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30.10.2020 | Werkstoffrecycling | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe

verfasst von: Dieter Beste

4:30 Min. Lesedauer

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Plastikmüll bereitet Kopfzerbrechen. Wohin mit all den Kunststoff-Produkten, wenn sie ausgedient haben. Und wie tragfähig ist die Hoffnung, die Kunststoffkrise mit biotechnologischen Methoden zu bewältigen?

 

Für die Kreislaufführung von Kunststoffen und kunststoffhaltigen Produkten stehen eine Vielzahl technischer Optionen zur Verfügung. Jörg Woidasky, Elisa Seiler, Frank Henning, Marc-Andree Wolf und Matthias Harsch lassen sie im Buchkapitel "Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling" Revue passieren. Allerdings, so die Springer-Autoren, seien neben der technischen Eignung vor allem die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen entscheidend für den Aufbau und Betrieb eines Verfahrens der Kreislaufwirtschaft. Und sie konstatieren, dass in solchen Bereichen, in denen sich "von vornherein direkte (vor allem wirtschaftliche) Vorteile generieren lassen, wie dies z. B. beim werkstofflichen Produktionsabfallrecycling meist der Fall ist, wurden und werden solche Verfahren schnell umgesetzt und dauerhaft betrieben" (Seite 101). Zusätzliche Entwicklungen seien durch neue politische Initiativen wie z. B. das Kreislaufwirtschaftspaket der Europäischen Union sowie die zugehörigen sektorbezogenen Strategien unter anderem zu Kunststoffen zu erwarten.

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Um zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu gelangen, ist es ein weiter Weg. Derzeit wird nur ein geringer Bruchteil der Kunststoffe durch energie- und kostenintensive Verfahren wiederverwertet. Dabei sind Kunststoffabfälle wertvolle Rohstoffe – und in großen Mengen vorhanden: Für das Jahr 2015 wurde eine Kunststoffabfallmenge in Deutschland von insgesamt ca. 5,92 Millionen Tonnen ermittelt. Hiervon entfielen rund 5 Millionen Tonnen auf Siedlungsabfälle und 0,92 Millionen Tonnen auf Produktions- und Verarbeitungsabfälle, konstatieren S. Cieplik, U. Schlotter, S. Meyer und K. Wittstock im Buchkapitel "Verwertung von Kunststoffen". Die Springer-Autoren benennen auch das grundsätzliche Problem, diese Werkstoffe wiederzugewinnen: "Spezifische Kunststoffarten kommen aber als chemisch eindeutig definiertes Material eigentlich nur bei Herstellung und Verarbeitung isoliert vor. Die relevanten großen Mengen der Kunststoffe in Siedlungsabfällen sind dagegen fast immer verschmutzte Mischungen aus unterschiedlichen Kunststofftypen, eng verbunden, verschraubt und verklebt mit anderen Materialien und dispergiert in einer noch größeren Vielfalt von Materialen" (Seite 817).

Seit einiger Zeit wird die Möglichkeit in Forschung und Technik diskutiert, Kunststoffe mit Enzymen und in biotechnologischen Verfahren mithilfe von Mikroorganismen in ihre Bausteine zu zerlegen. Dabei müssen biologisch abbaubare Kunststoffe nicht zwangsläufig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sein: "Es gibt auch Kunststoffe aus fossilen, nicht nachwachsenden Ressourcen, die biologisch abbaubar sind", berichten Walter Reineke und Michael Schlömann in "Umweltmikrobiologie" und skizzieren auf Seite 281 wie es Shosuke Yoshida und anderen gelang, den Polyester Polyethylenterephthalat (PET) mithilfe des Bakteriums ideonella sakaiensis abzubauen. Aus den zurückbleibenden Molekülbausteinen, den Monomeren, könnten erneut Kunststoffe hergestellt werden, so die Überlegung, die seit 2016 weltweit Wissenschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen elektrisiert.

Wie leistungsfähig sind biotechnologische Lösungen?

In der Zeitschrift "Nature Catalysis" hat sich jetzt eine Wissenschaftlergruppe der Universität Greifswald, der RWTH Aachen, dem Fraunhofer Institut UMSICHT und dem University College Dublin zu Wort gemeldet. Es geht ihnen in ihrem Kommentar "Possibilities and limitations of biotechnological plastic degradation and recycling" um eine Klarstellung: Zusammen mit aufregenden wissenschaftlichen Durchbrüchen wie dem biologischen Abbau von PET sei es zu Missverständnissen gekommen. Einerseits vielfach zu "sinnlosen Forschungsaktivitäten" im Anschluss daran, präzisieren die Mitautoren Uwe Bornscheuer und Ren Wei von der Universität Greifswald sowie Lars M. Blank von der RWTH Aachen in einer zusätzlich publizierten Hintergrundinformation, und andererseits seien der Industrie und den Endbenutzern von Kunststoffprodukten in einer sensationsheischenden Kommunikation zur Lösung der Kunststoffkrise "falsche Hoffnungen" gemacht worden. 

Kunststoffkrise verlangt nach ausgeklügelten Lösungen

In Ihrem Positionspapier hebt die Autorengruppe in "Nature Catalysis" zunächst hervor, dass die chemische Bindung in Kunststoffen darüber entscheidet, ob eine Bio-Recyclingfähigkeit – unter Einsatz von Biokatalyse bzw. Biotechnologie – überhaupt möglich ist. Neben dem Abbau von Kunststoffen zu ihren dann wiederverwertbaren Monomeren betont die Forschergruppe auch die Bedeutung des Up-cycling. Das ist die Verwendung von Abbauprodukten als Wachstumsquelle für Mikroorganismen, um andere wertvolle Produkte herzustellen. In dem von der Europäischen Union im Rahmen von Horizon 2020 geförderten Verbundprojekts "MIX-UP" arbeiten sie gemeinsam mit Wissenschaftlern aus China an der Entwicklung eines neuartigen Ansatzes zu einer zirkulären (Bio-)Ökonomie für Kunststoffe – der Wertschöpfung aus Plastikabfällen, sowohl aus den Ozeanen als auch aus Haushalten, durch biotechnologische Verfahren. 

Von Kunststoffabfall zu Kunststoffwert

"Und schließlich", so die Autoren um Uwe Bornscheuer, "weisen wir in unserem Kommentar darauf hin, dass wir für den biologischen Abbau von Kunststoffen, die in die Umwelt gelangen, zwei extrem unterschiedliche Zeitpläne benötigen: Kunststoffe, die gezielt in die Umwelt gelangen, wie Agrarfolien, mit biologischen Abbauraten im Bereich von Wochen oder Monaten, während alle anderen Kunststoffe eine Strategie für den biologischen Abbau vorzugsweise im Bereich von Jahren und nicht Jahrhunderten benötigen." Den streitbaren Nature-Autoren schwebt eine bessere Kunststoffzukunft vor, die auf sechs Prinzipien beruht: überdenken – ablehnen – reduzieren – wiederverwenden – recyceln – ersetzen. Und sie hoffen, mit ihrem Beitrag eine lebhafte Diskussion darüber eröffnet zu haben, wie eine Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe in naher Zukunft erreicht werden kann.
 

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