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2017 | Buch

Verbraucherwissenschaften

Rahmenbedingungen, Forschungsfelder und Institutionen

herausgegeben von: Peter Kenning, Andreas Oehler, Lucia A. Reisch, Christian Grugel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

In diesem Herausgeberband wird das vielfältige Themenfeld der Verbraucherwissenschaften wissenschaftlich-konzeptionell definiert, skizziert und strukturiert. Ausgewählte Problemfelder der Verbraucherwissenschaften und der Verbraucherpolitikberatung stehen im Fokus wie z.B. die Digitale Welt, Energie, Ernährung, Finanzen und Gesundheit. Ausgewiesene Experten stellen Institutionen und Organisationen auf internationaler, Bundes- und Landesebene vor und betrachten den Verbraucher zusätzlich aus der Praxisperspektive.
Der InhaltDefinitionen, begriffliche Abgrenzung und Entwicklungspfade der Verbraucherwissenschaft
Rahmenbedingungen aus wirtschaftswissenschaftlicher, historischer, technologischer, politikwissenschaftlicher, soziologischer und rechtlicher Perspektive
Wesentliche Forschungsfelder
Innovative Ansätze der Verbraucherwissenschaften
Institutionen, Organisationen und Akteure
Die Herausgeber

Univ.-Prof. Dr. Peter Kenning ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist Sprecher des Koordinierungsgremiums des Netzwerks Verbraucherforschung im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV).
Univ.-Prof. Dr. Andreas Oehler ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft, an der Universität Bamberg. Er ist u.a. Direktor der Forschungsstelle „Verbraucherfinanzen und Verbraucherbildung“ und Vorsitzender des Verwaltungsrats der Stiftung Warentest.
Prof. Dr. Lucia A. Reisch ist Verhaltensökonomin und Konsumforscherin. Sie ist Full Professor an der Copenhagen Business School sowie Direktorin des Forschungszentrums Verbraucher, Markt und Politik an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Sie ist Vorsitzende des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen (SVRV).
Dr. Christian Grugel ist im Bereich der verbraucherpolitischen Beratung tätig. Bis Juni 2015 leitete er im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die Abteilung Verbraucherpolitik.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Ausgangslage

Frontmatter
Verbraucherwissenschaften – Begriffliche Grundlagen und Status-Quo

Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist es die im Kontext der verbraucherwissenschaftlichen Diskussion aus Sicht des Verfassers grundlegenden Begriffe zu definieren, zu diskutieren und zu systematisieren. Hierzu wird zunächst der Oberbegriff „Verbraucherwissenschaften“ gegenüber anderen in ähnlichen Kontexten verwendeten Begriffen abgegrenzt. Zudem werden unterschiedliche Definitionen und Interpretationen genannt und diskutiert. Im Ergebnis zeigt sich, dass der Gegenstand der Verbraucherwissenschaften darin besteht, unter Zuhilfenahme von Theorien, Erkenntnissen und Methoden verschiedener Disziplinen, die regelmäßig ökonomisch geprägte Institution des Verbrauchers (besser) zu beschreiben und zu verstehen. Ein Zweck der Verbraucherwissenschaften kann in der Ableitung praktisch- und/oder ethisch-normativer Aussagen – z. B. im verbraucherpolitischen Kontext – bestehen. Die Kontextualisierung erfolgt oft innerhalb von sogenannten Bedarfsfeldern; ein Begriff dessen Definition ebenfalls in diesem Beitrag vorgenommen wird. Im Hinblick auf die Etablierung der Verbraucherwissenschaften als eigenständige Wissenschaften ergibt sich schließlich ein noch uneinheitliches Bild, welches wiederum im Zusammenhang mit dem aktuellen (Selbst-)Verständnis steht.

Peter Kenning
Entwicklungspfade der Verbraucherwissenschaften

Alle Bürgerinnen und Bürger sind Verbraucher. Somit bilden Verbraucher die größte ökonomisch relevante Gruppe einer Volkswirtschaft. Gleichzeitig sind sie die einzige ökonomisch bedeutende Gruppe, die nicht oder zumindest wenig effektiv organisiert ist. Seit dem Jahrtausendwechsel gab es in Deutschland vermehrt Bestrebungen, Verbraucherpolitik auch wissenschaftlich zu bearbeiten bzw. zu erarbeiten, oder, mit anderen Worten, VerbraucherwissenschaftenVerbraucherwissenschaften und VerbraucherforschungVerbraucherforschung als wichtige Grundlage einer modernen VerbraucherpolitikVerbraucherpolitik zu begreifen. Ein zentrales Ergebnis der neueren Verbraucherforschung ist, anstatt von DER Verbraucherin oder DEM Verbraucher auszugehen, ein differenziertes Verbraucherverständnis anhand von situationsabhängigen VerhaltensmusternVerhaltensmuster. Eine Erhebung aktueller Forschungsaktivitäten verdeutlicht den Fokus der Verbraucherforschung und der Verbraucherpolitik unter dem Paradigma der InstitutionenökonomieInstitutionenökonomie und der Behavioral EconomicsBehavioral Economics. Als Wachstumsfelder für die zukünftige Verbraucherforschung können „FinanzdienstleistungFinanzdienstleistungen“, „Märkte der sozialen Sicherungsoziale Sicherung“ und der „Datenschutz“ sowie die „Digitale WeltDigitale Welt“ identifiziert werden.

Andreas Oehler
Verbraucherwissenschaft und -politik im Spannungsfeld zwischen Diskontinuität und Kontinuität

VerbraucherwissenschaftenVerbraucherwissenschaften und VerbraucherpolitikVerbraucherpolitik sind untrennbar mit der Entstehung der KonsumgesellschaftKonsumgesellschaft nach dem 2. Weltkrieg verknüpft. Über einen Zeitraum von 70 Jahren haben sich die Schwerpunkte und Ebenen ständig verschoben, von der Verbraucher-Rechts-Politik zur Verbraucherpolitik, von den Verbraucher-Rechts-Wissenschaften zu den Verbraucherwissenschaften, von der nationalen auf die europäische und die internationale Ebene. Ziel dieses Beitrages ist es, diese Verschiebungen nachzuzeichnen und damit die Grundlage für eine Diskussion anzuregen, die Verbraucherwissenschaften und Verbraucherpolitik als eine interdisziplinäre Aufgabe begreift, und die sich den Herausforderungen einer Mehr-Ebenen Gesellschaft (Nationalstaat – Europäische Union – Internationale Koordination) stellt.

Hans-W. Micklitz
Verbraucherpolitik statt Verbraucherschutz

Der wirtschaftliche Verbraucherschutz ist weitgehend auf das Zivilrecht gestützt. Verbraucher können ihre Interessen deshalb nur selber oder mit Unterstützung von Verbraucherorganisationen wahrnehmen. Nur im Finanz-, Telekommunikations- und Energiesektor sind Bundesbehörden generell beauftragt, Verstöße gegen kollektive Verbraucherrechte abzustellen. Im Gegensatz dazu setzt der gesundheitliche Verbraucherschutz auf staatliche Kontrollen. Er baut auf dem Vorsorgeprinzip auf, das im Einzelfall wissenschaftlich zu begründen ist. Die Bewertung von Risiken ist von den danach zu treffenden Maßnahmen organisatorisch getrennt. Um einen reaktiv konzipierten Verbraucherschutz zu einer gestaltenden Verbraucherpolitik zu entwickeln, sollten das Vorsorgeprinzip und die Trennung von Risikobewertung und Risikomanagement auf alle Bereiche des Verbraucherschutzes angewandt werden. Aus der erfolgreichen Entwicklung des Umweltschutzes zur Umweltpolitik könnte der Grundsatz, die Zuständigkeit für alle umweltbezogenen Aufgaben in einem Ressort zusammenzuführen, übernommen werden. Auch die im Umweltschutz bewährte Ergänzung allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen durch die detaillierte Regelung technischer Sachverhalte sollte von der Verbraucherpolitik genutzt werden. Verbraucherpolitik muss den Kontext kennen und berücksichtigen, in dem Verbraucher ihre Entscheidungen treffen. Der Kontext wird insbesondere durch die verfügbaren Einkommen, den Zugang zu Angeboten, die zwischen Anbietern und Verbrauchern bestehenden Informations- und Kompetenzasymmetrien und die unterschiedliche Verwendung von Vertrauen bestimmt. Erfolgreiche Verbraucherpolitik muss auch frühzeitig Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft identifizieren und mitgestalten. Dies gilt insbesondere für den Übergang ins digitale Zeitalter und die damit verknüpften Megatrends.

Christian Grugel

Rahmenbedingungen

Frontmatter
Der technologische Wandel: Herausforderungen in der Digitalen Welt

Verbraucherfragen zur Digitalen WeltDigitale Welt ersetzen nicht solche der analogen Welt. Der Wechselwirkung von analoger und Digitaler Welt kommt dabei besondere Bedeutung zu, wenn zum Beispiel Heuristiken der analogen Welt ungeprüft in der Digitalen Welt genutzt werden und vice versa. Damit die Nutzung der Digitalen Welt erfolgreich gelingen kann, wird der wahrgenommene Schutz der persönlichen Daten eine große Rolle spielen. Dieser setzt als notwendige Bedingung volle TransparenzTransparenz voraus. Die persönlichen Daten besitzen oft einen institutionellen, sozialen, und/oder ökonomischen Wert, den alle Akteure, grundsätzlich also auch die Verbraucherinnen und Verbraucher, individuell oder kollektiv als Verhandlungsgegenstand einsetzen können sollten. Entscheidend scheint hier aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger zu sein, wie einfach, verständlich und klar erkennbar ist, dass die genutzten Angebote in der Digitalen Welt aus den persönlichen Daten bezahlt werden (auch durch die Weitergabe an Dritte) und ob es im Ablehnungsfall Möglichkeiten der Vermeidung sowie Lösungsalternativen gibt.

Andreas Oehler
Historische Rahmenbedingungen verbraucherrelevanter Datensammlungen

Die Stellung der Verbraucher hat sich über verschiedene historische Phasen hinweg grundlegend verändert. Im Zuge einer zunehmenden Komplexität im Bereich der Konsumption ist die systematische Erfassung und Auswertung verbraucherrelevanter Daten bedeutender geworden. Der vorliegende Beitrag will dieser Entwicklung Rechnung tragen und widmet sich einer Skizzierung der historischen Entwicklung verbraucherrelevanter Datensammlungen im Zeitraum der letzten 200 Jahre. Anhand verschiedener Bedarfsfelder wird aufgezeigt, dass die historischen Rahmenbedingungen verbraucherrelevanter Datensammlungen von unterschiedlichen Einflussfaktoren geprägt sind, die wiederum mit der Heterogenität von unterschiedlichen Verbraucherinteressen korrespondieren. Dabei hat die systematische Erfassung verbraucherrelevanter Daten einen reaktiven Charakter, da Daten nicht proaktiv, sondern vielmehr als Reaktion auf neue Angebotsstrukturen erhoben wurden. Aus methodischer Perspektive haben sich verbraucherrelevante Datensammlungen im Zeitverlauf zunehmend ausdifferenziert, was u. a. durch die Hinzunahme neuer Erhebungsverfahren erklärt werden kann.

Nadine Schreiner, Peter Kenning
Nachhaltige Entwicklung

Um das „Handlungsprinzip Nachhaltigkeit“ zu verstehen und seine Bedeutung für die Verbraucherforschung einschätzen zu können, gibt der vorliegende Beitrag zunächst einen Überblick über die Geschichte und Genese des Konzepts Nachhaltige Entwicklung. Anschließend wird das Konzept vertieft und die Debatte über seine Kern-elemente skizziert. Als politisches Handlungskonzept, das sich in konkreten Zielen und Programmen niederschlägt (oder niederschlagen sollte), bedarf es der Messbarkeit und damit der Operationalisierung. Ein vierter Abschnitt widmet sich daher den Zielen, Indikatoren und dem Monitoring von Nachhaltiger Entwicklung. Abschließend wird gefragt, welche Rolle und welche Themen sich daraus für die Verbrau-cherforschung ergeben. Dabei wird insbesondere auf die Bedeutung des Nachhaltigen Konsums eingegangen.

Lucia A. Reisch, Mario Schmidt
Politikwissenschaftliche Perspektive

Die Politikwissenschaft beschäftigt sich mit Verbraucherinteressen, wie sie organisiert und wie sie repräsentiert werden. Außerdem untersucht sie, wie Entscheidungsprozesse in der Verbraucherpolitik ablaufen und welche Netzwerke dafür relevant sind. Theoretisch ist davon auszugehen, dass die kollektiven Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern so allgemein sind, dass ein klassisches Trittbrettfahrer-Problem entsteht: Kaum jemand tritt einer Verbraucherorganisation bei, weil er damit rechnet, dass verbraucherpolitische Maßnahmen ohnehin allen zugutekommen. Die starke Individualisierung des Konsums trägt ebenfalls dazu bei, dass die Organisationsfähigkeit, aber auch die Konfliktfähigkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern begrenzt ist. Wer nimmt dann Einfluss auf verbraucherpolitische Entscheidungsprozesse? Die Politikfeldanalyse als Subdisziplin kümmert sich darum, Netzwerke zu analysieren, die Lobbying-Strategien organisierter Interessen zu rekonstruieren und die steuernde Rolle des Staates zu reflektieren. Die wichtigsten empirischen Ergebnisse: Kampagnenfähigkeit und kollektive Rechtsdurchsetzung spielen eine immer größere Rolle, die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten, Verbraucherinnen und Verbraucher zu informieren, zu organisieren und zu mobilisieren. Die Grundlagen der Verbraucherpolitik verändern sich und damit auch die Machtverhältnisse und Entscheidungsprozesse.

Christoph Strünck
Die akademische Konsumforschung aus soziologischer Perspektive

Der Beitrag befasst sich zunächst mit einer Genealogie der akademischen Konsumentenforschung. Anschließend geht es um die Nützlichkeit der Soziologie für die Konsumentenforschung anhand klassischer Theoreme der Soziologie. Der letzte Abschnitt geht sehr verknappt auf den aktuellen regionalspezifischen Stand der Konsumsoziologie ein.

Kai-Uwe Hellmann
Die rechtliche Perspektive
Stand und Herausforderungen

VerbraucherrechtswissenschaftVerbraucherrechtswissenschaft hat sich als ein eigener Teil der RechtswissenschaftRechtswissenschaft etabliert. Neben einem klaren Kern der sogenannten B2C (Business to Consumer) Geschäfte sind die Grenzen des zugrunde liegenden Rechtsgebiets allerdings umstritten. Dieser Beitrag stellt die Verbraucherrechtswissenschaft, ihre wichtigsten Akteure und Plattformen, ihren Gegenstand: das Verbraucher(schutz)recht einschließlich der Fragen des Zugangs zum Recht und schließlich die wichtigsten Herausforderungen des noch vergleichsweise jungen und sehr dynamischen Rechtsgebietes vor.

Tobias Brönneke

Die wichtigsten Forschungsfelder – Arenen der Verbraucherwissenschaften

Frontmatter
Finanzen und Altersvorsorge

Das Motiv der AltersvorsorgeAltersvorsorge gilt in der empirischen FinanzforschungFinanzforschung schon seit langem als wichtige Determinante des Verbraucher(finanz)verhaltens. Aktuelle Studien zeigen, dass zwischen jungen Erwachsenen und der Gesamtbevölkerung keine zentralen Differenzen im Themenbereich „FinanzenFinanzen und GeldGeld“ bestehen, das Interesse in beiden Gruppen also gleich stark ist. Die Mehrheit der Verbraucher ist aufgrund der Komplexität der Informations- und Entscheidungssituationen im Bereich der VerbraucherfinanzenVerbraucherfinanzen und insbesondere der Altersvorsorge auf eine qualitativ hochwertige FinanzberatungFinanzberatung angewiesen. Qualitativ hochwertig bedeutet in diesem Kontext primär, die Grundsätze „know your customerKnow your customer“ und „know your productKnow your product“ möglichst gut umzusetzen. Die erste wissenschaftliche Evaluierung zur Gestaltung von sogenannten ProduktinformationsblätternProduktinformationsblatt (PIBs) für Deutschland zeigt, dass eine mit klaren Mustertexten operierende Regulierung auf der Basis von MindestanforderungenMindestanforderung an die KennzeichnungKennzeichnung aller wesentlichen FinanzprodukteFinanzprodukt für Verbraucherinnen und Verbraucher einen hohen Nutzwert für diese hätte. Der Einsatz standardisierter ProduktinformationProduktinformation ist also eng mit dem Nutzen einer Beratung verknüpft.

Andreas Oehler
Ernährung und Gesundheit
Forschungsansätze und Diskurse der Ernährungspolitik

Der Beitrag gibt einen Überblick über zentrale Entwicklungslinien der ernährungsbezogenen Verbraucherforschung und arbeitet dabei eine Tendenz zur zunehmenden Eingriffstiefe des Staates als Reaktion auf individuelle und gesellschaftliche Problemlagen heraus. Deutlich wird ein Zusammenspiel von individuellen Problemen (z. B. Adipositas), gesellschaftlichen Herausforderungen (z. B. Notwendigkeit des Klimaschutzes) sowie veränderten Werthaltungen (z. B. Tierschutz). Aus soziologischer Perspektive betrachtet offenbaren sich Forderungen bzw. Überforderungen einer individualisierten Gesellschaft, die bisher zu wenig stützende Rahmenbedingungen gibt. Vor diesem Hintergrund werden Forschungsergebnisse zum Ernährungshandeln der Verbraucher aufgezeigt und Instrumente der Ernährungspolitik diskutiert.

Achim Spiller, Sina Nitzko
Energie und Mobilität

Energie und Mobilität sind Basisgüter, und sie sind an Infrastrukturen gekoppelt. Energiesysteme sind meist stark von der Angebotsseite gesteuert. Mobilität hingegen entsteht erst durch die Nutzerinnen und Nutzer, die aber ebenfalls abhängig sind von der existierenden Infrastruktur. Beide Sektoren sind eine Mischung aus privatwirtschaftlichen Prinzipien und öffentlichen Dienstleistungen. In beiden Sektoren werden fünf verbraucherwissenschaftlich relevante Dimensionen diskutiert: eine psychologische, eine soziologische, eine ökonomische, eine technologische sowie eine politisch-rechtliche Dimension. Der Überblick zeigt, dass das empirische Wissen in Deutschland nur bruchstückhaft ist. Es entwickeln sich jedoch technologische und politische Trends, welche die Einflüsse und Spielräume der Verbraucherinnen und Verbraucher erhöhen können. Und gerade bei Basisgütern wie Energie und Mobilität können alternative verbraucherpolitische Instrumente wie nudging erprobt werden. Wie Spielräume genutzt werden, wie sich neue Entscheidungsarchitekturen auswirken: Beides stellt die Verbraucherwissenschaften vor neue Herausforderungen.

Christoph Strünck
Digitale Welt

Während in den Verbraucherwissenschaften in früheren Jahren die digitale Welt vor allem eine Bezeichnung für Internet- und Telekommunikationsdienste war, haben digitale Technologien mittlerweile in allen Branchen Einzug erhalten. Dies hat die wirtschaftliche und strategische Bedeutung von Daten in allen Wertschöpfungsketten erhöht. Ermöglicht durch die Wertzunahme persönlicher Daten gibt es nun zahlreiche Dienste, die Verbraucher ohne Entgelt, dafür unter Preisgabe persönlicher Daten nutzen können. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Quantifizierung des Wertes der Daten und Studien zum Bewusstsein unter den Verbrauchern über den Wert der Daten sind bisher aber nur eingeschränkt vorhanden. Nur eine größere Transparenz könnte aber einen Markt für datensparsame Dienste entstehen lassen. Vor diesem Hintergrund stellen sich zahlreiche Fragestellungen für die Verbraucherwissenschaft und -politik.

Simon C. Müller, Isabell M. Welpe
Verbraucherinformation und Verbraucherbildung

Das weit verbreitete InformationsparadigmaInformationsparadigma oder InformationsmodellInformationsmodell erzeugt die Illusion, jede und jeder könnte immer alles wissen und tun. Ergebnisse aus der Behavioral EconomicsBehavioral Economics & FinanceBehavioral Finance und aus dem Bereich Neuro EconomicsNeuroeconomics legen jedoch nahe, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in jedem wichtigen Lebens- und Konsumbereich permanent alle wichtigen Informationen wahrnehmen, verarbeiten, abrufbar speichern und in ihrer ErwartungsbildungErwartungsbildung und Entscheidung berücksichtigen können. Einer einfachen, klaren, verständlichen und vergleichbaren VerbraucherinformationVerbraucherinformation kommt daher ebenso wie der Verbraucherbildung eine zentrale Rolle zu. Die VerbraucherbildungVerbraucherbildung sollte unter anderem darauf fokussieren, die Wichtigkeit und Relevanz der Informationen, die für eigene Problemlösungen geeignet erscheinen, selektieren zu können. Nicht so sehr zahlreiches Detailwissen, sondern vor allem eine sogenannte Meta-BildungMeta-Bildung scheinen eher zielführend zu wirken. In der Regel wird es darum gehen, zu lernen, wie man Expertise findet, ohne selbst jeweils Experte werden zu müssen.

Andreas Oehler
Die Ressourcenintensität der Zeit und ihre Bedeutung für nachhaltige Lebensstile

Der effiziente und produktive Einsatz der Zeit gewinnt im Zeichen sozialer Beschleunigung an Bedeutung. Zeitgewinne werden dabei durch den Einsatz von Energie und Ressourcen erkauft. Die Forschung zum nachhaltigen Konsum muss sich daher verstärkt der Zeit, ihrer Verwendung und Ressourcenintensität widmen. Um besser zu verstehen, warum Menschen ihre Zeit ressourcenleicht oder -intensiv nutzen, hilft die Beschreibung der Zeitverwendung in sozialen MilieusSoziale Milieus.

Johannes Buhl, Michael Schipperges, Christa Liedtke

Innovative Ansätze der Verbraucherwissenschaften

Frontmatter
Grundzüge einer evidenzbasierten Verbraucherpolitik

In den Verbraucherwissenschaften wird seit längerem unter dem Begriff der „Evidenzbasierung“ ein Ansatz diskutiert, der eine realitätsnahe, weil empirisch informierte Verbraucherpolitik ermöglicht. Evidenzbasierung meint dabei die Planung, Realisation und Kontrolle einer wissenschaftlich fundierten, faktenbasierten und somit realitätsnahen Verbraucherpolitik. Dabei werden verbraucherpolitische Maßnahmen ex ante, ex interim und ex post hinsichtlich ihrer Effektivität und Effizienz beurteilt. Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist es zunächst die wesentlichen Gründe für diesen Politikstil zu diskutieren. Darauf aufbauend sollen die mit ihm verbundenen Anforderungen differenziert dargestellt werden bevor einige organisatorische Aspekte genannt werden und abschließend ein kurzes Fazit gezogen wird.

Peter Kenning, Andreas Oehler
NeuroökonomikNeuroökonomik

Die Neuroökonomik ist eine interdisziplinäre Wissenschaft an der Schnittstelle der Wirtschaftsforschung, Psychologie und Neurowissenschaft. Seit ca. 15 Jahren arbeiten Wissenschaftler dieser verschiedenen Disziplinen daran, menschliches Entscheidungsverhalten mithilfe von Methoden, Theorien und Modellen der beteiligten Wissensbereiche umfangreicher zu verstehen, beschreiben und vorherzusagen. In diesem Kapitel sollen die Grundzüge der Neuroökonomik mit einem Fokus auf die neurowissenschaftliche Verbraucherforschung dargestellt werden. Das Feld hat sich trotz der sehr kurzen Zeit seines Bestehens schon von der Grundlagenwissenschaft bis hin zu sehr anwendungsnaher Forschung entwickelt. So zeigen aktuelle Studien nicht nur, wie sich Kaufentscheidungen im Gehirn darstellen, sondern auch wie sich diese individuell unterscheiden und sogar Vorhersagen über aggregiertes Marktverhalten zulassen.

Bernd Weber
Verhaltensbasierte Regulierung (Nudging)

Die Verbraucherpolitik verfügt über ein breites Instrumentarium, bestehend aus weichen Instrumenten wie Information und Beratung, Bildung und Befähigung, Organisation und Ermächtigung sowie harten Instrumenten wie Steuern, Abgaben, Subventionen und der Regulierung durch Recht. In jüngerer Zeit wird verstärkt eine evidenzbasierte Politik angestrebt, die auf einem real-empirischen Bild des Verbrauchers basiert. In diesem Zusammenhang wird ein neues Instrument diskutiert, die so genannte verhaltensbasierte Regulierung. Verhalten soll hier über so genannte „Nudges“ oder Verhaltensstimuli beeinflusst werden, die individuelle Entscheidungen – ohne Zwang auszuüben oder etwas zu verbieten – in eine bestimmte Richtung „stupsen“ sollen. In der politischen Praxis hat sich gezeigt, dass die verhaltensbasierte Regulierung eine wirkungsvolle Ergänzung zum bestehenden Instrumentarium sein kann, ohne dieses ersetzen zu wollen. Der Beitrag erläutert zunächst das Konzept der verhaltensbasierten Regulierung, skizziert seine theoretischen und methodischen Grundlagen und stellt konkrete Anwendungen, Typen und Formen von Nudges vor. Schließlich werden Kritikpunkte an der verhaltensbasierten Regulierung benannt. Der Beitrag schließt mit einer Bewertung des Regulierungskonzepts für die Verbraucherpolitik sowie Überlegungen für die Verbraucherforschung.

Lucia A. Reisch, Cass R. Sunstein

Institutionen, Organisationen und Akteure

Frontmatter
Institutionen, Organisationen und Akteure auf internationaler Ebene

Sowohl Verbraucherpolitik wie auch die Verbraucherwissenschaften haben in den letzten 12 Jahren in Deutschland national an Bedeutung gewonnen. Verstärkter grenzüberschreitender Handel und die Digitale Welt erfordern eine immer stärkere internationale Zusammenarbeit in der Verbraucherpolitik. Bedauerlicherweise gab es allerdings in Deutschland keine zusätzlichen Kapazitäten für die internationale Kooperation, weder personell noch finanziell. In der internationalen Zusammenarbeit gab es auf der einen Seite eine große Offenheit für Verbraucherwissenschaften; auf der anderen Seite waren bei konkreten Entscheidungen zu Rechtssetzungen, Empfehlungen etc. nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse ausschlaggebend, z. B. der Verhaltenswissenschaften, sondern Wirtschaftsinteressen oder ideologische Standpunkte. Es bleibt also noch viel Spielraum für eine bessere und realistischere Kooperation zwischen internationaler Verbraucherpolitik und Verbraucherwissenschaften.

Rainer Metz
Verbraucherpolitik in der Europäischen Union

Die EU ist bestrebt, Verbraucher effektiv und umfassend auf hohem Niveau zu schützen. Übergeordnetes Ziel ist die Schaffung eines funktionierenden Binnenmarktes; als Kompetenzgrundlage wird dementsprechend Art. 114 AEUV (Verwirklichung des Binnenmarktes) herangezogen. Im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes ist die Kommission in ihren Vorschlägen deshalb mittlerweile zum Konzept der Vollharmonisierung übergegangen und hat zur Begründung für ihr Tätigwerden zahlreiche Studien beauftragt. Soweit sie dabei zugleich in Kernbereiche des Zivilrechts vorgedrungen ist, hat dies den Widerstand der Mitgliedstaaten hervorgerufen, deren Regelungsspielräume dadurch schwinden. Damit auch künftig auf nationaler Ebene „getestete“ innovative Regelungen das EU-Verbraucherrecht inspirieren können, sollte wirtschaftlicher Verbraucherschutz jedoch ein gemeinsames Projekt von Mitgliedstaaten und Union bleiben. Für den Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird beispielhaft das europäische Lebensmittelrecht angesprochen, das sich seit Bestehen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entwickelt hat. Von Anfang an wurde das Ziel verfolgt, die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Lebensmittelbereich zu harmonisieren, um den Handel in diesem wichtigen Wirtschaftszweig zu erleichtern. Die Rechtsangleichung mit der Sicherstellung eines hohen Gesundheits- und Verbraucherschutzniveaus im Lebensmittelbereich hat durch die angestrebte Vollendung des Binnenmarkts, aber auch durch Lebensmittelskandale besondere Dynamik erhalten und zu neuen Ansätzen in der Lebensmittelpolitik und der europäischen Rechtsetzung geführt.

Beatrix Lindner, Pia Noble
Die Perspektive des Bundes

Verbraucherpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, an der zahlreiche Ressorts der Bundesregierung mitwirken. Für die Ausrichtung der Verbraucherpolitik und den wirtschaftlichen Verbraucherschutz ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zuständig. Der Verbraucherschutz im Bereich Ernährung und Lebensmittel fällt in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Als wissenschaftliches Beratungsgremium für die Verbraucherpolitik wurde vom BMJV der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen eingerichtet. Verbraucherwissenschaften spielen für die Arbeit der Ministerien eine große Rolle. Bereits 2010 wurden vor der Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes eine wissenschaftliche Analyse und ein Dialogverfahren durchgeführt. Die Arbeit vieler Bundesoberbehörden hat mittelbare Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Verbraucherschutz. Eine Zuständigkeit für Aufgaben des kollektiven wirtschaftlichen Verbraucherschutzes existiert aber nur in Einzelfällen. Im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes liegt die Zuständigkeit zumeist bei den Ländern. Nur bei der Bewertung von Risiken, der bundesweiten Koordinierung von Maßnahmen und in Zulassungsverfahren werden Einrichtungen des Bundes tätig. Das Vorsorgeprinzip im gesundheitlichen Verbraucherschutz verlangt die regelmäßige Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Verwendung unterschiedlicher, auch verbraucherwissenschaftlicher Erkenntnisse hat deshalb maßgeblichen Einfluss auf die Organisation der Zulassungsverfahren. Vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Bundesgerichtshof werden Gerichtsverfahren, die Auswirkungen auf die Verbraucherpolitik haben, nur selten verhandelt, sodass dort nur in wenigen Einzelfällen auf Erkenntnisse der Verbraucherwissenschaften zurückgegriffen wird. Mit der Vergabe von Gutachten und Stellungnahmen, der Förderung des Netzwerks Verbraucherforschung und eines Lehrstuhls für Verbraucherrecht sowie die Einbeziehung verbraucherpolitischer Überlegungen in die Hightech-Strategie 2020 der Bundesregierung setzen die Ressorts der Bundesregierung auch Impulse für die Verbraucherforschung.

Christian Grugel
Verbraucherpolitik am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen
Gestaltungsmöglichkeiten der Länder in der Verbraucherpolitik-Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher durch Transparenz

Transparenz ist eines der zentralen verbraucherpolitischen Ziele der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Sowohl am Beispiel der Kontrollergebnisse in der Lebensmittelüberwachung als auch anhand des Angebotes an unabhängiger Information und Beratung der Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Verbraucherzentrale NRW beschreiben die Autoren beispielhaft, wie diese Zielsetzung in Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird.

Johannes Remmel, Horst Berg, Marc Krekler
Verbraucherpolitik am Beispiel des Landes Baden-Württemberg

VerbraucherpolitikVerbraucherpolitik berührt nahezu alle LebensbereicheLebensbereich der Konsumenten. Der Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher an die Politik, vor Schaden geschützt und mit nützlichen und leicht zugänglichen Informationen versorgt zu werden, hat erheblich an Bedeutung gewonnen. Verbraucherpolitik hat sich daher in den letzten Jahren zu einem eigenständigen und zukunftsträchtigen Politikfeld entwickelt. Am Beispiel Baden-Württemberg zeigt der Beitrag die Entwicklung der Verbraucherpolitik in einem Bundesland und beschreibt dessen Möglichkeiten als verbraucherpolitischer Akteur auf nationaler und europäischer Ebene.

Peter Maier
Wissenschaftliche Institutionen

Wissenschaftliche Institutionen nehmen im Kontext der VerbraucherwissenschaftenVerbraucherwissenschaften eine zentrale Rolle ein. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen widmen sich verbraucherbezogenen Themenstellungen dabei mit einem breiten Spektrum von Aktivitäten in der Forschung, bei Lehre und Studium sowie im Rahmen des Wissens- und Technologietransfers. Wesentliches Kennzeichen verbraucherwissenschaftlicher Aktivitäten ist das hohe Maß an erforderlicher Inter- und Transdisziplinarität, um die Komplexität der entsprechenden Lebensbereiche der Verbraucherinnen und Verbraucher entsprechend berücksichtigen zu können. Die tatsächliche Vielfalt dieser Aktivitäten wurde bislang nur ansatzweise empirisch erhoben. Neben grundsätzlichen Anforderungen hinsichtlich des wissenschaftlichen Vorgehens ist im Rahmen der Verbraucherwissenschaften seitens der wissenschaftlichen Institutionen auch die besondere Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher zu berücksichtigen.

Stefan Wendt
Wirtschaftsverbände

Wettbewerb treibt Unternehmen an, Produkte und Dienstleistungen kontinuierlich im Sinne des Verbrauchers zu verbessern. Aus ordnungspolitischer Sicht kann staatliches Eingreifen in Märkte begründet sein, wenn die Mechanismen des Marktes nicht greifen und die Verhältnismäßigkeit beim Eingriff in den Marktprozess beachtet wird. Verbraucherpolitik kann als integraler Bestandteil der Marktwirtschaft für einen tragfähigen Wettbewerb sorgen und Verbraucher vor wirtschaftlicher Benachteiligungen schützen, zu Gesundheitsschutz und Sicherheit der Verbraucher beitragen und Informationsbereitstellung, Markttransparenz und Verbraucherbildung fördern. Wirtschaftsverbände leisten dazu ihren Beitrag.

Niels Lau
Der Verbraucherzentrale Bundesverband – die Stimme der Verbraucher

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist die „Stimme der Verbraucher“ in Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 2000 vertritt der vzbv Verbraucherinteressen gegenüber Politik, Wirtschaft und Verwaltung und klagt Verbraucherrechte vor Gericht ein. Als Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder sowie 25 weiterer verbraucherpolitischer Mitgliedsverbände bündelt er die Kräfte für einen starken Verbraucherschutz. Der vzbv streitet für starke Verbraucherrechte, faire Märkte und unbedenkliche Produkte und Dienstleistungen. Der Verband ist gemeinnützig, parteipolitisch neutral und finanziert sich aus Mitteln des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), aus Projektmitteln und Mitgliedsbeiträgen. Der vorliegende Beitrag stellt den vzbv, seine wichtigsten Arbeitsschwerpunkte und die Arbeitsweise des Verbands vor. Dargestellt werden auch einige zentrale Zukunftsthemen des Verbraucherschutzes, wie die zunehmende Digitalisierung und ein nachhaltiger Konsum, die den Verbraucheralltag verändern und Regulierung erfordern. Die Positionen des vzbv werden hier ebenso skizziert.

Klaus Müller
Die Verbraucherzentralen

Von der Arbeitsgemeinschaft der VerbraucherverbändeVerbraucherverband bis hin zu den MarktwächternMarktwächter „FinanzenFinanzen“ und „Digitale WeltDigitale Welt“ erstreckt sich die Historie der VerbraucherzentralenVerbraucherzentrale. Während dieser Zeit erfuhren sie neben organisatorischen Weiterentwicklungen auch thematische sowie instrumentelle Erweiterungen und konnten verschiedene Kooperationen initiieren. Trotz der Veränderungen und jährlich vier Millionen Anfragen an die Verbraucherzentralen nach unabhängiger Unterstützung bleibt die Devise: Verbraucherzentralen sind Verbraucherberater, nicht Unternehmensberater.

Günter Hörmann
Die Stiftung Warentest

Das Kapitel gibt einen Überblick über die Entstehung und den Hintergrund von TestorganisationenTestorganisation. Darauf aufbauend werden die Stiftung WarentestStiftung Warentest, ÖkotestÖkotest, C’t und der ADAC in ihrer Funktion als bedeutendste Testorganisationen Deutschlands hinsichtlich ihrer Unternehmensgeschichte und -struktur sowie ihrer Testarbeit und der diesbezüglichen Rechtsprechung näher betrachtet. Das Kapitel schließt mit einer kritischen Würdigung alternativer Informationsquellen für Verbraucher wie Kundenbewertungen im Internet oder Anbieter von vermeintlichen Qualitätssiegeln.

Hubertus Primus
Ökotest und andere Testorganisationen

In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Testveranstaltern. Vergleichende WarentestsWarentest werden in Hunderten von Zeitschriften veröffentlicht. Zudem treten Zeitungen, Fernsehsender, NGOs wie Greenpeace, Foodwatch und der BUND, der ADAC, der TÜV, VergleichsportaleVergleichsportal im Internet und sogar die Partei Bündnis 90/Die Grünen regelmäßig als Testveranstalter auf. Doch viele Tests haben erkennbar nicht die primären Funktionen – Verbraucherschutz durch Information, Erhöhung der Markttransparenz und Förderung des Leistungswettbewerbs – vergleichender Warentests. Für Verbraucher sind viele Tests bestenfalls unterhaltsam, lehr- und aufschlussreich, im schlechtesten Fall schlicht irreführend.

Jürgen Stellpflug
Zwischen Markt und Zivilgesellschaft – Organisation von Verbraucherinteressen Online/Offline

Als Bindeglied zwischen Bürgern und Staat kommt der Organisation von Interessen durch Intermediäre eine wichtige Funktion im demokratischen Prozess zu. In diesem Beitrag wird der Blick auf den gegenwärtigen Stand der Intermediarisierung von Verbraucherinteressen gerichtet. Ausgehend von einer Differenzierung in Sozial- und Systemintegration werden insbesondere neue Formen der Interessenorganisation im Netz aus Sicht der Verbraucher vorgestellt und diskutiert.

Sigrid Baringhorst, Katharina Witterhold
Das BundeskartellamtBundeskartellamt

Anders als viele seiner europäischen Schwesternbehörden ist das Bundeskartellamt nicht zugleich Verbraucherschutzbehörde. Dennoch spielen Verbraucherinteressen, Verbraucherpräferenzen und Verbraucherrecht in der Kartellrechtsanwendung eine wichtige Rolle. Zum einen kommt der Schutz des Wettbewerbs Verbrauchern in vielen Konstellationen unmittelbar zugute. Dies ist etwa bei Preisabsprachen zulasten von Verbrauchern, beim Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gegenüber dem Endverbraucher und auch im Bereich der Fusionskontrolle unmittelbar zu erkennen. Zum anderen erfordert die Anwendung des Kartellrechts regelmäßig eine Befassung mit den Interessen und Vorstellungen der Verbraucher und weist insoweit Bezüge zur Verbraucherwissenschaft auf. Der Beitrag setzt sich mit diesem Verhältnis auseinander und stellt dar, wieso das Bundeskartellamt in seinen Verfahren den Verbraucher nicht pauschal als rationalen Nutzenmaximierer sieht, sondern sein tatsächliches Verhalten berücksichtigt, bei dem auch vermeintlich „irrationale“ Erwägungen, wie Sicherheits- oder Besitzstreben eine Rolle spielen.

Andreas Mundt, Christian Stempel
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)

Ziel der BaFinBaFin als integrierte Aufsichtsbehörde für den FinanzmarktFinanzmarkt Deutschland ist neben der Sicherung und Förderung der Funktionsfähigkeit, Stabilität und Integrität des deutschen Finanzplatzes auch der kollektive Verbraucherschutz. Kollektiver Verbraucherschutz bedeutet, dass die BaFin dem Schutz der Verbraucher in ihrer Gesamtheit verpflichtet und allein im öffentlichen Interesse tätig ist. Dieses Ziel verfolgt die BaFin von jeher auf vielfältige Art und Weise. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz vom 3. Juli 2015 wurde der kollektive Verbraucherschutz erstmals für alle Aufsichtsbereiche auch gesetzlich verankert. Außerdem hat der Gesetzgeber der BaFin darin neue Befugnisse zur Stärkung des kollektiven Verbraucherschutzes an die Hand gegeben und neue Aufgaben übertragen. Die wichtigsten neuen und alten Verbraucherschutzaktivitäten werden im vorliegenden Beitrag überblicksartig skizziert.

Elisabeth Roegele
Die Bundesnetzagentur

Das Kapitel behandelt die BundesnetzagenturBundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen als eine Institution des Verbraucherschutzes. Zunächst werden die Entstehung und Weiterentwicklung der Behörde skizziert und ein Überblick über ihre Aufgaben gegeben. Ein Abriss theoretischer Begründungen für die Regulierung netzbasierter Industrien leitet über zu einer Darstellung, wie die Bundesnetzagentur praktisch reguliert. Es wird argumentiert, dass all diese Regulierung dem VerbraucherschutzVerbraucherschutz dient. Schließlich werden die Aktivitäten der Bundesnetzagentur vorgestellt, die durch direkte Verbraucherserviceleistungen als Verbraucherschutz im engeren Sinne gelten können und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Jochen Homann
Backmatter
Metadaten
Titel
Verbraucherwissenschaften
herausgegeben von
Peter Kenning
Andreas Oehler
Lucia A. Reisch
Christian Grugel
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-10926-4
Print ISBN
978-3-658-10925-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-10926-4