Europäische Banken arbeiten in einem Umfeld anhaltend niedriger Zinsen weiter daran, ihre Geschäfte zu stabilisieren und die neuen regulatorischen Vorgaben zu implementieren. Der "European Banking Studie" von Strategy&, der Strategieberatung von Pricewaterhouse Coopers (Pwc), zufolge ist es allerdings 85 Prozent von 46 untersuchten Bankhäusern, die im Eurostoxx 600 notiert sind, noch nicht gelungen, ihre Profitabilitätslücken aufzufüllen. Sie konnten im Jahr 2014 ihre Kapitalkosten nicht verdienen. Europaweit summierte sich der Fehlbetrag der Finanzinstitute auf 125 Milliarden Euro. Nur ein geringer Teil von 15 Prozent der untersuchten Institute erwirtschafte 2014 die unterstellten Kapitalkosten. Analysiert wurde die Lücke zwischen der Eigenkapitalrendite (Return on Equity, ROE) und den individuellen Eigenkapitalkosten, dem so genannten Economic Spread.
Die Pwc-Studie verdeutlicht, dass regulatorische Eingriffe den Bankensektor zusätzlich belasten, weil sie "etablierte Geschäftsmodelle einschränken oder verteuern", heißt es. Überdies steigern sie die Komplexität des operativen Betriebs und binden Ressourcen, die Geldhäuser einsetzen müssen, um die regulatorischen Compliance-Vorgaben zu erfüllen. Ein verändertes Kundenverhalten und der wachsende Marktdruck durch Fintechs machten für viele Institute auch Investitionen in Innovationen, Produktion und Marketing erforderlich, wie die Experten von Strategy& feststellen. "Der Handlungsbedarf für die europäische Bankenindustrie ist enorm und mit klassischen Maßnahmen wie Kostensenkungsprogrammen allein wahrscheinlich nicht zu stemmen“, glaubt Philipp Wackerbeck, Leiter der Financial Services Practice von Strategy& und Autor der Studie.
Zeit zu handeln
Auch nach Meinung von Markus Thiesmeyer, Partner bei der Unternehmensberatung Zeb, ist es für Banken und Sparkassen jetzt "Zeit zu handeln", wie er in seinem Beitrag im Buch "Neuausrichtung der Banken- Auf der Suche nach Ertragsquellen und Eigenkapital" (Seite 14-27) von Werner Böhnke und Bernd Rolfes anmerkt. Er macht mit Blick auf den Retailbankenmarkt deutlich, dass das Marktumfeld hoch wettbewerbsintensiv ist und die Digitalisierung voranschreitet. Das niedrige und flache Zinsniveau belaste die Erträge des Retailgeschäftsmodells. Die Entscheidungsspielräume würden außerdem "aufgrund der Regulatorik zusehends verengt", sagt Thiesmeyer.
Selbst wenn die Phase niedriger Zinsen einmal endet, wird aus seiner Sicht das Geschäftsmodell von Sparkassen und Genossenschaftsbanken noch einen "Nachlaufeffekt" mit entsprechend niedrigen Ergebnissen aufweisen. Der Blick auf die Gewinn- und Verlustkennzahlen (GuV) dieser Häuser zeigt, dass trotz vielfältiger wirtschaftlicher Bedrohungsszenarien und dem steigenden Digitalisierungswettbewerb bei beiden Institutsgruppen die Ergebnisse stabil blieben. Dazu hat laut Thiesmeyer eine niedrige Kreditvorsorge in den vergangenen Jahren geführt. Sie erzielten Eigenkapitalrenditen zwischen 4,3 und 5,9 Prozent.
Stellhebel für bessere Profitstrategien
Am Beispiel einer 2,5-Milliarden-Durchschnitts-Regionalbank, jeweils analysiert nach Genossenschaftsbank oder Sparkasse, zeigt er auf, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, das eigene Institut etwa nach der
- Ausschüttungspolitik,
- Regulatorik und
- Fragestellungen des Risikoappetits
zu betrachten. Dabei sollte laut dem Autor differenziert werden, ob die Retailbank aktuell ein Eigenkapital-Problem hat oder etwa nur moderate Wachstumschancen. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, ob sie sich in einem Ballungsraum oder in einem prosperierenden Gebiet befindet und dabei noch einen Eigenkapital-Engpass aufweist. Der ermittelte Mindestgewinn muss dann mit entsprechenden Handlungsmaßnahmen verzahnt werden. Nur Vertriebs- und Kostenthemen oder die Asset Allokation anzugehen, sind auch nach Thiesmeyers Meinung für Kreditinstitute nicht ausreichend, um auf die Marktproblematik zu reagieren.