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09.06.2020 | Innovationsmanagement | Interview | Online-Artikel

"Das Middle-Office hat bei Banken eine zentrale Rolle"

verfasst von: François Baumgartner

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Harald Patt

Harald Patt ist Managing Director Fosun Group und CEO Fosun Europe Innovation Hub.

Finanz-Ökosysteme sind digital, vernetzt und innovativ. Das macht sich auch bei Banken im Frontend, im Middle- oder Backoffice bemerkbar. Wo digitale Innovationen genau ansetzen, weiß Harald Patt und erklärt, worauf es ankommt.

springerprofessional.de: Herr Patt, bislang sind Finanzdienstleistungen und deren Produkte immer noch vertrauensempfindlich und erklärungsbedürftig. Die Digitalisierung macht Finanzgeschäfte vor allem einfach. Warum muss der digitale Wandel nicht unweigerlich im Widerspruch zu einem nachhaltigen Finanzwesen stehen, wenn es um die Sicht der Kunden und der Institute gleichermaßen geht?

Harald Patt: Digitaler Wandel, sowie mobile Lösungen allein transformieren eine Bank noch nicht in eine digitale Bank. Ein digitales Banking-Geschäftsmodell zeichnet sich durch Skalierbarkeit sowie die Fähigkeit aus, die Customer Experience in den Mittelpunkt zu stellen und richtige Zielgruppen anzusprechen. Gleichzeitig wird durch Digitalisierung das Angebot transparenter und vergleichbar. Nachhaltigkeit zeichnet sich hier insbesondere durch optimierte Prozesse, individualisierte Produkte und einen hohen Dienstleistungsgrad aus. Die Digitalisierung erhöht die Interaktivität zwischen Kunde und Bank um ein Vielfaches. Mit einem fairen und vergleichbaren Angebot wird die Kundenbeziehung gestärkt. Dies alles basiert auf einer qualitativ hochwertigen User-Experience im Front-End sowie einer digitalen Effizienz im Backend. Daneben sind Banken in der Lage, externe Angebote, die jemand Drittes besser und kostengünstiger anbieten kann, über APIs zu integrieren. Dies stabilisiert die Kundenbeziehung einer Bank nachhaltig.

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Die Customer Journey einer multikanalfähigen Bank ist vor allem eines: kundenzentriert und integrativ. Was bedeutet das für die Informations- und Kommunikationstechnologie eines Instituts intern sowie in einer Welt des World Wide Web?

Ein Großteil der Kunden bevorzugt für Transaktionen digitale Wege. Kunden haben den Wunsch nach Interaktion, insbesondere mobile Interaktion, egal wann und wo. Für die Informations- und Kommunikationstechnologie bedeutet dies, verständliche und maßgeschneiderte Produkt- sowie Serviceangebote in Kombination mit individualisierter Unterstützung rund um die Uhr anzubieten. Als Institut sollte man Third Party Provider (TPP) nicht als Bedrohung ansehen. Es macht vielmehr Sinn, jene zu finden, die das Produktangebot für den Endkunden verbessern und es für geringere Kosten anbieten können, um sie dann in das eigene Geschäftsmodell zu integrieren.

Technologisch geht es um flexible sowie modular aufgebaute und individualisierbare Plattformen. Wie beurteilen Sie die Bedeutung von Standards und Schnittstellen und worauf kommt es noch an?

APIs sorgen dafür, dass Programme intern funktionieren, sich gegenseitig aufrufen und im Austausch miteinander arbeiten können. Darüber hinaus ermöglichen sie einen Datenaustausch zwischen Softwareprogrammen, über verschiedene Bereiche und Unternehmen hinweg. Für diese Machine-to-Machine-Kommunikation sind Standards zwingend notwendig. Schnittstellen gab es mit Homebanking Computer Interface (HBCI) schon lange, aber mit der Payment-Service-Directive 2 (PSD2) kam es zum Revival. Der Vorteil der PSD2 ist, dass diese einen europaweiten Standard zum Datenaustausch und den Aufruf von elektronischen Prozessen schafft.

Der Open-Banking-Ansatz verläuft vom Frontend über das Middle- bis hin zum Back-Office eines Instituts. Welche digitalen Innovationen und Services kommen im Front-Office zum Einsatz und wie funktionieren diese?

Digitalisierung im Banking bedeutet, Geschäfts- und IT-Prozesse mit Hilfe relevanter Daten und geeigneter IT-Systeme über alle Kundenkanäle zu unterstützen und zu automatisieren. Die digitale Transformation wird erfolgreich sein, wenn sämtliche Kanäle der Front-Office Kundenkommunikation vollständig in die Back-End-IT integriert sind. Dies ermöglicht die ganzheitliche Sicht auf den Kunden. Gerade im Front-Office Bereich, der Schnittstelle zum Kunden, wird die Integration aller Vertriebskanäle und Dienstleistungen im Vordergrund stehen. Die parallele Nutzung verschiedenster Kanäle, wie Filiale, Telefon, Social Media, E-Mail oder SMS – also eine Omni-Channel-Lösung – wird zukünftig ein Erfolgsgarant in Bezug auf Kundengewinnung und -bindung sein.

Wie würden Sie ein modernes Middle-Office definieren und welche intelligenten Technologien setzen sich hier dauerhaft durch und weshalb?

Dem Middle-Office kommt im Finanzwesen und bei Banken eine zentrale Rolle zu. Hier werden nicht nur Risiken- und Ertragschancen analysiert und beurteilt, sondern auch die Einhaltung regulatorischer Vorgaben. Darüber hinaus ist diese Organisationseinheit die zentrale Datensammelstelle. Das moderne Middle-Office ist prozessual sowohl im Front-, als auch im Back-Office voll integriert. Aufgrund dieser Silofunktion kommen eine Reihe von intelligenten Technologien in Betracht. Dies können Algorithmen zur Risikobeurteilung, Tools zur Datenanalyse und Risikobewertung, sowie KI-basierte Portfolio-Analyse-Tools sein. Dauerhaft werden sich diejenigen Technologien durchsetzen, die auf Basis von intelligenter Datennutzung individualisierte Kundenprodukte erzeugen und Profitabilitäts- und Renditetreiber sind.

Das Back-Office ist das Rückgrat einer smarten Bank. Bits und Bytes und sichere Cloud-Dienste sind digitale Autobahnen und Parkplätze für Wissen im Netz. Was ist im Zuge der Finanzindustrie 4.0 beim Backend außerdem ausschlaggebend?

Die End-to-End Integration ist von zentraler Bedeutung. Diese digitalisiert ausgehend vom Kunden die Prozesse und passiert dabei komplett das Front-, Middle- und Backoffice. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein skalierbares Backend mit Synergieeffekten. Um Microservices einfach und schnell implementieren zu können, müssen monolithische Banksysteme durch API-sierung aufgesplittet werden. Dies betrifft sowohl das Front-, Middle- und Backoffice. Gerade das kundenferne Backoffice, das mit einer Vielzahl von Services unterstützt, hat damit die Möglichkeit, Drittanbieter anzubinden, ohne dass der Kunde davon etwas merkt. Diese Modularisierung macht ein Institut wesentlich schneller und kostengünstiger.

Was können Fintechs ferner noch leisten?

Es werden immer Technologien gefragt sein, die Transaktionen sehr sicher, regulatorisch korrekt und insbesondere kostengünstig gestalten. Fintechs sind Innovationstreiber. Ihr entscheidender Vorteil besteht in den digitalisierten und damit beschleunigten Finanztransaktionen mit einem besseren User-Interface und einer besseren User-Experience. Sie ermöglichen Banking-Plattformen eine Dienstleistungsergänzung zur Abrundung des Gesamtangebots. Fintechs können als Nischenanbieter Leistungen anbieten, die von mehreren genutzt werden und aufgrund von Skalierungseffekten kostengünstiger sind. Für die Finanzwirtschaft bedeutet dies eine signifikante Senkung der Transaktions-, Personal- und Sachkosten bei einem besseren sowie umfangreicheren Angebot.

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