu philosophisch-ethischen Theorien eines guten Lebens im Alter stehen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung: Gesund – erfolgreich – gut? Aktuelle Debatten um Leitbilder des Alter(n)s
Zusammenfassung
In der „Gesellschaft des langen Lebens“ (Stöckl et al. 2016) ist die Zeit nach dem Eintritt in den Ruhestand längst zu einem erwartbaren Lebensabschnitt und die Planung und Gestaltung der ‚späten Jahre‘ zu einer wichtigen individualbiographischen und sozialpolitischen Aufgabe geworden. Auf der Agenda stehen damit vielfältige Erwägungen und Entscheidungen mit Blick auf persönliche Lebensführung und gesellschaftliche Teilhabe, Ernährungs-, Sport- und Freizeitverhalten, gesundheitliche Vorsorge, finanzielle Absicherung und altersgerechtes Wohnen – bis hin zur vorausschauenden Regelung von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Sterben und Tod. Den Fluchtpunkt bildet letzten Endes die grundlegende Frage, wie das Alter(n) gelingen kann. In ihr verschränken sich evaluative Perspektiven guten, sowohl subjektiv erfüllten als auch objektiv sinnvollen Lebens mit allgemeinen normativen Ansprüchen, Erwartungen und Anforderungen an alternde Menschen. Wie wir alt werden wollen und wie wir alt werden sollen scheint unauflösbar miteinander verknüpft.
Larissa Pfaller, Mark Schweda

Successful, Active, Productive Aging: Perspektiven und Grenzen

Frontmatter
‚Produktives‘, ‚aktives‘ und ‚erfolgreiches‘ ‚Alter(n)‘ – Begriffe und Szenarien
Zusammenfassung
Im Beitrag werden zunächst die Begriffe Alter, Altern und Alter(n) diskutiert. Es wird verdeutlicht, dass Alter und Altern als soziale Konstruktionen zu betrachten sind. Insbesondere werden Altersgrenzen problematisiert, anhand derer das Eintreten in eine Lebensphase ‚Alter‘ oder eine Lebensphase ‚Hochaltrigkeit‘ typischerweise am Erreichen eines bestimmten kalendarischen Alters festzumachen versucht wird. Im Anschluss legen wir unsere Überlegungen zu den Konzepten des ‚produktiven‘, des ‚aktiven‘ und des ‚erfolgreichen‘ ‚Alter(n)s‘ dar. Es folgt ein alternatives Lebenslaufszenario, das in Abkehr vom Normallebenslauf eine mehrfach zu durchlaufende Sequenz von Bildungs-, Arbeits- und Ruhestandphasen im Lebenslauf vorsieht, wobei sich der bislang gewohnte langjährige Ruhestand in ein höheres Alter verschieben kann. Dieses Modell hat gegenüber dem schlichten Anheben der Altersgrenzen des Erwerbslebens zahlreiche Vorteile, die eine nachhaltige Gestaltung des demographischen Wandels ermöglichen. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Zusammenfassung und einem kurzen Fazit.
Harald Künemund, Claudia Vogel
Erfolgreich bis ins hohe Alter? Konzeptuelle Überlegungen und empirische Befunde
Zusammenfassung
Im vorliegenden Beitrag wird geprüft, inwieweit das Konzept des ‚erfolgreichen Alterns‘ für die Gruppe der Hochaltrigen angewendet werden kann. Es werden sowohl Potenziale als auch Limitationen bei der Übertragung des Konzepts auf über 80-Jährige diskutiert. Ziel ist es, konzeptuell notwendige Anpassungen auf der Grundlage empirischer Befunde der Hochaltrigenstudie NRW80+ darzustellen.
Marina Plugge, Karsten Hank
Erfolgreiches Altern und die dunklen Seiten des Älterwerdens: Pflegebedürftigkeit als Prüfstein für erfolgreiches Altern
Zusammenfassung
Können erfolgreiches Altern und Pflegebedürftigkeit zusammengehen oder schließen sie sich gegenseitig aus? Von dieser Frage ausgehend untersucht das Kapitel zunächst das Ringen der Gerontologie, eine Defizitsicht des Alterns zu überwinden. Modelle erfolgreichen Alterns versuchen, eine positive Sichtweise auf Alter und Altern zu vermitteln, tun sich jedoch schwer damit, dass Pflegebedürftigkeit nach wie vor ein Schicksal des hohen Alters ist. Empirisch finden sich in der Regel nur sehr niedrige Raten an erfolgreich alternden Menschen im hohen Alter. Möglichkeiten einer Überwindung dieses Dilemmas werden zur Diskussion gestellt.
Hans-Werner Wahl, Clemens Tesch-Römer

Ideal und Lebenswirklichkeit des Älterwerdens

Frontmatter
Erfolgreiches Altern: Entwicklungspsychologische Näherungen
Zusammenfassung
Erfolgreiches Altern wird im Sinne der Potenziale zur Selbst- und Weltgestaltung gedeutet, wobei als zentrale Bedingungsfaktoren dieser Potenziale zum einen die Offenheit und Anpassungsfähigkeit der Person, zum anderen die objektiven Lebensbedingungen, unter denen diese lebt, diskutiert werden. Weiterhin wird dargelegt, dass zu den objektiv gegebenen Lebensbedingungen, deren Analyse auf stark ausgeprägte, entwicklungsrelevante soziale Ungleichheiten deutet, auch die kollektiven Repräsentationen von Altern und Alter gehören. Deren kritische Reflexion und Korrektur wird als bedeutsame Aufgabe auch gerontologischer Forschung und Praxis gewertet. Der Terminus „erfolgreiches Altern“ ist dann kritisch zu bewerten, wenn er an der Innenperspektive der Person vorbeigeht und quasi „von außen“ definiert, was unter erfolgreich vs. nicht-erfolgreich zu bewerten ist: Damit ist eine zentrale Aussage der kritischen Gerontologie genannt, die aufgegriffen wird. Der Innenperspektive der Person wird in dem Beitrag besondere Bedeutung beigemessen – zum einen, was die Vorstellung von erfolgreichem und sinnerfülltem Altern anbelangt, zum anderen, was die Definition von Altern aus Sicht der Person betrifft. Mit Blick auf die Vorstellung von erfolgreichem und sinnerfülltem Altern spielen auch der Lebensrückblick, die innere Verarbeitung von Grenzsituationen sowie die Generativität (Mitverantwortung für nachfolgende Generationen) eine große Rolle. Mit Blick auf die individuellen Definitionen von Altern wird zum einen von einer Interaktion zwischen interner Kontrolle (im Sinne von persönlicher Gestaltung) und externer Kontrolle (im Sinne von äußeren Einflussfaktoren) ausgegangen, zum anderen von einem mehrdimensionalen Verständnis, welches der Kernaussage gerontologischer Forschung – Altern als einen mehrdimensionalen und multidirektionalen Prozess zu konzeptualisieren – nahekommt.
Andreas Kruse
Gesundheit als höchstes Gut? Schlagworte des guten Alterns in subjektiven Perspektiven
Zusammenfassung
‚Erfolgreiches Altern‘ beschreibt ein Forschungsprogramm innerhalb der Gerontologie, das besonders in der Folge der Publikationen von Rowe und Kahn gewachsen ist. Neben dem erfolgreichen Altern gibt es mittlerweile weitere Konzepte des ‚guten Alterns‘ wie ‚gesundes‘ oder ‚aktives Altern‘. Schlagworte, die Versionen des guten Alterns bezeichnen, werden auch über die Gerontologie hinausgehend verwendet. Dieser Artikel untersucht die Verbindung zwischen der wissenschaftlichen Debatte über Konzepte des guten Alterns und der Verwendung der Schlagworte durch wissenschaftliche Laien. Dazu wurden 43 Personen in einer Interviewstudie zum Thema gutes Altern zu ihren Assoziationen zu einzelnen Schlagworten befragt und eine Themenanalyse der Transkripte durchgeführt. In der Themenanalyse wurden Distanzierungen von den Schlagworten (Einstufung als nicht sinnvoll, oder als sinnvoll, aber nicht erstrebenswert) und Ähnlichkeiten mit der wissenschaftlichen Diskussion um die Konzepte untersucht. Eine besondere Stellung kommt dabei dem gesunden und dem schönen Altern zu, die beide immer, wenn sie nicht als paradox wahrgenommen werden, auch als empfehlenswert eingestuft werden. Es stößt jedoch keines der Schlagworte bei allen Teilnehmenden auf Akzeptanz, worin sich die Vielfalt der Verständnisse des Alterns und der Haltungen gegenüber diesem in einer pluralistischen Gesellschaft widerspiegelt.
Selma Kadi, Hans-Jörg Ehni
‚Zwischen Idealisierung und Schreckensszenarien‘ – Zu einer empirisch informierten ethischen Reflexion erfolgreichen Alterns
Zusammenfassung
Der Beitrag geht der Frage nach, wie sich wissenschaftliche Konzepte erfolgreichen Alterns zu entsprechenden lebensweltlichen Vorstellungen verhalten. Zu diesem Zweck kombinieren wir Methoden empirischer Sozialforschung und moralphilosophischer Reflexion, um den gerontologischen Expertendiskurs entlang der Prämissen ethisch ausgewiesener Bedingungen guten Lebens mit lebensweltlichen Vorstellungen vom Alter(n) abzugleichen. Wir geben zunächst einen kurzen Überblick zur kritischen Auseinandersetzung um das Konzept des Successful Aging und beleuchten insbesondere den Expertokratie- und den Ideologieeinwand. Daraufhin stellen wir die Methoden und Ergebnisse einer Analyse empirisch erhobener lebensweltlicher Vorstellungen guten, gelingenden Alterns aus Fokusgruppendiskussionen zu Altern und Gesundheit in Deutschland dar. Es wird deutlich, dass sich die Maßgaben des gerontologischen Expertendiskurses zum erfolgreichen Altern durchaus in alltagsweltlichen Vorstellungen wiederfinden, dabei allerdings im Horizont je eigener Wertvorstellungen und Lebensorientierungen kritisch diskutiert, abgewogen und mitunter relativiert oder zurückgewiesen werden. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer empirisch informierten und moralphilosophisch sensibilisierten Auseinandersetzung mit Fragen guten, gelingenden Alterns.
Merle Weßel, Lena Stange, Niklas Ellerich-Groppe, Larissa Pfaller, Mark Schweda
Ars senescendi: Altern im Zeichen von Lebenskunst
Zusammenfassung
Das alte philosophische Thema der Lebenskunst, verstanden als Sorge um sich selbst, gewinnt seit einiger Zeit wieder an Bedeutung und führt in der Gerontologie zur Frage nach einer bewussten Lebensführung im Alter, die das Leben auch in seinen späten Phasen auf kreative Weise zur Entfaltung kommen lässt. Der Aufsatz weist auf mögliche inhaltliche Aspekte einer solchen Lebenskunst des Alter(n)s hin und unterstreicht deren Bedeutung für alte Menschen selbst und für deren Beitrag zur Gesellschaft.
Heinz Rüegger

Leitbilder des Alterns in Gesundheitsversorgung und Sozialpolitik

Frontmatter
Von Successful Aging zu Intrinsic Capacity. Was bedingt gutes Altern?
Zusammenfassung
Altern als physiologischer Prozess – Normal Aging und eben nicht das modernistische Konstrukt Anti-Aging – bringt es mit sich, dass ältere und alte Menschen eine erfreulich breit gefächerte Gruppe in unserer Gesellschaft darstellen. So wird gerne vergessen, dass gerade der betagte Mensch als ‚kasuistisches Original‘ speziell adaptierte präventive und therapeutische Bedürfnisse hat. Es ist gerade diese sehr individuelle Plastizität von Einzelnen, die Alternsforschung und die Altersmedizin bisweilen schwierig, aber eben auch so spannend macht. Es geht dabei um eine Akzeptanz, dass Altern ein normaler Vorgang ist. In diesem Sinne sprechen wir in der Geriatrie gerne von Pro-Aging als Gegenpol zu Anti-Aging, welche ja altern als vorab pathologischen Vorgang sieht, der revertierbar wäre.
Cornel Christian Sieber
Erfolgreiches Altern – auch als ‚Pflegefall‘? Anmerkungen zu einer Theorie der Pflege alter Menschen
Zusammenfassung
Die Thematik des erfolgreichen Alterns gehört zu den Klassikern in der Gerontologie. Im Hinblick auf die Vulnerabilität und soziale Ungleichheit im Alter ist diese Perspektive häufig als verkürzt kritisiert worden. Dennoch muss die grundlegende Überlegung eines gelingenden Alterns auch für die Phase der Pflegebedürftigkeit fruchtbar gemacht werden. Das Senses Framework des britischen Pflegetheoretikers Mike Nolan weist in die richtige Richtung. Es ist ein Baustein, der um substantielle und nachhaltige Reformen des Pflegesystems insgesamt ergänzt werden muss.
Hermann Brandenburg, Volker Fenchel
Altern als Wagnis des Daseins der Person zwischen Gelingen und Scheitern als Thema der Sozialpolitik. Zur Schnittfläche von Sozialpolitik und Gerontologie angesichts der conditio humana
Zusammenfassung
Der Beitrag diskutiert am Thema des erfolgreichen Alterns die disziplinäre Schnittfläche der Erkenntnisinteressen der Sozialpolitikforschung und der Gerontologie. Die menschliche Person muss im Lebenslauf ihre Entwicklungsaufgaben bewältigen. Dazu benötigt sie Ressourcen als Befähigung zu dieser existenziellen Aufgabe. Das Verständnis des Gelingens der Lebensqualität setzt ein personalistisches Verständnis vom Menschen voraus. Der Werte-orientierte Zusammenhang von Solidarität, Chancengleichheit und Freiheit wird dergestalt in Beziehung gesetzt zum Verständnis eines erfolgreichen Alterns als Gelingen der Daseinsführung.
Frank Schulz-Nieswandt

Zur kritischen Auseinandersetzung mit Leitbilddiskursen

Frontmatter
Von der Allodoxie des ‚erfolgreichen‘ und ‚produktiven‘ Alterns zur (möglichen) Widerspenstigkeit im Doing Age in Small Ways
Zusammenfassung
Ausgehend von einem frühen Aufsatz zur Allodoxie des erfolgreichen und produktiven Alter(n)s wird im gedanklichen Rückgriff auf die theoretischen Überlegungen von Bourdieu und Foucault die Frage nach einem ‚guten‘ und ‚erfolgreichen‘ Alter(n) in einen praxeologischen Zusammenhang des Doing Age gestellt und ein Blick auf die nachgelassenen mikroskopischen Bühnen der alltäglichen Möglichkeitsräume der kleinen Entlastungen und (möglichen) Widerspenstigkeiten im Alter geworfen.
Klaus R. Schroeter
Gut altern müssen. Theologische Anmerkungen zur normativen Struktur von Alternsvorstellungen am Beispiel der Differenz von pathologischem und normalem Altern
Zusammenfassung
Im Beitrag wird der Begriff des gesunden Alterns am Beispiel des Diskurses um die Anti-Aging-Medizin untersucht. ‚Gesundes Altern‘ zeigt sich dabei einerseits als medizinisch codierter Unterfall des ‚erfolgreichen Alterns‘, insofern eine Evaluation von Erfahrungen vorgenommen und Verantwortung zugeschrieben wird. Andererseits reflektiert der Diskurs über das gesunde Altern mindestens implizit Recht und Grenze solcher Zuschreibung von Verantwortung, indem er neben die Differenz von ‚erfolgreich‘ versus ‚gescheitert‘ die Differenz von ‚pathologisch‘ (also: zu bekämpfen) versus ‚natürlich‘ (also: hinzunehmen) setzt. Ob diese zweite, responsibilisierungslimitierende Differenz in einer nicht-naiven Weise gedacht werden kann, wird in medizinethischer und theologischer Hinsicht diskutiert.
Thorsten Moos
Kritik der Kritischen Gerontologie
Zusammenfassung
Die Ansätze der Kritischen Gerontologie üben eine oft scharfe Kritik an den Leitbildern des erfolgreichen, aktiven und produktiven Alterns. In diesem Beitrag wird zum einen diskutiert, auf welchen theoretischen Prämissen und Gegenwartsdiagnosen die Kritik der jeweiligen Ansätze beruht, zum anderen werden die normativen, oft nur impliziten Maßstäbe dieser Kritik selbst einer kritischen Befragung unterzogen. Es zeigt sich, dass zwar alle Ansätze auf die Emanzipation und Autonomie älterer und alter Menschen ausgerichtet sind, aber im Detail darunter oft sehr Unterschiedliches verstehen.
Ludwig Amrhein

Nachwort – ein Interview mit Heiner Bielefeldt

Frontmatter
Die Menschenrechte Älterer. Ein Gespräch über Autonomie, Würde und Inklusion
Interview
Zusammenfassung
Larissa Pfaller: Um gleich mit einer ganz direkten Frage in unser Gespräch einzusteigen: Warum müssen wir über die Menschenrechte Älterer sprechen, wenn es um erfolgreiches Altern geht?
Larissa Pfaller, Heiner Bielefeldt
Metadaten
Titel
“Successful Aging”?
herausgegeben von
Larissa Pfaller
Mark Schweda
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-41465-8
Print ISBN
978-3-658-41464-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-41465-8

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