Skip to main content

21.03.2017 | Recycling | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kreislaufwirtschaft in die Produktentwicklung integrieren

verfasst von: Dr. Eike Messow

4:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Immer lauter wird die Forderung, dass Baustoffe (bzw. Gebäude) nach ihrer Nutzung möglichst vollständig wieder in den Stoffkreislauf fließen. Fünf Thesen, wie dieses Ziel erreicht werden kann.

Die Grundidee ist simpel: Nach einem möglichst langen Gebäudeleben erfolgt der Abriss derart, dass die verbauten Stoffe wieder genutzt werden. Doch so leicht ist das nicht: Viele Rohstoffe liegen eben nicht „roh“, sondern verändert, verbunden oder vermischt vor und lassen sich nicht einfach in ihren Ursprungszustand zurückbringen – zumindest nicht ohne erheblichen Aufwand. Also alles einfacher machen und Produkte so gestalten, dass die Rückgewinnung von Materialien und Rohstoffen besser gelingt? Ja, unbedingt! Drei Dinge erschweren diesen Weg: Die Faszination, die von Technologien und deren Funktionen ausgehen, das liebe Geld, mit dem solche Lösungen zu bezahlen sind, und drittens die vielen Regularien, die wir uns auferlegen.

Empfehlung der Redaktion

01.02.2016 | Abfall

Anforderungen an Recycling-Baustoffe und ihre Güteüberwachung für den Straßenbau

Der Einsatz von Recycling-Baustoffen ist heute für den Erd- und Straßenbau in technischen Vorschriften umfassend geregelt. RC-Baustoffe können gleichwertig zu natürlichen und künstlichen Alternativen verwendet werden. Allerdings fehlen klare, bundesweit gültige und praxisgemäße Anforderungen an die Umweltverträglichkeit, die zur Fortentwicklung der Recycling-Industrie dringend benötigt werden. 


Während das Dilemma zwischen Faszination und Entsorgungsproblematik bei Produkten wie dem Smartphone bekannt ist – und trotz "Fairphone" gesellschaftlich akzeptiert oder zumindest hingenommen wird – erschließt sich dies für Bauprodukte nicht unmittelbar. Die Integration von Baustoffen in eine Kreislaufwirtschaft ist jedoch sehr vielschichtig und nur mit ganzheitlich umsetzbar. Weder gelingt sie allein durch die optimierte Rohstoff-Auswahl, noch durch neue Verwertungsverfahren. Eine ganzheitliche Betrachtung inklusive logistischer, wirtschaftlicher und sogar gesellschaftlicher Randbedingungen ist nötig. 

Fünf Thesen, Bauprodukte in einen Stoffkreislauf zu integrieren

Ein ganzheitlicher Ansatz, Bauprodukte in Kreisläufe zu integrieren, könnte daher wie folgt aussehen: 

1. Kreislauffreundliche Baustoffe

Orientierung dabei können Regelwerke zur Verwendung von Chemikalien (z.B. REACH-Verordnung) und Ersatzbaustoffen geben, Kenntnisse über Trenn- und Verwertungsverfahren sowie Verwendungsmöglichkeiten für einzelne Stoffe, auch über die Baubranche hinaus. Dazu müssen Stoffdatenbanken entwickelt und gepflegt werden, die die Rohstofflieferanten einbeziehen. Eine Herausforderung wird die erhöhte Rohstoff-Transparenz sein, die geistiges Eigentum gefährden könnte. Ebenso bleibt es schwierig, welche Rückbau- und Verwertungsszenarien zum Entwicklungszeitpunkt heranzuziehen sind – Status quo oder (auch) zukünftige Konzepte –, welchen Mehraufwand und welche Mehrkosten das kreislauffreundliche Produkt generieren darf und ob Kompromisse bei Verarbeitung, Dauerhaftigkeit oder Design akzeptiert werden. Nicht zuletzt: Die Bewertung von Stoffen ändert sich in manchen Fällen mit der Zeit – wir kennen es vom Asbest oder jüngst vom Flammschutzmittel HBCD in Polystyroldämmplatten. Und Diskussionen in Umweltgremien lassen erahnen, dass die Liste der als gefährlich eingestuften Stoffe eher zu- als abnehmen wird. 

2. Rückbaufreundliche Konstruktionen

Eine zweite Komponente zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft im Bausektor ist die Konzeption rückbaufreundlicher Konstruktionen. Erste Planungsbüros bieten solche Dienstleistungen an und häufig sind auch entsprechende Bauprodukte oder Bauteile bereits auf dem Markt. Oft sind es wirtschaftliche, nicht selten auch technische und ästhetische Faktoren, weshalb solche Lösungen nicht realisiert werden. Als Alternative zu Wärmedämmverbundsystemen gibt es zum Beispiel vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF). Doch ihr höherer Preis führt regelmäßig zur Ablehnung. Dieser Markt-Hürde werden sich alle neuen Lösungen stellen müssen.

3. Optimierung des selektiven Rückbaus und Aufbau entsprechender Verwertungs- und Logistikprozesse

Diesem sehr praktischen Teil kommt eine Schlüsselrolle zu. Im Gegensatz zu einfachen Abfallströmen wie bei Altglas oder Altpapier sind Abfälle aus Gebäuden sehr heterogen und fallen zeitlich, mengenmäßig und räumlich unbestimmt an. Das macht es schwierig, Rückbaumethoden, Aufbereitungs- und Verwertungsverfahren sowie die dazu notwendigen Logistikprozesse wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Erst bei hohen Preisen für primäre Rohstoffe und großen Mengen ähnlicher Abfallfraktionen findet Recycling seinen Platz im Markt. Zwar ist absehbar, dass viele Rohstoffe in den kommenden Jahren teurer werden, aber just am Bau kommen viele relativ günstige und ausreichend vorhandene Rohstoffe zum Einsatz. Kurz: Eine Rückgewinnung aus Gebäuden rentiert sich derzeit nicht. Hier benötigt es deshalb neben Initiativen der Industrie politischen und gesellschaftlichen Willen, um Recycling voranzutreiben. Zudem gibt die Diskussion über die ökologische und ökonomische Sinnhaftigkeit von "Recycling um jeden Preis" eine Grenze vor. 

4. Verwendung sinnvoller Rezyklate

Baustoffe zurückzugewinnen bedeutet noch nicht, sinnvolle Verwendung für sie zu haben. Häufig liegen selbst nach sorgfältigen Trennverfahren Verunreinigungen und Mischfraktionen vor, die maßgebliche Grenzwerte oder Qualitäten nicht erreichen. Hinzu kommt, dass Rezyklate preislich schnell in der Nähe von Frischware liegen, so dass ihr Absatz kein Selbstläufer ist – gerade wenn das Rezyklat qualitativ schlechter ist. Abermals benötigt es ein Zusammenspiel von technischen Lösungen, angepassten Rahmenbedingungen und preislicher und ästhetischer Akzeptanz, um Kreisläufe zu schließen. 

5. Wollen und Können 

Fazit: Die Verwertung von Baustoffen ist weniger eine technische denn eine wirtschaftlich-gesellschaftliche Frage. Es geht um den Willen und um die Bereitstellung von Geld für den zusätzlichen Aufwand. Hersteller, Planer und Architekten, Nutzer und Konsumenten, Handwerker und Verwertungsunternehmen, der Gesetzgeber und Behörden, alle tragen ihren Teil der Verantwortung. Daher sollten wir die Debatte über Recycling und Entsorgung nicht mit Vorwürfen, sondern mit Kooperationsbereitschaft führen. Niemand entwickelt ein Produkt, um der Umwelt zu schaden. Entwickler sind stolz, funktionsorientierte Lösungen zu präsentieren – und wenn Funktion zukünftig auch die Integration in Kreisläufe bedeutet, dann sind sie die ersten, die mit Freude Lösungen erarbeiten. Gerade in Deutschland haben wir die Chance, Vorreiter zu sein. Das müssen wir gemeinsam angehen – und mitmachen und bezahlen wollen! 



Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

11.02.2016 | Recycling | Kommentar | Online-Artikel

Einsatz von Recycling-Baustoffen unverzichtbar