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2017 | Buch

Industrielle Energiestrategie

Praxishandbuch für Entscheider des produzierenden Gewerbes

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Über dieses Buch

Dieses Herausgeberwerk zeigt die Chancen, die sich für Industrieunternehmen aus einer expliziten Energiestrategie ergeben. Denn trotz intensiver Diskussionen über die Herausforderungen der Energiewende besitzen viele energieintensive Unternehmen keine eigene Energiestrategie. Dabei gibt es vielfältige und kreative Möglichkeiten, wie in den einzelnen Unternehmensbereichen interfunktionale Wechselwirkungen strategisch genutzt werden können.

Die Autoren sind anerkannte Experten verschiedener Fachrichtungen aus Wissenschaft und Praxis, die politische, wirtschaftliche, sozio-kulturelle, technische und rechtliche Rahmenbedingungen und deren Veränderung durch die Energiewende erörtern. Darauf aufbauend werden die Implikationen der veränderten Rahmenbedingungen auf die unterschiedlichen Bereiche des Unternehmens erörtert und daraus mündende industrielle Energiestrategien dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Umweltanalyse der Industrie

Frontmatter
1. Ziele der deutschen Wirtschafts- und Energiepolitik

Um eine Energiepolitik zukunftsfähig und nachhaltig zu gestalten, müssen die Ansprüche der Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und der Umweltverträglichkeit erfüllt werden. Die Energieträger, die ihren Teil am derzeitigen Strommix in Deutschland beitragen, werden diesem energiepolitischen Zieldreieck in unterschiedlichem Maße gerecht. Fossile Brennstoffe wie zum Beispiel Kohle sind sehr günstig zur Stromherstellung, jedoch nicht sehr umweltverträglich. Die Schwerpunktsetzung des energiepolitischen Zieldreiecks wurde in den letzten Jahren deutlich auf die Umwelt gelegt (Gründe: Fukushima, Treibhauseffekt etc.). Das heißt, dass zukünftig der Anteil fossiler Energie am Energiemix der Bundesrepublik Deutschland stark sinken und durch die erneuerbaren Energien substituiert werden soll. Die Realisierung dieser nachhaltigen Energieversorgung wird als Energiewende bezeichnet. Die Politik hat dafür ein Energiekonzept erarbeitet, welches eine rasche Umsetzung der Energiewende begünstigen soll. Zentrale Bestandteile sind beispielsweise das Erneuerbare‐Energien‐Gesetz, der Netzausbau und der Atomausstieg. Im Rahmen des Atomausstiegs und der Umstellung auf erneuerbare Energien stellt sich die Frage der Energiesicherheit in Deutschland. Auch die Abhängigkeit vom russischen Erdöl bzw. ‐gas fordert eine Energieaußenpolitik.Für die geplante Neustrukturierung des Energiesektors werden in Deutschland erhebliche Investitionen erforderlich sein. Dafür sind stabile gesetzliche Rahmenbedingungen notwendig. Beispielsweise ist für die Planbarkeit einer Projektfinanzierung im Bereich erneuerbarer Energien eine verlässliche Festlegung der Einspeisevergütung wichtig.

Fabian Schröter
2. Europäische Energiesicherheit – politische Rahmenbedingungen

Der weltweite Energiebedarf wird in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen. Erneuerbare Energien spielen zwar eine immer größere Rolle, dominierend sind jedoch noch die klassischen Primärenergieträger wie Öl, Kohle und Erdgas. Trotz großer Fortschritte bei der Verbesserung der Energieeffizienz und dem Zubau von erneuerbaren Energien ist mittelfristig eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien noch nicht realistisch. Eine politische Förderung erneuerbarer Energien wird entscheidend sein für eine nachhaltigere Energieversorgung und die notwendige Reduzierung von CO2. Bis zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien ist Versorgungssicherheit jedoch nur mit einem intelligenten Mix verschiedener Energieträger möglich. Es ist daher auch weiterhin die Frage zu beantworten, wie wir die Primärenergieträger Öl, Kohle und Erdgas intelligent und effizient nutzen können. Gerade Deutschland und Westeuropa sind mit ihren noch immer industriell geprägten Volkswirtschaften auch in Zukunft auf klassische Primärenergieträger angewiesen. Dies erfordert für Westeuropa auch zukünftig, Primärenergieträger aus Staaten außerhalb der EU zu beschaffen. Energiepartnerschaften mit diesen Staaten bleiben ein Schlüssel dafür.

Joachim Lang, Peter Hohaus
3. Energieintensive Industrien zwischen Gesellschaft und globalen Märkten

Energieintensive Industrien in Deutschland sehen sich neben einem weltweiten Preiswettbewerb auch einer polarisierten öffentlichen Debatte ausgesetzt. Standen im Fokus früherer Auseinandersetzungen um Energietechnologien insbesondere deren Umwelt‐ und Sicherheitsrisiken, hat sich der öffentliche Schwerpunkt hin zu einer „Energiegerechtigkeit“ von Strompreisen sowie zur Legitimation klimapolitischer Instrumente verschoben. Energiepolitik, die mancher noch primär unter dem Gesichtspunkt der Umwelt‐ oder Wirtschaftspolitik betrachtet, ist angesichts des europäischen Binnenmarktes und globaler Energietrends zu einer Frage der Wettbewerbspolitik geworden.Dieser Beitrag zeigt am Beispiel der Grundstoffindustrie einige Grundzüge des Spannungsfelds auf. Im Ergebnis argumentiert er, dass die Industrie Effizienzpotenziale weiter heben oder die Einspeisung fluktuierenden Stroms unterstützen kann. Damit ist sie schon heute Problemlöser bei der Transformation des Energiesystems. Die eigentliche gesellschaftliche Diskussion muss jedoch über die Dringlichkeit der Versorgung von Hochtechnologieunternehmen mit Grundstoffen geführt werden, zumal in einem sich zuspitzenden Weltmarkt um Rohstoffe.

Andreas Möller, Michael Niese
4. Entwicklungen auf dem internationalen Gasmarkt

Nicht nur die energieintensive Industrie ist gut beraten, Verfügbarkeit und Preise für Erdgas auf den internationalen Märkten zu beobachten. Auch Unternehmen, die selbst sogar kein Erdgas einsetzen, können in ihrer Geschäftsentwicklung Einflüssen der internationalen Erdgasmärkte ausgesetzt sein. Der Artikel befasst sich mit den wesentlichen Determinanten, die Einfluss auf Handelsströme und Preise nehmen. Die weltweite Verteilung von Reserven und Produktion bestimmt Verfügbarkeit und Wege des Erdgases zu den Märkten. Die Liberalisierung wesentlicher Erdgasmärkte hat die Preisbildung zunehmend von der Leitenergie Öl abgekoppelt, deren Einfluss aber trotzdem weiterhin gegeben ist. Die erfolgreiche Ausbeutung der Shale‐Gas‐ und Shale‐Oil‐Vorkommen hat die USA nicht nur zur führenden Förderregion für Gas und Öl gemacht, sondern auch Bewegung in den internationalen Gashandel gebracht, da diese Entwicklung viele Marktteilnehmer überrascht hat. Verflüssigtes Erdgas ist auch zwischen Kontinenten handelbar und gewinnt zunehmend auch Einfluss auf traditionell mit Pipelinegas versorgte Märkte. Anders als unter Langfristverträgen kontrahiertes Pipelinegas kann LNG auch kurzfristig preisorientiert an unterschiedliche Märkte adressiert werden. Dadurch entsteht zwar noch kein globaler Preis für Erdgas. Die Verfügbarkeit von Versorgungsalternativen hat aber preisbegrenzende Wirkung und erhöht zusätzlich die Sicherheit der Versorgung. Inwieweit die insgesamt als entspannt anzusehende Versorgungslage bei einem sogar positiven Ausblick hinsichtlich des verfügbaren Aufkommens kompatibel ist mit den Planungen globaler Klimapolitik, ist eine völlig andere Frage.

Claus Bergschneider
5. Großhandelsmärkte für Strom und Gas

Die Umsetzung der EU‐Richtlinien zur Liberalisierung der Energiemärkte im Jahre 1998 gilt als Startschuss für die Entwicklung des Großhandels für den Strom‐ und Gasmarkt.Grundsätzlich unterscheidet man auf Großhandelsebene zwischen dem außerbörslichen Handel (englisch over‐the‐counter oder kurz OTC) und dem Handel an den europäischen Energiebörsen. Eine Besonderheit bei der Betrachtung des Energiehandels ist die Abgrenzung der Handelsformen, da sich parallel zu dem im OTC‐Markt eingesetzten kontinuierlichen Handel das Auktionsverfahren als eine weitere Handelsform im börslichen Handel etabliert hat.Die im Großhandelsmarkt gehandelten Produkte werden zur strukturierten Beschaffung als auch aus spekulativen Interessen eingesetzt. Neben den klassischen Forward‐ und Future‐Kontrakten mit unterschiedlichen Laufzeiten und der generellen Unterscheidung zwischen Termin‐ und Spotkontrakten können auch aus der Finanzwelt übernommene Finanzinstrumente wie z. B. Swaps, Optionen oder Wetterderivate gehandelt werden.Die grundverschiedenen Eigenschaften der Commodities Gas und Strom beeinflussen die Konzeption der Handelsprodukte. Besonders aus der Speicherbarkeit des Produktes Gas entwickelte der Markt eigene Standard‐ und strukturierte Produkte. In Gegensatz dazu etablierte sich aus der Nichtspeicherbarkeit von Strom, neben den klassischen Handelsprodukten im Termin‐ und Spotmarkt, in der kürzeren Vergangenheit ein Markt mit feiner Granularität bezüglich des Lieferzeitraumes, der einen Handel einzelner Stunden und Viertelstunden ermöglicht. Diese kurzfristigen Handelsprodukte werden verstärkt eingesetzt um Abweichungen innerhalb der individuellen Energiebilanz der Marktteilnehmer auszugleichen. Besonders die Prognoseungenauigkeiten bei Windkraftanlagen, machen den Einsatz dieser Handelsprodukte unvermeidbar. Zusätzlich werden von europäischen Energiebörsen im Rahmen einer Erweiterung des Produktportfolios auch Viertelstunden Auktionen, vergleichbar mit den Mechanismen auf stündlicher Basis, angeboten.Abschließend werden die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Großhandelspreise aufgezeigt. Die preistreibenden Einflussfaktoren lassen sich abgrenzen für die Commodities Gas und Strom. Da Deutschland einen großen Anteil seines Gasbedarfs nicht durch eigene Produktion decken kann, resultieren Preisschwankungen hauptsächlich aus Veränderungen entlang der Produktions‐ und Transportkette des importieren Gas und bei Veränderungen von Nachfrage Strukturen.Demgegenüber bilden im Strombereich, die auf der Angebotsseite wesentlichen fossilen Brennstoffe und deren Preisentwicklung wichtige Einflussfaktoren. Die aktuellen Erzeugungskapazitäten, deren Verfügbarkeit und zukünftige Struktur der Merit-Order spielen in Bezug auf die Preisentwicklung eine wichtige Rolle. Weiterhin beobachten wir ähnlich wie im Gasmarkt auch im Strommarkt bei unplanmäßigen starken Veränderungen des Nachfrage Verhaltens und der Angebotsmenge eine hohe Preissensibilität.

Jörg Baumhögger, Christoph Perret
6. Das Strommarktdesign – Anforderungen aus Sicht der Industrie

Die Energiewende und die Energiepolitik in Deutschland haben einen fundamentalen Einfluss auf die Energiemärkte, das Zusammenspiel der Akteure und die entstehenden Kosten für alle Verbraucher. Ihre Umsetzung befindet sich derzeit auf einem äußerst fragilen Pfad. Im Rahmen der Debatte um die Neuordnung der Spielregeln auf dem Strommarkt, das sogenannte Strommarktdesign, wird derzeit vor allem die Gewährleistung der Versorgungssicherheit diskutiert. Denn um die Vorhaltung gesicherter Leistung in ausreichender Höhe aufrechtzuerhalten, ist die Wirtschaftlichkeit von auch weiterhin notwendigen konventionellen Kraftwerken sicherzustellen.Um den vielfältigen und komplexen Herausforderungen zu begegnen, existieren unterschiedliche Ansätze. Ein zukünftiges Marktdesign muss aus Industriesicht eine Gesamtsystemlösung darstellen. Es sollte daher unter der Beachtung des Klimaschutzes ausreichend gesicherte Leistung gewährleisten sowie beide Aspekte intelligent mit dem volkswirtschaftlich optimierten Netzausbau zeitlich synchronisieren und lokal koordinieren. Flexibilitätsoptionen wie flexible Kraftwerke, Speicher und Demand‐Side‐Management müssen ebenfalls integriert sein. Es bedarf also eines holistischen Ansatzes, der auch die Interdependenzen zwischen den einzelnen Handlungsfeldern berücksichtigt und schrittweise umgesetzt werden kann. An zehn Kriterien, deren Ausprägung die entscheidenden Punkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende adressieren, muss sich ein zukünftiges Marktdesign messen lassen.

Dennis Rendschmidt
7. Entwicklungen in der Kraftwerkstechnik für die industrielle Eigenstromerzeugung

Die deutsche Industrie verbrauchte in 2012 etwa 47 Prozent des insgesamt in Deutschland erzeugten Stromes von ca. 600 TWh. Industriekraftwerke mit einer Kapazität von etwas unter 10 GW lieferten davon etwa 8 Prozent bzw. einen Anteil von etwa einem Sechstel des eigenen Verbrauchs.Für ein eigenes Industriekraftwerk sprechen mehrere Argument: In den Industriebetrieben verläuft der Bedarf an Wärme und Strom häufig weitgehend zeitgleich, was den Einsatz energiesparender Kraft-Wärme-Koppelung ermöglicht. Das zweite Argument adressiert Entsorgungsaufgaben, die eventuell mit einem eigenen Kraftwerk, zum Beispiel über die Verbrennung von Reststoffen, kostengünstiger gelöst werden können. Überdies wird die Versorgungssicherheit in den meisten Fällen durch ein eigenes Kraftwerk in Verbindung mit dem öffentlichen Netz erhöht. Allerdings erschweren die zahlreichen staatlichen Eingriffen in den deutschen Strommarkt Bau und Betrieb eines Industriekraftwerkes.Dieser Beitrag beschreibt die verschiedenen Kraftwerkskonzepte, die für unterschiedliche Primärenergiequellen und Leistungsgrößen zur Verfügung stehen und gibt Kennzahlen und Beispiele, um erste Überlegungen zu einem Industriekraftwerk zu unterstützen.

Klaus Riedle
8. Energierechtliche Rahmenbedingungen

Das Energierecht zählt nicht zu den klassischen, von anderen Rechtsgebieten präzise abgrenzbaren Rechtsmaterien. Als moderne Querschnittsmaterie enthält es sowohl privatrechtliche wie öffentlich‐rechtliche Vorgaben. Mehr als 10.000 Vorschriften können auf Unternehmen Anwendung finden, die im Energiesektor tätig sind. Zumeist handelt es sich dabei um Vorschriften, die auf Unternehmen in der Energiebranche ebenso Anwendung finden wie auf andere Unternehmen. Das gilt beispielsweise für das Gesellschafts‐, Steuer‐, Insolvenz‐, Wettbewerbs‐, Vergabe‐, Arbeits‐ oder Strafrecht. Teilweise werden diese allgemeinen Rechtsmaterien im Einzelnen durch energierechtliche Sonderregelwerke, wie etwa das Stromsteuergesetz, ergänzt oder modifiziert.Das Energierecht im engeren Sinne – soweit man es aus Praktikabilitätsgründen so bezeichnen möchte – umfasst mehr als 1000 Vorschriften, von denen der Gesetzgeber eine Vielzahl erst in den vergangenen zehn Jahren seit Beginn der Liberalisierung des Energiemarktes erlassen hat. Ein wesentlicher Teil dieser Vorschriften betrifft die Energieversorgungsnetze. Um Wettbewerb auf dem Energieerzeugungs‐ und Energievertriebsmarkt ermöglichen zu können, muss das Netz als natürliches Monopol reguliert werden. Daneben gibt es Vorschriften zur Errichtung von Netzanlagen, die Teil des allgemeinen und besonderen Bauplanungsrechts sind. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Recht der erneuerbaren Energien, das der Gesetzgeber wie keinen anderen Bereich des Energierechts stetig geändert und reformiert hat. Dem Umweltrecht zuzuordnen sind energierechtliche Vorschriften zum Emissionshandel und zum Anlagenrecht.Aus der Fülle energierechtlicher Normen werden im Folgenden die Grundzüge derjenigen Vorgaben behandelt, die für Industrieunternehmen im energiewirtschaftlichen Kontext relevant werden können. Der hier allein mögliche kursorische Überblick erübrigt freilich keine Detailprüfung des Einzelfalls. Der Fokus liegt dabei auf Unternehmen, deren Hauptgeschäft nicht in der Energieerzeugung, dem Transport bzw. der Verteilung oder dem Vertrieb von Energie liegt, für die aber etwa die Eigenerzeugung von Strom zur Deckung des Energiebedarfs für die eigene Produktion attraktiv sein könnte. In solch einem Fall stellen sich rechtliche Fragen insbesondere hinsichtlich der Anlagengenehmigung und ggf. der Anlagenförderung. Neben der Eigenerzeugung käme etwa durch Nutzung von Dach‐ oder Freiflächen auf dem Betriebsgelände auch eine Nebenerzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien aufgrund der Förderung durch das Erneuerbare‐Energien‐Gesetz („EEG“) als Finanzanlage oder Investition in die „Corporate Responsibility“ in Betracht. Auch bei einer reinen Energiebeschaffung stellt sich eine Vielzahl insbesondere vertraglicher Fragen. Von wesentlicher Bedeutung sind ferner die Vergünstigungen beim Gesamtstrompreis, die stromintensive Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch nehmen können, zum Beispiel nach der besonderen Ausgleichsregelung oder bei den Netzentgelten. Auch hier wird sich die zum 1. August 2014 in Kraft getretene Reform des EEG besonders bemerkbar machen. Unter dem Aspekt der Senkung des Strombedarfs sind zudem gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Energieeffizienz von besonderer Bedeutung.

Dirk Uwer, Moritz Rademacher
9. Die Entwicklung einer Energiestrategie im gesellschaftsrechtlichen Kontext

Eine Geschäftsleitung hat grundsätzlich weites Ermessen darin, welche Ziele sie mit welchen Mitteln verfolgt. Bei energieintensiven Unternehmen kann sich dieses Ermessen jedoch zu einer Pflicht verdichten, eine effiziente, sichere und nachhaltige Energieversorgung für das Unternehmen sicherzustellen. Damit kann eine Pflicht bestehen, eine angemessene Energiestrategie zu definieren. Welchen Rang eine solche Energiestrategie im „Wettbewerb“ mit anderen unternehmerischen Herausforderungen hat und welche Anforderungen an sie zu stellen sind, ergibt sich naturgemäß aus der Bedeutung der Energieversorgung für das jeweilige Unternehmen. Die Bedeutung der Energiestrategie ist damit im Rahmen der Business Judgement Rule mit anderen Zielen und Strategien abzuwägen.Die Frage nach einer adäquaten Energiestrategie berührt die Geschäftsleitungspflichten auf verschiedenen Ebenen. Die Geschäftsleitung muss zum einen sicherstellen, dass sie nicht nur einmalig, sondern fortlaufend über die Bedeutung der Energieversorgung für das Unternehmen sowie die jeweils geltenden Rahmenbedingungen und deren Änderungen mit den jeweiligen Folgerungen für das Unternehmen informiert ist. Ein entsprechendes Informationssystem ist durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen. Auf der Grundlage dieser Informationen hat die Geschäftsleitung dann zu entscheiden, ob sie eine besondere Energiestrategie entwickelt. Soweit sie sich vor dem Hintergrund der Bedeutung der Energieversorgung für das Unternehmen entscheidet, eine Energiestrategie zu entwickeln, muss sie deren Durchsetzung und Einhaltung sowie die in Umsetzung der Strategie getroffenen Maßnahmen überwachen.Abhängig von der Bedeutung einer Energiestrategie für ein Unternehmen kann deren Entwicklung und Umsetzung im Rahmen von Vergütungsregelungen Berücksichtigung finden.

Ulrich Blech
10. Strom- und energiesteuerliche Rahmenbedingungen

In Deutschland bilden das Stromsteuergesetz (StromStG) sowie das Energiesteuergesetz (EnergieStG) den gesetzlichen Rahmen für die Verwaltung der Strom‐ und Energiesteuern, mithin der Steuern auf elektrischen Strom im Sinne der Position 2716 der Kombinierten Nomenklatur sowie auf Energieerzeugnisse i. S. d. Energiesteuergesetzes (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 EnergieStG.). Europarechtliche Vorgaben bestehen durch die sogenannte Energiesteuerrichtlinie (Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom), welche die Harmonisierung der Mindestbesteuerung und somit die Steuersätze im Strom‐ und Energiesteuerrecht regelt. Geleitet waren die Strom‐ und Energiesteuer bereits von jeher nicht nur vom fiskalischen Aspekt der Abgabenerhebung, sondern daneben auch in besonderem Maße vom Lenkungszweck der Steuern, nämlich der Verteuerung des Strom‐ bzw. Energieverbrauchs aus umweltpolitischer Sicht. Ob dieser Zielsetzung durch die aktuelle Gesetzes‐ und Verordnungslage auch heute noch Rechnung getragen wird, mag dahinstehen.Die konkrete Anwendung des jeweiligen Rechts wird weiterhin durch die zu den Gesetzen ergangenen Durchführungsverordnungen, der Stromsteuerdurchführungsverordnung (StromStV) bzw. Energiesteuerverordnung (EnergieStV) geregelt. Die folgende Darstellung zielt insbesondere auf die für die energieintensiven Unternehmen des produzierenden Gewerbes relevanten Regelungen der vorgenannten Gesetze und Verordnungen und stellt deshalb nur einen selektiven Überblick dieser Rechtsmaterie dar. Eine umfassende Darstellung der Regelungen des Energie‐ und Stromsteuerrechts findet sich in den zum Energie‐ und Stromsteuergesetz erschienenen Kommentierungen (vgl. unter anderem Möhlenkamp und Milewski (2012); Bongartz et al. (2007, EnergieStG, StromStG)).Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich zudem lediglich mit einem Teil der mit dem Verbrauch von Strom und Energieerzeugnissen einhergehenden finanziellen Belastungen für die energieintensiven Unternehmen. Ausführungen zu den weiteren damit verbundenen Kosten finden sich an geeigneter Stelle dieses Buches (vgl. zum Beispiel Kap. 8.).Allgemein ist festzustellen, dass das Strom‐ und Energiesteuerrecht bei vielen Unternehmen nicht die gebotene Aufmerksamkeit erfährt. Wie im Folgenden dargestellt wird, bietet die Strom‐ und Energiesteuer bei sachkundiger Anwendung durch den Beteiligten jedoch vielfältige Möglichkeiten, die Steuerbelastung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes zu optimieren.

Robert Böhm
11. Ertrags- und einkommensteuerliche Aspekte energieintensiver Industrieunternehmen

Das deutsche Steuerrecht wird grundsätzlich als ein politisches Instrumentarium verstanden, mit dem lenkend in das Gemeinwesen eingegriffen werden kann, sei es durch „Strafsteuern“ oder durch steuerliche Vergünstigungen verschiedenster Art. Hinsichtlich der Beeinflussung von energiepolitischen Themen sind allerdings Sonderregelungen im Ertragsteuerrecht nur sehr begrenzt erfolgt. Die Lenkung erfolgt hier primär über das EEG und Energiesteuerrecht (Vgl. Kap. 8.) Dementsprechend sind auch die im Rahmen der Energiestrategie von industriellen Unternehmen angestrebten Investitionen etwa im Bereich des Anlagenbaus/‐betriebs zur Eigenenergieerzeugung oder der energetischen Sanierung von Gebäuden grundsätzlich nur begrenzt ertragsteuerlich gefördert.

Florian Ropohl

Unternehmensanalyse der Industrieunternehmen

Frontmatter
12. Energierelevante Aspekte beim Green Marketing

Unternehmen jeglicher Größe nehmen in ihrer Geschäftstätigkeit Einfluss auf den Verbrauch und die Beschaffung von Energie sowie den Umgang mit Energie. Je größer das Unternehmen und je höher sein Energieverbrauch, desto mehr Einfluss kann auf die Energiedebatte genommen werden. Welche Chancen entstehen dadurch? Denn: Unternehmen stehen nicht mehr nur als Problem im Fokus, sondern auch als Teil der Lösung. Vorausgesetzt sie stellen sich der Herausforderung und übernehmen in ihrem Wesen die volle Verantwortung als Teil der globalen Gemeinschaft. In diesem Kapitel wird Green Marketing mit seinen Besonderheiten vorgestellt und beleuchtet, wie es im Rahmen einer effizienten Energiestrategie und als Teil der Wertschöpfungskette in Unternehmen diese Anforderung erfolg‐ und gewinnbringend unterstützen kann.

Katja Oestreicher
13. Bedeutung einer Energiestrategie für Innovation und Entwicklung

Innovation und Entwicklung tragen maßgeblich zur Umsetzung einer industriellen Energiestrategie bei. Energieoptimierte Produkte werden durch gesetzliche Vorgaben gefordert, bilden einen Beitrag zur Kostenreduzierung und fördern die ökologische Nachhaltigkeit. Sie unterstützen nicht nur die Optimierung der unternehmenseigenen Energiebilanz, sondern ermöglichen die Erreichung gesamtheitlicher energiestrategischer Ziele.Die Visualisierung der Energieströme eines Produkts in einem Energieflussdiagramm vereinfacht die Identifikation von Verbesserungspotenzialen, wobei der komplette Produktlebenszyklus von der Herstellung bis zur Entsorgung betrachtet wird. Im Sinne eines Design to Energy werden Zielvorgaben aus der unternehmensspezifischen Energiestrategie abgeleitet und fließen als Zielparameter in den Innovationsprozess ein. Gezielte Entwicklungsprojekte liefern quantifizierbare Beiträge zu einzelnen Energiezielen. Die gesamtheitliche Zielerreichung wird über ein Multiprojektmanagement gesteuert und überwacht.Der Beitrag befasst sich zudem mit Ansätzen der Ideengenerierung für radikalere Neuerungen jenseits der Weiterentwicklung bestehender Produkte.

Jörg Blechschmidt, Gregor Schiffer
14. Nachfrageseitige Flexibilitätsoptionen: Demand-Side-Management, Energiespeicher und Regelenergie

Bedingt durch den Ausbau der fluktuierenden Stromerzeuger, wie Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen, wird es vermehrt zu Phasen kommen, bei denen deutliche Überschüsse an elektrischer Energie auftreten. Um volkswirtschaftlich unerwünschte Abschaltungen zu reduzieren, ist es notwendig, die Ergänzungskraftwerke und ebenso Verbraucher wie beispielsweise Industrieanlagen zu flexibilisieren bzw. Speicher aufzubauen.Voraussetzung ist jedoch, dass diese Anlagen Kenntnis über die momentane Marktpreis‐ und Netzsituation und Bedarfe erhalten. Sie müssen in ein virtuelles Kraftwerk/Smart Grid integriert werden. Geschieht dies, können im Verbund heute schon Flexibilitätsmärkte, wie Spotmärkte oder Regelenergiemärkte, erreicht werden, die für flexible Anlagen zusätzliche Erträge und reduzierte Energiekosten möglich machen.Deshalb wird eine wesentliche Eigenschaft von Industrieanlagen schon in naher Zukunft die mögliche zeitliche Flexibilität des Energiebezugs sein. Es gilt, diese Flexibilität zu erkennen und eventuell durch Umbau bzw. Erweiterungen der Anlage zu erhöhen. Hier spielt das Energiemanagement eines Unternehmens eine wesentliche Rolle. Es kann zusätzliche Aufgaben übernehmen und so zum Flexibilitätsmanagement werden. Über flexible Anlagen können schwankende Netzsituationen ausgeglichen und der Anteil der umweltfreundlichen Stromerzeuger erhöht werden. Überschüsse von elektrischer Energie können in andere Energieformen wie Wärme, Gas, Wasser bzw. im Unternehmen zu produzierende Stoffe umgewandelt und so gespeichert werden.

Ralf Simon
15. Energieeffiziente Querschnittstechnologien

Die Steigerung der Energieeffizienz hat für die deutsche Wirtschaft an Relevanz gewonnen: 83 Prozent der Unternehmen bewerten das Thema 2014 als sehr wichtig oder wichtig für ihren Betrieb. Trotz der schon laufenden Anstrengungen zur Erhöhung der Energieeffizienz schöpfen die deutschen Unternehmen noch lange nicht alle wirtschaftlichen Potenziale aus. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig: Häufig fehlen in der Praxis sowohl Informationen über konkrete Energieeffizienzpotenziale im Unternehmen als auch das Hintergrundwissen zur Umsetzung von Maßnahmen. Zudem stellt die Finanzierung wirtschaftlicher Energieeffizienzmaßnahmen für viele Unternehmen eine Herausforderung dar. Mit Energieeffizienzmaßnahmen, die ihre Investitionen innerhalb des typischen, unternehmerischen Erwartungshorizont von maximal drei Jahren refinanzieren, können Unternehmen in Industrie und Gewerbe jährlich mehrere Milliarden Euro Energiekosten einsparen. Neben der Senkung der innerbetrieblichen Kosten verbessern sie damit ihre Wettbewerbsfähigkeit und leisten einen entscheidenden Beitrag zu den Zielen der Energiewende. Die größten Energieeffizienzpotenziale bietet dabei die Brennstoffnutzung. Durch ganzheitliche Prozess‐ und Systemoptimierungen, verbesserte Abwärmenutzung sowie Reduktion von Wärmeverlusten durch bessere Dämmung thermischer Anlagen und Prozesse können bis 2020 im Vergleich zu 2008 wirtschaftliche Energieeffizienzpotenziale von über 40 TWh erschlossen werden. Das Energieeinsparpotenzial bei Stromanwendungen liegt im gleichen Betrachtungszeitraum in der Summe bei rund 25 TWh pro Jahr. Typische Maßnahmen zur Energieverbrauchssenkung sind hier der Einsatz hocheffizienter Motoren, die energetische Optimierung von Druckluft‐, Pumpen‐ und Lüftungssystemen sowie der Einsatz moderner Technologien bei Beleuchtung und IKT‐Anwendungen. Die energetische Optimierung von Querschnittstechnologien bietet unabhängig von Unternehmensart und ‐größe deutliche Einsparpotenziale. So können zum Beispiel in den Technologiebereichen Druckluft bis zu 50 Prozent und bei Pumpensystemen bis zu 30 Prozent der benötigten Energie eingespart werden. Im Bereich der Beleuchtung lässt sich dank moderner Technologien der Energieverbrauch wirtschaftlich um bis zu 70 Prozent reduzieren. Um diese Potenziale zu erschließen, ist eine wesentliche Voraussetzung, in Unternehmen ein Bewusstsein für ihre wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit zu schaffen. Nur wenn die Entscheider vor Ort informiert und motiviert sind, wird es gelingen, durch die energetische Optimierung von Querschnittstechnologien Kosteneinsparungen zu erzielen. Dazu bedarf es sowohl zielgerichteter Informationen und Unterstützung, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, als auch einer individuellen Energiestrategie im einzelnen Betrieb.Ob Großbetrieb oder KMU, Energiekosten sind für Unternehmen ein ernstzunehmender Kostenfaktor. Gleichzeitig ist die effiziente Nutzung von Energie eine zentrale Voraussetzung zur Realisierung der Ziele europäischer und nationaler Energiepolitik. Energieeffiziente Querschnittstechnologien bieten einen zentralen Ansatzpunkt, um Energieeffizienzpotenziale in Deutschland zu erschließen und gleichzeitig die Wettbewerbsposition der einzelnen Unternehmen zu stärken. Denn der Einsatz energieeffizienter Querschnittstechnologien im Unternehmen senkt Produktionskosten, trägt zum optimierten Betrieb von Anlagen bei und fördert innerbetriebliche Innovationen.

Hannes Seidl
16. 3D-Druck: eine nachhaltige und Energieeffizienz fördernde Technologie

Unternehmen werden in Zukunft noch mehr Investitionsentscheidungen und ‐strategien im Bereich der Energieeffizienz treffen. Wie können Energieziele wie Energiepreisstabilität, Energiepreissenkung und möglicherweise sogar Versorgungssicherheit durch die Technologie des 3D‐Drucks unterstützt werden? Diese Fragen soll dieser Artikel beleuchten und dazu Perspektiven anhand einiger Beispiele aufzeigen.

Petra Fastermann
17. Auslegung energiebezogener Anlagen und Prozesse

Durch nahezu jede neue technische Anlage oder Prozessveränderung wird das Gefüge der (Teil‐)Energieströme verändert. Dies hat nicht nur Auswirkung auf die netzbezogene energetische Arbeit, sondern auch auf die meist staatlich gelenkten oder regulierten Energienebenkosten wie Netznutzungsentgelte, Steuern, Umlagen, Abgaben, Zuschüsse oder Fördermittel.Die wertoptimale Auslegung einer technischen Anlage oder eines Prozesses unter vollständiger Berücksichtigung der resultierenden Energiekosten ist durch die große Zahl von Ausnahmeregelungen bei den Energienebenkosten sehr komplex. Im vorliegenden Beitrag wird gezeigt, wie die wertoptimierte Auslegung von technischen Anlagen oder Prozessen durch die Anwendung von Simulationstechniken durchgeführt werden kann.Projektrisiken wie mögliche gesetzliche Änderungen können quantifiziert werden, was zu deutlich verbessertem Management der Risiken führt. Der beschriebene Ansatz erfordert aufgrund der benötigten Kenntnisse sowohl technischer und betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge als auch aller liquiditätswirksamen Vorgaben und Gesetzen inklusive möglicher Ausnahmeregelungen ein interdisziplinäres Vorgehen.

Ralf Tesch, Jan-Christoph Stoephasius
18. Materialwirtschaft, Beschaffung und Logistik

Eine materialbezogene Energiestrategie muss Bottom‐up die konkreten Handlungsfelder fortentwickeln. Dazu gehören energieeffiziente Prozesse in Materialwirtschaft, Beschaffung und Logistik sowie Investitionen in die benötigten Gebäude, Anlagen und Transportmittel. Der Beitrag systematisiert die Handlungsmöglichkeiten und zeigt die wichtigsten Prioritäten auf. Eine besondere Rolle spielen energiebezogene Bewertungen in Wertnetzen einschließlich Logistikdienstleister. Doch um langfristige Ziele zu entwickeln, sind ergänzend Top‐down relevante Trends zu erkennen und in die Strategieentwicklung einzubeziehen. Sowohl die Entwicklungen in Materialwirtschaft und Logistik sind von Bedeutung als auch diejenigen im Energiebereich selber. Zahlreiche Methoden helfen dem Unternehmen, im Rahmen einer Gesamtstrategie eine energieeffiziente Materialwirtschaft als strategischen Wettbewerbsfaktor einzusetzen. Letztlich geht es für die volkswirtschaftliche Energiewende und das einzelne Unternehmen darum, geschlossene Stoffkreisläufe mit CO2‐neutraler Energieversorgung zu erreichen.

Johannes Kals
19. Energiebeschaffung für Industrieunternehmen

Die Liberalisierung der europäischen Energiemärkte der letzten 15 Jahre hatte weitreichende Auswirkungen auf die Energieversorgungsmärkte und folglich auf die Energiebeschaffungskonzepte von Industrieunternehmen. Für die Industrie hat diese neue Marktordnung mit Blick auf ihre Energiebeschaffung weitreichende Konsequenzen. Waren Unternehmen in früheren Jahrzehnten an den örtlichen Energieversorger gebunden, können sie heute ihren Energielieferanten überregional wählen. Die Energieversorger haben sich im Lauf der Jahre auf den wachsenden Wettbewerb mit einem granulareren Produkt‐ und Dienstleistungsangebot eingestellt. Doch mit den Chancen wachsen auch die Risiken für energiebeschaffende Unternehmen. Von Jahr zu Jahr wird der Energieeinkauf komplexer. Bot der Markt in der Vergangenheit überwiegend die klassische Festpreisbeschaffung an, so entwickelten sich bis heute eine Reihe weiterer Produktgruppen mit speziellem Chancen‐Risiko‐Profil.Mit der politischen Entscheidung zur Energiewende sind die Anbieter und Nachfrager am wettbewerbsintensiven Markt der Energieversorgung mit einem neuen „Game Changer“ konfrontiert. Die neue Marktstruktur hat die Beschaffungsaufgabe von Energieeinkäufern in Industrieunternehmen erheblich verändert. Das Risiko für Industrieunternehmen, in diesem Prozess Beschaffungsentscheidungen ohne vollständigen Informationsüberblick zu tätigen, wird größer. Die Anforderungen an Energieeinkäufer, ihrer Verantwortung für den gesamtheitlichen Unternehmenserfolg gerecht zu werden, wachsen. Vor diesem Hintergrund ist das Thema Energiebeschaffung heute mehr im Fokus von unternehmerischen Entscheidungsprozessen als in der Vergangenheit.Die auf ein Unternehmensziel abgestimmte individuelle Energiebeschaffungsstrategie ist der Kernpfeiler jeder betriebswirtschaftlichen Energiestrategie.Für die Energieeinkäufer der Unternehmen gilt es, die vielfältigen Produkte und Anbieter zu kennen und sich gleichzeitig der Risiken von liberalisierten Energiemärkten in Zeiten der Energiewende bewusst zu sein. Altbekannte Marktmechanismen, die Orientierung beim Energieeinkauf boten, gelten in Zeiten von Liberalisierung und Energiewende nicht mehr. Um die betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozesse vor dem Hintergrund der bestehenden Energiemarktstrukturen gestalten zu können, müssen Energieeinkäufer zu folgenden Themen Kompetenzen erwerben: Grundlagenwissen über die deutschen und europäischen Großhandelsmärkte für Energie (Strom und Gas),Risiken, Risikomanagement und Ziele der Energiebeschaffung bei bestehender Marktstruktur,Beschaffungsprodukte im Energieeinkauf,aktuelle politische und volkswirtschaftliche Überlegungen zur Weiterentwicklung der Energiemärkte.

Philip Würfel, Tobias Kunzelmann, Mustafa Toptik
20. Energiemanagementsysteme

Energie war immer ein Politikum und beeinflusste Unternehmen, private wie öffentliche Organisationen. Um den Einsatz fossiler wie erneuerbarer Energieressourcen effizient und umweltschonend vorzunehmen, um Abhängigkeiten von Energieimporten möglichst zu vermeiden und den Klimaschutz voranzutreiben, beauftragte die EU‐Kommission im Jahr 2001 das Europäische Komitee für Normung CEN und das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung CENELEC, gemeinsam Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zu identifizieren. Hieraus leitete sich die europäische Entwicklung eines Energiemanagementsystems EN 16001 ab. Die International Organization for Standardization [ISO] folgte und beauftragte das ISO Project Committee 242, eine internationale Norm ISO 50001 „Energy management systems – Requirements with guidance for use“ zu erstellen.In dem Beitrag wird auf die Historie und die Ausrichtung des Energiemanagementsystems ISO 50001 eingegangen, werden Kernbegriffe erläutert und der Fokus auf die kontinuierliche Verbesserung der Energy Performance (energiebezogene Leistung) beschrieben. Im Jahr 2014 wurden weitere Standards der ISO‐50000‐Familie veröffentlicht. Deren Relevanz und im Besonderen die Überlappung der ISO‐50002‐Energieaudit mit der EN‐16247‐Energieaudit werden erläutert.Ergänzt wird der Aufsatz mit einem Ausblick auf die aktuellen Tätigkeiten des ISO Technical Committes 242 zur Dienstleistung im Umfeld EnMS und die geplante Umstrukturierung der bestehenden ISO 50001, um eine Angleichung an die für alle ISO‐Managementstandards vereinbarte High Level Structure zu erreichen.In der abschließenden Zusammenfassung wird das Wirken der ISO 50001 auf Unternehmen und Organisationen betrachtet und die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen zur Optimierung der Energy Performance/energiebezogenen Leistung unterstrichen.

Paul Girbig
21. Wertschöpfungsorientiertes Energiecontrolling

Die Implementierung des Energiecontrollings ist bisher stärker von der Steuerabteilung als dem strategischen Management getrieben, was zu Defiziten bei der Ausgestaltung der Energieziele und Energiestrategien geführt haben kann, die sich auch im Energiecontrolling niederschlagen. Dementsprechend herrscht in der Praxis ein informationsorientiertes Verständnis des Energiecontrollings vor, bei dem das Energiecontrolling auf die Beschaffung von Verbrauchsdaten und die Ermittlung weiterer Energiekennzahlen reduziert wird. Anhand eines Metamodells einer Controllingkonzeption werden deshalb die Elemente eines wertschöpfungsorientierten Energiecontrollingsystems beschrieben. Diese bestehen aus den Energiecontrollingzielen, den daraus abgeleiteten Energiecontrollingaufgaben sowie den zugehörigen Aufgabenträgern. Diese Elemente des Controllingsystems werden in einen Kontext und eine wertschöpfungsorientierte Controllingphilosophie eingebettet. Aus dieser Beschreibung der Bestandteile des Energiecontrollingsystems und einer Abgrenzung zur Darstellung in dem Normtext der DIN EN ISO 50001:2011 können Energiecontroller Anregungen zur Gestaltung eines unternehmensspezifischen Energiecontrollingkonzeptes gewinnen. Diese beziehen sich auf einen über Energieeffizienzziele hinausreichenden Blick auf die Energieziele und dementsprechend auch auf ein weitergehendes Aufgabenverständnis des Energiecontrollings, welches im Sinne des Gälweilerschen Wertschöpfungskreislaufes nicht nur die Erfolgssphäre (Energieverbrauch), sondern auch die Erfolgspotenziale betrachtet und dementsprechend auch das Investitionscontrolling berücksichtigt.

Frank J. Matzen
22. Instrumente, Herausforderungen und Methoden des Energieinvestitionscontrollings im PDCA-Zyklus

Bedingt durch Investitionen in Energieerzeugung, Energiespeicherung und Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz könnte sich in Zukunft die Anlageintensität von Industrieunternehmen erhöhen. Diese Investitionen haben Charakteristika, die von Investitionen im Kerngeschäft der Industrieunternehmen abweichen und die deshalb durch das Investitionscontrolling zu berücksichtigen sind. Zunächst werden deshalb die Charakteristika dieser Investitionsmaßnahmen aufgezeigt, um anschließend die spezifischen Controllingmethodiken in dem für Energiemanagementsysteme typischen PDCA‐Zyklus aufzuzeigen und zu diskutieren. Als Ergebnis werden in jeder der Phasen die jeweiligen Besonderheiten aufgezeigt. Hieraus ergeben sich für die praktische Anwendung Anregungen für die Gestaltung und Optimierung der Methoden des Investitionscontrollings in den jeweiligen Phasen.

Frank J. Matzen
23. Aufgaben und Methoden des Energieerfolgscontrollings: statisches vs. flexibles Energieerfolgscontrolling

Die Energiekosten in Deutschland steigen vor allem aufgrund der staatlich regulierten Nebenkosten wie Abgaben, Umlagen und Entgelten. Für energieintensive Unternehmen entsteht daraus ein zunehmender Bedarf, die Energiekosten in einem wirksamen Controllingsystem zu abzubilden. Eine besondere Herausforderung stellt hier das Energieerfolgscontrolling dar, da der Energieverbrauch häufig nicht ausschließlich linear mit der Beschäftigung skaliert, sondern von unterschiedlichen Verbrauchstreibern begründet wird und der spezifische Verbrauch eines Verbrauchstreibers aufgrund induzierter Verbräuche von Nutz‐ und Sekundärenergien messtechnisch häufig nicht zugänglich ist.Zunächst werden die spezifischen Aufgaben des Energieerfolgscontrollings dargestellt, um daran anschließend die Methoden und Instrumente des Energiecontrollings aufzuzeigen. Aus der Betrachtung der Schwächen dieses an der Kilger‘schen starren Plankostenrechnung orientierten Energiecontrollingansatzes wird ein flexibler Controllingansatz entwickelt, der sowohl Unterschiede in der Beschäftigung als auch die Auswirkung weiterer Parameter einbezieht.Das als Ergebnis dieses Aufsatzes aufgezeigte flexible Energieerfolgscontrolling bietet Ansatzpunkte für eine Optimierung des Energiecontrollings. Die Umsetzung des Ansatzes hängt jedoch von der Leistungsfähigkeit der Software und insbesondere der zugrunde liegenden Datenbanken ab.

Frank J. Matzen, Jan-Christoph Stoephasius
24. Personal

Obgleich bei der Beschäftigung mit industriellen Energiestrategien der Hauptfokus in der Regel eher auf technisch‐ökonomischen Zusammenhängen liegt, kann auch seitens des Personalmanagements durchaus ein Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz geleistet werden. In diesem Beitrag soll es zum einen um die Bewusstseinsbildung zum verantwortlichen Umgang der Mitarbeiter mit Ressourcen im beruflichen und privaten Umfeld gehen, zum anderen um eine Analyse der Energieeffizienzpotenziale in zwei Bereichen, die vielfältige Möglichkeiten bieten: der Mobilität und der Arbeitsorganisation.

Jutta Rump, Silke Eilers
25. Standortplanung

Bei der Auswahl und bei der Entwicklung von Standorten für Produktionsanlagen sind vielfältige Aspekte zu berücksichtigen, unter anderem auch mit Bezug zu Kosten und Verfügbarkeit von Energie. Die zeitliche Reichweite von Entscheidungen ist dabei sehr groß, oft sind verschiedene Zukunftsszenarien denkbar, die unterschiedliche Energiekonzepte erfordern. Dieses Kapitel soll Einblick geben in derartige Fragen und exemplarisch Lösungsansätze aufzeigen.Neben Unsicherheiten in Bezug zum künftigen Energiebedarf, insbesondere durch unterschiedliche Expansionsszenarien ist auch die zukünftige Entwicklung der Bezugskosten von Energie unsicher und von politischen Entscheidungen abhängig. Daher gibt es nicht DAS optimale Energiekonzept, sondern es gilt, flexible Konzepte zu erarbeiten und modular auszubauen.Dadurch ist oft nicht die anfänglich billigste Lösung die beste, sondern die, die am besten auf neue Entwicklungen bei Kosten und Verfügbarkeit von Energie anpassbar ist und bei der neue Möglichkeiten am besten integriert werden können.

Martin Strohrmann
26. Energieaspekte der Informationstechnologie

Die Bedeutung von Informationstechnologie für Energie gliedert sich in drei Bereiche: Energieverbrauch von IT‐Systemen, Steigerung der Energieeffizienz in anderen Sektoren durch den Einsatz von IT und Verbesserung des Gleichgewichts zwischen Stromangebot und ‐nachfrage durch intelligente Netzsteuerung. Der vorliegende Beitrag liefert Fakten und Hintergründe, stellt Zusammenhänge her und erklärt die Dynamik der jeweiligen Märkte anhand beobachteter Nutzenerwartungen der beteiligten Interessengruppen. Trotz kontinuierlicher Verbesserung der Energieeffizienz in der IT‐Infrastruktur hat sich ihr Anteil am Stromverbrauch durch hohes Mengenwachstum stetig erhöht. Im Bewusstsein von Politik und Gesellschaft hat sich IT zu einem Risikofaktor für Umwelt und Klima entwickelt. Während das Entstehen völlig neuer Anwendungsfelder und deren Marktdynamik nur schwer prognostiziert werden können, befindet sich die technologische Entwicklung der IT‐Infrastruktur seit der Zeit, in der Energie als Kostenfaktor der IT identifiziert wurde, auf einem steilen Pfad zu höherer Energieeffizienz. Gleichzeitig setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass IT die wichtigste Schlüsseltechnologie zur Steigerung der Energieeffizienz in anderen Sektoren darstellt. Selbst wenn der gesamte Energieverbrauch für den Betrieb der IT‐Systeme ins Verhältnis zu den Einsparungen gesetzt wird, die bereits in den wichtigsten vertikalen Einsatzfeldern durch IT ermöglicht werden, ergibt sich eine deutlich positive Bilanz. Hinausgehend über die zahlreichen direkten Einspareffekte, die IT in vertikalen und horizontalen Prozessen erzeugt, kommt IT wachsende Bedeutung für die Steuerung des Stromnetzes zu. Durch intelligente dynamische Anreizstrukturen für die Ausrichtung der Stromnachfrage an die fluktuierenden Angebotspotenziale kann die Effizienz des Elektrizitätsmarktes gesteigert werden. Mit der Ausdehnung auf das „Internet der Dinge“ kann IT einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung von Stromnetzen unter Kostenoptimierung der Erzeugung und Maximierung der Nutzung erneuerbarer Quellen leisten. Abschließend legt dieser Beitrag Gründe dar, die trotz großer betriebs‐ und volkswirtschaftlicher Potenziale die Geschwindigkeit der Marktdurchdringung hemmen.

Joseph Reger, Bernd Kosch
27. Energieeffizienz im industriellen Immobilienportfolio

Noch vor der klimafreundlichen Energieerzeugung wird die Energieeffizienz zur wichtigsten Aufgabe bei der Umsetzung der Energiewende. Dieser Beitrag zeigt auf, wie Energieeffizienzsteigerungen im industriellen Immobilienportfolio systematisch und methodisch umgesetzt werden. Dabei wird der Energieverbrauch in Gebäuden ganzheitlich betrachtet und auch ein Ausblick in künftige Entwicklungen vorgenommen. Diese beziehen sich insbesondere auf Innovationen in der Gebäudetechnik sowie auf die Kommunikationsfähigkeit von einzelnen Systemen und Komponenten zur Reduzierung des Energieverbrauchs im Immobilienportfolio von Industrieunternehmen.

Stefan Beretitsch, Stefanie Wonner-Beretitsch
28. Kreditfinanzierung von Energieanlagen

Um die Energieziele eines Industrieunternehmens zu erreichen, sind mitunter nicht nur Verhaltensänderung, sondern je nach energiestrategischem Fokus auch Investitionen in Energieanlagen notwendig. Da Energieanlagen kapitalintensiv sind, stellt sich im Hinblick auf die Machbarkeit einer Investition unmittelbar die Frage der Finanzierung. In dem folgenden Beitrag sollen die Formen der Kreditfinanzierung zur Finanzierung von Energieanlagen dargestellt werden. Dabei sollen zunächst Finanzierungen auf Unternehmensebene als eine verbreitete Form der Finanzierung dargestellt werden. Anschließend werden auf die Projekt‐ und Mezzanine‐Finanzierung als alternative Formen der Kreditfinanzierung eingegangen. Im Ergebnis werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowie Anwendungsmöglichkeiten der Kreditformen diskutiert.

Frank J. Matzen
29. Fördermittel zur Finanzierung von Energieerzeugung, -speicherung und -effizienzmaßnahmen

Für die erfolgreiche Gestaltung der Energiewende in Deutschland sind erhebliche Investitionen durch Industrieunternehmen in deren Energieinfrastruktur sowie kontinuierliche Innovationen und die Entwicklung und Markteinführung neuer Technologien und Produkte notwendig. Können diese Maßnahmen nicht durch Eigenkapital finanziert werden, so kann eine höhere Verschuldung notwendig werden. Aufgrund von Rating‐Kriterien kann eine Erhöhung der Verschuldung jedoch nicht wünschenswert sein. Hierbei können öffentliche Finanzierungshilfen eine Alternative darstellen, die aus Sicht der Industrieunternehmen prüfenswert ist. Im Weiteren wird zunächst ein kurzer Überblick über Kriterien der Förderungswürdigkeit sowie die förderungsfähigen Vorhaben und Förderinstrumente gegeben. Daran anschließend werden wesentliche Förderungen durch EU, Bund und Länder dargestellt. Abschließend werden die Herausforderungen, aber auch der Mehrwert von Förderungen zusammengefasst.

Georg Glavanovits
30. Das Pachtmodell – eine Sonderform des Leasings von Energieanlagen

Im Zusammenhang mit einer Eigenstromversorgung wird das Pachtmodell als eine mögliche Alternative zur Finanzierung des Erwerbs von Energieanlagen diskutiert. Wesentlich verbreiteter ist jedoch seine Anwendung zur Restrukturierung fehlgeschlagener Energieliefercontracting‐Modelle und zur Pacht von häufig unrentablen Energieanlagen von Energieversorgern. Für die Geschäftsleitung eines Industrieunternehmens stellt sich die Frage, ob dieses Finanzierungsmodell vorteilhaft ist. Um dieser Frage nachzugehen, wird zunächst das Pachtmodell in den Formen des Teil‐ und Vollamortisationsmodells erläutert und von dem Operating und Finance Lease abgegrenzt. Daran anschließend wird das Pachtmodell auf Basis der in der Literatur diskutierten Vor‐ und Nachteile von Leasing im Vergleich mit einem kreditfinanzierten Kauf gewürdigt. Im Ergebnis kann das Pachtmodell im Einzelfall aus bestimmten wirtschaftlichen Erwägungen heraus vorteilhaft sein. Die Flexibilitätsoption eines Teilamortisationspachtmodell kann ebenfalls von großer Bedeutung sein. Eine angestrebte Off‐balance‐Finanzierung kann hingegen nur im Fall eines Teilamortisationspachtmodells dargestellt werden.

Frank J. Matzen
31. Energieeinspar-Contracting zur Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen

Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz des Energieverbrauchs (sogenannte Energieeffizienzmaßnahmen) gelten als große Chance zur Erreichung der Energiewende und der mit ihr verbundenen Ziele im Kampf gegen den Klimawandel. Sie erlauben der deutschen Wirtschaft und Bevölkerung bei gleicher Wirtschaftsleistung und gleichem Lebensstandard weniger Energie zu verbrauchen und sind zugleich der größte und kostengünstigste Hebel zur Reduktion des CO2‐Ausstoßes. Obschon mit Energieeffizienzmaßnahmen meist eine finanzielle Einsparung erzielt werden kann, zögern viele Unternehmen aufgrund der hohen Investitionskosten, ihre Gebäude und Anlagen energetisch zu sanieren. Insbesondere ein nicht technisch bedingter oder zwingend notwendiger Einsatz wird oft herausgeschoben und das Kapital in höher priorisierte Projekte investiert. Es stellt sich daher die Frage, wie die Nutzer und Besitzer von Gebäuden und Anlagen zu einer energetischen Sanierung bewogen werden können und woher das Geld für die Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen kommen soll. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie Einspar‐Contracting in Kombination mit einem externen Finanzierungsweg eine optimale Lösung für industrielle Unternehmen sein kann. Dabei werden wesentliche Bestandteile des Einsparcontract‐Modells sowie die Attraktivität einer derartigen Finanzierung für Unternehmen verdeutlicht. Schlussendlich legt der Beitrag dar, wie mit der Strukturierung von Energieeffizienzmaßnahmen als Contracting‐Lösung und der Aggregation zu Projektportfolios Energieeffizienzmaßnahmen als festverzinsliche Einkommensquelle für institutionelle Investoren strukturiert werden können.

Patrick Fankhauser, Tobias Reichmuth, Sebastian Carneiro, Eva Kluzik

Industrielle Energiestrategie

Frontmatter
32. Mehr als nur Energieeffizienz: Energieziele und Zielkonflikte

Die derzeitige ISO 50001:2011 erlaubt über die Begrifflichkeit der energiebezogenen Leistungen eine große Bandbreite an möglichen Energiezielen. Viele energieintensive Unternehmen haben sich dennoch – auch aufgrund der Fokussierung durch die zu implementierenden Energiemanagementsysteme – dem auf den ersten Blick nachvollziehbaren Ziel der Steigerung der Energieeffizienz verschrieben. Gleichzeitig unterliegen die energiebezogenen Rahmenbedingungen jedoch einem fundamentalen Wandel: Der Strompreis sinkt stetig, während Abgaben und Netzentgelte steigen, das gegenwärtige Marktdesign der Energiewirtschaft steht zur Diskussion und die geopolitischen Rahmenbedingungen haben sich signifikant verändert. Die Frage ist nunmehr, ob die Fokussierung auf Energieeffizienz als einziges Energieziel ausreichend ist oder ob in Anbetracht dieser Veränderungen eine offene Diskussion über die jeweils relevanten Energieziele geführt werden müssen. Hierzu sollen zunächst mögliche Energieziele im Sinne von strategischen und operativen Energiezielen beschrieben werden, um daran anschließend die Zielkonflikte zwischen den einzelnen möglichen Energiezielen zu diskutieren. Diese Beschreibung und Diskussion von Energiezielen und Zielkonflikten soll das Management in den Lage versetzen, für das einzelne Unternehmen oder einen Unternehmensbereich jeweils relevante strategische und operative Energieziele auszuwählen und diese dann beispielsweise in einem Energiemanagementsystem zu verankern. Diese Ergebnisse implizieren eine breitere Diskussion der Energieziele, als sie gegenwärtig im Zusammenhang mit Energiemanagementsystemen geführt wird. Sie soll helfen, die Einordnung der Energieziele in übergeordnete Unternehmensziele zu gewährleisten.

Frank J. Matzen, Ralf Tesch
33. Methoden zur Ableitung von Energiestrategien in komplexen Entscheidungssituationen

Mit Beginn des Liberalisierungsprozesses des europäischen Gas‐ und Elektrizitätsmarktes in den 1990er‐Jahren und der damit einhergehenden Umgestaltung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen kam es zu tiefgreifenden Änderungen für energieintensive Industrieunternehmen. Diese Änderungen umfassen nicht nur Unbundling, Auktionen und neuen Wettbewerb in der Energiewirtschaft, sondern schließen außerdem den Wandel zu erneuerbaren Energien und ein unternehmerisches Umdenken bei der Energiebeschaffung mit ein. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2050 den Anteil von erneuerbaren Energien am Energiemix auf 80 Prozent zu steigern, macht Investitionen erforderlich und stellt energieintensive Unternehmen vor Entscheidungen, beispielsweise ob sie Investitionen zur Energieproduktion tätigen oder neue Energiezulieferer finden.Die beschriebenen fundamentalen Änderungen der Rahmenbedingungen ergeben für die betroffenen Unternehmen eine dynamisch‐komplexe Entscheidungssituation, aus der jedoch keine allgemein gültigen eindeutigen Handlungsempfehlungen abzuleiten sind. Diese sind daher stets unternehmensindividuell zu erarbeiten. Der vorliegende Beitrag zeigt dazu verschiedene Methoden auf, mit denen komplexe Entscheidungstatbestände detailliert untersucht und analysiert werden können. Dabei werden die folgenden Methoden beschrieben und an einschlägigen Beispielen demonstriert: Modellierung des Wertschöpfungsnetzwerks, Kausaldiagramme, System‐Dynamics‐Simulationsmodelle und agentenbasierte Modellierung. Ziel dieses Beitrags ist es, anwendungsorientierte Methoden der Entscheidungsunterstützung zu präsentieren, die dabei helfen können, dynamisch‐komplexe Situationen besser zu analysieren und unternehmensindividuell passende Strategien dafür zu erarbeiten.

Roland Maximilian Happach, Meike Tilebein
34. Entwicklung einer Energiestrategie: Normstrategien oder Lösungsmuster

Dieser Beitrag soll Unternehmen helfen, auf Basis der für das jeweilige Unternehmen relevanten Energieziele geeignete Handlungsoptionen zur Erreichung dieser Ziele auszuwählen. Grundsätzlich besteht für Industrieunternehmen das Problem, aufgrund der Vielzahl relevanter Energieziele geeignete und auch im Hinblick auf die Gesamtunternehmensstrategie konsistente Energiestrategien – also Vorgehens‐ und Verhaltensweisen zur Erreichung dieser gesetzten Energieziele – auszuwählen.Zunächst wird eine Übersicht energiestrategischer Ansätze in der Literatur dargestellt. Aufbauend auf der Literaturrecherche und der kritischen Diskussion einerseits und der zuvor entwickelten Energieziele andererseits wird ein energiestrategisches Modell entwickelt, welches auf der Idee von kombinierbaren Lösungsmustern statt deterministischer Normstrategien beruht. Dieses lösungsmusterbasierte Modell erkennt die Vielschichtigkeit der Einflussfaktoren auf Ziele und Handlungsoptionen an und versucht, den unternehmensindividuellen Gegebenheiten gerecht zu werden.

Frank J. Matzen, Ralf Tesch
35. Erfolgreiche Umsetzung der Energiestrategie als Teil der Unternehmensstrategie in der Praxis

Für Energiestrategien gilt dasselbe wie für jede andere Strategie eines Unternehmens: Erst die vollständige Umsetzung der Strategie führt dazu, dass das Unternehmen die gesetzten Ziele erreicht. Häufig wird von der Unternehmensleitung sehr viel Zeit in die Entwicklung der richtigen Unternehmensstrategie investiert. Bei der sich anschließenden Umsetzung dieser Strategie werden aber vielfach nicht die geplanten Ergebnisse erzielt.Für Unternehmen stellt sich deshalb nicht nur die Aufgabe, eine der Unternehmenssituation entsprechende Energiestrategie zu entwickeln, die den Anforderungen des sich wandelnden Energiemarktes und dynamischen Veränderungen des Wettbewerbsumfeldes gerecht wird. Darüber hinaus muss das Topmanagement sicherstellen, dass diese Energiestrategie so umgesetzt wird, dass die angestrebten Ziele vollständig und ohne Verzögerung erreicht werden. Die Fähigkeit zur Umsetzung der Energiestrategie und ggf. die Etablierung der hierfür im Unternehmen erforderlichen Prozesse und Abläufe stellt damit einen unverzichtbaren Aspekt im Energiemanagement eines Unternehmens dar.Dieser Beitrag setzt sich mit den Anforderungen der ISO‐Norm 50001 auseinander und zeigt einen systematischen Umsetzungsprozess auf, mit dessen Hilfe das Topmanagement die Energiestrategie planbar und steuerbar in der Praxis umsetzen kann.

Simone Springer-Hoppe, Lars Hoppe, Christian Becker
Metadaten
Titel
Industrielle Energiestrategie
herausgegeben von
Frank J. Matzen
Ralf Tesch
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-07606-1
Print ISBN
978-3-658-07605-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-07606-1

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