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2024 | Buch

Mittendrin und nicht dabei

Die Fernsehredaktion als Apparat journalistischer Versicherung

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Über dieses Buch

„Nun das Wichtigste vom Tag“, so beginnen oft Nachrichtensendung. Was so selbstverständlich klingt und klingen soll, ist Ergebnis eines Prozesses, der im fertigen Beitrag kaum noch zu erkennen ist. Dabei prägen Redaktionen unser Bild der Wirklichkeit, indem sie ihr Publikum mit Informationen konfrontieren, über die sich reden und streiten lässt. Wie und wann das gelingt, zeigt diese Studie anhand der ZDF-heute-Redaktion. Dort lassen sich Verfahren beobachten, durch die sich die Redaktion ihrem Verständnis der Nachricht nach und nach versichert. Die Ereignisse, organisatorischen Notwendigkeiten und antizipierten Publikumsreaktionen bilden dabei nur den Hintergrund, vor dem über Auswahl und Darstellung der Inhalte entschieden wird. Die einschlägigen Kriterien müssen immer wieder aus der Konfrontation mit Nachrichtenentwürfen entwickelt werden, um das Vertrauen in eine ‚akzeptable‘ Version zu begründen. So schaffen Redaktionen Normalität angesichts von Ereignissen, die uns sonst oft sprachlos machen. Zum Problem wird die routinierte Bearbeitung von Neuigkeit jedoch, wenn existenzielle Notlagen wie die Klimakrise durch ein Weiter-so gerade nicht zu bewältigen sind.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Mehr Empirie wagen
Zusammenfassung
Dieses Kapitel spannt den Hintergrund auf, vor dem die Fragen hinsichtlich des massenmedialen Nachrichtenjournalismus bisher beantwortet wurden. Dazu zählen grundlegende theoretische Auseinandersetzungen mit dem Phänomen Journalismus und den Massenmedien insgesamt wie jene der Systemtheorie und der Kritischen Theorie, aber auch das weite Feld an Inhaltsanalysen und anderen Studien, die journalistische Erzeugnisse in den Blick genommen haben. Darauf aufbauend ergeben sich die Fragen, inwieweit gerade ethnographische Ansätze wie der vorliegende geeignet sind, die bisherige Forschung, um jene Einsichten zu ergänzen, für die andere Methoden weit weniger sensibel sind und ob man folglich nicht mehr Empirie wagen sollte. So konnten etwa eine Vielzahl von Redaktionsethnographien grundlegende Praktiken des journalistischen Schaffens erkunden, den Einfluss struktureller und organisatorischer Rahmenbedingungen offenlegen und die Bedeutung ritualisierter Vorgänge beleuchten.
Mirco Liefke
Kapitel 2. Geschichte und Organisation der (redaktionellen) journalistischen Tätigkeit
Zusammenfassung
Es folgt ein Überblick der Geschichte, also der für das Verständnis redaktioneller Praxis in Deutschland einschlägigen historischen Zusammenhänge, wobei insbesondere die Erfahrungen des auch auf massenmedialer Ebene geführten Zweiten Weltkriegs bei der Entstehung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit auch des ZDF beleuchtet werden. Danach werden der Aufbau und die Organisation der redaktionellen Tätigkeit dieses Senders einschließlich der wichtigsten Gremien und Funktionsträger dargestellt und erläutert, auf welche Weise ein Zugang zu diesem durchaus ‚scheuen‘ Feld erschlossen werden konnte, das dann seinerseits kurz vorgestellt wird.
Mirco Liefke
Kapitel 3. Die Arbeit der Redaktion
Zusammenfassung
Unter Bezugnahme auf die Entwicklung redaktioneller Verfahren und unterstützt durch phänomenologische und ethnomethodologische Überlegungen wird eine analytische Perspektive auf die Arbeit der Redaktion und damit auf den von ihr erstellten Nachrichtenbeitrag vorbereitet. Diese sensibilisiert für ein gewisses, noch unbestimmtes Unbehagen, das der redaktionelle Prozess überwinden muss, um einer/der Öffentlichkeit ein leicht handhabbares und mithin weithin anschlussfähiges kommunikatives Produkt offerieren zu können. Dieses Produkt, das nunmehr Gegenstand der Untersuchung werden soll, wird zunächst noch mit Hilfe einer exemplarischen Karriere beschrieben und schematisch in Ebenen und Phasen der Redaktionsarbeit eingebettet.
Mirco Liefke
Kapitel 4. Der redaktionelle Prozess
Zusammenfassung
Im Hauptteil wird als erstes die Welt beschrieben, welche dem redaktionellen Prozess jenen Fundus an Importgütern zur Verfügung stellt, aus dem er die Rohstoffe der Beitragsproduktion gewinnt. Aus diesem Fundus gilt es dann eine legitime oder zumindest nachvollziehbare Auswahl zu treffen, wobei starke und schwache Themen der Berichterstattung zu Tage treten. Während erstere oft relativ reibungslose Karrieren beschreiten, werden an letzteren bestimmte Defizite identifiziert, die offenlegen, welche Dimensionen ein Beitragskandidat integrieren muss, um erfolgreich zu sein. Diese sind: Sachlage, Referenzen und Format. Alle drei müssen im Zusammenhang der Sendung, mit Blick auf bestimmte Rahmenbedingungen, im Zuge kollektiver Auseinandersetzungen und während kreativer Schreibtischarbeit evaluiert und diskutiert werden. Dass auch ein Beitrag, der schließlich die geforderte Integration vollbracht hat, stets ein Provisorium bleibt, zeigt am Schluss des Hauptteils ein Abschnitt, der sich mit dem Wiedereinstieg eines Themas in den redaktionellen Prozess beschäftigt. Ergänzt wird dieser Teil durch drei Exkurse, die auf zwei andere deutsche Fernsehnachrichtenredaktionen (ARD und RTL) sowie die Arbeit des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin fokussieren.
Mirco Liefke
Kapitel 5. Die Redaktion als Apparat der Versicherung
Zusammenfassung
Mit Hilfe einer trans-sequentiellen Beschreibung der Redaktion als einem Apparat der Versicherung wird offengelegt, wie die Redaktion gleichsam Vertrauen und Sicherheit in die eigenen Beiträge gewinnt und Relevanz und Objektivität herstellt. Die Diskussion zeigt neben den erkannten Kapazitäten aber auch, wo der Apparat an seine Grenzen stößt und welchen Herausforderungen er sich in Zukunft wird stellen müssen.
Mirco Liefke
Kapitel 6. Resümee & Ausblick: Das wohltemperierte Klavier
Zusammenfassung
Im Rückblick auf die vorliegende Analyse wird bei aller Kontingenz des Einzelfalles deutlich, dass Fernsehnachrichten ein durch und durch soziales Medium sind. Wird nicht wie es die umfassenden oftmals aber praxisscheuen sozialwissenschaftlichen Synthesen nahelegen aus der Vogelperspektive auf den Journalismus geblickt, erweitert sich der Fokus ganz entscheidend. Aus einem situativen Blickwinkel liegt er nicht mehr allein auf dem medialen Ausspielweg als der offensichtlichen Schnittstelle zwischen Nachrichtenproduzent:innen und Nachrichtenkonsument:innen bzw. System und Umwelt, sondern bezieht auch den Herstellungsprozess mit ein. Damit ergibt sich eine entscheidende Verschiebung der Kategorien. Nach und nach erscheinen die Sendungen der ZDF-heute-Redaktion als Format eines ‚sozialen‘ und nicht so sehr eines Massenmediums, dessen Beiträge Produkte eines kollektiven Schaffensprozesses sind.
Mirco Liefke
Backmatter
Metadaten
Titel
Mittendrin und nicht dabei
verfasst von
Mirco Liefke
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-42346-9
Print ISBN
978-3-658-42345-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42346-9