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07.11.2017 | Brennstoffzelle | Schwerpunkt | Online-Artikel

Große Fragezeichen bei Brennstoffzellen-Lkw

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Lkw mit Brennstoffzellen-Antrieb könnten die Emissionen des Straßengüterverkehrs senken. Doch wie realistisch ist das? Eine neue Studie sieht insbesondere für schwere Brennstoffzellen-Lkw nur ein sehr begrenztes Marktpotenzial. 

Die Bundesregierung hat im November 2015 hat den Klimaschutzplan 2050 verabschiedet. Teil des Plans ist das Ziel, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Hierzu muss aber nicht nur der Personenverkehr einen Beitrag leisten: Der Straßengüterverkehr ist aufgrund der hohen Fahrleistungen heute für rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen auf deutschen Straßen verantwortlich. Die Verlagerung auf energieeffizientere Verkehrsmittel wie Schiff und Eisenbahn stößt zunehmend an Kapazitätsgrenzen. 

Eine mögliche Lösung, um Treibhausgase im Gütertransport auf der Straße zu reduzieren, sind Brennstoffzellen-Lkw, wenn der Wasserstoff mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Nikola Motors und Bosch arbeiten zum Beispiel gemeinsam an Lkw mit Brennstoffzellen-Antrieb, die bis 2021 auf den Markt gebracht werden sollen. Für Pkw gibt es bereits heute erste kommerziell verfügbare Antriebe mit Brennstoffzellen, wie zum Beispiel im Toyota Mirai. In Lastwagen werden sie beispielsweise als zusätzliche Stromerzeugungseinheit für Nebenaggregate wie die Heizung genutzt. 

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Perspektivisch sieht Peter Krähenbühl, Geschäftsführer des FPT Industrial Forschungszentrums in Arbon (Schweiz), Potenzial für die Brennstoffzelle im Nutzfahrzeug: "Mittelfristig wird die Brennstoffzelle zu einem interessanten Baustein. Denn einen rein elektrisch betriebenen Langstreckenlastwagen können wir uns im Moment aufgrund des hohen Batteriegewichts noch nicht vorstellen", so Krähenbühl im Interview "Die Brennstoffzelle wird zu einem interessanten Baustein" aus der MTZ 11/2017. Für den Brennstoffzellen-Lkw gibt es noch einige Herausforderungen. 

FuE bei Brennstoffzellen-Lkw liegt um zehn bis 15 Jahre zurück

Glaubt man der Studie "Brennstoffzellen-Lkw: kritische Entwicklungshemmnisse, Forschungsbedarf und Marktpotential", dann sind die Hürden für deren Einsatz noch groß. Nach Angaben der vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in Auftrag gebenden Studie haben Brennstoffzellen-Lkw nur ein sehr begrenztes Marktpotenzial. In einem Gesamtnutzungskosten-basierten (engl. "Total Cost of Ownership (TCO)") Technologiewahlmodell für Lkw mit bis zu zwölf Tonnen zulässigem Gesamtgewicht (zGG) ergebe sich ein Marktpotenzial im Bestand bis zum Jahr 2030 von etwa zwei bis drei Prozent. In der Gruppe von 3,5 bis 7,5 Tonnen könnten sie aber bis zu 20 Prozent des Bestandes ausmachen, so die Studienautoren des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML sowie von PTV Transport Consult.

Dr. Till Gnann, Projektleiter der Studie am Fraunhofer ISI, erläutert: "Es gibt Gemeinsamkeiten im Lkw- und Pkw-Bereich, jedoch sollten die Synergieeffekte nicht überschätzt werden. Klar ist, dass die FuE-Aktivitäten für Brennstoffzellen im Lkw-Bereich sowohl international als auch national noch deutlich hinter denen im Pkw-Bereich liegen und es einige Unterschiede gibt, wie ein stärkerer Fokus auf die Kosten oder deutlich größere Tankmengen." Im Vergleich zum Pkw liege die Forschung zum Brennstoffzellen-Lkw zehn bis 15 Jahre zurück. Das gelte aber vielmehr für alle Lkw mit elektrifiziertem Antriebsstrang.

CNG und LNG sind Hauptkonkurrenten

Als direkten Konkurrent sehen die Studienautoren den Gasmotor an. Besonders gasbetriebene Lkw (CNG und LNG / komprimiertes und flüssiges Erdgas) würden ähnlich hohe TCO aufweisen und  somit in direktem Wettbewerb mit den Brennstoffzellen-Lkw stehen. Entscheidend für den Erfolg des Brennstoffzellen-Lkw sei demnach die zukünftige Entwicklung der Energieträgerpreise, insbesondere für Wasserstoff, Erdgas und Diesel sowie das Ambitionsniveau beim Klimaschutz. "Diese werden in nicht unerheblichem Maße durch Steuern und Abgaben beeinflusst", geben die Autoren in Richtung der Politik zu bedenken.

Anders als im Pkw-Bereich spielen in einer Gesamtkostenrechnung die Kraftstoffkosten bei Lkw eine deutlich größere Rolle: Sie liegen laut der Autoren bei etwa 50 Prozent, wenn die Personalkosten für den Fahrer außer Acht gelassen werden. Deshalb sei die Energieeffizienzsteigerung hier bedeutsamer als die Kostenreduktion beim Brennstoffzellensystem. Neben den Kosten gibt es weitere Anforderungen für Brennstoffzellen-Lkw: Vor allem erwarten Logistikunternehmen die absolute Zuverlässigkeit der Fahrzeuge, da der Ausfall eines Lkw hohe Kosten verursachen würde. 

Dimensionierung der Tanks

Insbesondere die großen Tankvolumina der Lkw stellen zusätzliche Bedingungen bei der Fahrzeugkonstruktion und beim Aufbau von Wasserstofftankstellen. Lkw über 12 Tonnen zGG fahren deutlich mehr als Lkw unter 12 Tonnen zGG. "Daher müssen die Tanks für schwere Lkw überproportional größer dimensioniert sein. Mit wachsender Tankgröße steigen die Nutzlast-/Nutzvolumenverluste, daher scheint der Einsatz von Brennstoffzellen in schweren Lkw basierend auf dem derzeitigen Forschungsstand weniger wahrscheinlich", so die Studienautoren. 

Ein 40-Tonner mit konventionellem Antrieb erreiche heute Reichweiten von bis zu 2.500 Kilometern, mit Wasserstoffantrieb seien es deutlich weniger, geht aus der Studie hervor. Mit dem heute im Pkw üblichen Druck von 700 bar für Wasserstofftanks wäre im Lkw eine Reichweite zwischen 300 und 400 Kilometern möglich, ohne den Bauraum für den Tank zu vergrößern. Die Politik hat auf diese Problematik bereits reagiert und erlaubt mit der EU-Richtlinie 2015/719 eine Überschreitung der zulässigen Gesamtlänge bei alternativen Antrieben. Damit könnten zusätzliche Tanks eingebaut werden, welche die Reichweite auf bis zu 1.000 Kilometer erhöhen. 

Die Autoren der Studie empfehlen zudem, in zukünftigen Forschungsprojekten zu prüfen, ob geringere Reichweiten akzeptabel wären, um geringere Anschaffungsausgaben zu erreichen und den Markteintritt zu beschleunigen. 

Knackpunkt Leistung

Auch die Dimensionierung von Hybridsystemen von Brennstoffzelle und Batterie sowie die Skalierung der Nebenaggregate (zum Beispiel Batterie oder Kühlung) sollten laut der Studienautoren in Demonstrationsprojekten erforscht werden. 

Es stellt sich die Frage, 'ob ein die erforderliche Leistung bereitstellender Brennstoffzellenantrieb grundsätzlich entwickelt werden kann', wie es die Springer-Autoren Christian Mohrdieck, Massimo Venturi und Katrin Breitrück im Kapitel Mobile Anwendungen aus dem Buch Wasserstoff und Brennstoffzelle formulieren. 

Denn Knackpunkt ist die Leistung: Während Pkw-Motoren in der Mittelklasse etwa 100 bis 150 kW Leistung erreichen, werden die meisten Sattelzugmaschinen mit Motorleistungen zwischen 300 und 350 kW verkauft. Bisherige Brennstoffzellen-Anwendungen erreichen Systemleistungen von etwa 150 kW. Zur konstanten Fahrt eines großen Sattelzugs ist eine Leistung von etwa 100 kW notwendig. Die darüber hinaus verfügbare Leistung dient als Überschussleistung zum Beschleunigen und für die Steigfähigkeit an Steigungen. Dazu kommt noch der Energieverbrauch der Nebenaggregate. Die Aufstellung lege laut der Studie nahe, dass ein Brennstoffzellen-System bereits mit 150 bis 200 kW ausreichend ausgestattet wäre und sich die eventuelle darüber hinaus benötigte Überschussleistung durch Hybridlösungen realisieren lassen. Ob sich die Überschussleistung über 200 kW durch eine Hybridisierung (zum Beispiel mit einer Batterie) erreichen lässt, ohne das zu viel Nutzlast verloren geht, sollte laut der Autoren Gegenstand weiterer Forschungsarbeit sein. 

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