Skip to main content

09.12.2022 | Corporate Finance | Schwerpunkt | Online-Artikel

Finanzbereich ist im Carve-out-Prozess ein Erfolgsfaktor

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Die Abspaltung von Bereichen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, kann eine sinnvolle Entscheidung in einer Krise sein. Davon versprechen sich Unternehmen frisches Kapital und meist auch eine agilere und schlankere Organisation. Doch Carve-out-Prozesse sind komplex und eine Herausforderung für den CFO und sein Team.

Über Carve-outs berichten Medien meist dann, wenn große Konzerne Teile eines Geschäftsbereichs aus einer bisher existierenden Struktur ausgliedern und verselbstständigen. So hat sich zum Beispiel Siemens von seiner Energiesparte getrennt und als Siemens Energy mit Sitz in München Ende September 2020 an die Börse gebracht. "Solche Carve-out-Transaktionen […] erfreuen sich in der Praxis einer großen und zunehmenden Beliebtheit, und zwar unabhängig von Land und Branche", schreiben hierzu Ralf Pfennig und Sebastian Busch in der Zeitschrift "Controlling & Management Review" (Ausgabe 7 | 2021). Solche Ausgliederungen seien "ein integraler Bestandteil der Transaktionslandschaft weltweit", berichten die beiden KPMG-Experten. 

Empfehlung der Redaktion

2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Verkauf eines Betriebs oder einer Personenhandelsgesellschaft

Gegenstand von Unternehmenserwerben können neben Anteilen an Kapitalgesellschaften auch einzelne Betriebe beziehungsweise Teilbetriebe oder Anteile an Personengesellschaften sein. Insbesondere im deutschen Mittelstand sind Personengesellschaften, vor allem in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, aus historischen Gründen verbreitet. Sie finden sich aber regelmäßig auch in Konzernstrukturen wieder.

Strategischer Corporate-Finance-Ansatz

In den vergangenen Jahren habe bei der Entscheidung für ein Carve-out der strategische Corporate-Finance-Ansatz an Bedeutung gewonnen, sagt Experte Stefan Gros. Der promovierte Diplom- und Bankkaufmann lehrt an der Katholischen Universität Eichstätt Ingolstadt im Bereich Business Valuation und Corporate Finance und berät Unternehmen unter anderem während ihrer Transformationsprozesse. Etablierte Unternehmen entwickeln ihm zufolge zunehmend die Erkenntnis, dass ein einzelner Geschäftsbereich leichter und agiler agieren kann, ohne organisch in einen großen Konzern eingebettet zu sein. Deshalb seien Carve-outs "ein sehr aktuelles Thema", meint der Experte gegenüber Springer Professional. 

"Gerade in einer zunehmend unsicheren Marktumgebung können Unternehmen mit der Ausgliederung bestimmter Einheiten unterschiedliche strategische Ziele erreichen. Dazu gehören insbesondere die Fokussierung auf das Kerngeschäft und die Erhöhung der Liquidität. Aber auch neue regulatorische Anforderungen oder technologische Veränderungen in den jeweiligen Branchen können Carve-outs sinnvoll erscheinen lassen", nennt das Beratungshaus Pricewaterhouse Coopers in der Pwc-Deals-Studie aus dem Jahr 2020 zentrale Gründe, die für eine Abspaltung sprechen.

Dabei sind solche Ausgliederungen auch für größere Mittelständler eine Option - etwa in einer Krise. Die Fokussierung auf ihre Kernkompetenzen und die Implementierung individueller Strategien steigern laut Pfennig und Busch beim Mutterunternehmen die Effizienz und reduzieren Risiken. 

Geschäftsbereich muss zukunftsfähig sein

Ob das im Einzelfall gelingt, dafür ist Gros zufolge auch entscheidend, ob der auszugliedernde Bereich zukunftsfähig ist. "Das ist nicht immer ganz so einfach möglich", erläutert der Experte. "Es hängt davon ab, wie weit dieser in die Strukturen des Unternehmens eingebunden ist. Werden im Unternhemen zum Beispiel Shared Services genutzt, etwa im Vertrieb, beim Personalwesen oder auch der Rechtsabteilung, muss man den Bereich aus diesem Kontrukt heraustrennen und dort neu aufbauen." Das sei nicht nur mit Aufwand, sondern auch immer mit Kosten verbunden. Zudem könne das künftig kleinere Mutterunternehmen unter Umständen an Einkaufsmacht verlieren, betont Gros. 

Dennoch bringe ein Carve-out auch Vorteile, erläutert der Experte: "Hierzu gehören schlankere Strukturen und Prozesse, günstigere Systeme und beschleunigte Entscheidungen. Auch das Management lässt sich mehr motivieren und Interessenkonflikte zwischen der Mutter- und der neuen Gesellschaft fallen weg."

Carve-out-Projekte sind komplex

Es gibt zwei Modelle, wenn sich Unternehmen von einem Bereich auf diesem Weg trennen wollen: "M&A-(Mergers & Aquisition) und öffentliche Carve-outs", berichten Pfennig und Busch. Bei ersterem werde die Abspaltung abseits des Kapitalmarkts zum Beispiel an einen Wettbewerber oder einen Private-Equity-Investor veräußert. Die zweite Variante findet dagegen am Kapitalmarkt statt. 

"Bei einem Spin-off verteilt das Mutterunternehmen die Anteile an dem neu gegründeten Unternehmen in Form von Sachdividenden anteilig an seine bestehenden Aktionäre und generiert auf diese Weise keine zusätzlichen liquiden Mittel. Es gibt den beherrschenden Einfluss über das Unternehmen auf und behält regelmäßig eine Minderheitsbeteiligung zurück. Anders sieht es bei einem Carve-out-IPO aus, bei dem das Mutterunternehmen für gewöhnlich zusätzliches Kapital durch die Ausgabe von neuen Aktien generiert", schreiben die beiden Fachleute in ihrem Beitrag. 

Der abgespaltene Bereich werde an die Börse gebracht und das Unternehmen behalte in der Regel die Kontrolle über die neue Gesellschaft. Beide Varianten seien in der Praxis verbreitet. 

Egal, für welchen Weg sich Unternehmen entscheiden, der Prozess will geplant sein: Für öffentliche Carve-outs nennen Pfennig und Busch eine Zeitspanne von rund einem Jahr zwischen der ersten Ankündigung der geplanten Transaktion und der Börsennotierung des neu gegründeten Unternehmens als Faustregel. "Private M&A-Transaktionen sind wegen der reduzierten regulatorischen Anforderungen eventuell etwas weniger zeitintensiv, sollten aber in ihrer Komplexität ebenfalls nicht unterschätzt werden."

Controlling ist besonders gefordert

Finden Carve-out-Transaktionen am Kapitalmarkt statt, so müssen gemäß EU-Prospektrecht Finanzinformationen nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) für die neue Gesellschaft für die vergangenen drei Jahre in das Prospekt aufgenommen werden, führen Pfennig und Busch aus und beschreiben, welche Aufgaben unter anderem dem Controlling in diesem Prozess zufallen: 

Im Regelfall war das Carve-out-Unternehmen vor der Transaktion jedoch keine eigene rechtliche Einheit beziehungsweise kein eigener Teilkonzern, sodass es an angemessenen historischen Finanzinformationen fehlt. In diesem Fall müssen kombinierte oder Carve-out-Abschlüsse erstellt werden, für die eine enge Abstimmung zwischen Accounting, Controlling, Wirtschaftsprüfer und sonstigen Beratern erforderlich ist. Controller sind in diesem Prozess wichtig, weil gegebenenfalls bestimmte Positionen anhand von verursachungsgerechten Allokationsmethoden aufzuteilen sind."

Dafür liefert das Controlling regelmäßig die notwendigen Daten, insbesondere wenn es um die Frage geht, wie bestimmte, in der Vergangenheit angefallene zentrale Kosten (Holding-Kosten) auf die einzelnen Bereiche verursachungsgerecht zu verteilen sind. 

Trotz der zeitintensiven und komplexen Prozesse rund um ein Carve-out macht dieser Schritt aus Sicht von Gros strategisch Sinn, wenn dadurch Liquidität in andere Geschäftsfelder gelenkt wird und sich das Management besser auf die verbleibenden Bereiche fokussieren kann. 

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren