Viele Unternehmen in Deutschland müssen bei der Digitalisierung nacharbeiten. Sie haben beispielsweise keine hinreichenden Konzepte für den Multichannel-Vertrieb.
Springer Fachmedien Wiesbaden
Schlüssige Konzepte für den Omnichannel-Vertrieb werden aufgrund der Digitalisierung in allen Geschäftsbereichen für Unternehmen im Online-Handelsgeschäft immer wichtiger. Doch das Gros der Handelsunternehmen (80 Prozent) hat noch keine klare Linie für den Vertrieb über alle Kanäle. Das zeigen Ergebnisse der branchenübergreifenden Studie "Omnichannel-Lüge" des Beratungshauses Roland Berger, für die rund 100 Handelsunternehmen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich befragt wurden.
Demnach sehen außerdem sieben von zehn befragten Firmen, dass ihre eigene Kompetenz im Omnichannel-Vertrieb nicht ausreicht. Es fehlen etwa Kenntnisse in den Bereichen Daten, Programmierung oder Marketing. 78 Prozent der Händler können ihren Kunden darüber hinaus keinen reibungslosen Prozess zwischen On- und Offlinekanälen anbieten, was die Kundenbeziehung schnell leiden lässt, weil Kundenkontakte verloren gehen, beispielsweise beim Abbruch von Bestellvorgängen oder Zahlungstransaktionen.
Unterschiedlicher Reifegrad
Laut der Studie zeigen sich bei Unternehmen, die mehrere Kanäle berücksichtigen, große Unterschiede im Reifegrad der Omnichannelstrategien:
- Champions (vier Prozent) eine Vielzahl von Customer-Touchpoints vorweisen. Sie erzielen einen Großteil ihrer Geschäfte online und haben eine stark integrierte Customer Journey.
- zu den Vorreitern beim Thema Multichannel gehören 16 Prozent der Unternehmen. Doch nur ein geringer Anteil ihrer Produkte ist bereits online verfügbar.
- die Mitläufer sind mit 48 Prozent der Befragten die größte Gruppe. Sie haben noch Defizite in ihren erfolgreichen Omnichannel-Strategien.
- Ein Drittel der Handelsfirmen, die Nachzügler, haben noch überhaupt keine Strategie für den Vertrieb über multiple Kanäle.
Typische Mankos sind etwa Mängel in den CRM-Systemen und im Kundendatenmanagement. Professionalität in beiden Bereichen sind aber eine wichtige Voraussetzung, um eine Omnichannel-Reife zu erlangen, merkt Tobias Göbel, Partner bei Roland Berger, an. Zudem sollten Rollen und Strategien der verschiedenen Kanäle klar definiert sein und die Unternehmenskultur sich nach den Multichannel-Gegebenheiten ausrichten. Dazu zählt laut den Experten von Roland Berger, Silos aufzubrechen und die Abteilungen und Vertriebswege voneinander getrennt zu halten.
Der Springer-Autor Gerrit Heinemann bezeichnet in einem Kapitel seines Buchs "Disruption und Transformation Management" den digitalen Wandel, vor dem viele Unternehmen stehen, als "Dilemma". Viele Hersteller und Traditionshändler stünden wie die "Kaninchen vor der Schlange" vor der Frage, was digital zu tun ist. Dabei würden "Online Pure Plays (reine Internethändler) nicht selten für tot erklärt oder als Non-Profit-Veranstaltung abgetan." Es fehle den Unternehmen am Bewusstsein für die Notwendigkeit der digitalen Transformation, vor allem aber an Risikobereitschaft, konstatiert Heinemann. Der Grund ist für ihn klar: Handelskonzerne müssten schließlich viel Geld investieren, wenn das Management beschließt, die Digitalisierung "mit Vollgas" voranzutreiben.