"Ancora imparo – ich lerne immer noch", soll der Maler, Dichter und Bildhauer Michelangelo von sich behauptet haben, als er sein achtzigstes Lebensjahr schon um einige Jahre überschritten hatte. Lebenslanges Lernen ist eine der liebsten Vokabeln der Bildungspolitik. Sie zielt darauf, Wissen als wichtige volkswirtschaftliche Ressource zu begreifen und entsprechend zu vermehren. Deshalb darf sich lebenslanges Lernen nicht auf private Interessen beschränken, sondern muss überall dort stattfinden können, wo Bildung, Forschung und Innovation betrieben werden, von den Laboren bis in die Handwerksbetriebe.
"Smart Worker" lernen aus Schulbüchern
Wissen schafft allerdings nur, wer es schafft wissbegierige und leistungsmotivierte Mitarbeiter – smart worker – zu fordern und fördern. Die Herausforderungen zunehmend digitalisierter und automatisierter Arbeitsplätze verlangen nach kreativen, nicht-linearen Dankleistungen. Doch wie wird der smarte Mitarbeiter herangebildet? Überwiegend klassisch, wie eine aktuelle Studie beweist. Dabei sind die Betriebe bestens mit PCs, Laptops und anderen digitalen Geräten ausgerüstet - doch die werden durchweg zur Arbeitsorganisation und selten zur Wissensbildung genutzt.
"Berufsbildung 4.0" bezeichnete Bundesbildungsministerin Johanna Wanka bei der Vorstellung der Studie "Digitale Medien in Betrieben - heute und morgen" die Vermittlung von Lerninhalten mit E-Medien in der Aus- und Weiterbildung. Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hatten das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und TNS Infratest 3.000 Personen in Deutschland zur Nutzung digitaler Medien befragt. In 92 Prozent aller deutschen Betriebe stehen Desktopcomputer mit Internetzugang, die ständig genutzt werden. Mobile Geräte wie Smartphone, Laptop und Tablet hinzugerechnet, sind 98 Prozent aller Betriebe onlinefähig. Darauf alleine lässt sich aber noch keine "Berufsbildung 4.0" errichten.
Office-Pakete statt Web 2.0-Anwendungen
Auf den Geräten findet sich überwiegend gängige Bürosoftware. 92 Prozent aller Betriebe nutzen Programme für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Terminverwaltung. Im Internet informieren sich regelmäßig 79 Prozent, 70 Prozent setzen Bestellsoftware ein und 44 Prozent sind in den Sozialen Netzwerken aktiv. Alle anderen Web 2.0-Formate (Videokonferenzen, Cloud-Services, virtuelle Welten, Foren, Blogs, Wikis) sind kaum in den Arbeitsprozess integriert. Allerdings nimmt deren Nutzung mit der Betriebsgröße zu.
"Der digitale Wandel schafft neue Anforderungen an die Qualifizierung von Fachkräften, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten, Wissen mit digitalen Lern- und Lehrformaten zu vermitteln", sagte Bundesbildungsministerin Wanka zur Studie. Und genau an dieser Stelle klafft die Schere zwischen den Möglichkeiten und ihrer tatsächlichen Umsetzung weit auseinander. Denn nach wie vor bestimmen klassische Medien die Top-Ten der als am wichtigsten empfundenen Unterrichtsmaterialien, digitale Medienformate wie virtuelle Klassenzimmer, Serious Games oder Massive Open Online Courses (MOOCs) werden in der beruflichen Ausbildung als "eher unwichtig" eingestuft. Auch in der betrieblichen Weiterbildung dominierien die klassischen Medien, wobei sich hier ein Trend hin zum E-Learning mit spezieller Software andeutet.
Wichtigkeit klassischer/digitaler Unterrichtsmedien in der beruflichen Ausbildung (1 für "sehr wichtig" bis 4 für "unwichtig") | Wichtigkeit klassischer/digitaler Unterrichtsmedien in der beruflichen Weiterbildung (1 für "sehr wichtig" bis 4 für "unwichtig") |
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(Quelle: "Digitale Medien in Betrieben - heute und morgen", BMBF)
Lebenslanges Lernen in Social Communities
"Während die Digitalisierung der Unternehmensprozesse und -strukturen in vollem Gange ist, fehlen jedoch häufig die dafür passenden Infrastrukturen und Lernstrategien", kritisiert Springer-Autor Joachim Niemeier in seinem Fachartikel "Lernen im Unternehmen vor neuen Herausforderungen" (Seite 9). Die digitale Transformation erfordere ein neues Führungsverständnis, das von virtueller Zusammenarbeit ausgehe - von Ergebniskultur statt Präsenzkultur. Dazu müssen neuen Formen des digitalen und informellen Lernens im Unternehmen implementiert und der Mitarbeiter zum selbstgesteuerten Lernen angeleitet werden. Beispielsweise durch Social Learning in Corporate Massive Open Online Courses (MOOCs). Dies sind kostenfreie Online-Kurse, in denen eine große Zahl an Lernenden sich selbstorganisiert Wissen aneignet sowie sich in Foren mit anderen Lernenden, Lehrenden und Experten austauscht
Bei der Nutzung des MOOC-Formats im Unternehmenskontext, den sogenannten Corporate MOOCs, wird im Vergleich zu klassischen Weiterbildungsangeboten verstärkt die Aktivierung von Mitarbeitern und ihrer Kompetenzen, die Verbesserung von Prozessen und die Begleitung des organisatorischen Wandels angestrebt. (Joachim Niemeier, Seite 13)
Info: Den Mittelpunkt der BMBF-Förderung zur Berufsbildung 4.0 bildet das Programm "Digitale Medien in der beruflichen Bildung". Ziel ist es, digitale Lösungen zu entwickeln und erproben für: das Lernen am Arbeitsplatz, E-Portfolios oder offene Bildungsmaterialien. Auch die Stärkung der Medienkompetenz von Ausbildern in den Betrieben soll gestärkt werden.