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27.02.2024 | Compliance | Interview | Online-Artikel

"Green-Claims-Richtlinie macht Greenwashing gefährlicher"

verfasst von: Andrea Amerland

4 Min. Lesedauer

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Greenwashing ist die negative Ausprägung der Regel "Tue Gutes und rede darüber". Schönfärberei setzt die EU eine Direktive entgegen. Wie Nachhaltigkeit noch einwandfrei kommuniziert werden kann, erklärt Expertin Nuvia Maslo.
 

springerprofessional.de: Die EU hat mit der Veröffentlichung der Green-Claims-Richtlinie am 22. März 2023 auf Greenwashing-Praktiken reagiert. Was ist der Inhalt dieser Richtlinie und wann tritt die Regelung in Kraft?

Nuvia Maslo: Die Green-Claims-Richtlinie zielt darauf ab, Greenwashing zu verbannen. Unternehmen dürfen keine übertriebenen und selektiven Darstellungen von vermeintlicher Umweltfreundlichkeit veröffentlichen und müssen stattdessen auf eine ehrliche und transparente Kommunikation in Sachen Nachhaltigkeit setzen. Natürlich dürfen sie ihre positiven Nachhaltigkeitsaktivitäten hervorheben, müssen aber auch ihre negativen Aspekte offenlegen. Im Wesentlichen soll es darum gehen, Behauptungen zu vermeintlicher Umweltfreundlichkeit zu substanziieren, also mit entsprechenden Daten und Hintergrundinformationen zu belegen. Durch die Richtlinie wird ein fairerer Wettbewerb gewährleistet. Gleichzeitig wird dadurch die nachhaltige Transformation für Unternehmen auch wirtschaftlich noch attraktiver - und Greenwashing gefährlicher. Noch steht nicht endgültig fest, wann die Green-Claims-Richtlinie greift. Nach aktuellen Entwicklungen könnte es aber bereits 2024 soweit sein. 

Was kommt dadurch auf Unternehmen zu?

Unternehmen müssen sich auf die neue Transparenz vorbereiten. Dabei wird die zentrale Verfügbarkeit und Genauigkeit von Daten entscheiden, wie umfangreich und glaubwürdig ein Unternehmen in Zukunft kommunizieren kann. Je mehr Substanz tatsächlich in den Bemühungen um Nachhaltigkeit belegbar ist, desto mehr können sich Unternehmen natürlich auch von anderen differenzieren. Schon jetzt sichern sich Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit ernsthaft auf der Agenda haben, dadurch Wettbewerbsvorteile. Denn eine gute Datenlage erhöht die Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsleistungen in den kommenden Jahren. Das Ergebnis ist ein höherer unternehmerischer Reifegrad in Sachen ESG sowohl intern als auch gesamtgesellschaftlich. 

Die gesetzliche Forderung nach mehr Transparenz beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Green Claims Directive. Auch die neue Nachhaltigkeitsberichtspflicht, die mit der CSRD, Corporate Sustainability Reporting Directive, kommt oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verlangen allesamt eine bisher ungekannte Offenheit, was den ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Impact von Unternehmen angeht. 

Was sollten Unternehmen bei der Erstellung ihrer Nachhaltigkeitsberichte unbedingt sicherstellen?

Unternehmen sollten unbedingt eine vollständige und genaue Darstellung ihrer Nachhaltigkeitsleistungen, aber auch ihrer Ziele und geplanten Maßnahmen gewährleisten. Es geht nicht darum, in allem schon perfekt nachhaltig zu sein, sondern um eine umfassende, selbstreflektierte Aufrichtigkeit, die die Unternehmenskommunikation in der Breite heute noch nicht kennt. Entscheidend sind drei Dinge: Eine umfassende Datenlage, die an einem zentralen Ort verfügbar ist, das Commitment der Geschäftsführung oder des Vorstands sowie ausreichend Ressourcen - qualitativ und quantitativ - einzuplanen. 

Der Knackpunkt sind in der Realität häufig die Daten. Hier ist es essentiell, sich frühzeitig auf eine dedizierte Software zu einigen, in der alle Daten, Kennzahlen, Ziele, Maßnahmen, Emissionsrechner, mit entsprechenden Berechtigungen von allen Mitwirkenden gepflegt werden. 

Um alle wichtigen Daten zu berücksichtigen, sind die einzelnen Abteilungen und Führungskräfte gefragt: Sie sollten frühzeitig in den Prozess eingebunden und geschult werden und die jeweils relevanten Daten zur Verfügung stellen. Und auch die Kommunikation darf ruhig frühzeitig beginnen. Sowohl intern als auch extern gilt das Prinzip der Aufrichtigkeit und Selbstreflexion. Wo sind wir schon sehr gut unterwegs? Und wo sind vielleicht auch noch Themen, auf die wir nicht stolz sind, die wir aber angehen wollen? Am Anfang wird nicht alles perfekt laufen - und das ist auch völlig okay so. Die damit verbundenen Herausforderungen und Erkenntnisse über die eigene Wirkung sind Teil einer spannenden Reise hin zu einem nachhaltigeren - und häufig auch erfolgreicheren - Unternehmen. 

Manche Unternehmen stecken den Kopf in den Sand und wollen lieber Greenhushing betreiben. Was versteht man unter dem Begriff?

Greenhushing oder auch "Grünes Schweigen" bezeichnet das Phänomen, dass Unternehmen aus Angst vor Anfeindungen, Reputationsverlust oder Klagen ihre nachhaltigen Aktivitäten nicht kommunizieren. Das führt zu einer Schweigespirale, in der ein weitreichender Irrglaube entsteht, dass Unternehmen zu wenig für Nachhaltigkeit tun. Als Folge dessen wird die nachhaltige Transformation verlangsamt. Greenhushing ist also eine ernstzunehmende Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit und gleichzeitig eine vergebene Chance für Unternehmen, sich zukunftssicher aufzustellen.

Wie können Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zwischen Greenwashing und Greenhushing sinnvoll und rechtlich einwandfrei kommunizieren?

Indem sie sich an den Prinzipien der Wesentlichkeit und Transparenz orientieren. Wesentlichkeit bedeutet, die Themen zu behandeln, die wirklich Einfluss haben. Ein typischer Fehler, der anfangs häufig begangen wird, ist eine Maßnahme mit viel Bildkraft zu starten, aber eben mit wenig Einfluss im Kontext der eigenen Geschäftstätigkeit, beispielsweise das Ansiedeln von Bienenvölkern auf dem Produktionsgelände. Stattdessen geht es darum, sich der großen Brocken bewusst zu sein, die das eigene Unternehmen verursacht. Mit diesem Fokus wird gute, ehrliche und transparente Nachhaltigkeitskommunikation gelingen.

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