Mit Beginn des Liberalisierungsprozesses des europäischen Gas‐ und Elektrizitätsmarktes in den 1990er‐Jahren
und der damit einhergehenden Umgestaltung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen kam es zu
tiefgreifenden Änderungen für energieintensive Industrieunternehmen. Diese Änderungen umfassen nicht nur Unbundling,
Auktionen und neuen Wettbewerb in der Energiewirtschaft, sondern schließen außerdem den Wandel zu erneuerbaren
Energien und ein unternehmerisches Umdenken bei der Energiebeschaffung mit ein. Das Ziel der Bundesregierung, bis
2050 den Anteil von erneuerbaren Energien am Energiemix auf 80 Prozent zu steigern, macht Investitionen erforderlich
und stellt energieintensive Unternehmen vor Entscheidungen, beispielsweise ob sie Investitionen zur
Energieproduktion tätigen oder neue Energiezulieferer finden.
Die beschriebenen fundamentalen Änderungen der Rahmenbedingungen ergeben für die betroffenen Unternehmen eine
dynamisch‐komplexe Entscheidungssituation, aus der jedoch keine allgemein gültigen eindeutigen Handlungsempfehlungen
abzuleiten sind. Diese sind daher stets unternehmensindividuell zu erarbeiten. Der vorliegende Beitrag zeigt dazu
verschiedene Methoden auf, mit denen komplexe Entscheidungstatbestände detailliert untersucht und analysiert werden
können. Dabei werden die folgenden Methoden beschrieben und an einschlägigen Beispielen demonstriert: Modellierung
des Wertschöpfungsnetzwerks, Kausaldiagramme, System‐Dynamics‐Simulationsmodelle und agentenbasierte
Modellierung. Ziel dieses Beitrags ist es, anwendungsorientierte Methoden der Entscheidungsunterstützung zu
präsentieren, die dabei helfen können, dynamisch‐komplexe Situationen besser zu analysieren und
unternehmensindividuell passende Strategien dafür zu erarbeiten.
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In der
Systemtheorie wird die Perspektivenvielfalt oftmals mit dem Begriff der Kontingenz in Verbindung gebracht. Kontingenz umfasst die
Erwartungen und projizierten Erwartungen in Systemen und somit das Mögliche (vgl. Luhmann 1987, S. 152). Treffen nun mehrere Personen mit festen Erwartungen aufeinander, kommt es zu
doppelter Kontingenz: Beide Personen halten an ihren Erwartungen fest und es entsteht ein Kommunikationsproblem. Das Problem der
doppelten Kontingenz blockiert dadurch Kommunikation. Da die Analysemethoden alle Beteiligte motivieren, die Erwartungen und
mentale Modelle in die jeweilige Modellierungssprache zu übersetzen, führt es zu einem Offenlegen der unterschiedlichen
Erwartungen und mentalen Modell, was wiederum zu Kommunikation führt und somit doppelte Kontingenz das Kontingenzproblem
verringert (vgl. Luhmann 1987, S. 160–161).