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30.03.2020 | Finanzbranche | Nachricht | Online-Artikel

Druck auf Banken und Versicherer steigt massiv

verfasst von: Stefan Terliesner

4:30 Min. Lesedauer

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Ein überwiegend düsteres Bild zeichneten die Teilnehmer einer Online-Podiumsdiskussion. Den Experten zufolge trifft die Corona-Krise auf eine ausgezehrte Finanzwirtschaft. Aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung.

Der Corona-Virus hat die Welt fest im Griff. Die ökonomischen und sozialen Folgen sind noch nicht absehbar, werden die deutsche Wirtschaft aber hart treffen. Bereits heute sehen sich viele Banken, Sparkassen und Versicherungen vor große Herausforderungen gestellt: Kredite drohen auszufallen, der Vertrieb muss umorganisiert, Arbeitsprozesse angepasst, das Risikomanagement neu ausgerichtet werden und vieles mehr.

Das Finanzsystem ist noch nicht in Gefahr

Das Ecfs European Center for Financial Services an der Universität Duisburg-Essen hat zum Thema "Der Corona-Crash – Herausforderungen für die Finanzwirtschaft" eine Podiumsdiskussion veranstaltet", die angesichts der Kontaktbeschränkungen per Online-Chat und Telefon stattfand. Einig waren sich die Teilnehmer, "dass die Pandemie einen massiven Einbruch der Wirtschaft zur Folge hat, obwohl Geld- und Fiskalpolitik wirklich alles tun, um gegenzusteuern", wie Holger Wessling es formulierte. Zwar sieht der Vorstand der Deutschen Apotheker- und Ärztebank derzeit die Stabilität des Finanzsystems nicht in Gefahr. Für die Zukunft mochte er dies aber nicht ausschließen.

Auch Joachim Bonn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Duisburg, wies darauf hin, dass mit der Lungenseuche Covid19 und den Maßnahmen zu ihrer Eindämmung ein externer Schock zuerst weite Teile der Realwirtschaft lahmlegt und dann auf die Finanzwirtschaft überspringt. Gleichzeitig sei das Bankensystem angesichts eines anhaltend niedrigen Zinsniveau ausgezehrt.

Zinsen bleiben noch viele Jahre niedrig

Oliver Suhre, Generalbevollmächtigter der Monuta Versicherungen, stimmte dem Sparkassen-Chef zu: "Die Finanzwirtschaft kämpft seit Jahren mit den Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes. Jetzt kommen die Folgen der Corona-Pandemie noch dazu. Banken und Versicherer werden noch viel mehr unter Druck gesetzt." Suhre ist überzeugt, dass die jetzt geschnürten Rettungspakete die Zinsproblematik nicht beseitigt. Im Gegenteil: "Ich erwarte noch etliche Jahre europaweit extrem niedrige Zinsen." Er verband seine Prognose mit der Forderung an Politik, Aufseher und Notenbanken, die Rahmenbedingungen zu ändern. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Branche noch fünf Jahre so weiter machen kann."

Große Ertragsprobleme sieht Stephan Schüller, Inhaber des Lehrstuhls für Banken und Betriebliche Finanzwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, auf Banken zukommen. Der Kursverfall von Bank-Aktiengesellschaften auf den Börsen sei ein deutliches Zeichen dafür. Falls jetzt viele kleine und mittlere Unternehmen, als die Kunden der Banken und Sparkassen, Probleme bekämen, nähmen die Schwierigkeiten der Geldhäuser weiter zu. 

Der Hochschullehrer sieht auf die Gewinn- und Verlustrechnung von Banken "erhebliche Belastungen" zukommen. Zwar seien die Eigenkapitalquoten wegen der strengen Regulierung der vergangenen Jahre "derzeit O.K.", aber sie würden sich verschlechtern. Wohl auch deshalb habe der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Felix Hufeld, vor wenigen Tagen Geldhäuser davor gewarnt, in nächster Zeit Dividenden an ihre Eigentümer auszuschütten. "Die Bafin macht sich Sorgen um die Kapitalausstattung der Banken", betonte der Professor.

Helikoptergeld gibt Banken auch Chancen

Sein Kollege an der Universität Duisburg-Essen, Finanzprofessor Bernd Rolfes, sieht riesige Staatsschuldenprobleme auf die Staatengemeinschaft zukommen, auch weil die Politik zunehmend dazu übergehe, sogenanntes Helikoptergeld an Bevölkerungsgruppen zu verschenken. Was die kreditbasierten Hilfsprogramme betrifft, seien jetzt die Banken gefordert. Möglicherweise liege in dem Ansturm von Kunden auf die bereitgestellten Finanzmittel auch eine Chance für Kreditinstitute. Sie würden jetzt gebraucht, was ihrer Reputation gut tue. "Heute sind Banken die Retter. Vorher waren sie die bösen Buben", sagte er mit Blick auf die Finanzkrise 2007/2008.

Sparkassen-Chef Bonn bliebt an dieser Stelle skeptisch: "Das Ausreichen von Rettungskrediten ist kein nachhaltiges Wachstum." Das sah auch Kai Böringschulte, Geschäftsführender Gesellschafter bei Compeon, einem Online-Marktplatz für gewerbliche Finanzierungen, so. "Der Zins der KfW-Kredite ist vorgegeben; die Marge limitiert." Und weiter: "Jetzt werden die Firmenkunden mit Krediten zugeschüttet. Die Frage ist aber, ob sie das Geld später zurückzahlen können." Ein totaler Umsatzausfall mache sich im Jahresabschluss negativ bemerkbar. Das Eigenkapital leide. Das Rating verschlechtere sich. Wenn man beim Ausreichen der Gelder nicht aufpasse, könnte der Finanzwirtschaft "schon im nächsten Jahr viele Kredite wieder auf die Füße fallen", sagte Böringschulte.

Digitalisierung erlebt einen Schub

Einig waren sich die Podiumsdiskussionsteilnehmer, dass bei allen Problemen, die Finanzwirtschaft durch die Maßnahmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie, einen Digitalisierungsschub erlebt. Aktuell im Vorteil seien Banken, Sparkassen und Versicherer, die weite Teile ihrer Prozesslandschaft bereits automatisiert und digitalisiert haben. "Wer in Sachen Digitalisierung weit fortgeschritten ist, hat heute weniger Probleme", sagte Stephan Dreyer, Senior Partner bei Zeb.rsa, einer Tochtergesellschaft der der Strategie- und Managementberatung Zeb. Aktuell würden einfache Online-Werkzeuge für zum Beispiel Video-Konferenzen und das gemeinsame Arbeiten an Projekten und Präsentationen mit enormer Geschwindigkeit in der Praxis umgesetzt. "Banken und ihre Mitarbeiter lernen von Tag zu Tag mit neuen Kommunikationsmedien umzugehen."

Hier liegt liegt dann doch noch eine Chance auf mehr Effizienz und damit der Erwirtschaftung dringend benötigter Erträge. Hoffnung machte auch Sparkassen-Chef Bonn: Die aktuellen Herausforderungen seien immens. Aber er gehe davon aus, dass der Shutdown, also alle mit Corona zusammenhängenden Beschränkungen, Ende April 2020 weitgehend beendet sind. Das wäre schön – und wichtig.

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