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08.12.2022 | Automatisiertes Fahren | Kommentar | Online-Artikel

Komplett verfahren im autonomen Modus

verfasst von: Andreas Burkert

5 Min. Lesedauer

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Autonom und sicher durch den Verkehr ist seit einem Jahrhundert der Wunsch der Automobilhersteller. Während es anfangs an der Technik haperte, scheitert das Vorhaben noch am Gesetzgeber und der Akzeptanz in der Bevölkerung. Auch der Nutzen scheint zweifelhaft. 

Der sicherste Ort der Welt sei in einem Chevrolet. Das zumindest suggeriert ein Aufklärungsfilm, der von General Motors in Auftrag gegeben, 1935 produziert und aufgeführt wurde. Ein automatischer Fahrmechanismus soll das Automobil in heiklen Fahrsituationen sicher durch den Alltagsverkehr führen – mit Spurhaltesystem und automatischer Notbremsung. Natürlich galt dieser Verkehrserziehungsfilm nicht der Werbung für das automatisierte Fahren: Vielmehr wurde das Statement verbreitet, dass es "allein der Fahrer ist, der in diesem Film für Unfälle verantwortlich gemacht wird", erklärt der Springer-Autor Fabian Kröger. 

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01.11.2017 | Im Fokus

Die Ethik und die Gefahren der künstlichen Intelligenz

Die Fortschritte durch die künstliche Intelligenz werden das Automobil der Zukunft in seinem Wesen wie nie zuvor prägen. Schon das autonome Fahren ist mit Verfahren des maschinellen Lernens sicher möglich — die größte Chance für die Automobilbranche. Doch manche OEMs hierzulande kämpfen mit großen Problemen, einige werden wohl scheitern. Denn sie wurden von der disruptiven Entwicklung überrascht. 

Im Detail erklärt Kröger in Kapitel Das automatisierte Fahren im gesellschaftsgeschichtlichen und kulturwissenschaftlichen Kontext (Seite 47) des Buchs Autonomes Fahren wie sich das Vorhaben im Laufe der Zeit technisch und gesellschaftlich entwickelt hat. Bemerkenswert aber ist, dass schon seinerzeit die Erkenntnis vorherrschte, dass der Fahrer für die Sicherheit "viel bedeutsamer sei als die Technik – gerade deshalb soll er sich wie ein Automat verhalten". Nun, knapp ein Jahrhundert später wird diese Diskussion noch immer geführt. Aus gutem Grund: Denn weder der Mensch noch die Maschine sind frei von Fehlern.

Fehler Mensch im Regelkreis

Selbst nach langjährigen Studien traut sich derzeit noch keine Regulierungsbehörde, den Fahrzeugführer oder die Fahrzeugführerin aus der Verantwortung zu nehmen und alles dem autonomen Fahrsystem im Automobil zu überlassen. Wie verzwickt die Lage ist, zeigt sich am Umstand in der Flugsicherung, wo lange der Ansatz verfolgt wurde, den Mensch aus dem Regelkreis komplexer Entscheidungsabläufe rauszunehmen. "Der Mensch macht die entscheidenden Fehler, deshalb sollten wir auf ihn soweit möglich verzichten, um die Sicherheit zu erhöhen", lautet eine These der verantwortlichen Systementwicklungsabteilungen.

Manfred Müller aber sieht in dem Vorhaben einen nicht zu unterschätzenden Systemfehler. Er hält zwar auch den Mensch als ein großes Sicherheitsrisiko, weiß aber auch aus seiner Zeit in der Flugsicherheitsforschung der Lufthansa, dass "der Mensch in einigen Bereichen aus dem Regelkreis genommen wurde, dies aber die Sicherheit nicht zwangsläufig erhöht hat". So erzählt es Müller in einem Interview mit "Standpunkt", einer Onlinepublikation der Landesbank Baden-Württemberg. Seiner Ansicht nach liegt das einfach daran, "dass komplexe Software-Programme nie fehlerfrei sein können und die 'reale Welt' immer nur bruchstückhaft abbilden".

Autonomes Liefern einer Pizza

Heute hält Müller bei LBBW BusinessXChange Impulsvorträge unter anderem über Risiken der Digitalisierung. In denen warnt er regelmäßig "vor vollautomatisierten, sicherheitskritischen Prozessen, die ein Eingreifen des Menschen nicht mehr erlauben". Wie kritisch das automatisierte Fahren derzeit noch betrachtet wird, zeigt der Umstand, dass Fahrzeuge der höchsten Automatisierungsklasse Level 5, dem autonomen Fahren, vorerst nur für den Transport von Lebensmittel eingesetzt werden. Das von dem Start-up Nuro entwickelte kleine Fahrzeug ist dabei schon für die größte Lebensmittel-Supermarktkette der USA im Einsatz.

Level-4-Fahrzeuge, an denen Uber, Lyft, Google und andere Hersteller schon seit Jahren entwickeln, benötigen noch immer einen Sicherheitsfahrer. Nur Waymo bildet eine Ausnahme und testet derzeit ohne menschliche Kontrollinstanz – allerdings unter stark eingeschränkten Testbedingungen. So bietet das Testfeld in Arizona – ohne Schnee und Regen – ideale Wetterbedingungen. Wie sich solche Systeme aber in unseren Breiten, bei den widrigsten Wetterverhältnissen, verhalten, wird noch immer erforscht. 

Das moralische Dilemma

Immerhin bietet eine schneebedeckte Straße oder durch Nebel beeinträchtigte Sicht derzeit keine Orientierung für die elektronischen Beobachtungseinheiten. Auch deshalb erwarten immer weniger Menschen Vorteile für den Alltag. Erkenntnissen der US-amerikanische Marktforschungsunternehmung J.D. Power zufolge schwindet die Bereitschaft, sich künftig noch mehr auf automatisierte Fahrfunktionen zu verlassen. Auch, weil viele die Technik dahinter nicht mehr verstehen, sind 65 % der Befragten nicht in der Lage, vollautonomes Fahren korrekt zu definieren.

Große Sorgen bereitet auch der Umstand, dass Haftungsfragen nach einem Unfall noch grundlegend geklärt werden müssen. Und natürlich fühlen sich viele Menschen unbehaglich hinsichtlich der Frage, wer in heiklen, unvermeidbaren Unfallsituationen über Leben und Tod anderer entscheidet. Die Automobilbranche muss sich diesem moralischen Dilemma stellen. Und sie muss offen kommunizieren, wie sich die Ethik und die Gefahren der künstlichen Intelligenz nachvollziehbar vereinbaren lassen. Vor allem muss die Branche die Sinnhaftigkeit autonom fahrender Automobile für den Verkehrsalltag beweisen.

Regelkonform ins Chaos

Immerhin wird sich ein autonom fahrendes Automobil strikt an alle geltenden Verkehrsregeln halten müssen. Dazu gehört das Beachten des Reißverschlussverfahrens oder aber das Einhalten des Mindestabstands beim Überholen von Fahrradfahrern. Welche Folgen dies in der Realität haben könnte, hat die Porsche-Tochter PTV in einem Verkehrsverhaltensexperiment aufwändig simuliert. Im Vordergrund stand die Frage, was passiert, wenn im Mischverkehr autonome Fahrzeuge auf Verkehrsteilnehmer treffen, die ihren Vorteil entgegen einiger Regeln durchsetzen. Neben den Dränglern gehören dazu auch unachtsame Fußgänger.

Um ein möglichst realistisches Umfeld zu schaffen, schickte das Forschungsteam mehrere autonome Robotaxen ins Kölner Univiertel. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Die Verkehrsprobleme wurden größer – selbst dann, wenn nur 20 % der Fahrzeuge autonom unterwegs waren. So gab es längere Rückstaus vor den Ampeln, weil weniger Autos sie pro Grünphase passierten. Auch die Fließgeschwindigkeit des Verkehrs nahm insgesamt ab. Wurde der Anteil autonom fahrender Automobile auf 50 % erhöht, verursachten die regelkonform fahrenden Robotaxis das größte Verkehrschaos. Vor allem auf einspurigen Nebenstraßen, in denen Fußgänger oft queren, kamen die autonomen Automobile kaum voran.

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