Skip to main content

2006 | Buch

Volkswirtschaftslehre für Sozialwissenschaftler

Eine Einführung

verfasst von: Holger Rogall

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

insite
SUCHEN

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundlagen und Mikroökonomie

Frontmatter
1. Grundbegriffe der Volkswirtschaftslehre
Auszug
Wissenschaft dient der systematischen Gewinnung von Erkenntnis. Um mit dem rasant zunehmenden Wissensvorrat umgehen zu können, haben sich im Laufe der Jahrhunderte immer weitere Wissenschaftsdisziplinen gebildet, deren interdisziplinäre Zusammenarbeit spätestens seit dem 19. Jahrhundert zum groβen Teil verloren gegangen ist. Als Sozialwissenschaft haben die Wirtschaftswissenschaften die Aufgabe, gesellschaftliche Entwicklungen und Entscheidungsprozesse zu erklären. Leider sind im Entwicklungsverlauf der Ökonomie (heute wird oft der Begriff ökonomik verwendet) viele Erkenntnisse der anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen nicht mehr aufgenommen worden. Das ist eine Fehlentwicklung, die teilweise zu einer sehr verengten Sichtweise vieler ökonomen geführt hat.
2. Wirtschaftsschulen — Anfänge
Auszug
Wie beschrieben, gehen Wirtschaftswissenschaftler von unterschiedlichen Wertesystemen aus und vertreten oft die Interessen einer bestimmten Gruppe (Schicht). Daher kommen sie zwangsläufig zu unterschiedlichen Theorien, d.h. Erklärungszusammenhängen und Forderungen. In ihren Publikationen werden sie in der Regel die Interessen, die sie vertreten, nicht öffentlich benennen. Vielmehr versuchen sie zu begründen, warum sich gerade ihre wirtschaftlichen Forderungen positiv für die gesamte Gesellschaft auswirken. Im Zuge der Entwicklung der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen haben sich so viele Wirtschaftsschulen und Unterschulen gebildet, dass wir uns in dieser Einführung auf die wichtigsten beschränken müssen.
3. Neoklassik
Auszug
Die zweite Hälfte des 19. Jh. war in Europa und Nordamerika von der industriellen Revolution und einem erstarkenden Unternehmertum geprägt mit einer in der Menschheitsgeschichte bislang einmaligen wirtschaftlichen Entwicklung. Wie im vorherigen Kapitel erläutert, führte diese Entwicklung zunächst zu einer dramatischen Verelendung der Arbeiter, woraus die soziale Bewegung hervorging. Diese Bewegung konnte sich insofern auf die Aussagen der klassischen ökonomie stützen, als diese den Wert eines Gutes ganz oder zum Teil durch die in ihm enthaltene Arbeit bestimmt sah (Produktionskostenlehre von A. Smith und Arbeitswertlehre von D. Ricardo und K. Marx). Damit erhielt der Faktor Arbeit eine ganz besondere Bedeutung, mit der Theorien von einer ungerechtfertigten Ausbeutung der Arbeiter nahe lagen.
4. Keynesianismus
Auszug
Die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des 20. Jh. mit ihren dramatischen sozialen und politischen Auswirkungen zeigte die Grenzen der neoklassischen Erklärungsansätze und Theorien. Statt zu einer erhöhten Investition und Beschäftigung führten die Lohnsenkungen zu einer weltweit abwärts gerichteten Spirale von weniger Konsumnachfrage, noch geringeren Investitionen und in der Folge weiteren Entlassungen sowie weiteren Lohnsenkungen, noch geringeren Konsumnachfragen usw. Deshalb wurde diese Wirtschaftskrise auch groβe Depression genannt. Erst die staatlichen Nachfrageprogramme des sog. „New Deals“ der US-amerikanischen Roosevelt-Regierung und die öffentlichen Nachfrageprogramme des deutschen Reichsbankpräsidenten Hermann Schacht (von der nationalsozialistischen Regierung umgesetzt) führten Ende der 30er Jahre aus diesem Teufelskreislauf.
Historischer Hintergrund
5. Neue Schulen
Auszug
Bereits seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, als der Keynesianismus als herrschende Wirtschaftsschule angesehen wurde, versuchten mehrere Ökonomen die zentralen neoklassischen Dogmen zu „rehabilitieren“, zunächst aber mit wenig Erfolg. Die bekanntesten waren Friedrich Hayek (1899–1992) und Milton Friedmann (1912). Friedmann entwickelte die Unterschule des Monetarismus. Hayek (1944) forderte in einer bis dahin ungekannten Rigorosität den vollständigen Rückzug des Staates aus allen Wirtschaftsabläufen. Er wurde damit zum Vorläufer der Schule, die wir heute Neoliberalismus nennen.
6. Nachhaltige Ökonomie
Auszug
Sowohl die Politiker als auch die Ökonomen maβen der effizienten Nutzung der natürlichen Ressourcen in der Vergangenheit eine geringe Bedeutung zu. Sie wurden als unendlich angesehen und als „öffentliche“ Güter betrachtet, die weder einen Preis haben noch knapp sind. Auch wenn sich einzelne Vorläufer der Forderung nach einer nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen bereits im Altertum (römische und persische Wiederaufforstungsprogramme) und in den europäischen Kolonien der Neuzeit finden lassen (z.B. Mauritius), spielte der Umweltschutz insgesamt keine Rolle. Erst die UN-Umweltkonferenz im Jahr 1972 in Stockholm, die ersten Studien über die „Grenzen des Wachstums“ (Meadows 1972), die Erdölpreiskrise 1973/74 und die zahlreichen Unfälle (z.B. Seveso 1976, Bopal 1984) führten zu einem stärkeren Umweltbewusstsein. Seit dieser Zeit wird in Fachkreisen die Frage diskutiert, ob das menschliche Leben auf einen Punkt zusteuert, an dem es Gefahr läuft, sich seiner eigenen natürlichen Grundlagen zu berauben (BMU 1997/02: 9). Die globalen Umweltprobleme sind bekannt. Als Stichpunkte sollen reichen:
(1)
Klimaveränderung und Zerstörung der Ozonschicht,
 
(2)
Vergiftung und Verlärmung der Biosphäre,
 
(3)
Verlust biologischer und landschaftlicher Vielfalt,
 
(4)
Übernutzung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen (Wälder, Süβwasser, Fischbestände),
 
(5)
Übernutzung der nicht erneuerbaren Ressourcen (fossile Energieträger und Rohstoffe, Boden und Fläche) (Rogall 2004: 23; WWI 2000: 24).
 
7. Idealtypische Wirtschaftssysteme
Auszug
Um Wirtschaftssysteme bewerten zu können, benötigen wir Kriterien. Je nachdem, ob wir von einem engen oder einem umfassenderen (sozialwissenschaftlichen) Verständnis von Wirtschaft ausgehen, werden die Kriterien unterschiedlich ausfallen.
8. Wirtschaftssystem in Deutschland — Gemischtwirtschaft
Auszug
Im ausgehenden 19. Jh. wurden die Schwächen reiner Marktwirtschaften immer deutlicher und der Staat übernahm in der Folge zunehmend die Aufgabe, in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Nach dem II. Weltkrieg herrschte 35 Jahre lang der Konsens, dass nur Gemischtwirtschaften in der Lage sind, die strukturellen Schwächen der idealtypischen Wirtschaftssysteme (reine Marktwirtschaft und Zentralverwaltungswirtschaft) auszugleichen. Es bildeten sich Mischformen heraus, die mal stärker marktwirtschaftlich (z.B. USA), mal stärker sozialstaatlich (z.B. Schweden) sowie marktwirtschaftlich-sozialistisch (z.B. Jugoslawien) orientiert waren. Zunächst standen Fragen der sozialen Sicherung und der wirtschaftlichen Stabilität im Mittelpunkt der Staatseingriffe. Daher wurde in Deutschland in den 50er Jahren auch der Name soziale Marktwirtschaft verwendet. Als geistige Väter werden Walter Eucken (1891–1950) und Alfred Müller-Armack (1901–1978) bezeichnet. Seit den 90er Jahren wird von vielen Autoren der Begriff sozialökologische Marktwirtschaft verwendet (wir sprechen von Gemischtwirtschaft). Anerkannte Rolle des Staates ist es hierbei, die Ziele der Wirtschaftspolitik durch den Eingriff in das Wirtschaftsgeschehen zu erreichen (vgl. Kap. 11). Diese gemischtwirtschaftlichen Systeme sorgten über Jahrzehnte für eine bis dahin nicht gekannte politische und wirtschaftliche Stabilität sowie einen Wohlstand für breite Teile der Bevölkerung in den Industriestaaten. Trotz dieser Erfolge fordern neoliberale ökonomen seit den 80er Jahren zunehmend den Staat aus dem Wirtschaftsgeschehen zurückzudrängen.
9. Mikroökonomie: Haushalte und Unternehmen
Auszug
Wie erwähnt, kann man die neoklassische Ökonomie und die aus ihr hervorgegangenen neoliberalen Schulen heute als herrschende Wirtschaftsschule ansehen. Daher werden wir zunächst versuchen, ihre zentralen Aussagen verstehen zu lernen. Diese Vorgehensweise bietet sich an, weil viele Erklärungsansätze der neoklassischen Theorie gut geeignet sind, um einen ersten Einstieg in das Denkmuster der heutigen Wirtschaftswissenschaften zu erhalten. Folgende Voraussetzungen sollen an dieser Stelle wiederholt werden:
10. Preisbildung auf unterschiedlichen Märkten
Auszug
In einem marktorientierten Wirtschaftssystem (reine Marktoder Gemischtwirtschaft) hat der Preismechanismus verschiedene zentrale Funktionen (Baßeier 2002: 186):
  • Gleichgewichtsfunktion: Der Zusammenhang von Angebot und Nachfrage führt nach der neoklassischen Theorie immer zu einem Gleichgewichtspreis, bei dem alle produzierten Güter verkauft werden (vgl. Kap. 3.4).
  • Informations- und Allokationsfunktion. Die Wirtschaftsakteure erhalten Informationen über die Knappheit der Güter und Produktionsfaktoren. Immer, wenn ein Faktor stark im Preis ansteigt (z.B.: Löhne oder Energiepreise), werden die Wirtschaftsakteure versuchen diesen Faktor nicht nur effizienter einzusetzen, sondern auch bemüht sein, ihn durch einen anderen zu substituieren (zu ersetzen). So haben die Unternehmen nach den starken Steigerungen der Löhne sowie öl- und Gaspreise in den 70er Jahren Rationalisierungsinvestitionen durchgeführt und energieeffizientere Techniken eingesetzt.
  • Motivations- und Sanktionsfunktion: Steigende oder sinkende Preise wirken sich unmittelbar auf den Gewinn aus und können kurzfristig kaum über eine veränderte Kostenstruktur ausgeglichen werden. Unternehmen sind daher motiviert, schnell und vorausschauend zu handeln. Falsche oder zu langsame Entscheidungen werden sofort sanktioniert.

Makroökonomie und Wirtschaftspolitik

Frontmatter
11. Ziele und Messmethoden der Wirtschaftspolitik
Auszug
Wie wir in den ersten Kapiteln erfahren haben, geht die Neoklassik davon aus, dass Arbeitslosigkeit oder andere wirtschaftliche Ungleichgewichte nur kurzfristig vorkommen können. In der Realität treten immer wieder auch längere Ungleichgewichte und Fehlallokationen auf, die in einer sozial-ökologischen Markt- oder Gemischtwirtschaft nicht akzeptabel sind. Um diese Schwächen auszugleichen, wurden seit den 30er Jahren des 20. Jh. verschiedene staatliche Instrumente entwickelt, die unter dem Begriff Wirtschaftspolitik zusammengefasst werden.
12. Akteure der Wirtschaftspolitik
Auszug
tschaftspolitik, d.h. der staatliche Eingriff in Wirtschaftsabläufe zur Erzielung wirtschaftspolitischer Ziele, erfolgt in modernen Demokratien nicht nur direkt durch staatliche Institutionen (von uns direkte Akteure genannt), sondern auch mittels Beeinflussung durch eine Vielzahl von nicht staatlichen Organisationen (indirekte Akteure genannt). In der Politikwissenschaft werden unter Akteuren oft Organisationen oder Institutionen verstanden. In der ökonomischen Theorie der Politik stehen die Interessen von Einzelpersonen (in diesen Organisationen) im Mittelpunkt des Interesses (vgl. Kap. 5.5).
13. Wachstum — Entwicklung
Auszug
Nicht nur das deutsche Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 strebt ein stetiges, angemessenes wirtschaftliches Wachstum an, sondern fast alle Ökonomen, egal welche inhaltlichen Kontroversen sie ansonsten haben. In den vergangenen 40 Jahren sind die wirtschaftlichen Wachstumsraten in Deutschland tendenziell gesunken, und es erhebt sich die Frage, welche Wachstumsraten in einer weitentwickelten Volkswirtschaft dauerhaft als „angemessen“ anzusehen sind. Viele Ökonomen fordern als unterste Grenze 2% pro Jahr, u.a. weil ab dieser Gröβe die gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerung kompensiert wird und aus diesem Grund keine Senkung der Beschäftigung stattfindet. Eine andere Frage ist ob ein derartiges Wachstum dauerhaft erzielbar ist.
14. Hoher Beschäftigungsgrad — Beschäftigungspolitik
Auszug
Ein hoher Beschäftigungsgrad (andere reden von Vollbeschäftigung) ist eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Ziele, da eine Erwerbstätigkeit mit der Erzielung von Einkommen, dem Ansehen der Person und teilweise der Selbstverwirklichung der Menschen verbunden ist.
15. Geldwertstabilität — Geldpolitik
Auszug
Geldpolitik umfasst die Gesamtheit der wirtschaftspolitischen Maβnahmen mit den Zielen, für eine optimale Geldversorgung der Volkswirtschaft zu sorgen und zur Sicherung der Geldwertstabilität sowie zur Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung beizutragen. Wir wollen uns zunächst mit den beiden ersten Zielen beschäftigen.
16. Wettbewerbspolitik
Auszug
Unter Wettbewerb versteht man ein Konkurrenzverhältnis zwischen verschiedenen Anbietern, die ihre Angebotspreise und Produkte entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen und den Marktverhältnissen relativ frei bestimmen können. Aus diesem Verhältnis folgt ein Ausleseverfahren, aus dem sich Rivalitäts- und Abhängigkeitsverhältnisse ergeben. Wir unterscheiden folgende Funktionen des Wettbewerbs (Baßeier 2002: 19; Koch, Czogalla 2004: 59):
  • Allokationsfunktion: Die Produktionsfaktoren werden in die Sektoren gelenkt, in denen noch Bedarfs- und somit Gewinnpotenziale stecken.
  • Effizienz- und Sanktionsfunktion: Der Wettbewerb führt dazu, dass nur solche Unternehmen am Markt bestehen können, die in der Lage sind, ihre Durchschnittskosten unterhalb des Marktpreises zu halten. Der Wettbewerbsdruck zwingt die Unternehmen ständig zu prüfen, welche weiteren Effizienzpotenziale realisiert werden können.
  • Innovationsfunktion: Selbst auf einem oligopolistischen Markt werden die Unternehmen stets versuchen, mit der Entwicklung neuer Produkte und Verfahren Renten zu erlangen. Hierdurch wird ein ständiger Anreiz für Innovationen ausgeübt.
  • Verhinderung dauerhafter wirtschaftlicher Macht: In der Theorie führt der Wettbewerb und mit ihm die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren dazu, dass Monopole oder groβe Oligopole nach einiger Zeit ihre Vormachtstellung verlieren (z.B. IBM). Das funktioniert aber in der Realität nicht immer, daher muss der Staat die Konzentrationsprozesse immer im Auge behalten.
17. Finanzpolitik: Handlungsfähiger Staatshaushalt
Auszug
Der Staat beeinflusst mit seiner Einnahmen- und Ausgabenpolitik (Finanzpolitik genannt) erheblich die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft. So bestimmt er z.B. bei einer hohen Gesamtausgabenquote (Staatsausgaben inkl. Sozialversicherung im Verhältnis zum BIP) ganz wesentlich, welche Güter in der Volkswirtschaft erzeugt werden und wer welche Einkommen erhält. In den OECD-Statistiken werden zum Staat alle sog. Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) sowie die Sozialleistungssysteme gerechnet (die in vielen Staaten direkt im Staatshaushalt integriert und in anderen Staaten wie Deutschland durch öffentliche Versicherungssysteme organisiert sind). In anderen Zusammenhängen werden die Gemeinden nicht zum Staat gezählt, da sie über keine Gesetzgebungskompetenz verfügen. Aufgrund der Vergleichbarkeit der Staaten untereinander wollen wir hier die Gemeinden zum Staat — auch öffentliche Hand genannt — hinzurechnen. Die dem Staat ganz oder teilweise gehörenden etwa 120 Unternehmen werden nicht zum Staatssektor gezählt (Deutsche Telekom, Deutsche Post, Deutsche Bahn, Bundesdruckerei). Bevor wir uns den Einfluss der öffentlichen Hand auf das Wirtschaftsgeschehen genauer ansehen, wollen wir uns erst einige Grundlagen aneignen.
18. Geld- und Fiskalpolitik
Auszug
Bislang haben wir Geldpolitik hauptsächlich unter dem Ziel der Geldwertstabilität (vgl. Kap. 15.7) und Fiskalpolitik (vgl. Kap. 17) unter dem Ziel der Finanzierung von meritorischen Gütern behandelt. In diesem Kapitel geht es darum, inwieweit Geld- und Fiskalpolitik einen Beitrag zur Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung leisten können.
De. 19 Einkommens- und Vermögensverteilung
Auszug
Bei dem Thema Einkommens- und Vermögensverteilung befinden wir uns in einem Grenzbereich zwischen Wirtschaftspolitik und den sozial-kulturellen Aufgaben des Staates. Einerseits ist die Erzielung angemessener Erwerbseinkommen ein ökonomisches Ziel. Andererseits kann die Existenzsicherung in einer sozial-ökologischen Demokratie nicht allein dem Markt überlassen bleiben, sondern ist von der Gemeinschaft bzw. dem Staat sicherzustellen.
20. Sozial-kulturelle Aufgaben des Staates
Auszug
Die Erreichung sozial-kultureller Ziele gehört wie die Verfolgung ökonomischer und ökologischer Ziele zu den drei Zieldimensionen einer zukunftsfähigen sozialökologischen Markt- oder Gemischtwirtschaft (vgl. Kap. 6 und 11.1). In dem vorliegenden Buch stehen die ökonomischen Ziele im Mittelpunkt, daher wollen wir uns nur mit den sozial-kulturellen Zielen beschäftigen, die auch erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung haben.

Internationale Wirtschaftspolitik

Frontmatter
21. Außenhandelstheorien — Vorteile der Globalisierung
Auszug
Ein wesentliches Ziel der Wirtschaftspolitik ist die Erzielung eines auβenwirtschaftlichen Gleichgewichts, was in diesem Buch um das Ziel der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ergänzt wird (vgl. Kap. 26). Hierbei soll erreicht werden, dass alle Leistungen (Güter, Dienstleistungen), die ein Land vom Ausland erhält, durch eigene Leistungen (Exporte) bezahlt werden können, so dass sich das Land nicht gegenüber anderen Ländern verschulden muss.
22. Außenwirtschaftspolitik
Auszug
In internationalen Verträgen, nationalen Gesetzen (z.B. dem deutschen Stabilitätsgesetz von 1967) und Lehrbüchern lautet das auβenwirtschaftliche Ziel: Herstellung eines auβenwirtschaftlichen Gleichgewichts, d.h. die Leistungsbilanz der Länder soll ausgeglichen sein. In der Realität versucht aber jeder Staat mehr zu exportieren als er importiert, was folgende Vorteile mit sich bringen kann: (1) das BIP wächst, (2) die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung nimmt zu, (3) die Gewinne der Unternehmen und (4) die Devisenreserven steigen, (5) Auslandskredite können vergeben werden. Hierdurch kann auch im Inland ein positives Geschäftsklima entstehen. Da eine derartige Entwicklung alle Regierungen erreichen wollen — und ein positiver Saldo der Leistungsbilanz eines Landes zwangläufig den negativen Saldo eines anderen Landes darstellt —, werden langfristige überschüsse von einzelnen Staaten immer zu Gegenmaβnahmen der anderen Länder führen. Auch wenn ein Land langfristig Leistungsbilanzdefizite aufweist, soll sich aus der Sicht neoliberaler ökonomen der Staat aus dem Wirtschaftsgeschehen heraushalten, da sie davon ausgehen, dass staatliche Eingriffe ineffizient sind und die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft behindern. In der Vergangenheit haben sich viele Regierungen an diese Empfehlungen nicht gehalten. Vielmehr hat die Mehrzahl versucht, Maβnahmen zu ergreifen, die das Ungleichgewicht beenden. Hierzu wurde eine Vielzahl von Instrumenten der Handelspolitik eingesetzt, auch protektionistische Maβnahmen (Protektionismus) genannt.
23. Heutige Struktur der Weltwirtschaftsordnung
Auszug
Nach dem II. Weltkrieg wurden verschiedene internationale Organisationen gegründet, die einen Beitrag zur Entwicklung der globalen Wirtschaft und zum Handelsaustausch leisten sollen. Ihre Gesamtzahl beträgt heute ca. 250. Hinzu kommen etwa 6.000 nicht-staatliche internationale Vereinigungen. Einige ausgewählte internationale Organisationen werden im Folgenden skizziert.
24. Notwendiger Ordnungsrahmen für die Weltwirtschaft
Auszug
In jüngster Zeit sehen immer mehr Autoren Gefahren in den Globalisierungsprozessen, die wir im Weiteren erläutern wollen.
25. Die Europäische Union
Auszug
Die beiden Weltkriege brachten nicht nur ein unvorstellbares Elend mit sich (allein der II. Weltkrieg ca. 60 Mio. Tote), sondern auch den historischen Abstieg der europäischen Staaten in die 2. Liga der Weltmächte. Anschlieβend waren sich fast alle Politiker und die Bevölkerung einig, dass durch eine enge wirtschaftliche Kooperation ein dauerhafter Frieden auf dem europäischen Kontinent gesichert werden sollte. Zunächst stellte der Vereinigungsprozess eine beispiellose Erfolgsstory dar: Im Zuge der vergangenen 50 Jahre entwickelte sich die EU von einer kleinen Wirtschaftskooperation zu einem Staatenbund, mit z.Z. 25 Mitgliedsländern und insgesamt ca. 455 Mio. Einwohnern, die etwa ein Viertel des globalen Bruttoinlandproduktes erzeugen. Heute sind kriegerische Konflikte zwischen den Mitgliedsstaaten nicht mehr vorstellbar. Die Grenzen zwischen den Staaten fallen und immer mehr Staaten schlieβen sich dem einheitlichen Euro-Währungssystem an. Trotz der Ablehnung der Europäischen Verfassung in den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden hat die positive Entwicklung noch lange nicht ihr Ende gefunden. Allerdings wird die Politik künftig stärker darauf achten müssen, dass der Bevölkerung die Chancen des Vereinigungsprozesses sichtbar bleiben.
26. Entwicklungszusammenarbeit — Entwicklungspolitik
Auszug
Nach den neoliberalen Entwicklungstheorien gleichen sich ökonomische Entwicklungsunterschiede zwischen Volkswirtschaften relativ schnell an, wenn die Staaten auf den Eingriff in das Wirtschaftsgeschehen (Protektionismus) verzichten. Bei ihrer Analyse gehen sie von folgendem Zusammenhang aus: Je höher in einem Land der Kapitalbestand im Verhältnis zu den Arbeitskräften ist, desto geringer ist die Grenzproduktivität des Kapitals und somit die Profitrate. In einer globalisierten Weltwirtschaft ist die Kapitalmobilität so hoch, dass das Kapital in der Folge aus den Ländern mit hoher Kapitalintensität (den reichen Industriestaaten) in die Länder mit geringer Kapitalausstattung (den Entwicklungsländern) strebt. Die Entwicklungsländer würden so einen Investitionsboom mit steigendem Output (BIP) und Einkommen erleben (Herr, Hübner 2005: 64). Zu Beginn des 21. Jh. wissen wir, dass diese Sichtweise zu optimistisch war und die Wohlstandskluft zwischen dem reichsten Fünftel der Erdbevölkerung und dem ärmsten Fünftel weiter gewachsen ist. Trotzdem nimmt das öffentliche Interesse an diesem Themenkomplex ab. Wir müssen uns aber vergegenwärtigen, dass es ohne Gerechtigkeit, die unvereinbar ist mit der wachsenden Ungleichheit der Lebens- und Entwicklungschancen, keinen Frieden auf der Erde geben wird (Nuschler 2005: 18).
27. Währungssysteme — Währungspolitik
Auszug
Die Entwicklung der wirtschaftlichen Globalisierungsprozesse wird nicht nur von realwirtschaftlichen (Kap. 21), sondern ebenso von währungspolitischen Faktoren bestimmt. Daher wollen wir uns im Folgenden mit ausgewählten Grundlagen und Problemstellungen der Währungspolitik beschäftigen.
28. Vergleich der Wirtschaftsschulen
Auszug
In den folgenden Unterkapiteln sollen die zentralen Unterschiede zwischen den wirtschaftspolitischen Schulen modellartig skizziert werden. Hierbei muss sich der Leser immer vor Augen halten, dass — zumindest in Europa — die wirtschaftspolitische Realität eher von Mischformen aus verschiedenen Schulen geprägt ist als von der vollständigen Übertragung eines Ansatzes.
29. Ansätze einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik
Auszug
Eine Schule der nachhaltigen Wirtschaftspolitik existiert noch nicht. Viele ökologische ökonomen vertreten aber die Position, dass die steigenden Arbeitslosenzahlen nicht auf konjunkturelle Nachfrageschwächen oder zu hohe Kosten bzw. mangelnde Anreize, sondern gröβtenteils auf entwicklungsbedingte Ursachen zurückzuführen sind, wie es schon Keynes aufgrund seiner absoluten Einkommenshypothese vorausgesagt hatte (vgl. Kap. 4.2; Zinn 2003: 402). Tatsächlich reichen in einigen Industriestaaten die wirtschaftlichen Wachstumsraten seit 1974 tendenziell nicht mehr aus, um die Produktivitätssteigerungen und steigenden Erwerbspersonenpotenziale zu kompensieren. Diese Entwicklung hat unterschiedliche Ursachen, u.a. werden zunehmend Sättigungstendenzen in einigen Konsumgüterbereichen festgestellt (Tab. 26). Das künftig zurückgehende Erwerbungspotenzial wird möglicherweise auch die wirtschaftlichen Wachstumsraten weiter zurückgehen lassen und aufgrund der weiteren Rationalisierungstendenzen jedenfalls den geringer qualifizierten Arbeitnehmern nur wenig bei der Arbeitssuche helfen.
30. Ausgewählte Probleme und Lösungsansätze
Auszug
In den 70er und den 80er Jahren stieg die Arbeitslosenquote in fast allen gemischtwirtschaftlichen Industriestaaten, so dass einige Autoren (z.B. Rifkin) davon ausgingen, dass den Industriestaaten im Laufe der nächsten Jahrzehnte tendenziell „die Arbeit ausgeht“. So war die durchschnittliche Arbeitslosenquote der 21 betrachteten OECD-Staaten bis zum Jahr 1985 auf 7,7% gestiegen (mit einer Bandbreite von 0,8% in der Schweiz und 2,6% in Japan bis zu 16,9% in Irland und 17,7% in Spanien). Seit Anfang der 90er Jahre haben viele Staaten Maβnahmen ergriffen, um diese Entwicklung umzukehren. Dabei waren sie mit ihren Strategien sehr unterschiedlich erfolgreich. Während einige Länder seit Jahrzehenten eine niedrige Quote bewahren oder gar ihre hohe Arbeitslosigkeit deutlich senken konnten, sind andere weniger erfolgreich.
Backmatter
Metadaten
Titel
Volkswirtschaftslehre für Sozialwissenschaftler
verfasst von
Holger Rogall
Copyright-Jahr
2006
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90239-5
Print ISBN
978-3-531-14538-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90239-5