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17.05.2018 | Batterie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Ausweg aus der massiven Überproduktion von Batteriezellen

verfasst von: Patrick Schäfer

4:30 Min. Lesedauer

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Die nationale Produktion von Batteriezellen galt lange Zeit als unverzichtbar. Eine aktuelle Studie von Berylls zeigt jedoch, dass der Markt vor allem Risiken, aber nur wenige Chancen bietet.

Im Wettbewerb um die Förderung und Etablierung der Elektromobilität als Massenfortbewegungsmittel wurde hierzulande immer die Devise ausgegeben, dass eine eigene Zellproduktion vonnöten sei, um nicht von anderen Märkten abhängig zu werden. Die Technik der Traktionsbatteriezellen gilt als Schlüsselelement für die individuelle Elektromobilität. Eine der wichtigsten Komponenten des Elektroautos ist hierbei die Traktionsbatterie mit einem Wertschöpfungsanteil von bis zu 40 Prozent. Eine Batteriezellenproduktion würde den Erhalt der gesamten Wertschöpfungskette am deutschen Standort bedeuten. 

So argumentierten auch die Experten der Nationalen Plattform für Elektromobilität (NPE) für den nachhaltigen Betrieb einer Batteriezellfabrik in Deutschland, um die Leitanbieterschaft für Elektromobilität zu verteidigen. Dieses Vorhaben ist jedoch nicht erreicht worden. So formuliert etwa Markus Schöttle in seinem Beitrag Die neue Welt des Automobils: Richtungsentscheidungen für 2025 für die ATZelektronik 7/2015: "Der Anspruch der Bundesregierung, eine Batteriezellfertigung in Deutschland aufzubauen, ist gescheitert. Die besten Zellen werden auch in der nächsten Dekade aus Japan und Korea kommen." Er geht wie andere Experten von einem gravierenden Wettbewerbsnachteil aus. Die Diskussionen flammen immer wieder auf. Erst kürzlich machte sich Bundeskanzlerin Merkel für den Aufbau einer Batteriezellen-Produktion – jetzt aber in Europa – stark.

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Unsichere Bedingungen hemmen Aufbau einer Zellproduktion

Zweifel gegenüber einem Einstieg in die Zellfertigung wurden vor allem gegenüber dem immer noch volatilen Markt für Akkus geäußert. So schreibt Rudolf Simon im Kapitel Aufbau einer Fabrik zur Zellfertigung des Handbuchs Lithium-Ionen-Batterien: "Bei der Fabrikplanung spielt wegen der dynamischen Entwicklung der Batterie- und Fertigungstechnologie die Wandlungsfähigkeit der Fabriken eine große Rolle." Wandlungsfähigkeit der Fabriken bedeute die Fähigkeit, "sich an die Turbulenzen äußerer und innerer Einflüsse anzupassen und flexibel zu reagieren". Vor allem die schwankende und unsichere Nachfrage bei Fahrzeugbatterien sei problematisch. 

Wesentliche Treiber des Unternehmensumfelds in der vorliegenden Entscheidungssituation sind die bestehenden Nachfrage- und Technologieunsicherheiten", schreibt Christian Huth im Kapitel Rahmenbedingungen und Strategien für die Fertigung von Traktionsbatterien des Fachbuchs Strategische Planung der Fertigungstiefe bei Unsicherheit und Dynamik.

Huth warnt vor möglichen kostenintensiven Fehlinvestitionen, wenn die Mengenprognosen zu stark von der realisierten Nachfrage abweichen oder das Unternehmen auf eine Technik setzt, die sich langfristig nicht durchsetzt. Zu diesem Ergebnis ist inzwischen auch Bosch gekommen. Aus wirtschaftlichen Gründen hat sich das Technologieunternehmen gegen den Aufbau einer eigenen Zellfertigung entschieden: "Für Bosch ist es wichtig, die Zelle technisch zu verstehen, fertigen müssen wir sie nicht", sagte Dr. Rolf Bulander, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions.

Studie sieht Blase in der Produktion von Traktionsbatterien

Die Berylls-Studie Batteriepack-Produktion heute und morgen gibt den Kritikern von damals Recht: Sie geht davon aus, dass die Fertigungskapazität für Traktionsbatterien nach wie vor wesentlich schneller wächst als die Nachfrage der Automobilindustrie. Die umfassende internationale Studie von Berylls Strategy Advisors prognostiziert, dass die Schere bis 2025 weiter aufgeht, bevor sich Kapazität und Bedarf wieder etwas annähern. Die hauptsächlich in China beheimateten Unternehmen zur Batteriepack-Fertigung weisen laut der Berylls-Studie massive Überkapazitäten gegenüber der Elektroauto-Produktion auf. Die geringe Auslastung ist wirtschaftlich nicht rentabel. Die Autoren der Studie erwarten, dass in China bis 2020 fast 50 Prozent der Player wieder von der Bildfläche verschwinden. So gesehen ist das Scheitern einer kostenintensiven Batteriezellfertigung in Deutschland nicht wirklich zu bedauern.

Die Management-Berater von Berylls sehen auf Jahre hinaus keine Besserung der wirtschaftlichen Lage bei der Fertigung von Batteriepacks und empfehlen den Batterielieferanten stattdessen, sich auf das Second Life der Traktionsbatterien zu konzentrieren. Wenn die Energie- und Leistungsdichte der Batterien nach etwa acht bis zehn Jahren für die Nutzung im Fahrzeug nicht mehr ausreicht, kann das kostenintensive Bauteil trotzdem noch weiter genutzt werden. Die Nutzung, stationär oder mobil, ist vielfältig: So können sie als Kurzzeitspeicher dienen, als stationäre Speicher in On‐Grid‐Lösungen das öffentliche Stromnetz stabilisieren oder als Leistungspuffer in Ladestationen arbeiten. Auch der produzierenden Industrie könnten Batterienspeicher dabei helfen, die "Belastung des Stromnetzes zukünftig besser steuern zu können und andererseits den notwendigen Netzausbau möglichst gering zu halten", schreiben die Autoren im Buchkapitel Geschäftsmodell für Second Life-Batterien aus dem Buch Geschäftsmodelle 4.0.

Neue Geschäftsmodelle entwickeln

Auch wenn die Kapazitätsverluste noch nicht bekannt sind, mobil könnten die Akkus in Fahrzeugen mit geringerem Energiebedarf weiter genutzt werden, etwa in Flurförderzeugen wie Gabelstaplern oder in Golfkarts. Batteriepaketlieferanten wie Bosch, ElringKlinger, BMW, Daimler oder Volkswagen wird von Seiten der Automotive-Experten von Berylls geraten, sich in diesem Industriezweig frühzeitig zu positionieren und ein profitables Standbein aufzubauen. Das Second Life könnte dafür sorgen, dass sich die Preise von Batterien senken lassen: "Eine Weiterverwendung verschiebt die technisch aufwendigen, energie‐ und kostenintensiven Recyclingprozesse zeitlich nach hinten und reduziert über höhere Fahrzeug‐ bzw. Batterierestwerte die Lebenszykluskosten von Elektrofahrzeugen", heißt es auch im Buchkapitel Zweitvermarktung von Traktionsbatterien. Neben diesen Second-Life-Aktivitäten von OEMS könnte die Weiterverwendung auch die Implementierung auch neue Geschäftsmodelle mit offenem Handel und Weiterverkauf von gebrauchten Batterien ermöglichen.

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