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01.11.2023 | Wasserstoff | Im Fokus | Online-Artikel

Europa könnte Wasserstoff-Potenzial besser nutzen

verfasst von: Christiane Köllner

5 Min. Lesedauer

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Wasserstoff ist ein knappes Gut. Um den H2-Bedarf der EU-Wirtschaft zu decken, rät das Projekt Hypat zu mehr Kooperation zwischen den Ländern – und gibt fünf Empfehlungen für eine optimierte Wasserstoffindustrie. 

Die Europäische Union (EU) setzt auf grünen Wasserstoff. Viele Länder, darunter Deutschland, planen hohe Investitionen in die Entwicklung und in den Hochlauf der dafür benötigten Wasserstoffindustrie. Doch wie können die EU und ihre Mitgliedstaaten ihr heimisches Wasserstoffpotenzial am effektivsten mobilisieren? Antworten gibt eine Studie des Fraunhofer ISI, RIFS Potsdam und der Deutschen Energie-Agentur (Dena) im Forschungsprojekts Hypat

Die Studie zeigt: Beim Verhältnis der Investitionsmengen und bei den Potenzialen zur günstigen Wasserstoffherstellung der einzelnen europäischen Regionen besteht ein großes Ungleichgewicht. Stärkere Kooperation auf EU-Ebene könnte laut den Forschern helfen, die Investitionen in die richtige Richtung zu lenken. Und: Trotz aller Anstrengungen wird Deutschland künftig ein Wasserstoff-Importland sein. 

Europa hat das Potenzial für H2-Selbstversorgung

In der Studie werden zwei Szenarien für verschiedene Anwendungsbreiten von Wasserstoff in Europa mit den regionalen Potenzialen für eine möglichst günstige Produktion von grünem Wasserstoff verglichen. Bei der Analyse fokussiert sich die Studie auf die Politikmaßnahmen der EU sowie auf Daten zur Förderung von Wasserstoffproduktion und -Anwendungen in EU-Ländern. Fragen zur Infrastruktur (Lagerung und Transport) waren nicht Teil dieser Untersuchung. 

Zwar erkennt die Studie an, dass Wasserstoffimporte aus Ländern außerhalb der EU wahrscheinlich eine wichtige Rolle spielen werden, geht aber davon aus, dass Europa seinen künftigen Wasserstoffbedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen größtenteils aus heimischer Produktion decken könnte. Es bestehe die Chance, die europäische Industrie unabhängiger von Importen aus Drittstaaten zu machen, heißt es. Laut Studie sei das technische Potenzial für die Produktion von erneuerbarem Strom in Europa (EU plus Norwegen, Schweiz und Großbritannien) im Jahr 2050 bei Kosten von bis zu 40 Euro pro MWh selbst bei breiter Anwendung von Wasserstoff hoch genug, um die gesamte Elektrizitätsnachfrage einschließlich der Elektrizitätsnachfrage zur Wasserstoffherstellung zu decken.

Deutschland wird auf Wasserstoffimporte angewiesen sein

Die größten Potenziale für die Produktion von erneuerbarer Energie im Jahr 2050 hätten Norwegen (über 1.900 TWh), Spanien (über 1.760 TWh), Frankreich (über 1.700 TWh), so die Forscher. Diese Staaten sollen selbst bei starker heimischer Nutzung von Wasserstoff mehr Potenzial haben als sie selbst für ihre eigene Nachfrage benötigen würden. Länder mit höherem Bedarf als eigenem Potenzial, also einem Defizit, müssten den benötigten Wasserstoff importieren.

Frankreich plane, so die Forscher, aktuell sechseinhalb Gigawatt Elektrolyse-Kapazität bis 2030, Spanien habe sein Ausbauziel erst kürzlich von 4 auf 11 GW erhöht und nehme somit aktuell den Spitzenplatz in Europa ein. Die nationale Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung sieht bis 2030 eine Elektrolyse-Kapazität zur Herstellung von Wasserstoff in Höhe von 10 GW vor. Trotz dieser Ziele werde Deutschland seinen Bedarf aber nicht allein decken können, so die Studie. Bis zu 70 % des deutschen Wasserstoffbedarfs müssten importiert werden.

Investitionen in Wasserstoff sind nicht optimal verteilt

Das deutsche Potenzial für den Ausbau erneuerbarer Energien sei laut der Studie nicht einmal halb so groß wie die künftige Nachfrage. Im Jahr 2050 könnte Deutschland innerhalb der EU das Defizitland mit der größten absoluten Versorgungslücke sein: Hier würden sogar bei geringer Anwendungsbreite über 550 TWh an erneuerbarer Energie fehlen, so die Forschenden. Fazit: Deutschland sei langfristig auf Importe von Energie und Wasserstoff angewiesen, um die heimische Wirtschaft zu versorgen. Weitere Länder mit größeren Versorgungslücken seien die Niederlande, Belgien, und Tschechien.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien investieren den Forschern zufolge aktuell am stärksten in den Aufbau einer Wasserstoffindustrie. Zwar seien auch in Spanien aktuell einige Projekte geplant, beim Investitionsvolumen auf nationaler Ebene falle das sonnenreiche Land hier aber weit hinter seinem Potenzial zurück. Die Studie habe außerdem bemängelt, dass die aktuellen Förderprogramme der EU wie zum Beispiel der EU-Innovationsfonds dieses Ungleichgewicht noch verstärken würden. 

Fünf Empfehlungen für eine optimierte Wasserstoffindustrie

Die Studie zeigt eine Reihe an Vorschlägen auf, die helfen könnten, die Investitionen in Europa besser zu verteilen und den Markthochlauf der Wasserstoffindustrie in den Ländern mit hohem Potenzial gezielter zu fördern:

Empfehlung 1: Höhere EU-Subventionen für Wasserstoffprojekte etablieren, sowohl bezogen auf Produktion als auch auf Anwendungen. Als Beispiel nennt die Studie grüne Produktionsmethoden für Chemieprodukte auf Wasserstoff-Basis statt fossiler Energieträger. Dabei sollte eine Kumulierung mit nationalstaatlichen Fördermitteln vermieden werden, so die Forscher, wie es bei der bald startenden EU-Wasserstoffausschreibung bereits umgesetzt worden sei.

Empfehlung 2: Grenzüberschreitende Auktionen für grünen Wasserstoff ermöglichen. Das Auktionsmodell "Auctions-as-a-Service" (AaaS), das die EU als zusätzliche Option im Rahmen ihrer Wasserstoffausschreibungen propagiert, sollte um bilaterale, grenzüberschreitende Auktionen der Mitgliedstaaten erweitert werden, so die Studie. Damit sollen gezielt die wettbewerbsfähigsten Projekte und den innereuropäischen Wasserstoffhandel unterstützt werden.

Empfehlung 3: Nationale Ausbauzielpfade für Elektrizität aus erneuerbaren Energien in allen EU-Staaten etablieren. Darüber könne die EU sicherstellen, so die Forscher, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien für die Wasserstoffproduktion nicht die Dekarbonisierung der nationalen Energiesysteme verlangsame und gleichzeitig besonders ambitionierte Regionen zusätzlich unterstützen, beispielsweise durch vereinfachte Nachweispflichten bei der Vermarktung von erneuerbarem Wasserstoff.

Empfehlung 4: Entwicklung von bilateralen oder regionalen Wasserstoffpartnerschaften zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern. Die EU-Regulierung erlaube laut den Forschern bei der Zielanrechnung von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten eine flexible Aufteilung zwischen Produktions- und Nutzungsland. Bilaterale oder regionale Partnerschaften könnten hier die Grundlage für eine Kooperation zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern schaffen.

Empfehlung 5: Fokus der Wasserstoffnutzung in Defizitländern auf die Sektoren, die am schwierigsten zu elektrifizieren sind ("hard-to-electrify"). In gewissen Bereichen der energieintensiven Industrie, des Flugverkehrs und der Schifffahrt gelte die zukünftige Wasserstoffnutzung als No-Regret-Option, so die Studie. Um die Versorgungslücken der Defizitländer und damit die Gesamtnachfrage nach Wasserstoff möglichst klein zu halten, könnten sowohl nationale als auch EU-weite Förderungen des Markthochlaufs auf diese Sektoren beschränkt werden.

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