Skip to main content

18.09.2017 | Car-to-X | Nachricht | Online-Artikel

Sprachlos auf der IAA

verfasst von: Andreas Burkert

5 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Die IAA als "Beta-Version" einer digitalen Automobilität? VDA-Präsident Matthias Wissmann erklärt die diesjährige Automesse zu einer Art Experiment. Das Ziel: Den digitalen Wandel überleben.

Im Fahrzeug sitzen inklusive des Fahrers vier Personen und unterhalten sich angeregt. Mitunter fällt es schwer, der Unterhaltung zu folgen. Das "Hello Dragon" des Entwicklungsingenieurs scheint dabei unterzugehen. Doch plötzlich meldet sich der Sprachassistent, der – und das überrascht – sogar den Sprecher mit Namen kennt. Die Connected-Car-Plattform Dragon Drive, die Nuance auf der IAA am Beispiel einer Mercedes-Benz V-Klasse präsentiert, ist ein fortschrittliches Assistenzsystem, um die Funktionsvielfalt in modernen Fahrzeugen beherrschen zu können. Und diese komplexe Multiseat-Spracherkennung gelingt an diesem Tag auf der Internationalen Automobilausstellung IAA sehr gut. Auch, weil das Fahrzeug mit 27 Mikrofonen ausgestattet wurde.

Trotz dieser Qualität der Spracherkennung. Noch gelingt es keinem System, einen natürlich gesprochenen Satz sinnhaft aufzulösen und daraus dann hilfreiche Schlüsse zu ziehen. So bleibt bei "Ich habe es heute sehr eilig, müsste aber vor dem Meeting um 15:00 noch etwas essen" entweder die Empfehlung auf der Strecke, wo es schnell etwas zu essen gibt. Oder aber der Termin um 15:00 bleibt unberücksichtigt. Das ist eine enorme Anforderung an das maschinelle Lernen beziehungsweise an die Algorithmen der künstlichen Intelligenz, erzählt mir dazu Dr. Dirk Wollschläger, IBM General Manager Global Automotive Industry. Selbstlernende Systeme, die im Sinne der künstlichen Intelligenz agieren, werden noch viele Jahre brauchen, um eine "natürliche" Konversation zu ermöglichen.

Vom Gold digitaler Mobilitätsdienste

Auch deshalb sucht Volkswagen die enge Zusammenarbeit mit IBM. Jüngst haben beide Unternehmen angekündigt, dass sie bei der Entwicklung digitaler Mobilitätsdienste künftig zusammenarbeiten werden. Im Fokus der ersten gemeinsamen Entwicklung steht "We Commerce", an dem der Automobilkonzern im Übrigen seit 2016 arbeitet. Laut IBM kann der Service Fahrern, die dies wünschen, personalisierte Empfehlungen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort geben. Dabei kommen die kognitiven Fähigkeiten der IBM KI-Lösung Watson zum Einsatz. 

Für Volkswagen-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann ist damit ein Ökosystem am Entstehen, mit dem demnächst alle "Dienste rund ums Auto gebündelt werden". Derzeit im Fokus: "We Park" und "We Deliver". Bei dem kooperiert VW mit DHL, um damit Lieferungen direkt im Kofferraum des Fahrzeugs ablegen zu können. Weitere Services werden folgen. Genauere Angaben gab es dazu auf der IAA nicht. Nur so viel: Die Intelligenz von Watson soll dabei helfen, "dass ein Volkswagen 'lernt' und seinem Besitzer dann nützliche, personalisierte Angebote machen kann". Mit dem kommenden Passat wird dann "We Commerce" dem Autobesitzer "wirklich relevante" Kaufempfehlungen abgeben. 

Konkurrenzlos dank Connected Car Services

Ähnliche Versprechen geben im Übrigen nahezu alle Automobilhersteller. Doch gibt sich damit der Fahrer zufrieden, bei Ankunft zu Hause eine heiße Pizza vorzufinden? Oder aber einen Tisch beim Italiener um die Ecke reservieren zu können? Dabei bieten Connected Car (CSS) Services enorme Potenziale und sind laut den Autoren der aktuellen Deloitte-Studie bald ein entscheidendes Kaufkriterium. So offenbart "Automotive Data Treasure", dass der Markt für CCS wird europaweit in nur wenigen Jahren gegenüber dem Stand 2016 um das mehr als Elffache zulegen und 2021 rund 715 Millionen Euro an Umsätzen umfassen. 

Damit übertrifft Europa sowohl die USA als auch China. Insgesamt wird die Vernetzung beziehungsweise ihr Grad zunehmend zum wichtigen Kaufkriterium. Bereits heute nutzt über die Hälfte der Befragten – die aus insgesamt fünf EU-Ländern stammen – vernetzte Fahrzeugdienste oder plant, sie in jedem Fall beim nächsten Auto in Anspruch zu nehmen. Und europäische OEMs haben laut Deloitte einen deutlichen Wettbewerbsvorteil, da fast die Hälfte der Befragten sie als vertrauenswürdig einstuft, wenn es um den Umgang mit ihren persönlichen Daten geht.

Deutsche vertrauen vor allem deutschen Connected Car Services

Amerikanische OEMs bringen es nur auf knapp über 30 Prozent – genau wie amerikanische IT-Anbieter. Für Automobilhersteller gilt es, diesen Startvorteil im stark wachsenden Markt für Connected Car Services (CCS) zu nutzen, denn der europäische Markt wird bis 2021 um mehr als das Elffache wachsen – von 62 Millionen 2016 auf schätzungsweise 715 Millionen Euro. CCS umfassen alle technischen Funktionen im Fahrzeug, für deren Nutzung eine Internetverbindung beziehungsweise die Kommunikationsfähigkeit des Fahrzeugs mit der Umwelt erforderlich ist. Im Zuge dessen wird auch die Masse der Daten, die vom Fahrzeug aus übertragen werden, weiter sprunghaft ansteigen.

Damit manche Angebote auch dem Autofahrer einen Mehrwert bringen, hat TomTom zum Start der IAA einen neuen Service für Fahrer von Elektrofahrzeugen vorgestellt. Mit dem EV Service will das Unternehmen Echtzeitinformationen zu mehr als 35.000 Ladestationen bereitstellen. Fahrer von Elektroautomobilen wissen damit wann und wo sie ihr Fahrzeug laden können. Dabei wird nicht nur die Verfügbarkeit von Ladestationen in der Umgebung oder entlang der Route angezeigt. Auch Angaben zu Öffnungszeiten, Zahlungsmethoden oder die bereitstehenden Anschlussmöglichkeiten werden geliefert.

Die IAA als eine Art Experiment für das digitale Automobil

Allerdings lassen sich derzeit weder besetzte Ladestationen erkennen, noch können Ladezeiten reserviert werden. Das teilt uns das Unternehmen vor Ort auf Anfrage mit. "Diese Informationen müssen uns die Betreiber der Ladesäulen schon mitteilen", so TomTom. Auch dieser Umstand zeigt, dass es mit der nahtlosen (Seamless) Digitalisierung an vielen Stellen noch ruckelt.

Auch deshalb spricht Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie, von einer Art Experiment, "einer durchdachten Beta-Version". Für ihn ist die wichtigste Mobilitätsmesse der Welt "längst mehr als einfach nur eine Autoshow. Sie spiegelt die Vielzahl der Facetten, Player und Chancen der Mobilität von morgen."

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

01.08.2017 | IAA 2017 Automatisierung

Das unterhaltsame Automobil

01.07.2017 | Interview

Das antizipierende Automobil

Das könnte Sie auch interessieren

12.09.2017 | Mobilitätskonzepte | Schwerpunkt | Online-Artikel

Autobauer unter Druck

14.09.2017 | Mobilitätskonzepte | Kommentar | Online-Artikel

IAA im Umbruch

    Premium Partner