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16.11.2023 | Immobilienwirtschaft | Schwerpunkt | Online-Artikel

Immobilienmarkt steht vor komplexen Herausforderungen

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Die Preise für Immobilien sinken über alle Segmente hinweg, belegen Zahlen des vdp. Die wirschaftliche Unsicherheit, hohe Kosten und schwierige Finanzierungsbedingungen lassen Verkaufszahlen und Genehmigungen sinken, schrecken Investoren und belasten Projektentwickler.

Für das dritte Quartal 2023 ermittelte der vdp-Immobilienpreisindex "weiterhin Anzeichen einer Abkühlung". Der Preisrückgang gegenüber dem Vorjahresquartal beträgt 7,1 Prozent. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2023 reduzierte sich der Index um 1,7 Prozent. "Diese Entwicklung ist Ausdruck einer nach wie vor bestehenden Unsicherheit über die wirtschaftlichen Aussichten", heißt es in dem vierteljährlichen Report des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp).

Preisrückgänge in allen Marktbereichen

Der Studie zufolge, die auf Transaktionsdaten tatsächlich realisierter Kaufpreise und Mieten von über 700 Kreditinstituten basiert, sind die Preise für Wohnimmobilien gegenüber dem dritten Quartal 2022 um 6,3 Prozent und gegenüber dem direkten Vorquartal um 1,7 Prozent zurück gegangen. Dabei sei die Entwicklung bei Wohneigentum und Mehrfamilienhäusern "recht ähnlich", heißt es. Dies gelte auch für Projekte in den sieben Top-Metropolen sowie bei Gewerbeimmobilien im gesamten Bundesgebiet, wie nachstehende Grafik belegt: 

Die Immobilienpreise in den beliebten Städten haben sich auf Jahressicht zum Beispiel in Berlin um 4,7 Prozent und in Frankfurt um 9,1 Prozent verringert. Auf Quartalssicht liegt die Spanne zwischen minus 1,2 Prozent in Berlin, Düsseldorf sowie Frankfurt und minus 1,9 Prozent in Köln.

Baugenehmigungen sind rückläufig

Doch nicht nur die Preise fertiger Wohimmobilien sind rückläufig, auch die Zahl der Genehmigungen für neue Projekte sinkt, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) Mitte Oktober bekannt gab. Der Behörde zufolge bekam im August 2023 bundesweit der Bau von 19.300 Wohnungen grünes Licht von den Behörden. Das waren 31,6 Prozent oder 8.900 Baugenehmigungen weniger als im August 2022. Von Januar bis August 2023 sank deren Zahl gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 28,3 Prozent. Damit wurden nur insgesamt 175.500 neue Wohnungen genehmigt. Das ist ein Minus um 69.100 Einheiten. 

Als Gründe nennt Destatis die gestiegenen Baukosten und die "zunehmend schlechteren Finanzierungsbedingungen". In den Ergebnissen sind sowohl die Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten.

Gewerbeimmobilien mit größten Preiskorrekturen

Noch deutlich stärker als bei Wohnungen und Häusern fallen die Preiskorrekturen laut vdp im Bereich der gewerblichen Immobilien aus. "Die nach wie vor bestehende Investitionszurückhaltung ist auf ein verändertes
Zinsumfeld, striktere Finanzierungsbedingungen und angepasste
Renditeerwartungen im Markt zurückzuführen", so die Marktexperten des Verbands. 

Während sich die Einzelhandelsimmobilienpreise um 1,2 Prozent auf Quartalssicht und um 9,3 Prozent zum Vorjahresquartal reduzierten,  gaben die Preise für Büros um 2,5 Prozent beziehungsweise um 10,6 Prozent nach. Erstmals seit dem Jahr 2009 fiel damit der Preisrückgang bei Büroimmobilien höher aus als bei Einzelhandelsimmobilien.

Immobilieninvestoren scheuen Europa

Auch für Investoren bleibt die Lage in Deutschland und in Gesamteuropa schwierig, wie Daten des Beratungshauses Pricewaterhouse Coopers (Pwc) offenbaren: Laut der aktuellen Studie "Emerging Trends in Real Estate Europe", die die Gesellschaft gemeinsam mit dem Urban Land Institute (ULI) durchgeführt hat, sind 75 Prozent der mehr als 1.000 für die Erhebung befragten Führungskräfte der Immobilienbranche der Meinung, dass die aktuellen Bewertungen "nicht alle Herausforderungen und Chancen im Immobilienbereich widerspiegeln". Es bestehe weiterhin ein deutlicher Abstand zwischen Marktpreiserwartungen von Käufern und Verkäufern. 

Viele der Branchenexperten befürchten, "in ein offenes Messer zu laufen", da der Markt in Europa nach wie vor von großer Unsicherheit geprägt ist. Dies sei der Grund für das deutlich reduzierte Investitionsvolumen, das Daten des Finanzdienstleisters MSCI belegen. Das ist von Januar bis September bundesweit um 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. 

Städte mit Liquidität bevorzugt

Die Kapitalgeber fokussieren sich derzeit vor allem auf Städte, "die Liquidität bieten". So stehen London und Paris mit den Plätzen eins und zwei ganz oben auf der Hitliste der Investoren. Auf die beiden Städte entfielen in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 rund 15 Prozent des gesamten Immobilientransaktionsvolumens in Europa. 

Unter den deutschen Städten belegen Berlin den vierten Rang (Vorjahr: drei), München Platz sieben (Vorjahr: fünf), Frankfurt Position neun (Vorjahr: sieben) und Hamburg Rang elf (Vorjahr: acht). Auch wenn diese Städte im Vergleich der Investitions- und Entwicklungsaussichten noch immer recht weit vorne rangieren, haben die insgesamt düsteren wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland im Jahr 2024 haben der Stimmung für diese Metropolen, die vor nicht allzu langer Zeit noch als sichere Häfen für Kapital galten, einen Dämpfer verpasst. 

Die Meinungen darüber, was nötig ist, um die Marktaktivität wieder anzukurbeln, gehen auseinander: Eine Stabilisierung der Finanzierungsbedingungen, eine leichte Erholung der Konjunktur und ein Rückgang der Zinssätze, um das Gleichgewicht bei den Renditen wiederherzustellen, gehören zu diesen Szenarien. Ebenfalls wurde eine anstehende Refinanzierungswelle hervorgehoben, die zusätzlichen Eigen- und Fremdkapitalbedarf erzeugen wird, um Schieflagen zu vermeiden", heißt es in dem Report.

Offene Immobilienfonds schwächeln leicht

Dabei tun sich nicht nur institutionelle Investoren mit den Immobilienmärkten schwer. Offene Immobilien-Publikumsfonds verzeichneten im August laut der Beratungsgesellschaft Barkow Consulting erstmals seit über fünf Jahren wieder Mittelabflüsse. Zwar sind diese mit 40 Millionen Euro kaum signifikant. Dennoch halten die Experten dies für einen "bemerkenswerten Datenpunkt, da seit der Zinswende der Trend zu geringeren Mittelzuflüssen deutlich erkennbar ist".

Auch vor dem Hintergrund zahlreicher Insolvenzen von Immobilienentwicklern müsse daher genau beobachtet werden, ob es sich lediglich um eine einmalige saisonale Schwäche im August oder um den Beginn eines anhaltenden Trends handelt. Zu den betroffenen Unternehmen gehören unter anderem die Gerch Group, Development Partner, die Project-Gruppe sowie Euroboden. 

Immobilienentwickler in der Krise

Gerch hatte beispielsweise Ende August ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Als Begründung für die Schieflage gab die Gesellschaft externe Faktoren an. Aufgrund des Ukraine-Kriegs, der hohen Inflation und des weitgehend zusammengebrochenen Transaktionsmarkts stecke die gesamte Bau- und Projektentwicklerbranche in Schwierigkeiten, berichtete seinerzeit unter anderem der Fernsehsender "ARD". 

Doch laut Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI Deutschland, Österreich und Schweiz gibt es auch Hoffnungsschimmer für die Branche: 

Die mittelfristigen Aussichten für Immobilien werden deutlich positiver, wenn man davon ausgeht, dass sich die Zinssätze bis dahin stabilisiert haben und die wirtschaftliche Unsicherheit weitgehend verschwunden sein wird. Im Hinblick auf die fortschreitende Urbanisierung, die technologischen und demografischen Megatrends sowie die zunehmende Konzentration von Nutzern und Investoren auf Gesundheit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit liegt eine riesige Chance für die Immobilienwirtschaft vor uns."

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