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02.09.2021 | Plattformökonomie | Interview | Online-Artikel

"Wir gehen vom Zielbild eines mündigen Verbrauchers aus"

verfasst von: Anja Kühner

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dr. Tamaz Georgadze

ist Co-CEO von Raisin DS und Mitgründer von Raisin.

Mit der Fusion zu Raisin DS ist ein europäisches Schwergewicht unter den Zinsplattformen entstanden. Co-CEO Tamaz Georgadze zur Auswirkung der Greensill-Pleite, der strategischen Ausrichtung und der Grundsatzkritik an Zinsportalen.

Behält Raisin all seine Marken bei?

Unsere europäischen Marktplätze unter den Marken Weltsparen, Raisin, Zinspilot und Savedo werden zunächst wie gewohnt alle weiter bestehen. Die langfristige Markenstrategie für das gemeinsame Unternehmen nach dem Merger werden wir in den kommenden Monaten gemeinsam entwickeln. Eine unserer obersten Prioritäten ist es, allen Kunden einen einfachen Zugang zu sämtlichen Produkten und Banken auf unserer Plattform zu ermöglichen.

Was sind die Unterschiede zwischen den Plattformen?

Wir betreiben Zinsmarktplätze unter unseren eigenen Marken sowie für zahlreiche Kooperationspartner, darunter Großbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Dabei gibt es durchaus Unterschiede: Während wir zum Beispiel mit unseren eigenen Marktplätzen Weltsparen und Zinspilot eher eine online-affine Zielgruppe ansprechen, nutzen einige Bankkooperationspartner wie die Hamburger Sparkasse unsere Plattform, um ihren eigenen Kunden Sparprodukte von Drittbanken im Beratungsgespräch in ihren Filialen anzubieten. Wieder andere Bankpartner, etwa die Deutsche Bank, kombinieren Online-Kanäle mit dem Filialvertrieb und erreichen so noch einmal ein anderes Zielgruppensegment.

Wie kommen die bei Ihnen gesammelten Kundendaten zu den jeweiligen Partnerbanken?

Alle Daten werden verschlüsselt an die Banken übertragen, und zwar solange die Geschäftsbeziehung zu dem entsprechenden Kunden besteht. Wir verfügen über umfangreiche Erfahrungen in der Arbeit mit Banken aus verschiedenen europäischen Ländern, kennen sämtliche regulatorischen und prozessualen Anforderungen und können Daten- und Reporting-Prozesse daher standardisiert anbieten. Bei Bedarf gehen wir auch auf spezielle Anforderungen einzelner Banken ein, etwa bei zusätzlichen Fragen und Anforderungen im Rahmen von Regelungen zur Geldwäscheprävention.

Wie viel Geld wurde bereits über Ihre Plattformen angelegt?

Historisch gesehen haben unsere Kundinnen und Kunden kumuliert mehr als 70 Milliarden Euro über unsere Plattformen angelegt. Aktuell liegen mehr als 20 Milliarden Euro an Kundengeldern als Einlagen bei unseren Partnerbanken.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Kundenzahl und Anlagesummen?

In den vergangenen zwölf Monaten ist die Anlagesumme über unsere Plattformen um rund 40 Prozent gestiegen. Die beliebteste Laufzeit unter den Sparprodukten ist Festgeld mit zwölf Monaten. Der Durchschnittsbetrag je Anlage liegt bei über 30.000 Euro.

Wirkt sich der Fall Greensill auf Ihr Geschäft aus?

Während und kurz nach dem Moratorium über die Greensill Bank kam es zu verstärkten Anfragen bei unserem Kundenservice. Nachhaltige Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten unserer Kunden stellen wir aber nicht fest. Wir haben unsere Kunden während des gesamten Prozesses transparent und proaktiv informiert und bei der Rückerstattung durch die Einlagensicherung unterstützt.

Mussten Sie durch Greensill Formulierungen auf den Webseiten ändern?

Wir informieren unsere Kunden transparent über Produkteigenschaften – das ist schon immer unser Anspruch, unabhängig von den Vorgängen rund um die Greensill Bank. Die Marketingbotschaften unserer Plattformen zielen in erster Linie auf die einfache digitale Nutzung der Angebote und die besseren Zinsen bei unseren Partnerbanken. Essenziell ist für uns aber auch sicherzustellen, dass die Funktionsweise der Einlagensicherung von allen Kunden verstanden wird. Dabei sehen wir die Einlagensicherung als ein elementares System zum Schutz der Sparer in Europa, wohlgemerkt im Interesse des Finanzsystems, für dessen Funktionsweise Vertrauen und Stabilität unerlässlich sind. Die Einlagensicherung ist kein Marketinginstrument.

Sie setzen auf den informierten Verbraucher. Ist das angesichts des generell mangelhaften Finanzwissens nicht eine Illusion?

Grundsätzlich gehen wir vom Zielbild eines mündigen Verbrauchers aus und leisten selbst einen Beitrag zur finanziellen Aufklärung der Verbraucher auf ganz verschiedenen Ebenen. Sie finden bei uns zu jedem Einlageprodukt ein ausführliches Produktinformationsblatt – auch im Investment- und Vorsorgebereich – und wir weisen transparent auf die Risiken einer Anlage hin. Wir veranstalten regelmäßig Live-Webinare zu verschiedenen Themen rund um Sparen, Investieren und Altersvorsorge, um Klarheit zu Anlageklassen, Produkten und Kundenfragen zu schaffen. Zudem engagieren wir uns seit Jahren mit niedrigschwelligen Informationskampagnen, beispielsweise zur Gender Pension Gap, für die finanzielle Bildung. Würden wir unseren Ansatz und unser Engagement aufgeben, würden damit auch die Transparenz und Wahlfreiheit der Verbraucher – elementare Bestandteile einer freien, wettbewerbsorientierten und sozialen Marktwirtschaft – verloren gehen.

Fühlen Sie sich im Nachklapp der Greensill-Pleite zu unrecht kritisiert?

Es sind in der öffentlichen Diskussion zu Greensill sicher zum Teil ein paar Sachen durcheinander geworfen worden. Die von uns vermittelten Privatkundengelder fallen unter die gesetzliche Einlagensicherung, die vor allen anderen Verbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse bedient wird. Wir haben also weder ungeschützte Einlagen von Kommunen vermittelt noch mussten Bankenverband oder Steuerzahler für die Einlagensicherung unserer Kunden geradestehen. Außerdem können natürlich nicht Zinsplattformen entscheiden, welche Banken wie viel Einlagen aufnehmen dürfen. Das ist die Aufgabe von Aufsicht und Einlagensicherung, denen auch die dafür erforderlichen Informationen und Instrumente zur Verfügung stehen. Vor allem aber fand der positive Beitrag, den unser Geschäftsmodell für das Finanzsystem leistet, nur wenig Beachtung. Banken erhalten mit unserer Plattform einen einfachen zusätzlichen Kanal zur Einlagenfinanzierung von Kunden, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten. Das macht die Finanzierung der Bank stabiler und weniger anfällig im Krisenfall. 

Nicht nur Politiker fordern eine Regulierung von Zinsplattformen. Bereiten Sie sich darauf vor? 

Die Vermittlung von Einlagen beziehungsweise anderen Anlageprodukten ist bereits reguliert. Selbstverständlich halten wir alle gesetzlichen Vorgaben ein und verfügen über alle Lizenzen, die wir für unser Geschäftsmodell in den verschiedenen Märkten benötigen. Daher halten wir eine zusätzliche Regulierung nicht für notwendig. Stattdessen wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, dass sich die Marktteilnehmer und die Aufsicht für die Umsetzung der bestehenden Regeln enger abstimmen. Dazu wollen wir gerne unseren Beitrag leisten.

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