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27.04.2020 | Umweltschutz | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Einlagerung von Produkten als CO2-Bremse

verfasst von: Christoph Berger

4 Min. Lesedauer

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Es ist ein Gedankenexperiment, das Forschende des Deutsches Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) da entwickelt haben: Unternehmen lagern freiwillig ihre CO2-intensiven Produkte ein, sodass sich so deren Preise erhöhen.

Ein Team des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik um Prof. Dr. André Thess hat eine neue Idee zu einer sogenannten CO2-Bremse ins Spiel gebracht. Während es in Deutschland und anderen EU-Ländern eine konfuse Debatte über die Einführung einer CO2-Steuer gibt, wie es im Kapitel "CO2-Steuer als vernünftiges Klimapolitik-Instrument" des Springer-Fachbuchs "Klimaschutzpolitik – Das Ende der Komfortzone" heißt oder auch der Emissionshandel als klimapolitisches Instrument immer wieder diskutiert wird – beschrieben im Kapitel "Anforderungen an nachhaltige Emissionshandelssysteme vor dem Hintergrund der Agenda 2030" im Springer-Fachbuch "Die Agenda 2030 als Magisches Vieleck der Nachhaltigkeit", setzen die DLR-Wissenschaftler auf einen Preisaufschlag auf CO2, der ganz zu Beginn des Kohlenstoffzyklus erhoben wird. Die Idee stellen sie in der Studie "Global carbon surcharge for the reduction of anthropogenic emission of carbon dioxide" vor.

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CO2-Steuer als vernünftiges Klimapolitik-Instrument

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Thess erklärt das Grundprinzip: "Die Grundidee besteht darin, CO2 weder zu besteuern, noch zu bepreisen, noch zu handeln, sondern die Unternehmen, die Gas, Öl, Kohle und Kalk fördern, zu einer freiwilligen Verpflichtung zu bewegen. Die Unternehmen sollen ihre Materialien für eine bestimmte Zeit von mehreren Wochen in der Nähe der Förderorte lagern. Dadurch entstehen Kosten. Und diese Kosten machen die Materialien teuer." Im Gegensatz zu Instrumenten wie CO2-Steuern oder Vereinbarungen zum Emissionsrechtehandel, die auf nationalen Gesetzen oder internationalen Regelungen beruhen, soll die vom DLR-Team vorgeschlagene CO2-Bremse als weltweiter Pakt zwischen Bürgern und Industrie organisiert sein.

Die Produkte werden in Waggons eingelagert

Die tatsächlich beziehungsweise reale Einlagerung der Produkte ist dabei nur eine Option. Diese stellen sich die Wissenschaftler folgendermaßen vor: Die Materialien werden in Eisenbahnwaggons gelagert. Erst danach dürfen die Unternehmen die Rohstoffe in den Wirtschaftskreislauf einspeisen, wobei die Investition in die Infrastruktur, in Waggons und Schienen, die Preise für die Produkte steigen lässt. Die Investition in diese Infrastruktur muss dann also später über den Verkauf amortisiert werden. Die Lagerzeit hängt ab vom jeweiligen Rohstoff und den mit seiner Nutzung verknüpften CO2-Emissionen.

Wegen des hohen Materialaufwands für dieses Szenario haben die Forscher noch eine zweite Option entwickelt. Dabei ersetzen sie den materiellen Preisaufschlag durch eine Kryptowährung namens "Carboncoin" – ein virtueller Preisaufschlag sozusagen. „Kryptowährungen sind Ausprägungen virtueller Währungen, die kryptografische Techniken für die sichere Autorisierung und Verifizierung von Transaktionen einsetzen und deshalb ohne zentrale Gegenpartei zur Abwicklung auskommen", so die Beschreibung im Fachartikel "Kryptowährungen – Geld der Zukunft?" in der Ausgabe 10/2018 der Springer-Fachzeitschrift "Wirtschaftsdienst". Die Währungen beruhen dabei auf mathematischen Gebilden, wobei jedes einzelne dieser Gebilde als Coin bezeichnet wird. Um diese virtuellen Münzen zu erlangen, muss man sie "schürfen", was mit Aufwand in Form von Zeit, Rechenleistung und Strom für Computerfarmen verbunden ist. Auch so werden die Produkte somit teurer.

Transparenz für alle

In ihrer Studie begrenzen die Wissenschaftler die Anzahl der Carboncoins auf maximal 600 Milliarden. Das entspricht den 600 Milliarden Tonnen CO2, die noch ausgestoßen werden dürfen, um die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten. Der virtuelle Preisaufschlag verpflichtet die Unternehmen, für jede erzeugte Rohstoffeinheit, die mit dem Ausstoß von einer Tonne CO2 verknüpft ist, einen Carboncoin zu schürfen. Die Blockchain-Technologie, also das Speichern von Informationen über geschürfte Coins an möglichst vielen, dezentralen Orten im weltweiten Netz, ermöglicht eine hohe Transparenz und Kontrolle dieses Prozesses.

Die Transparenz in der realen Version soll hingegen mit QR-Codes garantiert werden, die an der Oberseite der Waggons angebracht werden und über Satelliten erfasst werden. Der Preisaufschlag für das Einlagern von Erdgas über einen Zeitraum von vier Monaten würde in diesem Szenario etwa 100 Euro pro Tonne CO2 betragen, wie von den Wissenschaftlern errechnet wurde.

Setzen eines neuen Impulses für die Klimaschutzdiskussion

Nach Ansicht der Wissenschaftler setze dieser so erzeugte Preisaufschlag auf den CO2-Ausstoß ein Signal und stelle einen marktwirtschaftlichen Anreiz dar, stärker auf erneuerbare Ressourcen und die damit verbundenen Technologien zu setzen. Wobei die grundsätzliche Wirksamkeit der Idee über die Studie nachgewiesen worden sei. Und Thess sagt: "Private Initiativen haben in der Vergangenheit sehr oft erfolgreich zur Demokratisierung des Wissens beigetragen. Denken Sie nur an Wikipedia und Google. Was für das Wissen funktioniert, könnte durchaus auch für den Klimaschutz funktionieren." Zumal die heutigen Klimaverträge auch freiwillig seien.

Er sagt aber auch, dass es sich um ein Gedankenexperiment handle: "Am Ende steht ein theoretisches Konzept, das keine Aussagen trifft, ob und wie es sich umsetzen lässt. Unser Ziel war es, in der Klimaschutzdiskussion einen neuen, wissenschaftlich fundierten Impuls zu setzen und Möglichkeiten aufzuzeigen, an die bisher wenig gedacht wurden."

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