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21.12.2023 | Nachhaltige Geldanlagen | Gastbeitrag | Online-Artikel

Asset Manager jonglieren mit der Nachhaltigkeit

verfasst von: Kevin Naumann

5 Min. Lesedauer

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Strengere Regeln, schlechtere Rendite-Chancen und Greenwashing-Vorwürfe erschweren es Asset Managern, nachhaltige Fonds aufzulegen. Die Branche greift nun zu Produkten, die ESG-Aspekte berücksichtigen, aber nicht die höchsten Standards erfüllen.

Asset Manager stecken in einem Dilemma. Auf der einen Seite sind sie gewillt, Fonds mit dem Schwerpunkt auf Environment, Social und Governance (ESG) aufzulegen. Der Marktanteil nachhaltiger Publikumsfonds, Mandate und Spezialfonds in Deutschland steigt weiterhin - und das trotz stagnierendem oder gar schrumpfendem Gesamtmarkt. Auf der anderen Seite werden die Regeln dafür immer strenger. 

Datenlage ist häufig lückenhaft

Durch die Verschärfungen der Anhänge der Offenlegungsverordnung für nachhaltige Finanzprodukte der Europäischen Union (EU) etwa sahen sich Anbieter jüngst gezwungen, ihre nachhaltig kategorisierten Artikel-8/9-Fonds zurückzustufen, weil sie ihre Offenlegungsverpflichtungen unter anderem wegen der schlechten Datenlage nicht erfüllen konnten. Nun sitzen sie oftmals auf inhaltlich weitestgehend nachhaltigen Produkten, können diese aber schwer als nachhaltig bewerben, wollen sie Greenwashing-Vorwürfe vermeiden.

Erste Unternehmen steuern deshalb bereits um. Statt auf Nachhaltigkeitsfonds setzen sie auf breit angelegte Produkte, die nicht derart strengen Standards genügen müssen und offenkundig weniger nachhaltig sind. Damit ersticken sie Greenwashing-Vorwürfe im Keim und erhöhen so teilweise auch gleichzeitig die Renditeerwartungen. Schließlich performen klassische Anlagen oftmals und gerade in der aktuellen Lage noch immer besser als ihre nachhaltigen Alternativen.

Die Zukunft der Geldanlage ist grün

Ist der Trend das Ende der grünen Geldanlage und der Beginn eines Anti-ESG-Booms? Die kurze Antwort darauf lautet: Nein. Der ausführlichen Beantwortung der Frage kann man sich aus drei Richtungen nähern: Zuerst bedeutet die Herabstufung der Fonds keineswegs, dass diese Assets jegliche ESG-Kriterien aussparen. Sie berücksichtigen durchaus ökologische oder soziale Aspekte bei der Auswahl ihrer Anlageinstrumente, erfüllen dabei lediglich nicht die allerhöchsten Standards oder können diese aus vorgenannten Punkten nicht offenlegen. 

Das macht sie aber noch lange nicht zu Anti-ESG-Produkten. Die Annahme, dass dadurch aktuell grundsätzlich mehr Geld in Anti-ESG-Fonds gespült wird und dass dieser Markt wieder boomt, ist also in Wahrheit eine falsche. 

Fossile Brennstoffe nur mit kurzem Erfolg

Zudem scheinen konventionelle Anlageprodukte lukrativer. Das Investment in Gas oder Öl etwa lohnt sich derzeit enorm, da die Preise kurzfristig steigen. Aber auf lange Sicht wird das Eis buchstäblich dünner. Denn derartige Assets sind Investitionen in Firmen, die dem Klima schaden oder Menschenrechtsverletzungen in Kauf nehmen, sich also nicht nachhaltig verhalten. 

Das führt nicht nur zu Reputationsschäden - auch der Gesetzgeber will diesem Handeln einen Riegel vorschieben. Auch diese Firmen werden sich deshalb früher oder später transformieren müssen, was den Investmentmarkt faktisch verkleinert. Keine guten Voraussetzungen für einen Boom. 

Gesellschaftliches Grundverständnis im Wandel

Außerdem entscheidet der Kunde mit. Das spielt insbesondere im Retail-Bereich eine Rolle. Seit Änderung der Mifid-II-Richtlinie im August 2022 sind Anlageberater verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abzufragen. Und selbst wenn für sie der Impact ihrer Anlage nicht die größte Bedeutung hat: Vor Investitionen in Braunkohle, Öl oder Gas schrecken die meisten privaten Anleger mittlerweile zurück. 

Dieses gesellschaftliche Grundverständnis wird auf lange Sicht dazu führen, dass immer weniger in Anti-ESG-Fonds investiert wird. Trotz vermeintlich hoher Dunkelziffer derer, denen Rendite doch wichtiger ist als Impact. Im Umkehrschluss heißt das: Die Nachfrage nach grünen Fonds wird steigen.

Die Zukunft der Geldanlage bleibt also "grün". Deshalb sind Asset Manager gut beraten, einen Ausweg aus ihrem Dilemma zwischen Greenwashing-Vorwürfen und echten ESG-Fonds zu finden.

Brutale Offenheit statt Intransparenz

Aber wie gelingt das? Wer auf ESG-Produkte setzen will, ohne dafür an den Pranger gestellt zu werden, für den gibt es nur eine Methode: Brutale Offenheit hinsichtlich der Investments. Die gibt es bisher noch zu selten. Aktuell werden Anlageprodukte sehr oberflächlich beworben. Anbieter geben zwar Auskunft darüber, welche ESG-Kriterien sie berücksichtigen, dass sie valide Datenquellen nutzen und über eine passende Methodologie verfügen. Aber welche Kennzahlen wie berechnet werden und was das schließlich für welches Produkt in welcher Assetklasse bedeutet, wird nicht offengelegt. 

Damit schaffen sich Asset Manager zwar die Freiheit, dass sie, wenn sich der Markt dreht, ihren Ansatz schnell anpassen können. Aber sie bereiten damit auch den Boden für Greenwashing-Vorwürfe, da nicht klar beschrieben wird, nach welchen Prinzipien sie tatsächlich handeln.

Fünf Schritte zu mehr Transparenz

Um dem entgegenzuwirken, braucht es Transparenz und Klarheit. Der Weg besteht aus fünf Schritten. Zunächst muss die aktuelle Datenlage kritisch geprüft werden. Der zweite Schritt besteht darin, die im Fonds abgebildeten Unternehmen genauer zu betrachten und zu recherchieren: Wo liegen fernab der klassischen Daten noch wertvolle Informationen, sogenannte alternative Daten? Was unternimmt eine Firma etwa über ESG-Kennziffern wie die Reduzierung des CO2-Ausstoßes hinaus, um nachhaltiger zu werden? Wie geht sie mit Mitarbeitenden um? Unterstützt sie soziale Projekte? 

Im dritten Schritt geht es darum, die aktuellen Rechenmodelle zu analysieren, um im vierten Schritt zu prüfen, was die Ergebnisse für die Allokation der Unternehmen bedeutet. Und zu guter Letzt - Schritt fünf - muss alles klar und transparent aufgeschrieben werden. Wenn diese fünf Schritte beherzigt werden, können Kritiker zwar noch den Ansatz grundsätzlich in Frage stellen. Aber Greenwashing-Vorwürfe werden mit mehr Offenheit immer schwieriger.

Herabgestufte Fonds wieder heraufgestufen

Es gibt im Übrigen noch einen zweiten Weg, fernab von Anti-ESG-Fonds auf nachhaltige Lösungen zu setzen, ohne sich Etikettenschwindel nachsagen lassen zu müssen: Dafür sorgen, dass die herabgestuften Fonds wieder heraufgestuft werden. Dieser Ansatz könnte 2024 ein Thema werden, wenn die Regulatorik präzisiert, die Datenlage verbessert und die Ansätze geschärft wurden. Hier ist die Begleitung durch externe Berater sinnvoll, die diese Klassifizierung bestätigen können. Dann steht die Nachhaltigkeit nicht nur auf dem Etikett, sondern ist auch noch durch eine unabhängige Instanz verifiziert. Aber das ist aktuell noch Zukunftsmusik. 

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