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14.02.2024 | Unternehmensführung | Interview | Online-Artikel

"Verständnis nachhaltiger Unternehmensführung fehlt"

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Der Weg zu einer nachhaltigen Unternehmensführung gestaltet sich oft schwierig, so Experte Robert Kammerer. Im Interview spricht er über die Herausforderungen der nachhaltigen Transformation und wie diese den Wettbewerb künftig prägt.

springerprofessional.de: Wie kommt die nachhaltige Transformation von Unternehmen Ihren Erfahrungen nach aktuell voran?

Robert Kammerer: In manchen Aspekten sehr gut, insgesamt aber noch schleppend. Denn obwohl es in den Bereichen Umwelt und Soziales zunehmendes Bewusstsein und Fortschritte gibt – beispielsweise durch Initiativen und regulatorische Vorgaben wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – hinkt die Governance, also die Unternehmensführung, noch hinterher.

Oft fehlt ein Verständnis für nachhaltige Unternehmensführung. Das Thema ist komplex. Es fehlt an einer strategischen und operativen Gestaltung, die Führung, Steuerung und Kontrolle innerhalb planetarer Grenzen ermöglicht und Gleichberechtigung fördert. Das Ideal einer Governance, die sich als Teil eines globalen ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Ökosystems versteht und sich Nachhaltigkeit zum Ziel setzt, liegt da operativ oft noch in weiter Ferne. Aber wir sehen auch, dass das Tempo zunimmt.

Welche Aspekte spielen  eine zentrale Rolle für eine erfolgreiche Transformation hin zu einer nachhaltigen Unternehmensführung? 

Eine Sustainable Corporate Governance (SCG), denn sie ist wesentlich für eine erfolgreiche Transformation. SCG meint eine nachhaltige Unternehmensführung mit einer ganzheitlichen und integrativen Führung, Steuerung und Überwachung. Sie dient den Menschen, achtet die Umwelt und sorgt dafür, dass ein Unternehmen langfristig produktiv und wirkungsvoll bleibt. 

Eine SCG spielt eine zentrale Rolle dabei, wie Unternehmen Nachhaltigkeit in ihre Geschäftspraktiken integrieren und auf die Herausforderungen und Chancen einer zunehmend vernetzten und ressourcenbewussten Welt reagieren. Dabei kommt es vor allem auf vier Faktoren an:

Der erste Schritt ist, ein Ambitionslevel festzulegen und zu definieren, in welchem Umfang Umwelt und Soziales in Betriebsstrukturen und Geschäftsprozesse eingebunden werden sollen. Dabei ist auch wichtig, dass Unternehmen durch ihre Organisationsgestaltung und die Zuweisung von Aufgaben und Kompetenzen aktiv gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

Im zweiten Schritt gilt es, SCG in den Unternehmenszweck zu integrieren, das Kontroll-, Risiko- und Compliance-Management entsprechend anzupassen und in den Betrieb zu überführen. Konkret kann das bedeuten, dass das Management eine Verantwortlichkeit erhält oder eine spezialisierte Stabsstelle für Nachhaltigkeit eingerichtet wird.

Schritt drei ist, fortlaufend neue Marktentwicklungen zu berücksichtigen, um der Ausrichtung auch operativ gerecht zu werden. Nur wer seine Prozesse weiterentwickelt, praktiziert eine wirklich nachhaltige und resiliente Unternehmensführung.

Den letzten Schritt bilden eine angemessene Berichterstattung und Transparenz gegenüber den Stakeholdern. Hierbei erfüllen die Unternehmen die bestehenden und erwarteten regulatorischen Anforderungen und kommunizieren offen und adressatengerecht mit ihren Stakeholdern.

Können Sie noch etwas genauer erläutern, was konkret unter Sustainable Corporate Governance zu verstehen ist?

Sie basiert vor allem auf einem Prinzip: die Produktivität von Unternehmen erhalten, dabei einen Mehrwert für die Menschen und die Gesellschaft zu leisten sowie die Umwelt zu achten. Unternehmen, die Strukturen und Prozesse an SCG ausrichten, agieren nicht nur mit Blick auf Ressourcenknappheit und Substanzerhalt, sondern auch auf ihre gesellschaftliche Verantwortung.

Damit gibt es auch keine allgemeingültige Antwort auf die Frage, wie Unternehmen Nachhaltigkeit am besten in ihre Führung integrieren. Dafür sind die Voraussetzungen zu unterschiedlich. Eine Konstante bleibt jedoch immer die Abstimmung der Stakeholder-Interessen mit den Geschäftsabläufen und Wertschöpfungsketten rund um soziale Standards, Menschenrechte, Klimawandel und Umweltbelange.

Was viele Unternehmen noch missverstehen: SCG heißt dabei nicht, nur auf regulatorische Vorgaben zu reagieren oder ESG-Aspekte grundsätzlich über Geschäftsziele zu stellen. Stattdessen gilt es, initiativ zu handeln, Anforderungen zu antizipieren und den eigenen Ambitionen zu folgen. Mit einer optimalen SCG positionieren sich Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit, setzen neue Anforderungen proaktiv um und sorgen für transparente und standardisierte Nachhaltigkeitsaktivitäten. 

Damit ist SCG komplex und vielschichtig, lohnt sich aber auch. Denn richtig umgesetzt, macht sie die Wertschöpfung im wirtschaftlichen Sinne nachhaltiger und schafft einen Mehrwert für Menschen und Gesellschaft. 

Wie gehen Unternehmen am besten vor, um eine nachhaltige Unternehmensführung einzuführen und weiterzuentwickeln?

Besonders effektiv ist in dem Kontext oft, etablierte Managementstrukturen, Prozesse und Systeme zu skalieren. Dabei können bewährte Rahmenwerke helfen, etwa die IDW PS 980 oder ISO 26000 bei nicht-finanziellen Themen. Ein spezifisches Beispiel wäre die Einrichtung eines Umwelt-Compliance-Managementsystems (CMS) – insbesondere für produzierende Unternehmen – um mehr Umweltschutz zu fördern.

Generell hilft es, ein systemisches Verständnis für das Thema zu entwickeln. Führungskräfte müssen Wechselwirkungen innerhalb des Unternehmens und zur Umwelt oft völlig neu denken und sich fragen, wie sich ihr Unternehmen im Einklang mit den Auswirkungen eigener Aktivitäten kontinuierlich weiterentwickeln kann.

Dann gibt es konkrete Schritte: Internationale Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem sollten mit denen an ein CMS in einem umfassenden Governance-System zusammengeführt werden. Dies führt zu einem Compliance-getriebenen, ganzheitlichen Corporate-Governance-Ansatz, der Umweltthemen berücksichtigt, aber auch auf weitere Sustainability-Themen ausgeweitet werden kann.

Welche konkreten Wettbewerbsvorteile lassen sich auf diese Weise erschließen?

Unternehmen mit SCG haben oft eine stärkere Präsenz bei Stakeholdern. Stärkere Beziehungen und ein besseres Verständnis in beide Richtungen sind die Folge. Das kann dem Management in Situationen helfen, in denen Gewinn und Nachhaltigkeit zunächst konträr erscheinen. Wer sich proaktiv an regulatorische Anforderungen anpasst, senkt Compliance-Risiken und verbessert so seine Marktposition. Darüber hinaus legen immer mehr Investoren und Kapitalgeber Wert auf ESG-Ratings und die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die Unternehmensführung. Hier wird SCG schnell zum Türöffner für neues Kapital. Außerdem kann der strategische Fokus helfen, Fachkräfte anzuwerben und zu halten. Gelebte Nachhaltigkeit wird mehr und mehr zum Auswahlkriterium bei der Arbeitgeberwahl. 

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