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28.11.2023 | Bank-IT | Interview | Online-Artikel

"Agil geführte Banken haben eine höhere Resilienz"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Digitale Technik sollte Bankprozesse ganzeitlich verändern, rät Experte Michael Baldauf im Interview. So gestalten Institute ein intelligentes Risikomanagement, das sie resilient und adaptionsfähig macht. Dafür nötig ist ein agiles Mindset.

Mehrere Studien haben in den vergangenen Wochen gezeigt, dass die verschiedenen Krisen, stark steigende Zinsen und die anhaltende konjunkturelle Schwäche in Deutschland unter anderem die Kostenstrukturen und die Profitabilität der Banken belasten und eine enorme Herausforderung für das Risikomanagement sind. Wie und wo machen sich die unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen aus Ihrer Sicht am stärksten bemerkbar? 

Die aktuelle makroökonomische Entwicklung macht sich in nahezu allen betrieblichen Bereichen bemerkbar. Das reicht von steigenden Lohn- und Energiekosten über die Inflationsfolgen bis hin zu Klimawandel- und Bürokratiekosten. Der große Gamechanger ist jedoch die Geschwindigkeit, mit der diese Entwicklung auftritt und Verantwortliche zum Handeln zwingt. Und genau an diesem Punkt liegen die Defizite im Bankensektor. Weder das operative Risikomanagement noch die Adaptionsfähigkeit sind auf die Transformationsdynamik dieses Wandels eingestellt. Es ist deshalb dringend nötig, mit digitalen Technologien die Flexibilität und Agilität von Prozessveränderungen zu stärken. Das betrifft zum einen das Risikomanagement, das schon heute eine Echtzeitanalyse und damit ein abteilungsübergreifendes Datenmanagement erfordert. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die rechtlichen Anforderungen an operationelle Risiken in den nächsten Jahren massiv zunehmen werden - beispielsweise für die Bewertung von ESG- oder Cyber-Risken. 

Was ist noch zu beachten?

Der zweite kritische Punkt betrifft die Art und Weise, wie derzeit in Banken operatives Risikomanagement betrieben wird. In vielen Fällen kommen Splitterlösungen zum Einsatz, die einzelne Probleme lösen sollen, aber kein einheitliches Vorgehen ermöglichen. Sobald sich die rechtlichen Anforderungen ändern, laufen diese Lösungen ins Leere und müssen aufwendig neu aufgesetzt werden. An einer automatisierten Lösung, die Daten abteilungsübergreifend verarbeitet, analysiert und ausgibt, führt aus unserer Perspektive in den nächsten Jahren kein Weg vorbei. 

Sehen Sie wesentliche Unterschiede in den drei Bankensäulen - etwa im Hinblick auf mögliche Kreditausfälle oder Ertragsrückgänge im Kreditgeschäft?

Was Ertragsrückgänge angeht, lässt sich das meines Erachtens definitiv beobachten. Das hängt vor allem mit dem Kundenportfolio zusammen, das sich je nach Finanzinstitut unterschiedlich zusammensetzt. Die wirtschaftliche Lage unterscheidet sich derzeit in den einzelnen Branchen und auch die Unternehmensgröße im Kundenportfolio ist ein Faktor, der über die Ertragseinbußen mitbestimmt. So sind beispielsweise Sparkassen oder Genossenschaftsbanken von regionalen oder strukturellen Veränderungen stärker betroffen als Großbanken. Sie können Verluste von landwirtschaftlichen Kunden, die etwa durch Trockenheit oder Extremwetter verursacht werden, weniger gut ausgleichen. Das Gleiche gilt für die Finanzierungsprobleme von Bauherren und Bauträgern aufgrund der inflationsbedingten Preissteigerungen. 

Was tun Banken und Sparkassen aktuell, um dem steigenden Druck entgegenzuwirken? Können Sie das an Beispielen erläutern? 

Was die strukturellen Aspekte angeht, würde ich persönlich sagen: zu wenig. Das Risikomanagement anzupassen oder auch die eigenen Geschäftsmodelle zu verändern, ist nun mal nicht von heute auf morgen erledigt. Und solange es noch genügend Cash Cows gibt, wie beispielsweise durch den Run auf passive Investments, ist der Veränderungsdruck von der Kostenseite nicht groß genug. Auch Ziele wie die Senkung operativer Kosten findet man ehrlicherweise in nahezu jeder Strategie. Die Frage ist vielmehr, wie sie konkret umgesetzt werden und ob nicht viel häufiger Sekundärthemen bespielt werden, um von den eigentlichen Herausforderungen abzulenken. Schließlich ist es oft einfacher ein neues Produkt zu launchen, anstatt die Prozesse wirklich von Ende zu Ende zu überarbeiten.

Agilität gilt als zentraler Schlüssel, um trotz fortschreitender wirtschaftlicher Herausforderungen als Bank erfolgreich am Markt zu bestehen. Welche Tools oder Maßnahmen sollten aus Ihrer Sicht dabei zum Einsatz kommen und in welchen Bereichen versprechen sie die größten Erfolgschancen?

Zunächst einmal muss man hier unterscheiden zwischen agilen Methoden und einem agilen Mindset. Es ist vergleichsweise einfach möglich, agile Management- und Kollaborationsmodelle wie beispielsweise Scrum oder Kanban zu etablieren. Schwierig wird es jedoch, ein bestehendes Management auf ein agiles Mindset umzustellen. Das bedeutet nämlich, Zeit und Ressourcen als fixe Größe anzusetzen und das Ziel variabel anzupassen. 

Lohnt sich dieser Aufwand? 

Wir meinen Ja, weil unsere Erfahrung zeigt, dass iterativ und agil geführte Banken eine viel höhere Resilienz und Adaptivität aufweisen. Sie können also neue Herausforderungen viel schneller umsetzen und sind zugleich wehrhafter gegen Bedrohungen. Das klingt oft einfach, erfordert in der Praxis aber eine umfassende Optimierung, damit Agilität auch mit den Strukturen und den rechtlichen Anforderungen des Bankgeschäfts vereinbart werden kann. 

Allerdings setzt die Regulierung den Banken und Sparkassen Grenzen, was neue Methoden im Risikomanagement und die Implementierung von IT in Kreditprozessen betrifft.

Ganz im Gegenteil. Die neue Regulierung fordert von Banken sogar ein klares Umdenken in Richtung einer flexiblen Echtzeitanalyse von Risiken und der dafür notwendigen IT. Das gilt auch für neue Produkte und Services wie beispielsweise Embedded Finance. Um das zu erreichen müssen Finanzdienstleister und Banken ihre Architektur so aufsetzen, dass sie das Geschäftsmodell und den Kundenstamm bestmöglich abbildet. 

Wie sieht ein optimales Umsetzungsprojekt aus Ihrer Sicht aus?

Sparkassen und Genossenschaftsbanken können eine effiziente Umsetzung durch fachliche und technische Schichtenmodelle erreichen. Diese ermöglichen einen hohen Standardisierungsgrad, der nur an den notwendigen Stellen durch individualisierte Lösungen ergänzt wird und dadurch die Kosten der Transformation senkt. Für die Gruppen und den Großbankensektor heißt das Stichwort Center-out - sowohl in der Produktentwicklung als auch bei der technischen Umsetzung.

Können Sie anhand von Kennzahlen erläutern, wie sich die Veränderungen von Prozessen und die Einführung spezieller IT-Werkzeuge langfristig für die Institute wie für ihre Kunden rechnen?

Der genaue Effekt lässt sich nicht pauschal beziffern, da die Zielsetzung einen entscheidenden Einfluss auf die KPIs hat. Es gibt jedoch eine Range, in der sich die meisten Transformationen bewegen. Die operativen Kosten sinken durch die Automatisierung sehr deutlich, um durchschnittlich 40 bis 60 Prozent. Durch das intelligente Risikomanagement können zudem bis zu dreimal höhere Abschlussquoten, deutlich schnellere Bearbeitungszeiten sowie genauere Sicherheitsbewertungen erreicht werden. Das führt dazu, dass das Pricing besser an die Risiken angepasst werden kann und damit auch die notwendigen Kapitalhinterlegungen sinken. 

Was ist hier langfristig möglich?

Mit Künstlicher Intelligenz (KI) eröffnen sich noch ganz andere Möglichkeiten. Durch Predictive Analytics können Risiken oder Fehler noch vor ihrem Entstehen erkannt werden, was Kostenspiralen verhindert, wenn beispielsweise Berater fälschlicherweise Zahlungen an kreditunwürdige Kunden genehmigen. Ein anderer Einsatzbereich ist Generative KI, die etwa in der Kundenkommunikation den Personalbedarf signifikant senkt, weil Mitarbeitende nicht mehr für redundante oder unwichtige Tätigkeiten eingesetzt werden müssen. 

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