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2022 | Buch

Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum

Lebenslauf, Biographien und Konsumkorridore

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Über dieses Buch

Alle sprechen von Transformation der Gesellschaften und Nachhaltigkeit – doch wie werden diese Themen empirisch in den Wissenschaften umgesetzt und auf welcher empirischen Basis stehen die theoretischen Erkenntnisse? Dieses Buch zeigt die theoretische Basis des gleichnamigen Forschungsprogramms und behandelt als zentrale Fragen: Wie hat sich die moderne Lebensführung verändert? Kann sich diese unter Berücksichtigung der vielfältigen Kontexte und Rahmenbedingungen noch weiter umgestalten? Wie beeinflussen Nachhaltigkeitsdiskurse Biographien?

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum – Einleitung
Zusammenfassung
Moderne Lebensführung ist von globalisierten und externalisierenden Wirtschaftsformen (Lessenich, Neben uns die Sintflut, Hanser Verlag, 2016) und einer imperialen Lebensweise (Brand & Wissen, 2017) geprägt mit nachhaltigen Konsequenzen für Individuum, Gesellschaft und Natur. Dass sich heutige Gesellschaften komplexen Transformationsprozessen unterziehen (müssen) ist nicht neu – die Virulenz rückt jedoch durch Umweltbewegungen wie „Fridays for Future“ in die Kopfzeilen sämtlicher Medien. Soziologische Erklärungsansätze für die Beschreibung sozialer Wandlungsprozesse auf Makro-, Meso- und Mikroebene liegen seit vielen Jahrzehnten vor und sollen im Rahmen dieses Bandes zusammengeführt, aktualisiert und weiterentwickelt sowie mit Ansätzen sozialwissenschaftlicher Nachbardisziplinen verbunden werden
Corinna Onnen

Konzeptionelle und theoretische Beiträge

Frontmatter
Was Hänschen nicht lernt – Potenziale und Herausforderungen von Nachhaltigkeit aus sozialwissenschaftlicher Perspektive
Zusammenfassung
Unter dem Begriff Nachhaltigkeit versteht der Artikel einen integrierten Ansatz, der ein Handlungsprinzip für die Orientierung der Individuen herausarbeitet. Im soziologischen Verständnis ist der Begriff allein gegenstandslos, vielmehr muss er stets im Zusammenhang von gesellschaftlichen Diskursen und individuellen Biographien analysiert werden, um Interdependenzen und Diffraktionen zu erkennen und dies sowohl makro- als auch mikrotheoretisch im Erkennens-, Erklärungs- und Verstehensprozess zu untersuchen. Nachhaltigkeit in der unmittelbaren Lebenswelt zeigt sich im Umgang mit den begrenzt vorhandenen natürlichen Ressourcen und tangiert letztlich auch den nachhaltigen Konsum. In diesem Kontext gilt es besonders das Augenmerk auf Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zu legen. Denn nachhaltiges Handeln ist ohne BNE kaum denkbar. Nachhaltige Entwicklung einer Gesellschaft ist Lern- und Handlungsfeld zugleich und programmatisch als steter und dauerhaft anhaltender Prozess bewusst zu machen. Damit sind Herausforderungen für die Zukunft verbunden, ob in der Alltagspraxis oder in sozialwissenschaftlichen Forschungen.
Corinna Onnen, Rita Stein-Redent
Soziale Nachhaltigkeit und Generativität – Eine Begriffs- und Verhältnisbestimmung aus phänomenologischer Sicht
Zusammenfassung
In Anknüpfung an die phänomenologische Soziologie wird ein Zusammenhang zwischen einer historisch-generativen Struktur der Lebenswelt und den gesellschaftlichen Bedingungen der Wahl vor dem Hintergrund des Handlungsverstehens hergestellt. Hierbei wird der Begriff der Nachhaltigkeit geprüft und kontextualisiert im Hinblick auf Entwerfen und Wirken von Handlungen. Dieser Zugang fokussiert keine Nachhaltigkeitsziele oder deren normativen Leitkategorien, vielmehr geht es um eine theoretische Perspektive auf die Frage, welche Rolle lebensweltliche und generative Kontexte für die Entwicklung von Nachhaltigkeitsbewusstsein spielen.
Anna Orlikowski
Räume nachhaltigen Pro*Sums? Urbane Gärten als Zwischenräume nutzen und gestalten
Zusammenfassung
Im Beitrag werden urbane Gärten als sozial-ökologische Phänomene adressiert und danach gefragt, inwiefern sie Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum darstellen. Betrachtet werden die räumlichen Implikationen urbaner Gärten und ihr Beitrag zur Transformation gesellschaftlicher Naturverhältnisse sowie von Stadt-Land-Verhältnissen. Eine (re)produktionstheoretische Perspektive ermöglicht eine macht- und herrschaftskritische Perspektive auf nachhaltigen Konsum und zeigt, dass Gelegenheiten für nachhaltigen Konsum insbesondere dort be- und entstehen, wo sicher geglaubte gesellschaftliche Raum- und Naturverhältnisse irritiert werden und die Möglichkeit besteht, sie ‚neu‘ zu arrangieren (Die Schreibweise Pro*Sum nimmt Bezug auf das sog. Gendersternchen, mit dem nicht binäre (Geschlechter-)Identitäten typografisch sichtbar gemacht werden. Entsprechend werden in diesem Beitrag die Trennung und Gegenüberstellung von Konsum und Produktion infrage gestellt und nach (neuen) Bezogenheiten zwischen den Sphären gefragt.).
Tanja Mölders
Permakultur als Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum. Biographische Wendepunkte in der sozial-ökologischen Krise
Zusammenfassung
Die Folgen des Klimawandels lassen Ungewissheit über die zukünftigen Lebensbedingen auf der Erde entstehen. Vor diesem Hintergrund greift der folgende Beitrag das Konzept der Konsumkorridore auf. Er liefert zunächst einen Einblick in die soziologische Biographieforschung, um ein Verständnis für biographische Ereignisse und Wendepunkte herzuleiten, die das Denken und Handeln zugunsten nachhaltigen Konsums verändern. Daran schließt die Einordnung von „Permakultur“ als Form nachhaltigen Konsums an, denn diese sozial-ökologische und international verbreitete Bewegung greift eine Vielzahl nachhaltiger Konsumpraktiken auf. Entlang der Frage nach biographischen Wendepunkten zeigt der Beitrag, wie neue Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum entstehen. Einen Schwerpunkt bildet die Berücksichtigung von sozialer Ungleichheit in der Permakultur-Bewegung durch eine intersektionale Perspektive. Diskutiert wird die Anschlussfähigkeit des Intersektionalitätansatzes an die Aushandlungsprozesse der Konsumkorridore.
Franziska Ohde
Konsumentscheidungen, Konsumroutinen und Konsumstrategien. Veränderungen von Konsumverhalten
Zusammenfassung
Die Förderung nachhaltiger Konsumweisen ist eine politische Zielsetzung, die seit fast 30 Jahren in nahezu allen politisch-programmatischen Dokumenten zur nachhaltigen Entwicklung verankert ist. Seit einiger Zeit wird diesbezüglich – beeinflusst durch die Rezeption von Praxistheorien (Bourdieu 1972, 1980, 1997; Giddens 1979, 1984) – das in der sozial ökologischen Forschung dominante Leitbild von verantwortlichen, souveränen Konsumierenden kritisiert und es wird – vor allem aus soziologischer Perspektive – hinterfragt, welche transformative Kraft Konsumierende mit Blick auf den politisch angestrebten gesellschaftlichen Wandel entfalten können. Zwei Aspekte erscheinen problematisch: zum einen die Engführung des Konsumbegriffes und zum anderen die gesellschaftliche Konstruktion der Nachfrage im Hinblick auf Konsumroutinen. In diesem Zusammenhang erweist sich eine praxeologisch informierte Analyse von Konsumstrategien als weiterführend. Denn der Strategiebegriff liefert einen Rahmen, um Konsumentscheidungen in ihrer Komplexität theoretisch fassen zu können, gleichzeitig jedoch auch Wahrnehmungen diskursiver Problematisierungen im Spannungsfeld von Bedürfnisbefriedigung und Nachhaltigkeit, wie sie in biographischen Daten zum Vorschein kommen dürften, zu berücksichtigen. Der Beitrag diskutiert den Zusammenhang zwischen Konsumierenden- Souveränität, Konsumentscheidungen und Konsumroutinen auf methodologischer und methodischer Ebene. Dabei wird aufgezeigt, wie sich ein nutzentheoretisches Entscheidungskalkül und praxeologische Forschungsheuristiken miteinander verknüpfen lassen und wie sich der kontextuelle Gebrauch der diskursiven Praktiken Nachhaltigkeit und Bedürfnisbefriedigung in seinen Auswirkungen auf Konsummöglichkeiten und Konsumorientierungen mit Hilfe der Analyse von Konsumstrategien aus dem biographischen Material rekonstruieren lässt.
Ninja Christine Rickwärtz
Unternehmerische Gelegenheiten: Nutzung von narrativen Interviews zur Untersuchung von Wendepunkten im Leben von Nachhaltigkeitsunternehmerinnen
Zusammenfassung
Nachhaltigkeitsorientiertes Unternehmer*innentum gewinnt – nicht zuletzt ob seiner steigenden Relevanz für die Lösung akuter sozialer und ökologischer Probleme – auch in der Forschung an Bedeutung. Frauen wird hier besonderes Potenzial zugeschrieben, das jedoch bislang noch nicht ausreichend gehoben wird. Enormer Forschungsbedarf liegt daher auf der Schnittstelle „Women-Sustainability-Entrepreneurship“. Da Grundlage jeden unternehmerischen Handelns die Identifikation und Ergreifung unternehmerischer Gelegenheiten ist, soll dies im Mittelpunkt unseres Artikels stehen. Wir führen Elemente der Entrepreneurship-, Nachhaltigkeits- und Gender-Forschung zusammen und stellen vor, wie die Entstehung nachhaltiger, von Frauen entwickelter Geschäftsideen untersucht werden kann. Eine Analyse von Lebensläufen mit besonderem Blick auf die Gründungsgeschichten und der Vergleich unterschiedlicher Orientierungsrahmen mithilfe von narrativen Interviews und der dokumentarischen Methode kann zeigen, wie Frauen nachhaltigkeitsorientierte unternehmerische Gelegenheitsfenster identifizieren und öffnen, um erfolgreiche Nachhaltigkeitsunternehmen zu gründen.
Jantje Halberstadt, Anne-Kathrin Schwab

Praktische und empirische Beiträge

Frontmatter
Suffizient wohnen in der Nachfamilienphase – Umrisse eines sozial-ökologischen Begrenzungskonzepts
Zusammenfassung
Ausgehend vom Konzept der Konsumkorridore skizzieren wir die Grundzüge eines sozial-ökologischen Begrenzungskonzepts. Dabei beziehen wir uns auf die Diskussion um geschützte Bedürfnisse und setzen diese mit sozialen und ökologischen Grenzen in Beziehung. In einem zweiten Schritt schlagen wir Kriterien vor, mit denen sich erfolgsversprechende Gelegenheitsfenster für eine Begrenzung von Konsummustern identifiziert lassen. Am Beispiel des Wohnens im Übergang von der der Familien- zur Nachfamilienphase diskutieren wir gestützt auf empirische Daten Gestaltungsspielräume für eine Veränderung von Konsumpraktiken hin zu nachhaltigeren Konsumkorridoren.
Immanuel Stieß, Lukas Sattlegger, Luca Raschewski, Konrad Götz
Die Mystery-Methode: Gelegenheiten zur Fokussierung ökologisch-nachhaltigen Handelns im Biologieunterricht
Zusammenfassung
Im Rahmen der starken Nachhaltigkeit sind für eine Implementierung im Unterricht die Fächer Biologie oder Naturwissenschaft prädestiniert. Solange es mit der notwendigen Veränderung des Systems Schule aber institutionell nur langsam vorangeht, soll motivierten Lehrkräften an dieser Stelle eine Möglichkeit vorgestellt werden, um diverse Themenbereiche der (ökologisch-)nachhaltigen Entwicklung in den Unterricht einzubinden. Dieser Beitrag reflektiert das Nachhaltigkeits-Leitbild vor dem Hintergrund seines Ursprungs und zeigt die zunehmende, politische Verwässerung, insbesondere der ökologischen Perspektive. Das vorgestellte Projekt ‚HanNa – Handeln für Nachhaltigkeit‘ greift gerade die ökologische Perspektive auf, fußt auf eine Intervention mittels der Lehrmethode ‚Mystery‘ und zielt auf die Handlungsbefähigung der Schüler*innen in Bezug auf Nachhaltigkeit.
Kim Janine Nolting, Norbert Pütz
Die Bedeutung von Gelegenheiten für nachhaltige Ernährung
Zusammenfassung
Ernährung soll nachhaltiger werden. Darüber besteht Einigkeit unter Wissenschaftler*innen. Die Forderungen finden Widerhall in der Ernährungsbranche und daher bieten entsprechende Angebote vermehrt Gelegenheiten für nachhaltigen Konsum; auch beim Verzehr von Speisen außer Haus. Dieser Beitrag spürt der Frage nach, ob es ausreicht, Gelegenheiten anbieterseitig zu schaffen. Außerdem wird gezeigt, welche Präferenzen ganz konkret Gäste von Betriebskantinen zeigen.
Nina Langen
Nachhaltigkeit als Gegenstand von Prüfungen in der örtlichen Rechnungsprüfung
Zusammenfassung
Auf Basis einer Literaturrecherche und -analyse wurde untersucht, welche Bedeutung eine örtliche Rechnungsprüfung zur Umsetzung der mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen verabschiedeten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung haben kann. Das entwickelte Konzept zeigt auf, dass es mehrere Gelegenheiten zur Prüfung der Einhaltung vorhandener Regelungen (Gesetze etc.) mit einem Soll-Ist-Vergleich auf der Grundlage des Maßstabs der Rechtmäßigkeit gibt. Zudem wurde deutlich, dass die örtliche Prüfung die Maßstäbe „Zweckmäßigkeit“ und „Wirtschaftlichkeit“ anhand von entwickelten Prüffragen in Anwendung bringen kann. Die aktuelle Darstellung der Wirkung und Ergebnisse in den Haushaltsplänen bzw. Jahresabschlüssen der Kommunen hat jedoch eine zu geringe Aussagekraft, um die Ziele der Agenda 2030 mit dem Maßstab der Wirtschaftlichkeit systematisch zu überprüfen. Mit der Einführung einer gesetzlich verpflichtenden standardisierten Rechenschaft der Kommunen zur Umsetzung der Ziele der Agenda 2030 könnte die Transparenz erhöht werden. Aus den daraus resultierenden Erkenntnissen können zahlreiche Handlungsimplikationen für eine notwendige Weiterentwicklung der Prüfung des Gegenstands der Nachhaltigkeit durch die örtliche Rechnungsprüfung in der Praxis abgeleitet werden. Gleichzeitig gibt dieser Beitrag Hinweise, um die Prüfung der Umsetzung der Agenda 2030 durch die örtliche Rechnungsprüfung noch besser zu erforschen.
Otto Reiners
Metadaten
Titel
Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum
herausgegeben von
Corinna Onnen
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-37543-0
Print ISBN
978-3-658-37542-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37543-0