Verbrennungsmotoren stehen in Verruf, die Elektromobilität kommt nicht schnell genug voran. Florian Ausfelder legte kürzlich ein Konzept für den Übergang von fossilen Kraftstoffen zur E-Mobilität vor.
Springer Professional: Als Option auf dem Weg zur Elektromobilität werden in einem White Paper der Dechema synthetische Kraftstoffe gesehen. Warum?
Florian Ausfelder: E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe auf Basis von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff und CO2 sind eine mögliche technische Perspektive, neben weiteren, wie zum Beispiel batteriebetriebene Elektromobilität, für einen nachhaltigen Umbau des Verkehrssektors. Der Umbau der Fahrzeugflotten auf andere Antriebssysteme benötigt Zeit. Und selbst dann werden wir auch in Zukunft in verschiedenen Bereichen nicht vollständig auf flüssige Kraftstoffe verzichten können. Langfristig sehen wir das Einsatzgebiet von E-Fuels nicht primär im PKW-Bereich, sondern im Schwerlastverkehr sowie für Flugzeuge und in der Schifffahrt.
E-Fuel soll ja einen "klimaneutralen" Betrieb der Verbrennungsmotoren ermöglichen. Verschafft sich die Autoindustrie mit dieser Idee lediglich einen Zeitgewinn oder welche entscheidenden Vorteile verspricht deren Herstellung und Nutzung gegenüber derzeitigen Kraftstoffen?
E-Fuels sind nicht per se klimafreundlicher als fossile Kraftstoffe. Ihre relative Klimafreundlichkeit hängt wesentlich an der Frage, welcher Strommix zur Herstellung des eingesetzten Wasserstoffs verwendet wird und welcher Aufwand für die Bereitstellung der Kohlenstoffquelle betrieben werden muss. Der verwendete Strom sollte möglichst vollständig aus erneuerbaren Quellen stammen und diese müssen zusätzlich zu dem Ausbau an erneuerbarer Stromerzeugung im Stromsystem installiert werden. Unter diesen Voraussetzungen können E-Fuels einen Beitrag im Konzert der verschiedenen Technologien zu einer nachhaltigeren Mobilität leisten. E-Fuels ermöglichen eine andere Optimierung von Verbrennungsmotoren und gegebenenfalls eine sauberere Verbrennung. Damit können auch andere schädliche Emissionen wie NOx reduziert werden. Die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen reduziert zudem die politische Abhängigkeit von Erdöllieferanten.
Es gibt gravierende Vorteile, dennoch wird bei der breiten Einführung synthetischer Kraftstoffe gezögert. Was spricht dagegen?
E-Fuels erfordern einen zusätzlichen massiven Ausbau von erneuerbarer Stromerzeugung und den Aufbau entsprechender Produktionskapazitäten. Dies ist ein massives Investment, was ohne gesicherte Rahmenbedingungen für den Einsatz von E-Fuels nicht vertretbar ist. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass E-Fuels deutlich teurer sein werden als aktuell vergleichbare fossile Kraftstoffe.
Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen zur Produktion synthetischer Kraftstoffe in Deutschland?
Deutschland ist mit seiner chemischen Industrie und dem Know-how im Maschinen- und Anlagenbau für die Produktion synthetischer Kraftstoffe hervorragend aufgestellt. Da große Mengen erneuerbar erzeugter Elektrizität benötigt werden, sind andere Länder allerdings ggfs. in einer geografisch bevorzugteren Lage. Die E-Fuels müssen nicht notwendigerweise in Deutschland produziert werden; eine übergreifende europäische Integration ist hier sehr gut vorstellbar.
Während Deutschland die Elektromobilität als Zukunftstechnologie sieht, sollen in Finnland bis 2020 schon 200.000 Elektrofahrzeuge auf den Straßen rollen. Haben uns die Skandinavier etwas voraus oder haben sie den zweiten vor den ersten Schritt getan?
Deutschland wird das selbstgesteckte Ziel, bis 2020 1 Millionen Elektroautos auf den Straßen zu haben, sehr deutlich verfehlen. Die Elektromobilität wird in Zukunft insbesondere im PKW-Bereich eine immer größere Rolle einnehmen, bedarf aber auch des Ausbaus der entsprechenden Infrastruktur. Wir müssen die gesamte Zukunft der Mobilität neu denken, neben den Antriebssystemen gilt dies zum Beispiel auch für autonomes Fahren. Jedenfalls gehört dazu auch ein kritischer Blick auf die zukünftige Rolle des Verbrennungsmotors.