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2005 | Buch

Transatlantische Beziehungen

Sicherheit — Wirtschaft — Öffentlichkeit

herausgegeben von: Thomas Jäger, Alexander Höse, Kai Oppermann

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einführung

Frontmatter
Die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen unter den Bedingungen machtpolitischer Asymmetrie und kultureller Differenz
Zusammenfassung
Als der Ost-West-Konflikt seine strukturierende Wirkung auf die internationale Staatenordnung verlor, stellte sich unvermittelt die Frage, was die Veränderungen im Osten für den Westen bedeuten würden. Einigkeit herrschte bei den Beobachtern der internationalen Beziehungen darüber, dass die Umgestaltungen der internationalen Ordnung das transatlantische Verhältnis tief reichend berühren werden; uneinig war man sich — und ist es bis heute — in welcher Weise und mit welchen Konsequenzen dies geschehen wird: Werden sich die transatlantischen Beziehungen als Kern der neuen internationalen Ordnung entwickeln oder steckt in der NATO als Bündnis ohne Feind schon der Keim der weltpolitischen Rivalität zwischen den USA und der EU?
Thomas Jäger
Amerikanische und europäische Konzepte zur internationalen Ordnung
Zusammenfassung
Seit der Irak-Krise von 2002/2003 steht das Thema „Internationale Ordnung“ auf der internationalen Agenda. Anlass ist die Kritik an der Politik der derzeitigen Bush-Administration. Von vielen europäischen Regierungen und vor allem in den europäischen Medien wird den USA vorgeworfen, sie würden sich über die Grundsätze der internationalen Ordnung und des Völkerrechts hinwegsetzen und ohne Not auf einen gefährlichen Pfad einlassen.1 Diese Auffassungen finden sich in der wissenschaftlichen Debatte wieder, wo — unterstützt durch amerikanische Kritiker der Bush-Administration — die These weit verbreitet ist, wonach es heute darum gehe, zwischen multilateraler Ordnung und Hegemonie zu wählen. Multilaterale Ordnung, das sei das, was die Europäer wollten: die Vorherrschaft des Rechts und die Anerkennung des Primats der Vereinten Nationen; Hegemonie sei das, was die USA unter der gegenwärtigen Bush-Administration wollten, eine Art institutionalisierte Form der amerikanischen Vorherrschaft. Laut Ernst-Otto Czempiel sind es nur die Europäer, die ein Interesse an Ordnungsbildung hätten. Den USA ginge es um Weltherrschaft, aber nicht um Ordnung, bestenfalls um die gewaltsame Aufoktroyierung einer amerikanischen Ordnung, die keine internationale Ordnung sei.2 Andere unterstellen gar, dass das gemeinsame Band der Aufklärung, welches Europäer und Amerikaner für Jahrhunderte zusammengehalten habe, nunmehr zerrissen sei.3 Von daher ist es nicht mehr weit, bis härtere und zeitlose Vorwürfe kommen. Bemängelte Ernst-Otto Czempiel noch, dass die USA aufgehört hätten, ein wohlmeinender Hegemon zu sein, kommt der Vorwurf des Imperialismus schon um einiges gröber daher. Es ist bedauerlich, dass gerade ein ansonsten so besonnener und strategisch weitsichtiger Mann wie der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt heute ohne Bedenken vom „amerikanischen Imperialismus“ als einer der drei Grundtendenzen der US-Außenpolitik seit deren Gründung (neben dem Isolationismus und dem Messianismus) spricht.4 Differenzierter geht Jürgen Habermas vor, der der Bush-Administration „imperialen Liberalismus“ vorwirft und dessen Scheitern prognostiziert, weil durch das Vorgehen im Irak-Fall die internationale Autorität der USA zertrümmert worden sei.5
Joachim Krause

Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Frontmatter
NATO und EU: Auf dem Weg zu einer strategischen Partnerschaft?
Zusammenfassung
Die Irak-Krise zog sowohl für die NATO als auch für die EU erhebliche interne Spannungen nach sich. Dies hinderte beide Organisationen nicht daran, weit reichende Beschlüsse für die weitere Entwicklung der jeweiligen Organisation zu treffen und die bereits 2002 vereinbarte Zusammenarbeit — zumindest formell — fortzusetzen und auszubauen:
  • ▪ Die NATO entwickelte zum Beispiel mit den Prager Beschlüssen kurz vor dem Irak-Krieg das Strategische Konzept des Bündnisses aus dem Jahre 1999 fort und konkretisierte es durch den Beschluss, eine schnelle Eingreiftruppe (NATO Response Force, NRF) aufzustellen;
  • ▪ der EU-Rat verabschiedete im Dezember 2003 in Brüssel mit der Ausarbeitung: „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“ eine Art sicherheitspolitisches Leitbild der EU; schon ein Jahr zuvor konnten sich EU und NATO auf ein Rahmenpapier für das NATO-EU-Verhältnis einigen, dessen Credo lautet, dass das Verhältnis von NATO und EU den Charakter einer „strategischen Partnerschaft“ hat.1
Volker Heise, Peter Schmidt
Die EU und das Leitbild „Friedensmacht“: Außen- und sicherheitspolitische Konzepte nach dem Irak-Krieg
Zusammenfassung
Die Wiederwahl von George W. Bush zum amerikanischen Präsidenten Anfang November 2004 verdeutlichte, dass Europa es weitere vier Jahre mit einem konservativen Präsidenten zu tun haben wird, dessen zentrale außenpolitische Herausforderung in der Großregion des sogenannten Broader Middle East liegt. Auch für die Gemeinsame Außen-, Sicherheit- und Verteidigungspolitik (GASP/ESVP) der Europäischen Union (EU) und die transatlantischen Beziehungen ist die Entwicklung in diesem Raum von großer Bedeutung. Nur ein handlungsfähigeres und engagierteres Europa wird die Prozesse in der Region und die damit verbundenen transatlantischen Wechselwirkungen positiv beeinflussen können. Das Inkrafttreten des am 29. Oktober 2004 unterzeichneten Verfassungsvertrages würde die GASP/ESVP zwar auf eine bessere Grundlage stellen. Gleichwohl wäre die Union von einer effektiven GASP, die durch den einheitlichen Akteur EU formuliert und umgesetzt wird, immer noch ein gutes Stück entfernt. Allerdings sollte ein langfristig angelegtes politisches Projekt nicht aufgrund einzelner Ereignisse wie etwa des Irakkrieges beurteilt werden. Immerhin geht es hier um die langfristig angelegte Europäisierung eines Politikfeldes, das einerseits insbesondere von den größeren Staaten immer noch als Hort nationaler Souveränität betrachtet wird, das anderseits aber dennoch schrittweise ausgebaut wird.
Hans-Georg Ehrhart
Die ESVP und Auslandseinsätze europäischer Streitkräfte
Zusammenfassung
Die Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) und die Zunahme der sich im Auslandseinsatz befindenden Soldaten der EU-Staaten deuten darauf hin, dass sich in der EU in der Tat eine Kapazität zu militärischem Handeln über Europa und seine Peripherie hinaus herausbildet. Gleichzeitig wirft diese Entwicklung ein Licht auf eine Reihe von Problemfeldern, die bisher nicht oder nur teilweise angegangen wurden. Ziel dieses Beitrages ist es daher, erstens diese parallelen Entwicklungen darzustellen und, zweitens, vor diesem Hintergrund eine Analyse der zentralen Hindernisse vorzunehmen.
Bastian Giegerich
Die Folgen der NATO-Reformen für die politische und militärische Handlungsfähigkeit des Bündnisses
Zusammenfassung
Die politischen Spannungen in den transatlantischen Beziehungen sind unübersehbar geworden. Eine Reihe von Studien identifiziert die möglichen Ursachen für die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und Europa. Erstens verringere sich der Haushalt an gemeinsamen Werten und damit die Tragfähigkeit der transatlantischen Wertegemeinschaft. Dies wird insbesondere auf die unterschiedliche Bedeutung von Religion and Säkularisierung in der Politik zurückgeführt.1 Diese divergierenden Wertemuster führen zweitens sowohl in den öffentlichen Meinungen als auch bei den Eliten auf beiden Seiten des Atlantiks zu sinkenden Überscheidungen von politisch relevanten Einstellungsmustern. In den USA gibt es eine bedeutsame Minderheit von „Falken“, die behaupten, dass sowohl Krieg als auch Militärmacht notwendige Instrumente der Politik seien. In Europa überwiegt die Ansicht der „Tauben“, dass Krieg als Mittel der Politik überholt sei und dass wirtschaftliche Macht weitaus bedeutsamer sei als Militärmacht. Die auf beiden Seiten immer noch bestehende Gruppe der „Pragmatiker“, welche wirtschaftliche Macht betont, aber Krieg als Instrument der Politik nicht unbedingt ablehnt, verliert an Stärke und politischem Einfluss. Dies vermindert die gegenseitigen Möglichkeiten der politischen Einflussnahme und führt zu divergierenden Zielen in den internationalen Beziehungen.2 Drittens haben komplizierte persönliche Beziehungen zwischen den politischen Führungskräften zu einer vergifteten Atmosphäre beigetragen. Und schließlich führten viertens asymmetrische Machtverhältnisse zu unterschiedlichen außen- und sicherheitspolitischen Verhaltensmustern.3
Christian Tuschhoff
Die Transformation der amerikanischen Streitkräfte
Zusammenfassung
Die erste Phase des Krieges im Irak haben die USA erfolgreich durchgeführt. Sie erfolgte mit einer neuen Doktrin und reformierten Streitkräften. Für die Phase nach der Erklärung der Beendigung der Hauptkampfhandlungen durch den Präsidenten am 1. Mai 2003 scheinen die USA weder geeignete Pläne noch eine wirksame militärische Strategie zu haben. Der Hauptgrund für diese Kluft zwischen erfolgreicher Invasion und bisher erfolgloser Besetzung liegt wohl in der politischen Fehleinschätzung, dass die Befreiung vom irakischen Regime durch die Invasionstruppen unmittelbar in moralische und politische Unterstützung durch die irakische Bevölkerung umschlagen würde. Die Befreier wurden aber entweder zunehmend als Besatzer gesehen, oder zumindest wurde es für einen Großteil der Iraker immer schwieriger, zwischen Befreiern und Besatzern zu unterscheiden.
Heinz Gärtner
Europäische Streitkräfte in ökonomischer Perspektive
Zusammenfassung
Die Frage nach europäischen Streitkräften in ökonomischer Perspektive umfasst zwei unterschiedliche Aspekte. Dies ist zum einen die ökonomische Perspektive Europas, aus der sich Folgerungen für das Dispositiv europäischer Streitkräfte ergeben. Zum anderen geht es um den Aspekt möglicher Effizienz- und Rationalisierungsgewinne.
Jürgen Schnell

Wirtschaftsbeziehungen

Frontmatter
Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen: Ein Pfeiler in der Krise?
Zusammenfassung
Das Ende des Kalten Krieges und der Wegfall des gemeinsamen Feindes „Warschauer Pakt“ markierte eine fundamentale Wende im transatlantischen Verhältnis. Bis zum Fall der Berliner Mauer besaß die Verteidigung der gemeinsamen Sicherheitsinteressen — vor allem im Rahmen der NATO — höchste Priorität. Handels- und Wirtschaftsthemen hingegen spielten nur eine zweitrangige Rolle. Potentielle wirtschaftliche Interessenskonflikte zwischen Europa und Amerika wurden den gemeinsamen sicherheitspolitischen Interessen und Erfordernissen untergeordnet. Mit dem Fall der Berliner Mauer begann jedoch die Auflösung dieser geostrategischen Schicksalsgemeinschaft. Europa und Amerika bekamen plötzlich mehr Freiräume, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu entwickeln. Man erkannte nun im Gegenüber plötzlich auch einen Konkurrenten bei der wirtschaftlichen Erschließung neuer Märkte. Die Globalisierung gewann an Fahrt.
Ulf Gartzke
Euro und Dollar: Partnerschaft auf Augenhöhe
Zusammenfassung
Die europäische Integration war stets auch mit der Erwartung verbunden, dass ein geeintes Europa in der Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten seine Interessen und Positionen mit mehr Erfolg würde vertreten können. Was im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erst noch angestrebt wird, eine euro-atlantische Partnerschaft „auf Augenhöhe“, hat sich in den transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen schon herausgebildet.
Elke Thiel
Die USA und EU auf Kollisionskurs? Neue Entwicklungen in den transatlantischen Handelsbeziehungen
Zusammenfassung
Die Liste der transatlantischen Handelskonflikte ist lang und keineswegs neu. Sie reicht von klassischen Handelskonflikten in Sektoren wie Stahl, Landwirtschaft und der zivilen Luftfahrt (Airbus/Boeing) bis hin zu neuen, systemischen Konflikten wie gentechnisch veränderte Nahrungsmittel (Genetically Modified Organisms, GMOs) und unterschiedliche nationale Steuersysteme (Foreign Sales Corporations, FSCs). Im Jahr 2003 waren 16 transatlantische Handelskonflikte bei der WTO registriert; in zwölf Streitfällen trat die EU als Klägerin auf (u.a. Stahl und FSCs), in vier Fällen haben die USA Klage eingereicht (u.a. GMOs und Hormonfleisch). Gerade in der jüngsten Vergangenheit wurden die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU erneut durch die drohende Eskalation einiger Konflikte überschattet: Zwar hat sich der FSC-Fall deutlich entschärft, doch drohte mit der gegenseitigen Klage vor der WTO eine Zuspitzung im Konflikt um Airbus/Boeing.
Claudia Decker, Stormy Mildner
Assessing Proposals for a Transatlantic Free Trade Area
Abstract
Institutionalizing economic relations between the EU and the US has been on the political agenda for many years. In recent years, however, there has been a shift from the traditional trade policy focus to issues of securing market access and harmonizing trade-related domestic policies. In February 2002, for instance, the EU commissioner for transportation, Loyola de Palacio, proposed the creation of a transatlantic air space. In November 2001, the German noble laureate in economics, Reinhard Selten, stated that a common transatlantic currency is “by all means possible”.1 Large transatlantic mergers as between Daimler Benz and Chrysler underline that transatlantic cooperation in competition policies is an issue of growing importance.
Rolf J. Langhammer, Daniel Piazolo, Horst Siebert
Konflikt statt Kooperation? Die transatlantischen Umweltbeziehungen
Zusammenfassung
Mit dem Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll gerieten die transatlantischen Differenzen im Umweltbereich in die Schlagzeilen. Klimapolitik wird seither häufig an vorderer Stelle genannt, wenn es um das Auseinanderdriften der traditionellen Partner geht. Dabei sind Meinungsunterschiede zwischen Europa und den USA in der Umweltpolitik alles andere als neu. Viele dieser Konflikte bleiben einer breiteren Öffentlichkeit jedoch verborgen, da sie technische Fragen betreffen und auf der wenig prominent besetzten, administrativen Arbeitsebene ausgetragen werden.
Alexander Ochs, Marcus Schaper

Innere Sicherheit und Terrorismusbekämpfung

Frontmatter
Homeland Security: American and European Responses to September 11
Abstract
Although America traditionally saw itself as protected by vast oceans and weak or friendly neighbors, the attacks of September 11 2001 catapulted her policy-makers into a new area of security concerns: how best to protect an open, complex, and interdependent society from large-scale terrorism? Internationally, the US went on the offensive. Its declared war on those who wittingly harbor terrorists caused the downfall of the Afghan Taliban regime and the regime of Saddam Hussein in Iraq. Domestically, the US embarked on a broad effort to enhance the protection of its homeland. This effort included measures within the field of intelligence and justice, border security, infrastructure protection, measures to prevent or protect against chemical, biological, radiological and nuclear threats (CBRN threats), and an improved emergency management system. With the greatest government restructuring in more than fifty years, the domestic efforts were given an institutional anchor in a new Department of Homeland Security.
Anja Dalgaard-Nielsen
Terrorbekämpfung und Bürgerrechte in den USA nach dem 11. September 2001
Zusammenfassung
Die Anschläge vom 11. September 2001 auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Washington haben Amerika verändert. Aus einem Land, das vor allem anderen auf seine Tradition der Freiheit und Bürgerrechte stolz war, ist ein Staat geworden, in dem die Regierung zur Abwehr terroristischer Bedrohungen neue Vollmachten zur Telefonüberwachung, zur geheimen Durchsuchung von Wohnungen und zur Inhaftierung von Terrorverdächtigen erhalten hat. Präsident George W. Bush, der sich in den ersten Monaten seiner Amtszeit wenig mit dem Problem des Terrorismus beschäftigt hatte, wurde seit Herbst 2001 nicht müde, die Gefahren des Terrorismus fur die freie Welt zu betonen. Im November 2002 erklärte er, „[f]or terrorists and terrorist states, every free nation is a potential target.“1 Die Bush-Administration sah im Terrorismus seither die mit Abstand größte Bedrohung für Amerika und definierte sich als Regierung, die dieser Gefahr entschieden entgegen trat: „The U.S. government has no more important mission than protecting the homeland from future terrorist attacks,“2 so Bush im Juli 2002. Im September des gleichen Jahres wiederholte er: „The gravest danger our Nation faces lies at the crossroads of radicalism and technology⋯. History will judge harshly those who saw this coming danger but failed to act.“ Unmittelbar nach seiner Wiederwahl im November 2004 versprach Bush, den Kampf gegen den Terror mit jedem Mittel zu fuhren, das dem Land zur Verfügung stehe. Die Administration verhielt sich damit, so der Rechtswissenschafter und Terrorismusexperte Philip B. Heymann, als ob die USA den gleichen Bedrohungen ihrer Unabhängigkeit und Sicherheit ausgesetzt seien wie während des Zweiten Weltkriegs: „It [US-Regierung] challenged boldly, if not brashly, traditional assumptions about our democratic freedoms and the role of judicial review in guaranteeing them.“3 Im Zielkonflikt zwischen bürgerlichen Freiheiten und Schutz vor äußeren Bedrohungen als Ziele staatlicher Politik markieren die Gesetze, die in den Monaten nach den Anschlägen vom September 2001 verabschiedet worden waren — der USA Patriot Act und der Homeland Security Act- sowie die Art und Weise, wie mit verdächtigen Amerikanern und Ausländern umgegangen wurde, eine deutliche Stärkung der Sicherheitsinteressen.
Georg Schild
Anti-Terrorismusgesetze und Freiheitsrechte nach dem 11. September: Großbritannien, Frankreich und Deutschland im Vergleich
Zusammenfassung
Kurz nach den Terroranschlägen auf die USA im September 2001 begannen demokratische Staaten weltweit, Anti-Terrorismusgesetze mit dem ausgewiesenen Ziel einzuführen, sich gegen ähnliche Ereignisse in ihren eigenen Territorien zu schützen. Beschränkungen der individuellen Versammlungs-, Religions-, und Redefreiheit sowie des Schutzes der Privatsphäre ließen in der Öffentlichkeit schon bald den Verdacht aufkommen, dass Regierungen die angsterfüllte Stimmung unter Bürgern ausnutzten, um übermäßig autoritäre Gesetze einzuführen. Während Regierungen die Maßnahmen als notwendiges Mittel rechtfertigten, um staatliche Fähigkeiten im Bereich Anti-Terrorismus und Sicherheit auszubauen, und sie zuweilen Kritiker der Gesetzgebungen mit Terrorismusunterstützern gleichsetzten,1 sahen Menschenrechtsorganisationen in den Gesetzen eine gefährliche Einschränkung des Schutzes der Menschenrechte.2 Untersuchungen zu diesen zwei entgegengesetzten Gesichtspunkten wurden bislang nur sehr eingeschränkt unternommen, so dass bisher ungeklärt bleibt, welches Gleichgewicht zwischen Sicherheit und demokratischer Freiheit mit diesen Gesetzen wirklich erreicht worden ist. Ziel dieses Beitrags ist es, durch eine vergleichende Analvse der Gesetzgebung dreier europäischer Staaten auf diese Frage einzugehen.
Dirk Haubrich
Freiheit, Sicherheit und Terror: Die Rechtslage in Deutschland
Zusammenfassung
Schon einen Tag nach den Anschlägen vom 11. September 2001 forderte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ein neues Sicherheitskonzept. Unverzüglich wurden daraufhin die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen überprüft. Das Ergebnis der Überprüfung: Zwei Gesetzesvorhaben, die als so genannte „Sicherheitspakete“ oder „Anti-Terrorpakete“ die Vorschriften in zahlreichen Gesetzen änderten und ihnen neue anfügten. Diese Sicherheitsgesetze enthalten viele Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte. Das Gesetzgebungsverfahren musste daher auch die Frage des Verhältnisses zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten aufwerfen und eine Abwägung zwischen individuellen Grundrechten und kollektiver Sicherheit vornehmen. Nicht erst seit dem 11. September ist dies ein Rechtsproblem. Das Datum des 11. September mag politisch einschneidend wirken in der Rechtsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, zumal in der Stellung der individuellen Freiheitsrechte, ist dieses Datum keine Zäsur. Wesentliche Grundentscheidungen zur Sicherheitsfrage wurden schon in den 1970er Jahren getroffen. Als Reaktion auf den Terrorismus der „RAF“ mit seinem Höhepunkt im Herbst 1977 ergingen viele freiheitsbeschran-kende Gesetze, die eine intensive Debatte über das zulässige Maß an Freiheitsbeschränkungen zugunsten der Sicherheit zur Folge hatten.1 Prinzipielle Abwägungen wurden vom Gesetzgeber damals getroffen und durch das Bundesverfassungsgericht überprüft.2 Mit anderen Worten: Die Grundprobleme der Grundrechtseingriffe der Terrorismus-Maßnahmegesetze wurden schon in den 1970er Jahren behandelt.
Oliver Lepsius
Guarding Europe
Abstract
Many Europeans have a distorted image of what the European Union’s justice and home affairs policies are all about. Some envisage that, in the near future, blue and gold police cars will speed about European streets, and the evening news will carry pictures of Europol detectives leading handcuffed suspects away to multinational jails. The truth is more prosaic: justice and home affairs remains a new policy area for the EU, and agencies like the police office Europol, the Council’s Situation Centre (SITCEN) — a produce of intelligence assessments for the EU foreign policy chief- and the new border guard agency are struggling to find their feet. Many European politicians fret about terrorism and organised crime, but few back the idea that the EU should create its own intelligence service or that it should establish an independent federal police. It is, however, clear that the EU must do more to protect itself against terrorism and organised crime.
Adam Townsend
The Post 9/11 Partnership: Transatlantic Cooperation against Terrorism
Abstract
On the afternoon of September 11, 2001, many Europeans watched their televisions in horror as the second plane flew into the World Trade Center in New York, and then, a few minutes later, another plane flew into the Pentagon in Washington. By the time casualty lists were finalized, between 80–90 Europeans would be among the dead. Many Europeans recognized very quickly that this was an assault not simply on the United States, but on the West and non-Islamic world, including themselves. Although several European countries already had extensive experience with terrorism, it was clear that this attack was of another magnitude, not only in terms of damage and casualties, but also in terms of the network and resources of the perpetrators. The sense of European involvement would be heightened as investigators learned that many of the September 11 hijackers had spent considerable time in Europe, especially in Germany. Clearly, this new type of terrorism could not be defeated or even controlled by the law enforcement resources of any single nation. An effective response would require new levels of cooperation both within the European Union and across the Atlantic — and, indeed, on a global level.
David L. Aaron, Ann M. Beauchesne, Frances G. Burwell, C. Richard Nelson, K. Jack Riley, Brian Zimmer

Öffentliche Meinung, Medien und Public Diplomacy

Frontmatter
Die öffentliche Meinung als Katalysator für transatlantische Kooperation und Konflikte
Zusammenfassung
„Kaum ein anderer Begriff in den Sozialwissenschaften läßt sich so wenig eindeutig oder auch nur in einem Kernbereich übereinstimmend definieren wie jener der öffentlichen Meinung.“1 Die unüberschaubare Anzahl von Definitionen und Verwendungen des Begriffs kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden.2 Wir verstehen unter öffentlicher Meinung (public opinion) die Aggregation von individuellen Einstellungen und Meinungen zu Gegenständen, die von öffentlichem Interesse sind und politischen Entscheidungen unterliegen können Diese Meinungen und Einstellungen können mittels repräsentativer Umfragen empirisch erhoben und gemessen werden. Die Begriffe Meinung und Einstellung werden häufig synonym verwendet, obwohl sie einen unterschiedlichen Gehalt haben. Hinzu tritt oft noch die bedeutungsgleiche Verwendung der Begriffe Einstellungen und Werte, die ebenso vielfältig definiert werden können wie jener der öffentlichen Meinung.3
Alexander Höse, Kai Oppermann
The Transatlantic Gap in Public Opinion
Abstract
The American Presidential election in November 2004 has heightened interest in the impact of public opinion on foreign policy. One of the more specific questions is what the consequences of the re-election of President Bush will or could be in this connection. Nowhere is this truer than on both sides of the Atlantic given the differences that have roiled the US-European relationship in recent years.
Ronald Asmus, Philip P. Everts, Pierangelo Isernia
Die mediale Vermittlung des Irak-Konflikts in Deutschland und den USA
Zusammenfassung
In den letzten zwei Jahren wurden die deutsch-amerikanischen Beziehungen von den heftigsten und emotionalsten Konflikten seit mehr als fünf Jahrzehnten erschüttert. Diese Konflikte — von Schröders öffentlicher Zurückweisung der amerikanischen Irak-Politik während des Wahlkampfs in Deutschland im Jahr 2002 über die gegenseitigen Anschuldigungen nach der zweiten gescheiterten UN-Resolution Anfang 2003 bis hin zu den Spannungen über den Nahost-Konflikt und die Zukunft des gesamten Mittleren Ostens sowie, vor allem, den Krieg im Irak und die andauernde Instabilität nach dem Krieg — wurden in intensiven öffentlichen Debatten sowohl im eigenen Land als auch über den Atlantik hinweg als politisches und moralisches Tauziehen ausgetragen. Obwohl beide Regierungen gezielte Anstrengungen unternommen haben, die Spannungen zu mindern und Konflikte zu überbrücken, hat die Öffentlichkeit — besonders in Deutschland — immer noch einen entschieden negativen Eindruck von der Regierung George W. Bushs und ihrer Politik. Zudem weisen die Berichterstattung und die Kommentare in den Medien zum Skandal von Abu Ghraib und der Nachkriegssituation im Irak ebenso wie Ergebnisse von Umfragen darauf hin, dass die öffentliche Meinung und die in den Medien veröffentlichte Meinung trotz des pragmatischeren Tones, der inzwischen auf Regierungsebene herrscht, schwer zu verändern sein werden. Ob die Medien die zunehmende Distanzierung der deutschen öffentlichen Meinung von den Vereinigten Staaten lediglich reflektieren, oder ob sie selbst eine Rolle bei der Verhärtung der Kluft zwischen den verschiedenen Wahrnehmungen diesseits und jenseits des Atlantiks spielten, bleibt allerdings unklar.1
Karin L. Johnston
Public Diplomacy als außenpolitisches Instrument nach dem 11. September 2001
Abstract
Die Terroranschläge des 11. September 2001 leiteten eine neue Phase internationaler Auseinandersetzungen ein, nämlich die der asymmetrischen Konflikte. An die Stelle der beiden technologisch nahezu ebenbürtigen Staatengruppen des Ost-West-Konfliktes ist nach einer kurzen Übergangszeit, die durch blutige ethnische Auseinandersetzungen in Europa und Afrika geprägt war, ein Konflikt zwischen hochorganisierten, laizistischen Gesellschaften und nichtstaatlichen, religiös-fundamentalistischen Gruppen aus den muslimisch geprägten Ländern getreten. Obwohl die betroffenen westlichen Staaten — und hier insbesondere die USA — alle klassischen Mittel für eine erfolgreiche kriegerische Auseinandersetzung in den Händen halten, können sie diese nicht oder doch nur beschränkt gegen einen nicht identifizierbaren terroristischen Gegner einsetzen. Dessen Machtmittel wiederum würden nicht für eine Konfrontation mit einer nationalen Polizeimacht ausreichen, weshalb Terroristen vornehmlich Ziele angreifen, die selbst nicht in der Lage sind, sich effektiv verteidigen zu können.
Wolfgang Gerz
Finding America’s Voice: A Strategy for Reinvigorating U.S. Public Diplomacy
Report of an Independent Task Force Sponsored by the Council on Foreign Relations
Abstract
The United States has a growing problem. Public opinion polls echo what is seen in foreign editorials and headlines, legislative debate, and reports of personal and professional meetings. Anti-Americanism is a regular feature of both mass and elite opinion around the world. A poll by the Times of London, taken just before the war in Iraq, found respondents split evenly over who posed a greater threat to world peace, U.S. President George W. Bush or then Iraqi leader Saddam Hussein. At the same time, European antiwar protests drew millions, and several national leaders ran successfully on anti-American platforms. Americans at home and abroad face an increased risk of direct attack from individuals and from small groups that now wield more destructive power. The amount of discontent in the world bears a direct relationship to the amount of danger Americans face.
Peter G. Peterson

Ausblicke

Frontmatter
Renewing the Atlantic Partnership
Report of an Independent Task Force Sponsored by the Council on Foreign Relations
Abstract
The accomplishments of the Atlantic alliance are remarkable. History records few, if any, alliances that have yielded so many benefits for their members or for the broader international community. After centuries of recurrent conflict, war among the European great powers has become inconceivable. The Cold War has been won; the threat of nuclear war has receded. Freedom has prevailed against totalitarian ideologies. Trade, investment, and travel are more open today than ever before. Progress in raising living standards — in rich and poor countries alike — is unprecedented.
Henry A. Kissinger, Lawrence H. Summers
Plädoyer für eine transatlantische Arbeitsteilung
Zusammenfassung
Wer den Weg der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik abstecken will, muss sich über die Grenzen der eigenen Möglichkeiten klar sein. Sie sind während des unerklärten Krieges gegen Jugoslawien markiert worden. Da war zum einen der schnell wachsende Druck, besonders aus Amerika und England, dass Bodentruppen die Luftschläge ergänzen müssten, um Belgrad zu besiegen. Nach der definitiven Erklärung des Bundeskanzlers gegenüber dem amerikanischen Präsidenten, die nicht nach außen drang, verschwand der Druck innerhalb von Stunden aus der internationalen Diskussion. Erfahrung Nummer eins; Das Gewicht Deutschlands reicht, um eine gegen deutsche Interessen mögliche Entscheidung zu verhindern. Von dieser praktischen Verhinderungskraft wird nur in den seltenen Fällen Gebrauch zu machen sein, wenn vitale Fragen auf dem Spiel stehen.
Egon Bahr
Wege zur Stärkung des transatlantischen Bündnisses
Zusammenfassung
Der Irak-Krieg 2003 hat die schwerste Krise der transatlantischen Beziehungen seit einer Generation ausgelöst. Europäische und amerikanische Positionen standen einander nicht nur diametral entgegen, selbst innerhalb der amerikanischen Gesellschaft und im Verhältnis der europäischen Staaten zueinander war ein klares Zerwürfnis festzustellen. In den folgenden Monaten verkündeten Experten fast täglich den drohenden Zusammenbruch dreier entscheidender Pfeiler der institutionellen Architektur der Weltpolitik: der NATO, der UNO und sogar der EU.
Andrew Moravcsik
Transforming the Transatlantic Partnership
Abstract
Bitter divisions over Iraq led to one of the worst periods of transatlantic relations in the past 60 years. As European and American leaders work to get the relationship back on track, the underlying question is whether those divisions were simply another family quarrel or whether they heralded deeper structural changes in the transatlantic relationship that will continue. Certainly personalities and policies contributed to the tensions. But as we move forward, we would do well to consider four underlying factors of change.
Daniel S. Hamilton
Hard Power und Soft Power: Plädoyer für einen neuen Transatlantischen Vertrag
Zusammenfassung
Im Schatten der Klagen über die jüngsten transatlantischen Auseinandersetzungen sind die Bemühungen zur Verbesserung der Beziehungen angelaufen. Insbesondere US-Präsident George W. Bush und seine Außenministerin Condoleezza Rice haben in den ersten Monaten der zweiten Amtszeit mit ihren Besuchen in Europa dazu beigetragen, die Wogen zu glätten und in offenen Streitfragen wie beispielsweise dem Umgang mit den nuklearen Ambitionen Irans gemeinsame Lösungen zu suchen. Durch die konkrete Beschäftigung mit Problemen, die für beide Partner von strategischer Bedeutung sind, werden diese eine alte Wahrheit aufs Neue erlernen: Internationale Politik kann vor allem dann zielführend vorangetrieben werden, wenn die USA und Europa im gleichen Team spielen. Allerdings darf diese Einsicht nicht den Blick dafür verstellen, dass es — wie Bundeskanzler Gerhard Schröder im Februar 2005 bei der durch Verteidigungsminister Peter Struck in München vorgetragenen Rede betonen ließ — offene inhaltliche und strukturelle Fragen zur Zukunft der transatlantischen Beziehungen gibt, die umfassend diskutiert werden müssen.1
Stanley R. Sloan, Heiko Borchert
Backmatter
Metadaten
Titel
Transatlantische Beziehungen
herausgegeben von
Thomas Jäger
Alexander Höse
Kai Oppermann
Copyright-Jahr
2005
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-80721-2
Print ISBN
978-3-531-14579-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-80721-2