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2022 | Buch

Weise statt Smart

Intelligentes Wohnen auf der nächsten Stufe

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Über dieses Buch

Der Smarthome Sektor boomt, dennoch ist eine flächendeckenden Verbreitung nicht absehbar. Die entsprechende technische Basis ist zwar vorhanden, es sind aber sowohl technische als auch sozio- und psychologische Faktoren, die die Mehrheit der potenziellen Nutzer davor zurückschrecken lassen, sich ein Smart Home anzuschaffen. Beispiele dafür sind die fehlende Interoperabilität am Markt verfügbarer Systeme, eine bestehende Technikskepsis mit Befürchtungen die Kontrolle zu verlieren, aber auch im Sinne von Überwachung, dem Schutz von Daten und Privatsphäre oder aber die Kosten/Nutzen-Analyse. Das Buch soll aus der Perspektive einer ganzheitlich betrachteten „User Experience“ Möglichkeiten aufzeigen, zukünftig individuelle und maßgeschneiderte Smarthome Lösungen zu erhalten – im Sinne einer feingranularen Abstufung anstelle eines Alles-oder-Nichts-Prinzips.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Theoretisch-wissenschaftliche Grundlagen

Frontmatter
1. Smarte Haustechnik
Der schmale Grat zwischen intelligent und ignorant
Zusammenfassung
Zwischen diesen beiden Zitaten liegen mehr als 2000 Jahre und dennoch haben sie Vieles gemeinsam. Erste augenfällige Parallele ist das Weben, das Weberschiff bei Aristoteles und die im Alltag verwobene oder – anders ausgedrückt – vernetzte Technologie bei Weiser. Eine weitere Gemeinsamkeit ist der in ihnen implizit ausgedrückte Wunsch des Menschen, seine Lebensqualität durch geeignete Werkzeuge (Aristoteles) beziehungsweise Technologien (Weiser) zu verbessern. Werkzeuge haben seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte Fähigkeiten ihrer Anwender*innen unterstützt, erweitert und dazu beigetragen, Unzulänglichkeiten und Einschränkungen zu überwinden. Erste Verwendungen von Werkzeugen sind bereits in der Steinzeit, an verschiedenen Varianten von Faustkeilen nachgewiesen [3]. Aber auch im Jahr 2021, dem Entstehungsjahr dieses Buches, ist das Streben nach Verbesserung des Lebens durch die Entwicklung und Verwendung immer neuer Werkzeuge noch nicht abgeschlossen. Wenn man den Begriff des Werkzeuges sehr breit fasst, so kann man auch die in den letzten Jahrzehnten aufstrebenden Informations- und Kommunikationstechnologien, kurz IKT, als eine Art von Werkzeugen betrachten. Gemäß Duden (https://​www.​duden.​de/​rechtschreibung/​Werkzeug (zugegriffen am 01.12.2021).) ist ein Werkzeug ein „… für bestimmte Zwecke geformter Gegenstand, mit dessen Hilfe etwas bearbeitet oder hergestellt wird“. Die durch IKT unterstützte Verarbeitung von Informationen beziehungsweise die Abwicklung von Kommunikation ist im Sinne eines Werkzeuges interpretierbar. IKT sind mittlerweile allgegenwärtig geworden und bieten bisher ungeahnte Möglichkeiten jeden einzelnen Lebensbereich zu bereichern, in der jüngeren Vergangenheit insbesondere die im Zitat von Aristoteles hervorgehobene Möglichkeit des Vorausahnens beziehungsweise selbständigen Übernehmens von Aufgaben. Im aktuellen wissenschaftlichen Jargon wäre dies wohl eine Ausprägung von künstlicher Intelligenz (KI). Das Zuhause stellt allerdings ein spezifisches und zugleich schwieriges Umfeld in Bezug auf den Einsatz von Werkzeugen im Allgemeinen und IKT im Besonderen dar. Das ist unter anderem dadurch begründet, dass IKT ursprünglich aus industriellen Kontexten stammen und für die dort vorherrschenden spezifischen Aufgaben- und Anwendungsbereiche entwickelt worden sind. IKT starteten ihren Siegeszug aus diesen Bereichen [4], zunächst in Form von Großrechnern, gefolgt von Arbeitsplatz-Computern. Später, beispielsweise in Gestalt des Personal Computers (PC), dem „Urvater“ heutiger smarter Assistenten, haben sich die Technologien auch in andere Lebensbereiche, wie auch das private Wohnumfeld, ausgebreitet. Doch nicht alle Technologien sind darauf ausgerichtet mit den Anforderungen des privaten Wohnumfeldes angemessen umzugehen. Das zeigte sich deutlich im Kontext des zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Buches corona-bedingten Ausnahmezustandes. Die meisten Leser*innen kennen vermutlich Situationen, in denen die Technologie im Rahmen von Homeoffice oder Homeschooling an ihre Grenzen gestoßen ist, beispielsweise technischen. Wer hat zu Hause schon eine mit dem Arbeitsplatz vergleichbare Internetanbindung, beziehungsweise dem Stand der Technik entsprechende Endgeräte für alle Familienmitglieder? Allerdings erweisen sich auch architektonische, soziale und psychologische Aspekte in Kombination mit Standard-IKT als suboptimal beziehungsweise sogar problematisch. Arbeitsplatztechnologie kann sinnvoll nur an bestimmten Positionen (WLAN oder LAN-Verbindung, Steckdosen) verwendet werden, bedarf entsprechender Ablageflächen, um per visuell/taktiler Interaktion (Bildschirm, Tastatur, Maus) bedient werden zu können und geeigneter Rahmenbedingungen (ruhige Umgebung, entsprechende Beleuchtung). Verglichen damit sind unsere evolutionär entwickelten Interaktions- und Kommunikationsformen aber auch konventionelle Dinge unseres Alltages recht gut an die Bedingungen angepasst. Wir Menschen können unsere Kommunikation recht flexibel an die jeweiligen Bedingungen anpassen, beispielsweise sprechen, gestikulieren, schreiben und Modalitäten recht rasch auf die jeweilige Situation anpassen beziehungsweise wechseln. Wir können uns auch im Beisein eines schlafenden Kindes durch Gesten oder durch Flüstern unterhalten, oder beispielsweise handschriftliche Notizen austauschen. Kommunikation kann auch durch Zuruf, Gesten, das Aufschreiben von Nachrichten erfolgen, und zwischen diesen Formen kann spontan gewechselt werden. IKT würde in dieser Hinsicht zwar viele Möglichkeiten bieten, deren praktische Umsetzbarkeit lässt aber zu wünschen übrig. Mit der Situation des schlafenden Kindes könnte man beispielsweise durch das gegenseitige Senden von Whatsapp Nachrichten umgehen, man müsste die Nachrichten aber nach wie vor eintippen. Wäre es aber nicht praktisch, wenn man gerade nicht die Möglichkeit des Eintippens hat, eine Nachricht oder E-Mail zu diktieren, oder eine eintreffende Nachricht anstatt zu lesen anzuhören? Technisch sind diese Dinge zwar möglich, teilweise auch in anderen Kontexten – wie im Automobilbereich – umgesetzt. Aktuelle Haustechnik ist aber auf solche Beispiele, vor allem einen flexiblen Wechsel nicht ausgerichtet. IKT ist im industriellen und öffentlichen Sektor in vielen Varianten etabliert [11, 12], speziell im privaten Umfeld müssen aber noch viele Hürden überwunden werden, bevor die im Zitat von Mark Weiser enthaltene Vision einer im Alltag untrennbar verwobenen Technologie real wird. Wir Menschen verbringen in etwa 70 % der Zeit in unserem jeweiligen Zuhause [5], und es gäbe dort sehr großes Potential für technologische Unterstützung. Beispiele dafür wären die Übernahme von banalen Routinetätigkeiten, die Automatisierung von Abläufen bis hin zur – im Sinne von Aristoteles – Antizipation anstehender Tätigkeiten (als eine Ausprägung von Künstlicher Intelligenz z. B. in Form selbstlernender Systeme). Im Vergleich zu anderen Lebensbereichen ist jedoch die Menge an potenziellen Problemen mit Technik im Haushalt ebenso groß wie deren Möglichkeiten beziehungsweise übersteigt diese sogar – wie in der Geburtstagsgeschichte illustriert. Die Mehrdimensionalität des Heims gepaart mit der potenziellen Komplexität von IKT erfordert jedenfalls eine erweiterte Sichtweise auf die Beziehung zwischen den in Form von IKT vorhandenen Werkzeugen und ihren Nutzer*innen; eine, die über die rein technokratische Sichtweise hinausgehen muss. Diese Sichtweise ist jedoch im Bereich smarter Technologien im Allgemeinen, und im Kontext von Smart Home im Besonderen seit Jahrzehnten sowohl in der Industrie als auch in Forschung und Entwicklung vorherrschend.
Gerhard Leitner
2. Smart Home und MCI
Der Faktor Mensch in der Mensch-Computer Interaktion
Zusammenfassung
Dieses Kapitel ist den grundlegenden wissenschaftlichen Konzepten und Theorien gewidmet, die im Zusammenhang mit dem neuen Paradigma des Wise Home relevant sind. Wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, ist mein wissenschaftlicher Hintergrund die Human-Computer-Interaction (HCI) beziehungsweise deren deutschsprachiges Äquivalent Mensch-Computer-Interaktion (MCI). Aus diesem Grund repräsentieren die nachfolgenden Passagen eine Annäherung an das Thema aus dieser wissenschaftlichen Perspektive.
Gerhard Leitner
3. Die verschiedenen Dimensionen des Zuhauses
Zusammenfassung
Die Verbreitung von IKT in Form von Automatisierungstechnik blieb vor allem im privaten Bereich bisher hinter den Erwartungen zurück. Einige der möglichen Gründe dafür wurden im Einführungskapitel angesprochen und lassen sich auf einen Aspekt herunterbrechen – Technologie-Push statt Bedürfnis-Pull, sprich keine oder nur geringfügige Anpassung technischer Lösungen auf die Anforderungen und Wünsche der Benutzer*innen. Im vorangegangenen Kap. 2 wurde schwerpunktmäßig auf Bedürfnisse und andere menschlichen Aspekte Bezug genommen, deren stärkere Berücksichtigung wohl zur Erhöhung der Akzeptanz smarter Technologie beitragen könnten. In der Mensch-Maschine Interaktion ist neben den Haupt-Proponenten Mensch und Computer aber auch der Kontext in dem die Nutzung von Technologie von entscheidender Bedeutung. Speziell in den letzten Jahren hat die Bedeutung des Kontexts, beispielsweise im Zusammenhang mit der Etablierung des Konzepts der User Experience zugenommen. Das Zuhause stellt eine besondere Form des Kontexts dar und daher widmet sich dieses Kapitel den Eigenschaften und Dimensionen dieses Kontexts, des Wohnumfeldes und seiner Relevanz für die Menschen, die darin leben und handeln und für den Einsatz von IKT.
Gerhard Leitner
4. Eine fokussierte Betrachtung von Smartness – vom Hypocaust zum Smart Home
Zusammenfassung
Es ist schwierig, den Zeitpunkt zu identifizieren, an dem erstmals Dinge erfunden wurden, die man als smart bezeichnen könnte, denn Smartness ist naturgemäß im zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext zu bewerten. Wenn man die historische Entwicklung betrachtet, scheint es aber, als wäre das Streben nach smarter, intelligenter(er) Unterstützung im Menschen genetisch verankert. Klar ist jedenfalls, dass Smartness im Allgemeinen und smarte Erweiterungen für das Wohnumfeld im Speziellen keine Bedürfnisse sind, die erst in der Gegenwart relevant wurden. Das zeigt zum Beispiel das Zitat aus Aristoteles' Politik, mit dem das Einleitungskaptitel des Buches eröffnet wurde. Technologiebasierte Smartness war bereits in der Antike ein theoretisches Thema und auch real vorhanden. Betrachten wir zum Beispiel Systeme im Wohnkontext zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit (Kanalisation), zur Steigerung des Komforts (Hypokaustenheizung, Bagdire) und sogar als eine Art von Unterhaltungs-Technologie. Letzteres sieht man zum Beispiel an Erfindungen, die Heron von Alexandria [1], genannt mechanicus, zugeschrieben werden, der im 1. Jahrhundert vor Christus lebte. Abb. 4.1 zeigt ein anderes Beispiel für diese Art smarter Technologie aus einer vergleichbaren Epoche.
Gerhard Leitner

Säulen des Wise Home

Frontmatter
5. Die theoretischen Fundamente des Wise Home
Zusammenfassung
Angesichts der Komplexität des Wohnumfeldes und der Vielzahl der eine Interaktion mit Technologie potenziell beeinflussender Aspekte, die bereits im konventionellen Zuhause, speziell aber im Smart Home vorhanden sind, erfordert eine Weiterentwicklung einen entsprechend breiten Ansatz. Die aktuelle Situation ist aber nicht ausschließlich suboptimalen Entwicklungen in Industrie und Wirtschaft anzukreiden, auch die Forschung hat in diesem Zusammenhang Aufholbedarf. Denn die einschlägige Forschung war ebenfalls von einer einer Techniklastigkeit bzw. Künstlichkeit gekennzeichnet, die Untersuchung der Phänomene hat in einem hohen Prozentsatz in Laborumgebungen stattgefunden. Um eine nachhaltige Änderung beziehungsweise Verbesserung der Situation herbeizuführen ist also eine Abkehr von technischen Themen sowie eine Orientierung in Richtung Feldforschung notwendig. Anstelle von punktuellen Analysen von Detailaspekten sollte Forschung auf Langzeitstudien aufbauen, um den gesamten Umfang möglicher Einflussfaktoren über längere Zeiträume hinweg untersuchen zu können. Das Resultat ist im Idealfall die Gewinnung eines breiten Verständnisses von Situiertheit [1], also dem engen Zusammenspiel zwischen den Eigenschaften des Wohnumfeldes (dessen physischer Eigenschaften und psychologischer Bedeutung), seinen Bewohner*innen und der vorhandenen Technologie. Diese Form der Forschung hat eine lange wissenschaftliche Tradition in den Sozial- und Geisteswissenschaften (wie in Kap. 6 aufgezeigt wird) und hat auch in der HCI durch Strömungen wie beispielsweise CSCW (Computer Supported Cooperative Work) [2] an Bedeutung gewonnen, in deren Rahmen unter anderem die englische Erstausgabe dieses Buchs erschienen ist.
Gerhard Leitner
6. Methodische Fundamente des Wise Konzepts
Zusammenfassung
Die Verbreitung von Smart Home Technologie liegt – wie mehrfach hervorgehoben – weit hinter den wiederholt aufgestellten Prognosen zurück. Einer der Gründe dafür ist sicher der (zu) starke Fokus auf die Möglichkeiten der Technologie anstatt auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer*innen. Diese Fokussierung ist – wie im vorhergehenden Kapitel skizziert – nicht nur ein Resultat der von Industrie und Handel betriebenen, die Vorzüge der Technik in den Vordergrund stellende, Vermarktung, sondern auch der wissenschaftliche und forschungsorientierte Zugang zum Thema Smart Home muss diesbezüglich hinterfragt werden. Das vorherige Kapitel hat schwerpunktmäßig auf die infrastrukturellen Voraussetzungen für ein Wise Home fokussiert, während sich dieses Kapitel der forschungsmäßigen Herangehensweise an das Konzept widmet. Die intensive Vermarktung der technischen Möglichkeiten des Smart Homes hat zwar anscheinend bei den Endkonsument*innen-Märkten kein entsprechendes Echo ausgelöst – wie in Kap. 2 aufgezeigt. Aber auch die einschlägige Forschung war durch eine starke Technik-Lastigkeit gekennzeichnet. Die fehlende Berücksichtigung nicht-technischer Aspekte [1] – im Sinne der in den Eingangskapiteln hervorgehobenen Mehrdimensionalität des Zuhauses – hat schlussendlich unter anderem zu Forschungsergebnissen geführt, die unter Realbedingungen nur bedingt anwendbar sind. Prototypische Lösungen sind beispielsweise in Forschungslabors entwickelt worden, und wurden dann vielfach auch dort evaluiert. Die daraus abgeleiteten Erkenntnisse haben allerdings eine nur sehr begrenzte Aussagekraft, beispielsweise hinsichtlich der Einsetzbarkeit von smarten Systemen in der „realen Welt“, sprich hinsichtlich ihrer externen Validität. Dieses Problem scheint jedoch nicht nur in der Smart Home Forschung virulent zu sein, sondern stellt anscheinend ein in der akademischer Forschung recht verbreitetes Problem dar.
Gerhard Leitner

Umsetzungsbeispiele und Ausblick

Frontmatter
7. Beispiele für die Umsetzbarkeit des Wise Home Konzepts
Zusammenfassung
Nach der Beschreibung der theoretischen Grundlagen des Wise Home Paradigmas und der begleitenden Methoden und Prozesse in den vorangegangenen Kapiteln, werden in diesem Kapitel empirische Arbeiten vorgestellt, die als Nachweis für die Realisierbarkeit des Konzepts des Wise Home dienen sollen. In Übereinstimmung mit dem in Kap. 6 vorgestellten Prozessmodell wurden die Arbeiten in drei Anwendungsbereichen beziehungsweise -stufen durchgeführt. Am Beginn werden Experimente und Studien vorgestellt, die in unseren Laboreinrichtungen durchgeführt wurden. Das nächste Beispiel, das die Stufe der Living Labs beziehungsweise Musterhäuser repräsentiert, ist Haushalt 37, eine reale Wohnumgebung, die über die letzten mehr als fünfzehn Jahre als Testumgebung diente. Der letzte vorgestellte Anwendungsbereich deckt Feldforschung mit dem Schwerpunkt Active and Assisted Living (AAL) ab und beschreibt unter anderem das Projekt Casa Vecchia, eine longitudinale Feldstudie sowie Nachfolgeaktivitäten in diesem Bereich. Abschließend werden aktuelle Beispielprojekte skizziert, welche die Flexibilität des Wise Home Konzepts anhand von beispielsweise temporären Installationen in Wohnungen oder in einem Spielzeughaus illustrieren.
Gerhard Leitner
8. Die weise Zukunft der Heim-Automatisierung
Zusammenfassung
Dieses Buch begann mit den mehr als zweitausend Jahre alten Ideen von Aristoteles, welche die Vision von Werkzeugen widerspiegelten, die selbständig handeln können. In den folgenden Jahrhunderten finden sich viele weitere visionäre Arbeiten zu selbständig agierenden Werkzeugen und Technologien, bis hin zu jenen des leider viel zu früh verstorbenen Mark Weiser. Selbst in der Dichtung konfrontiert Goethe seinen Zauberlehrling mit selbsttätigen Werkzeugen in Gestalt von Geistern, allerdings mit dem allseits bekannten Ergebnis, dass man sie einmal gerufen „...nicht mehr los wird“. Es ist nicht diese Vision, die wir uns in der Zukunft im Zusammenhang mit der Interaktion mit Werkzeugen oder Technologie wünschen, dass uns unsere Werkzeuge auf diese Weise entgleiten. Entwicklungen der KI werden jedoch in diesem Sinne kritisch betrachtet, auch wenn ich der Meinung bin, dass das diesbezügliche Gefahrenpotenzial (noch) überschaubar ist. Wünschenswerter wäre Mark Weisers Vision von Technologien, die sich so in unser Leben einweben, dass ihre Benutzung so erfrischend ist „wie einen Spaziergang im Wald“. Am Beginn des Buches sollte aufgezeigt werden, dass heutige Technologie die Stufe der unkontrollierbaren Geister zwar noch nicht erreicht hat, aber trotzdem Gefahr läuft, in eine negative Richtung zu gehen, wenn die in den letzten Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, vorherrschende Fokussierung auf die technischen Möglichkeiten beibehalten wird. Wir sind diesbezüglich noch sehr weit von einem Status entfernt, in dem sich Technologie reibungslos in unseren Alltag einwebt. Wenn man sich Entwicklungen im Zusammenhang mit Smartphones ansieht, so hat Technologie einen Stellenwert erreicht, der sich sehr stark vom Mittel zum Zweck (Technologie als Werkzeug) zum Selbstzweck verschoben hat. Das müsste nicht so sein, es gibt auch einige Ausnahmen, welche die Möglichkeiten aktueller Technologie dazu nutzen, eingespielte Abläufe mit dem aktuellen Stand entsprechender Technologie aufzuwerten, zu verbessern. Wie an dem Beispiel der Kombination aus digitalem Stift und Papier in Kap. 7 gezeigt, könnte Konventionelles mit Neuem gut miteinander kombiniert, wenn der Willen dazu da ist. Leider sind solche Tendenzen bei anderen Technologien, von denen man annehmen kann, dass sie eine höhere Relevanz für unser Leben haben, wie beispielsweise Smart Home Technologien, noch nicht in großem Umfang erkennbar. Hersteller von einschlägigen Produkten auf dem Endverbrauchermarkt versuchen noch immer, die Produkte aus der Perspektive der technischen Möglichkeiten und marktstrategischer Überlegungen an den Mann und die Frau zu bringen. Wenn man sich die diesbezüglichen Websites und Broschüren ansieht, so fokussieren diese anscheinend auf eine Zielgruppe, die in vollständig druchdesignten, meist relativ neuen Wohnumgebungen lebt, dem Personentyp eines Managers und dessen gut situierter Familie entspricht und mit modernster Technik auf Du und Du ist. Es stellt sich die Frage, für wie viele von uns dieses Lebens-Modell zutrifft. Statistiken zeigen (siehe z. B. [21]), dass die typischen Lebensumstände – beispielsweise bezogen auf die Art und das Alter der Wohngebäude – gänzlich andere sind. Die überwiegende Mehrheit der Menschen wohnt im Altbau, und auch ihr Lebensstil unterscheidet sich vermutlich mehr oder weniger stark von den vermarkteten Rollenmodellen. Smarte Technologie muss sich nicht nur in der Vermarktung von dem Verständnis verabschieden, dass Menschen sich ihr anpassen sollten. Aktuelle Entwicklungen auf der Software-Ebene, speziell offene Smart Home Plattformen wie OpenHAB sind positive Beispiele dafür, wie sich das Smart Home in Zukunft in eine bessere Richtung entwickeln könnte um schließlich zu einem Wise Home zu werden. Auf dieser Basis eröffnet sich eine Vielzahl an Möglichkeiten, smarte Technologie stärker an die Wünsche und Bedürfnisse von Menschen anzupassen und diese Form von IKT stärker als Werkzeug zur Erreichung eines guten Lebens einsetzen zu können. Ich habe im Laufe des Buches, speziell in Kap. 7 versucht Beispiele aufzuzeigen, die illustrieren was bereits aktuell schon möglich ist und in welche Richtung die Entwicklungen gehen könnten. Eine wichtige Anforderung an die Zukunft ist jene, es auch Laien zu ermöglichen ihr eigenes Smart Home handzuhaben, zu warten und programmieren zu können. Diesbezügliche Möglichkeiten zeigt ein Konfigurator-Werkzeug, das im Rahmen der Arbeit von Pum [11] entwickelt wurde (siehe Abb. 8.1).
Gerhard Leitner
Backmatter
Metadaten
Titel
Weise statt Smart
verfasst von
Dr. Gerhard Leitner
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-36617-9
Print ISBN
978-3-658-36616-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36617-9

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