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13.04.2017 | Brennstoffzelle | Interview | Online-Artikel

"Wasserstoff wird es nicht wegen des Automobils geben"

verfasst von: Martin Westerhoff

6 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dipl.-Ing. Gerald Killmann

ist Vice President R&D bei Toyota.

Wasserstoff ist erforderlich, um die Energiesicherheit in der Zukunft zu gewährleisten, sagt Gerald Killmann von Toyota. Welche Hürden bei der Wasserstoffmobilität noch zu nehmen sind, erläutert er im Interview.

MTZ: Toyota plant im Jahr 2050 eine große Stückzahl von Pkw mit Brennstoffzelle zu verkaufen, die sicherlich im Wettbewerb mit den batterieelektrischen Pkw liegen werden. Worin sehen Sie die größten Hürden, um dieses Ziel zu erreichen?

Killmann: Sowohl bei Fahrzeugen mit Brennstoffzelle wie bei Batterie-elektrischen existieren noch verschiedene Hürden. Bei der Brennstoffzelle liegen diese sowohl auf der Fahrzeug-, wie auch auf der Infrastrukturseite. Auf das Fahrzeug bezogen sind zwei Dinge zu nennen: Das eine ist die Kostensenkung. Hier sind wir in der Entwicklung der weiteren Generationen der Brennstoffzelle aber bereits so weit und so zuversichtlich, dass wir ein ähnliches Szenario wie auch beim Hochvolt-Hybridantrieb umsetzen können. Der erste Prius war sicherlich kein Profittreiber, hingegen tragen wir mit den heutigen Hybrid-Modellen deutlich zum Konzerngewinn bei. So stellen wir uns das künftig auch bei der Brennstoffzelle vor. Der zweite Punkt ist die Serienproduktion, die Kapazität zu steigern, die Taktzeit in der Produktion der Brennstoffzelle zu senken, damit wir die Stückzahlen produzieren können, die in der Zukunft gebraucht werden. Hier sind unsere Ingenieure aber schon sehr viel weiter gekommen, und in den folgenden Generationen werden wir das entsprechend umsetzen können. Kurzum: auf der Fahrzeugseite sind wir sehr zuversichtlich. 

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Brennstoffzelle

Die Brennstoffzelle ist ein Energiewandler, der die im Brennstoff (meist Wasserstoff ) gespeicherte Energie mithilfe von Sauerstoff direkt in elektrische Energie umwandelt. Damit entfällt der übliche Energiewandlungsprozess von Kraftstoff in mechanische Energie (Verbrennungskraftmaschine) und anschließend über den Generator in elektrische Energie. 

Sind Sie das auch bezüglich der Infrastruktur?

Wasserstoff wird es nicht wegen des Automobils geben. Er ist vielmehr erforderlich, um die Energiesicherheit in der Zukunft zu gewährleisten. Das hat den einfachen Hintergrund, dass man elektrische Energie in großen Volumina zwischenspeichern muss, da Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind-, Solar- oder Wasserkraftwerke zwar in großen Mengen produziert, aber nicht immer zum gleichen Zeitpunkt gebraucht wird. Diese Energie gilt es zwischenzuspeichern. Wasserstoff bietet sich dafür als Medium an. Das haben die Energiekonzerne erkannt und von daher wird es Wasserstoff als Energiezwischenspeicher geben. Der Automobilindustrie bietet das die Möglichkeit, als Treibstoff darauf zurückzugreifen. Langfristig gesehen sehe ich hier keine Hemmschwelle. Und: Wasserstofff ist kein unbekanntes Material. Bereits heute werden jährlich 50 Millionen t industriell verarbeitet. Sowohl für die Herstellung, den Transport als auch den Umgang mit Wasserstoff existieren etablierte Standards.

Warum haben Sie bislang keinen Diesel-Hybrid entwickelt?

Toyota hat im Jahr 2003 einen Dieselhybrid auf den japanischen Markt gebracht, und zwar im Kleinlaster Dyna. Das war natürlich ein anderes Hybridkonzept als bei einem Pkw oder SUV. Vor allem wurde in Betracht gezogen, dass die Hauptvorteile eines Hybridantriebs in der Innenstadt liegen, also ideal sind für den Verteilerverkehr. Man muss sich im Klaren sein: Der Dieselmotor ist ein teurer Motor. Das Hybridgetriebe, durch seine Eigenschaften und die elektrischen Komponenten, hat ebenfalls seinen Preis. Wenn man diese beiden Komponenten miteinander verheiratet, ist es sehr schwierig, die Gesamtkosten für den Endverbraucher über das restliche Fahrzeug auf ein vernünftiges Niveau zu bringen – gerade beim Dieselantrieb, wo die Abgasnachbehandlungssysteme immer komplizierter und damit auch kostspieliger werden. Das ist ein reines Rechenexempel, und die Argumente werden sich nicht ändern. Die hohen Anschaffungskosten kann ein Kunde über die Lebenszeit eines Dieselhybrid-Pkw durch eventuell geringere Betriebskosten kaum wieder wettmachen.

Toyotas Dieselanteil schrumpft, BMW liefert die 1,6- und 2,0-l-Aggregate zu. Betrachten Sie den Dieselmotor bei Pkw als Auslaufmodell?

Der Dieselmotor macht Sinn. Wenn Sie das Rohöl aufspalten, bekommen Sie einen gewissen Anteil Diesel, einen gewissen Anteil Benzin. Damit haben Sie einen bestimmten Deckungsgrad, wenn Sie das Öl nutzen. Wie viel von dem erzeugten Diesel jetzt für den Schwerverkehr verwendet wird, wie viel für den privaten Verkehr genutzt wird, muss letztendlich auch der Kunde durch sein Kaufverhalten mitentscheiden. Wir sehen ganz klar, dass unsere Hybridantriebe sehr erfolgreich sind. Aber wir bieten nach wie vor auch Dieselmotoren an, den 1,4-l-Motor fertigen wir in Polen selbst. Wir sprechen hier allerdings von einem Hubvolumen, das nicht nur für Europa, sondern auch für Indien sehr interessant ist. Dort existiert eine Steuerlimitierung für Motoren bis 1,5 l. Dieselmotoren zwischen 1,6 und 2 l sind vor allem für den Pkw-Markt in Europa gefragt. Wir kommen hier nicht auf Stückzahlen, die eine Eigenentwicklung rechtfertigen. Daher ist eine Zusammenarbeit mit einem Hersteller wie BMW interessant, gerade in so einem Bereich. 

Stichwort Europa: Welche Entwicklungsaufgaben übernimmt Toyota Europe im Konzern?

Wir fokussieren uns natürlich auf die europäischen Modelle in der Serienentwicklung, insbesondere auf die Modellpflege, aber auch auf Europa-spezifische Charakteristika. Zum Beispiel beim C-HR waren wir an der Software-Kalibrierung für den europäischen Markt entscheidend mitbeteiligt. Die Plattformen entwickeln unsere Kollegen in Japan. Andere Augenmerke liegen auf den europäischen Modellen, wie dem Yaris, der gerade eine komplette Modellpflege erhält, die hier entwickelt wurde. Der derzeitige Avensis ist in Europa entstanden und wird in England produziert. Wir arbeiten zudem eng mit den europäischen Universitäten und Forschungsinstituten zusammen, um neue Technologien zu entwickeln, wie etwa für Brennstoffzellen oder Batterien. Das europäische Hochschulsystem ist sehr interessant und verfügt über viel Know-how, das sehr wertvoll ist. Wir sind das Bindeglied zum Konzern, das Wissen können wir so in unsere Produkte einbringen.

Bevor Sie 1992 bei Toyota eingestiegen sind, haben Sie sich an der TU Graz ganz dem Verbrennungsmotor gewidmet. Wie haben Sie persönlich die zunehmende Elektrifizierung erlebt?

Meine Karriere vor Toyota hat mit Zweitakt-Kleinmotoren begonnen. Schon damals waren zwei Dinge wichtig: Der Fahrspaß, aber auch die Umwelt. Es galt bereits, die Abgasemissionen zu optimieren. Das war für mich auch sehr wichtig beim Eintritt in Toyota, dass ich eine Firma aussuche, die sehr weit fortgeschritten ist in der Technologie. Damals, als ich angefangen habe bei Toyota, waren die Magermotoren gerade sehr im Kommen. Inzwischen hat sich das alles verändert. Ich habe dann Dieselmotoren entwickelt, war dafür eineinhalb Jahre in Japan. Dort habe ich auf dem Testkurs meine ersten Kontakte mit dem Hybrid, mit dem Prius der ersten Generation, gemacht. Hoch spannend, hoch interessant. Und es war ganz klar, dass das eine Technologie ist, die sehr zukunftsweisend ist. Dieser Technologie habe ich mich nach meiner Rückkehr in Europa angenommen. Und geschaut, dass die Entwicklungen so verlaufen, dass sie Europa-tauglich sind. Das zeigt sich in Fahrzeugen wie der der neuesten Generation des Prius, der eine deutliche Anpassung in der Fahrbarkeit hat – der Gummibandeffekt ist deutlich geringer. Das sind die Dinge, die mit Einfluss von Europa aus geschehen sind. Und, ganz klar, hat sich mein Interesse vom Verbrennungsmotor hin zum Elektroantrieb erweitert, aber nicht reduziert.

Mehr von Gerald Killmann lesen im Interview "Unsere Philosophie ist, Kerntechnologie im Haus zu entwickeln" aus der MTZ 5-2017. Dort erklärt Killmann, warum Toyota auf Vollhybride statt auf 48-V-Mildhybride setzt und diese als effektiven Schritt auf dem Weg zur Elektromobilität sieht.

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