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10.05.2023 | Unternehmenskredit | Schwerpunkt | Online-Artikel

Mittelstand verzichtet nicht auf Bankkredite

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

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Zinsen wie Zugangsvoraussetzungen für klassische Firmenkredite steigen. So achten viele Unternehmen auf einen breiteren Finanzierungsmix, zeigt eine Umfrage. Doch das Darlehen der Hausbank bleibt für viele Mittelständler erste Wahl, wenn sie Investitionen oder die Expansion finanzieren wollen.

Der Anstieg der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) hat Kredite für Unternehmen deutlich teurer gemacht. Zwar berichtet die Förderbank KfW aktuell, dass sich Firmenkunden je nach Branche und Größe seit Jahresbeginn wieder etwas einfacher Kapital bei den Instituten leihen können. Doch für die kleinen Betriebe sind die Hürden für neue Darlehen häufig zu hoch. "Zahlreiche Unternehmen prüfen derzeit, wie sie ihre Fremdfinanzierung künftig verteilen wollen", erläutert Frank Liebold, Country Manager Deutschland bei Atradius, das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Warenkreditversicherers unter mehr als 250 deutschen Firmen.

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Fremdfinanzierung

Zum Ende des Jahres 2021 hat die SAP AG Verbindlichkeiten in der Höhe von 30 Milliarden Euro in ihrer Bilanz, die Siemens AG von 79 Milliarden Euro und die Volkswagen AG gar 382 Milliarden Euro. Die Geldleihe ist eine unerlässliche Quelle der Finanzierung für Unternehmen – Zeit die verschiedenen Instrumente des Fremdkapitals im Detail zu betrachten.

Nachfragerückgang "nicht als Einbruch werten"

Der Erhebung zufolge setzte bislang ein gutes Drittel (34 Prozent) der Teilnehmer bei der externen Finanzierung vor allem auf klassische Bankkredite. Doch dieser Anteil ist nun auf 29 Prozent gesunken. Auch Stefan G. Reuß, seit Januar 2022 geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen (SGVHT), berichtet im Interview mit der Zeitschrift "Bankmagazin" (Ausgabe 5 | 2023) über eine rückläufige Kreditnachfrage. Die Zinswende habe im Kreditgeschäft eine Rückkehr zur Normalität ausgelöst, erläutert der SGVHT-Chef. 

Die Darlehenszusagen der Sparkassen seien 2022 insgesamt um etwa sechs Prozent zurückgegangen. Doch "zumindest im Firmenkundengeschäft ist der Rückgang aber nicht als Einbruch, sondern als Stabilisierung auf einem sehr hohen Niveau zu werten", betont Reuß. Die Zahl positiver Kreditentscheidungen habe in diesem Segment immer noch um 14 Prozent höher gelegen als im Jahr 2019 und damit vor Ausbruch der Corona-Pandemie. 

Laut der Atradius-Umfrage wollen viele Unternehmen künftig vor allem ihre Rücklagen stärken. Mit 36 Prozent sind das zwei Prozent mehr als bislang. Auch Privateinlagen sollen bei der Fremdfinanzierung künftig eine größere Rolle spielen. Diese Alternative wollen in Zukunft 14 Prozent der Befragten nutzen. Das ist ein Plus von ein Prozent. Daneben bieten das Factoring und die Finanzierung über den Kapitalmarkt für manche Betriebe sinnvolle Alternativen. "In herausfordernden Zeiten ist es wichtig, die Struktur der Fremdfinanzierung zu diversifizieren und variabel zu handhaben", rät Liebold.

Ausländische Institute keine Konkurrenz

Noch keinen großen Einfluss auf die Finanzierungslage haben hingegen Angebote ausländischer Institute auf dem deutschen Bankenmarkt, obwohl es bereits entsprechende Vorstöße gibt, wie Jan F. Wagner im "Bankmagazin" (Ausgabe 4 | 2023) feststellt: "In jüngster Zeit zeigen einige Auslandsbanken die Absicht, deutschen Banken die Vorherrschaft bei der Mittelstandsfinanzierung streitig zu machen." 

Der Autor bezieht sich unter anderem auf ein Bloomberg-Interview mit Doug Petno, Chief Executive Officer Commercial Banking bei J. P. Morgan, von November 2022. "Darin sagte er, sein Haus habe ein Team von 20 Spezialisten für die Betreuung von größeren deutschen Mittelständlern aufgestellt", so Wagner. Petno habe erklärt, mit diesem Schritt nicht die lokalen Hausbanken verdrängen zu wollen, sondern Möglichkeiten zu finden, die bestehende Bankenlandschaft zu ergänzen.

Auslandsbanken im Kapitalmarktgeschäft aktiv

"Auf Anfrage berichten Vertreter der drei Säulen, dass sie wenig davon spüren", schreibt der Bankmagazin-Autor weiter. Sowohl die Mainzer Volksbank sowie die Frankfurter Volksbank sagen Wagner zufolge, dass sie im gehobenen Mittelstandssegment keinen "offensiveren Marktauftritt von Auslandsbanken" wahrnehmen. Auslandsbanken seien laut einer Sprecherin der Commerzbank eher bei Spezialfinanzierungen im Kapitalmarktgeschäft wie M&A- und IPO-Transaktionen von größeren Unternehmen aktiv. 

Insgesamt komme eine Kapitalmarktfinanzierung für mittelständische Unternehmen mit bis zu 500 Millionen Euro Umsatz laut Klaus Schuler, Leiter Corporate Banking der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), als Refinanzierungsalternative aber kaum in Betracht. Diese nutzen dem Experten zufolge grundsätzlich Bankkredite für ihren Kapitalbedarf. "Die Beziehungen zu unseren Firmenkunden bestehen in der Regel seit vielen Jahren und sind von großem gegenseitigen Vertrauen geprägt. Dies ist auch ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich der langfristigen Finanzierungen", heißt es auch aus der Commerzbank. 

Teure Kredite verringern Investitionsbereitschaft

Dennoch mahnen die Studienautoren von Atradius, dass die steigenden Zinsen einen erheblichen Einfluss auf die Kosten für die Kreditaufnahme der Unternehmen haben und dies die Rentabilität von Investitionen verringere. Das könne Unternehmen dazu veranlassen, ihre Investitionspläne anzupassen oder zu verschieben. Hinzu kommen verschärfte Kreditvergabekriterien, da das Risiko von Zahlungsausfällen mit höheren Zinsen tendenziell zunimmt. Das belaste vor allem Unternehmen mit geringerer Bonität. "Unternehmen müssten gegebenenfalls ihre Investitionsentscheidungen überdenken, da die Finanzierungskosten und die Mindestrendite, die ein Projekt generieren muss, um profitabel zu sein, steigen", so Liebold. 

Kreditrisiken sind noch überschaubar

Das Risiko von Kreditausfällen werde "an Faktoren wie der Eintrittswahrscheinlichkeit, die aufgrund der Zinsentwicklung und der allgemeinen Marktrisiken gestiegen ist, sowie dem Gewicht und Anteil risikobehafteter Kredite gemessen", nennt Ralph Schuler, Chief Executive Officer (CEO) des Automatisierungs- und Digitalisierungsdienstleisters SHS Viveon, die beiden zentralen Risikoaspekte im Gespräch mit dem "Bankmagazin" (Ausgabe 5 | 2023). 

"Beide Faktoren sind unserer Beobachtung nach noch überschaubar geblieben und nach vorne gesehen auch vernünftig zu managen. Das setzt jedoch voraus, dass Unternehmen und Banken die Risikoanalyse und -entscheidungen im Onboarding und der Aussteuerung eines Kreditnehmers digitalisiert und softwaregestützt im Griff haben", so Schuler

Mittelstand überzeugt mit gesunder Eigenkapitalquote

Letztlich bewähre sich die Unternehmenssubstanz. "Aus einer übergeordneten Perspektive sehen wir ja, wohin sich Aktienmarkt und Venture Capital kurzfristig bewegt haben. Der Trend verlief zugunsten von Unternehmen mit gesunder Bilanz und belastbarem Umsatzwachstum, einhergehend mit einer soliden Liquidität", so Schuler. Insofern sei der klassische Mittelstand im Markt Deutschland, Österreich und Schweiz klar im Vorteil. "Er weist viel unternehmerische Substanz und eine gesunde Eigenkapitalquote von mehr als 30 Prozent auf." Dennoch gebe es auch eine Vielzahl kleinerer Unternehmen oder Start-ups, die ihre Wachstumsstrategie stark auf Fremdkapital aufbauen und eher in Schwierigkeiten bei der weiteren Finanzierung geraten.

"Die hohe Bonität der Unternehmen bei relativ niedrigen Fremdkapitalquoten von durchschnittlich circa 70 Prozent sollte trotz gestiegener Zinsbelastungen die Aufnahme von Krediten zur Liquiditätssicherung und vor allem für Investitionen in neue Technologien und klimafreundliche Energien weiter befeuern", glaubt der CEO.

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