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Erschienen in: Sales Excellence 4/2023

01.04.2023 | Strategie & Management

Neues Mindset - so wird der Kunde zum Partner

verfasst von: Dr. Johannes Ihringer

Erschienen in: Sales Excellence | Ausgabe 4/2023

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Customer Centricity reicht in der Vertriebsarbeit künftig nicht mehr aus, sondern der Kunde muss jetzt als Partner auf Augenhöhe verstanden werden. In diesem Beitrag wird der Fair Process als Grundlage für eine neue Form der Zusammenarbeit beschrieben.
"Auf Sicht fahren." Dieser Status scheint in der Wirtschaft gar nicht mehr zu enden und das nicht nur in der Pandemie. Der Jahresanfang 2023 führt das besonders vor Augen. Rezession: Ja oder Nein? Und wenn: Wie tief? Oder doch sogar ein Boom? Was passiert bei einem möglichen nächsten geopolitischen Großereignis? Planbarkeit für Unternehmen beschränkt sich Anfang 2023 auf wenige Wochen im Voraus. Für Unternehmen gilt, auf jedes Szenario eingestellt zu sein, um beim jeweiligen Eintreffen nicht kalt erwischt zu werden.
Davon sind auch der Vertrieb und die vertriebliche Planung stark betroffen. Haben Vertriebsorganisationen gerade noch aufgrund der Mangellage vor allem Bestellungen angenommen und verteilt, kann zwei Wochen später die Situation schon wieder ganz anders aussehen. Plötzlich lautet die Frage, wie die eigenen Produkte oder Dienstleistungen überhaupt verkauft werden können, wenn die Nachfrage komplett wegbricht. Einige Wochen später droht die Rolle rückwärts. Diese Kurzfristigkeit führt zu permanenten Machtverschiebungen durch sich ständig verändernde Abhängigkeiten von Anbietern und Nachfragern.

"Fair Process" als Grundlage für neue Form der Zusammenarbeit

Salesteams müssen sich auf diese neue Situation jetzt einstellen. Ihnen muss es künftig gelingen, bereits Wochen vor der nächsten Trendumkehr zu erkennen, wie sich Rahmenbedingungen erneut verändern, um das Angebot anzupassen. Wenige Wochen Wissensvorsprung vor dem Wettbewerb werden künftig die Margen bestimmen. All dies führt zu vollkommen veränderten Beziehungen zwischen Lieferanten und Kunden. Um in dieser neuen Welt der Ultra-Kurzfristigkeit, der "Sofortness", die jetzt auch im B2B-Geschäft angekommen ist, bestehen zu können, müssen Kunden künftig vor allem als Partner angesehen werden. Denn nur Partner gehen gemeinsam durch dick und dünn, passen sich der jeweiligen Situationen flexibel an und haben dabei das gemeinsame Wohl im Auge.
Ein Ansatz des "Fair Process" als Leitmotiv in der Neugestaltung von Strategien und damit auch Beziehungen zu Menschen innerhalb wie außerhalb von Unternehmen kann als Hebel wirken, um langfristig bessere Ergebnisse zu erzielen als der Wettbewerb. Was genau bedeutet diese Denkweise künftig für den Vertrieb? Die folgenden vier Punkte sind dafür entscheidend:
1. Das Mindset im Verkauf ändern: Kunden sind Partner
Zuletzt war Customer Centricity (Kundenzentrierung, Anm. d. Redaktion) die neue Marschrichtung. Radikal aus Sicht des Kunden zu denken, wurde für viele Vertriebschefs und ihre Abteilungen zum Imperativ - teils abgeschaut von Tech-Größen, die dies zu einem ihrer Kernwerte erklärt hatten. Geblieben ist, dass es darauf ankommt, möglichst viel zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen. Die eingeschlagene Marschrichtung stimmt, allerdings ist sie in der jetzigen Zeit erweiterungspflichtig.

Den Kunden als Partner, nicht nur als Abnehmer sehen

Machtverhältnisse verändern sich jetzt fließend: Zwischen der Änderung des Nachfrage- und Angebotsverhältnisses können heute nur wenige Wochen vergehen. Bei aller Kundenzentrierung hat eine Übernachfrage bisher stets zu einer Anpassung von Quantität und Preis geführt. Das wird sich künftig nicht ändern. Aber Anbieter müssen viel stärker hinterfragen, zu welchem Grad sie Erhöhungen durchführen, wenn es im nächsten Monat schon wieder ganz anders aussehen kann - und sich der gerade noch gut zahlende Kunde plötzlich abwendet. Weil sich diese Kurzfristigkeit gerade zu einer neuen Normalität entwickelt, ist es wichtig, das Kundeninteresse nicht nur weiterhin in den Mittelpunkt der eigenen Überlegungen zu stellen, sondern den Kunden selbst künftig als Partner und nicht mehr nur als Abnehmer zu sehen. Der Grund: Partner wenden sich nicht ab. Sie hören zu und suchen nach gemeinsamen Lösungen. Partner sind auf der Suche nach einem fairen Preis, ohne die eigene Seite zu übervorteilen. Dieses Mindset sollte im Sales genauso wie mittelfristig unternehmensweit entwickelt und in der Organisation verankert werden.
2. Neue Strategien entwerfen: Flexibilität durch Szenario-Planung
Ein neues Mindset ist eine notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingung. Aus diesem Partner-Mindset abgeleitet, muss die bisherige Vision, die daraus folgende Mission und schließlich die gesamte Strategie des Vertriebs neu überdacht werden. Die oben aufgeworfenen Fragen können nicht ad hoc und nach Empfinden, sondern müssen strukturell beantwortet werden. Daher sollten im Vertrieb klare strategische Parameter gesetzt werden:
  • Was passiert genau, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern?
  • Welche Art von Gesprächen sind notwendig?
  • Welche Hebel für Verhandlungen können genutzt werden?
  • Welche neuen kommunikativen Formate müssen entwickelt werden, um mit den Kunden eine Kommunikation auf Augenhöhe führen zu können?
  • Was sind objektivierbare Merkmale, die das Attribut "fair" für beide Seiten in der gemeinsamen Beziehung verankern?

Strategien in den Köpfen als Change verankern

Die Beantwortung dieser Fragen muss künftig durch eine Szenario-Planung erfolgen, die in sehr konkrete, in der Praxis einzuübende Prozesse übersetzt wird. Nur wenn jedem klar ist, in welchem Szenario man sich gerade befindet und welche Handlungsanweisungen damit einhergehen, lassen sich strategische Schwenks in kürzester Zeit umsetzen. Das ist notwendig, um künftig Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Dazu ist eine hohe Change-Kompetenz im Unternehmen wichtig: Denn was strategisch entschieden wurde, muss auch in den Köpfen der Mitarbeiter verankert werden.
3. Kundenbeziehungen neu bewerten: Welche Kunden sind auf Partnersuche?
Das Mindset ist erarbeitet, die Strategie steht. All das nützt jedoch nichts, wenn die Kunden diesen Weg gar nicht mitgehen wollen. Das sind insbesondere diejenigen Käufer, die durch eine knallharte Einkaufspolitik schon bisher kaum zu fairen Konzessionen bereit waren. Darum muss der Vertrieb jetzt neu bewerten, welche strategische Relevanz die jeweiligen Kunden in diesem neuen Setting haben.
In diesem Zusammenhang sollten folgende Fragen geprüft werden:
  • Welche Kunden kommen durch das eigene Mindset für einen möglichen neuen Weg infrage?
  • Wer hat bisher schon Interesse, zum Beispiel an Lieferanten-Partnerschaften, geäußert?
Beispiele für ein gemeinsames "Burden Sharing" in der volatilen Zeit können gemeinsam ermittelte Preisindizes, flexible Ab- und Rücknahmeverpflichtungen und gemeinsame Läger sein. Mit wem derartige Absprachen auch schriftlich zu fixieren sind, der könnte in der Priorisierung als Kunde, zum Beispiel als Partner, künftig weiter nach oben rücken. Und es ist die Frage zu stellen, wer über klassische Angebots- und Nachfragethemen hinaus ein ernsthaftes Interesse am Aufbau einer durchaus auch institutionalisierten Partnerschaft hat. Diese kann beispielsweise dazu dienen, gemeinsam Innovationen zu entwickeln oder ein Joint Venture zu gründen.
4. Transparenz schaffen: Das Vertrauen der Partner erwerben
Ob im Privat- oder Berufsleben: Vertrauen ist die Basis jeder funktionierenden Partnerschaft. Dieses Vertrauen bildet sich nicht durch alleiniges Versprechen, sondern vielmehr durch das Erfahren von Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Diese beiden Werte sollten das Fundament der Arbeit des Vertriebs sein, doch dazu gehört auch, nichts zuzusagen, was das eigene Unternehmen gar nicht liefern kann. Hinzu kommt, so viel Transparenz wie es irgendwie geht zuzulassen: etwa in Preisen, Kosten, Margen, Qualität sowie allen weiteren Attributen, die eine Beziehung zwischen Lieferant und Abnehmer bestimmen.
Ein weiteres Beispiel: Cost Engineering zur Bestimmung der Details von Produktkosten oder offene Margen sind Themen, die gemeinsam mit dem Kunden diskutiert werden müssen. Um diese Themen auch erfolgreich umzusetzen, bedarf es jedoch effizienter, nachvollziehbarer Strukturen und Prozesse im Binnenverhältnis zwischen dem Vertrieb und den Kunden sowie digitale Anbindungen, die wesentliche Daten in Echtzeit für die andere Seite einsehbar machen.

Vortragstipp

Dr. Johannes Ihringer ist Top-Referent bei der Digitalkonferenz "Zukunftswerkstatt Sales Excellence: Better Value - Better Sales" am 25. Mai 2023 zum Thema "Den Kunden als Partner begreifen - Warum der Vertrieb in der Zeit hoher Volatilität ein neues Mindset braucht". Mehr Informationen zur Veranstaltung unter https://​sn.​pub/​1uSGUY

Kompakt

  • Kurzfristigkeit und Volatilität bestimmen die Beziehungen zwischen Abnehmern und Lieferanten. Das führt zu sich ständig ändernden Machtverhältnissen.
  • Kundenzentrierung allein reicht heute nicht mehr aus. Es gilt, Kunden künftig als Partner auf Augenhöhe zu verstehen.
  • Vertriebsabteilungen benötigen ein neues Mindset und neue Strategien. Nur so können sie diesen neuen Anforderungen gerecht werden.

Springer Professional

Verkäuferskills

Werner, D. B.: Mindset, in: Werner, D. B. et al.: Nachhaltiges Wachstum im Mittelstand, Wiesbaden 2022, https://​sn.​pub/​ShKR2p
Balzar, M.: Gute Verkäufer haben ein positives Mindset und Empathie, in: Sales Excellence Nr. 10/2020, Wiesbaden 2022, https://​sn.​pub/​QheK2V

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Metadaten
Titel
Neues Mindset - so wird der Kunde zum Partner
verfasst von
Dr. Johannes Ihringer
Publikationsdatum
01.04.2023
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Sales Excellence / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 2522-5960
Elektronische ISSN: 2522-5979
DOI
https://doi.org/10.1007/s35141-023-1609-5

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