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07.02.2023 | Bankstrategie | Infografik | Online-Artikel

Europas Bankenmarkt zwischen Wild West und Matrix

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

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Europäische Banken sind in Bewegung: Neue digitale Finanz-Services, Decentralized Finance oder die Nachhaltigkeitsregulierung sorgen für Umbrüche auf allen Ebenen. Wer frühzeitig reagiert, ist im Vorteil. Eine aktuelle Studie skizziert vier mögliche Szenarien für die kommenden zwölf Jahre.

Bereits der Blick auf das aktuelle Wettbewerbsumfeld in der europäischen Bankenbranche zeigt enorme Veränderungen: umtriebige Fintechs mit innovativen Geschäftsmodellen sowie neuen, technologiegetriebenen Angebote, Regulierungsbehörden, die mit einer steigenden Zahl von Vorgaben für mehr Aufwand und Kosten sorgen sowie große Tech-Konzerne, die mit eigenen Finanzprodukten immer weiter in den Markt vordringen. Sie alle haben konkrete Veränderungen in den Organisationen und Geschäftsstrategien klassischer Banken angestoßen und werden sich aufgrund der bestehenden Unsicherheiten weiter anpassen müssen. Wie das Finanzökosystem 2035 und die Rolle etablierter Geldhäuser darin aussehen könnte, zeigt eine aktuelle Analyse des Beratungshauses Deloitte. 

Sichere Treiber der Entwicklung

Für die Untersuchung ermittelten die Strategieexperten von Deloitte wesentliche Treiber aus dem European Banking Trend Radar sowie aus Gesprächen mit externen Experten und Workshops. Dabei legten sie wahrscheinliche, aber auch unsichere Entwicklungen offen. Zu ersteren gehören

  • steigende Kundenerwartungen in Bezug auf Transparenz und Real-Time-Banking,
  • der demografische Wandel, der zu unterschiedlichen Kundenbedürfnissen führt, 
  • neue Crypto Assets, 
  • mehr Decentralized-Finance-Produkte samt einer steigenden Regulierung, 
  • höherer Grad an Automatisierung und der verstärkte Einsatz von KI,
  • das Metaverse und Web-3-Apps, 
  • neue Herausforderungen im War for Talents,
  • neue Archetypen in den HR-Leitungsfunktionen sowie 
  • die Standardisierung der ESG-Regulierung (Environment, Social, Governance) und ein steigender Druck durch Stakeholder im Hinblick auf deren Umsetzung und Einhaltung. 

Angebot und Regulierung bringen Unsicherheit

Zu den beiden unsicheren Treibern, welche die Herausforderungen der Zukunft bestimmen können, zählen die Analysten zum einen den Umfang des möglichen Finanzökosystems. Hier sei ein eher schlankes und hoch standardisiertes Angebot für Kunden denkbar. Andererseits könnte aber auch die Integration vielfältiger Produkte voranschreiten, die von Start-ups zugänglich gemacht werden und über offene Schnittstellen sowie Embedded Finance erreichbar sind. In diesem Umfeld kommen auch neue Technologien wie DLT (Distributed Ledger Technolog) zum Einsatz. 

Die Regulierung gilt als zweiter Unsicherheitsfaktor: Lasse diese die Banken an der "langen Leine" laufen, sei Raum für neue Ideen und Experimente. Ein enger und zentraler Regulierungsrahmen in Europa wird den Analysten zufolge Innovation dagegen eher verhindern als fördern.

Mild Wild West: viele Wettbewerber und viel Dynamik

In diesem Szenario agieren Banken in einem extrem dynamischen Umfeld mit einer Vielzahl von Marktteilnehmern, die oft so schnell verschwinden, wie sie auftauchen. Zudem führt die Regulierung zu mehr Innovation, Effizienz und Wettbewerb. Übernahmen junger Start-ups durch etablierte Unternehmen wären an der Tagesordnung und würden unzählige neue Services ermöglichen, die praktisch jeden Kundenwunsch abdecken.

Sandboxed Innovation: Sicherheit und Kooperation

In diesem möglichen Ökosystem spielen brancheninterne und andere Kooperationen eine zentrale Rolle, um einen sicheren Raum für Innovationen zu schaffen. Die Regulierung in diesem Umfeld zielt vor allem auf Stabilität, Wettbewerb und Innovation ab. Start-ups unterliegen beim Markteintritt strengen Vorgaben, die etablierte Banken als Anbieter kritischer Infrastruktur schützen. Die sogenantnen Bigtechs haben sich in diesem Szenario als Anbieter von Finanzdiensten zurückgezogen.

Caught in the Matrix: Stabilität erstickt Innovation

Ein straffer regulatorischer Rahmen, der vor allem auf die Stabilität und Sicherheit des europäischen Finanzsystems ausgerichtet ist, behindert sowohl den Wettbewerb als auch bahnbrechende Innovationen. Hohe Zugangshürden führen zu einem durch ein Oligopol gekennzeichneten Markt, in dem traditionelle Institute dominieren. Voll digitalisierte und personalisierte Bankdienstleistungen bleiben aufgrund des Datenschutzes sowie konservativer und kostenfokussierter Geschäftsmodelle die Ausnahme.

Big Players’ Paradise: hohe Preise, wenig Transparenz 

Im vierten Szenario wird Europas Bankenmarkt von internationalen Konzernen aufgrund geringer Regulierungsstandards sowie lascher Lizensierungsvoraussetzungen durchdrungen. Dabei nutzen die Tech-Riesen ihre bereits umfassende Kundenbasis. Sie bilden ein Oligopol gegenüber den etablierten Instituten und verhindern den Einstieg neuer, innovativer Unternehmen - zum Nachteil der Kunden. Diesen drohen hohe Preise, eine geringere Transparenz und unklaren Datenschutzvorgaben. 

Jede dieser vier Entwicklungsmöglichkeiten stellt die Bankenbranche vor enorme Veränderungen. Innovative junge Wettbewerber wie Fintechs oder Neobanken, internationale Tech-Konzerne als Plattformen für Finanzdienstleistungen oder Regulatoren, die den rechtlichen Rahmen den jeweiligen Entwicklungen anpassen, erfordern deshalb nicht nur frühzeitiges, sondern auch ein weitsichtiges Handeln etablierter Institute, so die Studienautoren. 

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